In der Wahrnehmung vieler war das Jahr 2020 kühler und feuchter als 2019. Das lag an dem regnerischen Herbst und dem vergleichsweise nicht so heißen Sommer. Doch in der Bilanz war auch das vergangene Jahr zu warm und zu trocken. Für Dresden besteht besonders die Gefahr von Hochwasser, teilt die Stadt in einer Pressemitteilung mit.
Nach 2018 und 2019 war das Jahr 2020 für Dresden das drittwärmste Jahr seit 1961, berichtet das Dresdner Umweltamt. Mit 11,03 Grad Celsius habe die Jahresmittel-Temperatur an der Station Dresden-Klotzsche zum dritten Mal in Folge die 11-Grad-Marke überstiegen und den Klimareferenzwert 1961 bis 1990 um 2,1 Grad.
„Die zurückliegende Dekade 2011 bis 2020 war so warm wie nie“, stellt Franziska Reinfried, Meteorologin im Dresdner Umweltamt fest. Weiter erklärt sie: „Fünf der wärmsten Jahre lagen in dieser Periode. Das Zehnjahresmittel liegt 1,5 Grad über dem Klimareferenzwert 1961 bis 1990. Damit ist das 1,5-Grad-Ziel, auf die die Erderwärmung laut Pariser Abkommen von 2015 beschränkt bleiben sollte, in Dresden schon erreicht.“
Kälte und Frost fehlen vor allem den Pflanzen
Alle Monate im vergangenen Jahr waren erheblich zu warm – die einzige Ausnahme stellt der Mai dar. In den Monaten Januar, Februar, April und August überstiegen die Monatsmittel-Temperaturen den langjährigen Vergleichswert um drei bis über fünf Grad.
Es fehlte besonders am Frist. 2020 wurde die geringste Anzahl an Eistagen (Tage, an denen die Tagesmaximum-Temperatur unter dem Gefrierpunkt bleibt) seit 1961 gemessen. Es gab nur einen einzigen Eistag, den 25. Januar 2020. An diesem kältesten Tag im letzten Jahr betrug die Tagesmaximum-Temperatur – 0,6 Grad Celsius.
Im Zeitraum 1961 bis 1990 traten durchschnittlich 27 solcher Eistage auf. Auch die Anzahl der Frosttage (Tage, an denen die Tagesminimum-Temperatur unter 0 Grad fällt) lag 2020 mit 50 deutlich unter dem Klimamittelwert von 81 Frosttagen. Die fehlende Kälte kann sich negativ auf die Pflanzenwelt auswirken. Pflanzenarten, die an die kalte Jahreszeit angepasst sind, benötigen eine durchaus frostige Winterruhe. Bei zu milden Temperaturen bestehe die Gefahr eines zu frühen Austriebs. Bei Spätfrosten können Blüten oder Fruchtansätze abfrieren.
Der Sommer 2020 war nicht so heiß wie in den beiden Vorjahren, aber es gab eine deutlich spürbare Hitzewelle im August. Zwischen dem 7. und 21. August 2020 stiegen die Tageshöchsttemperaturen fast täglich über 30 Grad Celsius. Der heißeste Tag 2020 war der 9. August mit einer Maximum-Temperatur von 34,4 Grad Celsius, gemessen an der Station Dresden-Klotzsche.
Außergewöhnlich viel Regen im Februar, August und Oktober
Die seit 2017 feststellbare Trockenheit dauerte auch 2020 an. Über die vergangenen drei Jahre (November 2017 bis Oktober 2020) hat sich ein Niederschlagsdefizit von 480 Millimetern auf den Quadratmeter aufgebaut. Das entspricht etwa zwei Drittel eines durchschnittlichen Jahresniederschlages.
Das Jahr 2020 allein betrachtet, fiel die Bilanz etwas positiver aus: Während in den beiden Vorjahren nur 63 bzw. 75 Prozent der durchschnittlichen Niederschlagsmenge gemessen wurden, erreichte die Regensumme im Jahr 2020 mit 536 Millimeter immerhin 80 Prozent des Klimareferenzwertes.
