Eine engagierte Frau hat den Bewohner*innen der Seniorenresidenz “Elbflorenz” an der Fiedlerstraße mit Ausdauer und Vehemenz im wahrsten Sinne des Wortes den Weg geebnet. Sie verlieh dem wichtigen Anliegen, den Gehweg vor dem Gebäude zu erneuern, immer wieder Nachdruck. Die Geschichte einer Alltagsheldin, die jegliche Lorbeeren ablehnt.
“Nein, nein”, sagt W. “Das habe ich nicht für mich gemacht, sondern für das Wohnheim.” Kein Bild soll von ihr erscheinen, auch der Name nicht. Sie winkt ab. Es ging ihr um die Sache – und die ist nun endlich getan.
Ein kleiner Schritt …
Der Gehweg vor der Seniorenresidenz “Elbflorenz” an der Fiedlerstraße war zerklüftet. Eine zerlöcherte Holperstrecke. Für junge Hüpfer kein Problem, für alte Hasen ein gewaltiges. “Ich bin noch sehr gut zu Fuß”, sagt W. und springt zum Beweis ein paar Mal auf der Stelle, dass der Haarzopf wippt. Aber andere Bewohner*innen des Hauses müssen die Strecke zum benachbarten Einkaufsmarkt mit Gehhilfen, Rollstühlen und Rollatoren bewältigen. Kleine Dellen werden so zu unüberwindbaren Hindernissen – dabei ist der Einkauf für viele ein Höhepunkt im Alltag und ein Akt der Autonomie.
Von der Beschwerlichkeit überzeugte sich im Februar 2019 Stadtrat Hendrik Stalmann-Fischer, als er nach einer Gesprächsrunde zum Thema Gehwege im Seniorenheim Menschen mit Rollstuhl bis zum beliebten Ausflugsziel Netto begleitete. Und siehe da, zwei Tage später beschloss der Stadtrat Baumaßnahmen an der Fiedlerstraße. Die Hoffnung grünte.
Auf der Warteliste
Das Thema Gehwege hing an der großen Glocke. Dennoch sollte es zwei Jahre dauern, bis die Baufahrzeuge endlich anrückten. W. breitet Zeitungsartikel aus – die Chronik eines langen Wartens. Denn die beschlossenen zwei Millionen reichte bei weitem nicht für alle maroden Fußwege in Dresden. Die Liste ist lang. Und während in anderen Stadtteilen Wege geebnet wurden, harrte man an der Fiedlerstraße, endlich an der Reihe zu sein. W. ließ nicht locker. Sie wandte sich an die Heimleitung.
In alle Himmelsrichtungen gehen
Das Engagement der damaligen Heimleiterin Bärbel Mideksa sei lobenswert gewesen, sagt sie. Und dringend nötig. Menschen stürzten, der Erste-Hilfe-Kasten wurde griffbereit neben die Tür gehängt. Im September 2019 versprach die Straßeninspektion, sich der Gefahrenstelle zu widmen.
Gelb und pink sind die Sätze im Zeitungsartikel unterstrichen. Am Rand prangen Fragezeichen und säuberliche Notizen. Die Stadt hatte die Summe zur Sanierung der Gehwege mittlerweile verdoppelt – dann hakte es beim Personal.
Die berüchtigte “Senioren-Sturzfalle” blieb, wie sie war. Und W. suchte Wege. Jeden Tag ist sie im Viertel unterwegs. Zu Fuß: “Bei jedem Wetter – ob Schnee oder Gewitter. Ich habe Interesse an der Umgebung und kann in alle Himmelsrichtungen gehen.” Als Bauingenieurin lugt sie auf Baustellen über die Schulter und “hält einen Schwatz mit den Kollegen.” Als sie vor sechs Jahren in die Seniorenresidenz zog, ging es ihr zu schlecht um sich zu engagieren. Als sie wieder auf dem Damm war, nahm sie die kaputten Fußwege persönlich. “Seit 2019 belästige ich die Leute”, sagt sie schmunzelnd. “Das Thema ist 16 Jahre alt!”
Anlaufstelle Stadtteilverein Johannstadt
Auf einem ihrer Spaziergänge stieß sie auf den Stadtteilladen an der Pfotenhauerstraße und brachte ihr Anliegen vor. Sie bat um Unterstützung und bekam sie von NaJo-Mitarbeiterin Esther Heinke. Diese wandte sich an das Stadtplanungsamt und das Quartiersmanagement, um endlich Bewegung in die scheinbar vergessene Debatte zu bringen. Daraufhin kam die Rückmeldung von Stadtbezirksamtsleiter André Barth: Das Anliegen komme auf den Tisch.
Endlich war es so weit! Im April 2021 fuhren die Bagger an. Noch immer war W. aufgeregt: Würde auch das wichtige Stück Gehweg zwischen Seniorenheim und Netto mit angepackt? Ihre Sorgen waren unbegründet. Nun deckt glatter Asphalt die Strecke bis an die Lortzingstraße heran. Beim Stadtteilverein ging kürzlich ein Schreiben von Residenz-Leiterin Silke Zühlsdorf ein. Ein großer Dank, stellvertretend für alle Bewohner*innen. “Sie haben auf diesem Wege einen maßgeblichen Teil dazu beigetragen, die Lebensqualität für betagte Menschen im Stadtteil zu verbessern.”
Nun, ein Name soll, aber will in dieser Geschichte nicht genannt werden: W., die mit wohlwollender Hartnäckigkeit über viele Jahre für einen glatten Gehweg appellierte und über diesen straffen Schrittes täglich der Seniorenresidenz für eine Stunde Erkundungen den Rücken kehrt.
Haben auch Sie ein Anliegen?
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