In der Johannstadt knackt der Frost. Noch bis nächste Woche wird es so bleiben. Ein Spaziergang mit einem Blick auf die poetischen Seiten der Kälte.
Noch bevor ich die Haustür geöffnet habe, wird mein Atem weißer Dampf. Im Hausflur ist das Wasser in den Blumenuntersetzern gefroren. Draußen ist die Welt wie wattiert mit Glaswolle. Der Schnee quietscht und knirscht unter den Füßen und ehe man aua sagen kann, sind die Fingerspitzen schon erfroren. Krähen hacken auf dem Gehweg nach Essbarem. Ihre Konturen, so klar wie die Luft, wirken wie Scherenschnitte.
Die Sonne steigt über die Johannstadt. Ein milchiges Auge, gebadet in frostigem Pastell wie auf einem Gemälde von Caspar David Friedrich. Der Schnee stäubt um die Knöchel. Bekannte Wege sind unter ihm verschwunden, dafür haben sich neue ergeben. Kreuz und quer laufen die Loipen über ehemalige Wiesen, Fußwege und Straßen. Die weiße Pracht hat sich wie eine Decke über alles gelegt. Still ist es, und hell. Und alles läuft ganz langsam, wie gedämpft.
Der Oberfläche der Elbe entsteigen Nebel, als presse die eisige Luft ihr die letzte Wärme aus. Das Wasser fließt träge, wie ölig in dieser erstarrten Zeit. Es trägt ein Schiff wie eine Geistererscheinung – schon ist es im Nebel verschwunden.
Am Ufer haben sich an Halmen und Stielen die Wellen in Eis übereinander gelegt und bizarre Figuren geformt. Mandarinenten, elegant wie Origami- Boote, gleiten zwischen ertrunkenen Sträuchern. Im Dickicht plustert sich eine Drossel. Ein Federknäuel, aus dem empört ein Schnabel ragt.
Die feinen Härchen in der Nase gefrieren und das Haar, das aus der Mütze lugt, wird weiß, als hätte Väterchen Frost es angehaucht. An Zweigen wachsen Kristalle wie der feine Pelz auf dem Geweih des Damwilds. Wenn Schnee warm wäre – wie kuschelig wäre jetzt die Stadt!
Von den Elbhängen auf der Neustädter Seite klingt noch nach Einbruch der Dämmerung Juchzen und Jubeln. “Bahne frei, Kartoffelbrei!” lautet der Ruf der Stunde. Über den breiten Hang sausen die Schlitten und Rutscher wie auf einer chaotischen Murmelbahn in Richtung Tal. Die Wangen der Kinder glänzen wie polierte Äpfel. Nach der Abfahrt klopft das Herz, wie es nur nach einer unerwarteten Sprungschanze klopfen kann.
Im Lokomotiven-Rhythmus dampfen die Ski-Läufer*innen vorbei. Für diesen vergnüglichen Lauf brauchte es keinen am Elbufer aufgeschütteten Schnee … Und es wird kälter, kälter. Die Waldschlößchenbrücke sieht aus, als wollte sie bei einem leisen Schlag zerspringen. Mit spitzem Finger findet der Frost jede noch so kleine Lücke in der Garderobe und beißt fest zu.
Ach, es ist schön, draußen zu wandern. Weil man weiß, dass es ein Drinnen gibt.