Immer wieder blockierten Wetterlagen über Mitteleuropa den Durchzug regenbringender Tiefdruckgebiete. Dadurch ergaben sich erhebliche Niederschlagsdefizite im Januar (- 62 Prozent), April (- 96 Prozent), Juli (- 75 Prozent), November (- 88 Prozent) und Dezember (- 64 Prozent). 2020 verzeichnete Dresden den bisher trockensten Frühling seit 1961.
In den meisten Dresdner Bachläufen war über das Frühjahr und den Sommer kein Tropfen Wasser mehr zu sehen.
Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 30 niederschlagsfreie Tage mehr im Vergleich zur Klimareferenzperiode 1961 bis 1990. Trotz dieser geringeren Anzahl an Niederschlagstagen regnete es außergewöhnlich hohe Mengen im Februar (+ 127 Prozent), August (+ 57 Prozent) und Oktober (+ 131 Prozent).
Jetstream wird langsamer
Diese extremen Unterschiede von Defiziten und Überschüssen in Folge beständiger Wetterlagen treten seit einigen Jahren immer häufiger auf. Sie stehen im engen Zusammenhang mit der Erwärmung der Arktis und der damit verbundenen Ausprägung des Jetstreams. Der Jetstream, ein wellenförmiges Starkwindband über den mittleren Breiten, ist wetterbestimmend für Mitteleuropa.
Durch dieses Starkwindband werden die Hoch- und Tiefdrucksysteme in einer Westströmung über unsere Breiten hinweggeführt. Antrieb für den Jetstream ist der Temperaturunterschied zwischen Arktis und Äquator. Durch die stark ansteigenden Temperaturen in der Arktis verringert sich dieser Temperaturunterschied und damit der Energie-Input für den Jet. Er wird langsamer. Daher dehnen sich die Wellen des Starkwindbandes stärker nach Norden und Süden aus. Sie bleiben länger stabil. Wir spüren dies durch anhaltende, beständige Witterungsabschnitte.
Bodenwasser bis in tiefe Schichten ausgeschöpft
Besonders deutlich wurden diese Bedingungen in den letzten drei Jahren. Geringe Niederschlagssummen, durchgängig hohe Temperaturen und intensive Sonnenstrahlung sorgten für Wassermangel. Bei hohen Temperaturen und viel Sonnenschein herrscht eine hohe potentielle Verdunstung. Das bedeutet, es besteht ein großes Sättigungsdefizit in der Atmosphäre. Die Atmosphäre ist bestrebt, dieses Defizit auszugleichen, wird in der Pressemitteilung des Umweltamtes erklärt.
Demzufolge werde das Wasser aus dem Boden gesaugt. Aufgrund des Niederschlagsdefizits in den letzten Monaten wurde das Bodenwassers bis in tiefe Schichten ausgeschöpft. Hinzu komme, dass durch den Wassermangel kaum tatsächliche Verdunstung stattfinden kann und es somit an Verdunstungskühle fehle. Wo kein Wasser, da keine Verdunstung. Somit erwärmt sich die bodennahe Luft zusätzlich, da über den fehlenden Verdunstungsprozess keine Energie der Atmosphäre entzogen wird.
Neue Werte beinhalten den Klimawandel
Mit Vollendung des Jahres 2020 steht nun die neue Klimareferenzperiode von 1991 bis 2020 zur Verfügung. Klimatologische Kenngrößen – also die Klimadaten eines Ortes, einer Region oder global – werden nach den Vorgaben der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) über einen solchen 30-Jahreszeitraum bestimmt. Diese Klimawerte dienen als Referenz. Sie werden vor allem für Temperatur, Niederschlag, Sonnenscheindauer, aber auch Eis-, Frost-, Sommertage und heiße Tage berechnet. Anhand dieser Mittelwerte können z. B. aktuelle Witterungsereignisse in Bezug gesetzt, Abweichungen oder Anomalien bestimmt werden.
Die Verschiebung des aktuellen Klimareferenzwertes 1961 bis 1990 zur neuen Referenzperiode 1991 bis 2020 wird sich in den Auswertungen deutlich zeigen. Monats- oder Jahreswerte, die bisher als erheblich oder extrem zu warm eingestuft wurden, werden im Vergleich zum neuen Klimamittel 1991 bis 2020 als eher „normal“ gewertet. Denn die stärkste und auch schnellste Erwärmung fand genau in der Zeit seit den 1990er Jahren bis heute statt.
So liegt das Klimamittel der Lufttemperatur für den Zeitraum 1991 bis 2020 bei 9,8 Grad Celsius, also 0,9 Grad über dem bisherigen Referenzwert 1961 bis 1990. Die Jahresniederschlagssumme hat gegenüber der Periode 1961 bis 1990 um fünf Prozent abgenommen. Die Sonne schien im Durchschnitt des Zeitraums 1991 bis 2020 14 Prozent länger im Vergleich zur bisherigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Die neuen Klimamittelwerte beinhalten faktisch den Klimawandel.
Wetter wird sich durch Extreme auszeichnen
Werden die zukünftigen Monatsmittelwerte in Bezug zu der neuen Referenzperiode gesetzt, wird es häufiger durchschnittliche und möglicherweise auch häufiger zu kühle Monate geben. Dies bedeutet aber nicht, dass der Klimawandel aufgehört hat.
Vielmehr muss man sich verdeutlichen, dass die Bedingungen der letzten Jahre zukünftig für uns „normal“ sein werden: höhere Temperaturen, Hitzeperioden, Trockenheit, intensivere Starkniederschläge gehören zur Regel. Doch dabei wird es nicht bleiben. Denn die Klimaerwärmung verläuft nach wie vor ungebremst weiter. So werden sich die benannten Witterungsextreme weiter verschärfen – mit dramatischen Folgen für Flora, Fauna, die menschliche Gesundheit und das gesellschaftliche Leben.
Da die Erderwärmung in einer Geschwindigkeit erfolgt, die bisher in der Erdgeschichte unbekannt ist, haben Pflanzen, Tiere und auch der Mensch kaum eine Chance, sich auf natürlichem Wege an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. So müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Auswirkungen der Klimawandelfolgen abmildern.
Jede*r kann etwas tun
Für Dresden bestehen vor allem die Gefahren vor Hochwasser und lokaler Überflutungen durch Starkregenereignisse sowie zunehmende Gesundheitsbelastung durch Hitze, Verbreitung neuer Krankheitserreger und Allergene. Eine recht wirkungsvolle Maßnahme zur Abmilderung dieser Gefahren sind beispielsweise Grünflächen in der Stadt. Sie dienen u. a. als Rückhalteflächen bei Starkniederschlägen und sind für ihre klimaregulierende Wirkung und CO2-Bindung von hoher Bedeutung. Welche Maßnahmen noch getroffen werden können, um die Stadt widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu machen, sind der städtischen Planungshinweiskarte Stadtklima im Themenstadtplan unter stadtplan.dresden.de zu entnehmen.
Viel wichtiger ist es jedoch, die Ursachen der Klimaveränderung zu bekämpfen, d. h. die Klimaerwärmung zu stoppen. Denn auch die Anpassungsmaßnahmen werden ihre Grenzen haben, insbesondere, wenn die Erderwärmung über 1,5-Grad hinausgehen wird. Jede*r kann und sollte seinen Beitrag leisten. Öfter das Auto stehen lassen, den Fleischkonsum reduzieren, das Kauf- und Konsumverhalten überdenken, regionale Produkte bevorzugen – jede*r kann sein Verhalten überdenken und verändern. Das neue Jahr ist noch jung.
Weitere Informationen
- www.stadtplan.dresden.de