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Dankbar sein – Ein syrischer Journalist erzählt
eingestellt am 29.05.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Eine Zeichnung von der Tochter des Autors. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin.
Tala und Aida gehen in dieselbe Klasse am Bertold-Brecht-Gymnasium in der Johannstadt und haben sich mit einem Video am Filmwettbewerb “Take17” beteiligt. Ihr Beitrag könnte unter dem Motto “Unverhofft kommt oft” stehen. Mit einem Platz auf dem Siegertreppchen rechnen die Mädchen nicht. Gewinnerinnen sind sie schon.
Der Weisser Ring e.V. hat ein Ladenlokal an der Ecke Hertel-/Burkhardtstraße in der Johannstadt bezogen. Jane Müller und Lucia Groß leiten das Landesbüro, von dem aus Beratungen in ganz Sachsen koordiniert werden. Die Frauen schätzen den neuen Standort. Große Schaufenster weiß getönt: Die Arbeit des Weissen Ring basiert auf der richtigen Balance aus Transparenz und Unsichtbarkeit.
“Unser Standort kann nicht in der Peripherie der Stadt liegen”, sagt Lucia Groß im Telefoninterview. Zentral und leicht zugänglich sollte das Büro des Landesverbandes des Weisser Ring e.V. gelegen sein. Der Verein engagiert sich für Menschen, die unverschuldet Opfer von Gewalt geworden sind. Ein Thema, das einen festen Platz in der Gesellschaft hat und dennoch häufig mit Tabus belegt ist.
Seit Oktober ist der Verein im Viertel ansässig. Vorher, erzählt Lucia Groß, teilte man sich gemeinsam mit dem DRK einen Standort an der Bremer Straße. “Wir sind jetzt besser sichtbar”, freut sie sich. “Zentral gelegen, gut mit dem ÖPNV zu erreichen und mit Laufpublikum auf Augenhöhe.” Sie sei zudem glücklich, in einem Stadtteil tätig zu sein, der sich durch ein weitgefächertes bürgerliches Engagement auszeichne.
Umfänglich gestartet ist die Arbeit des Weisser Ring e.V. durch Verzögerungen bei den Bauarbeiten erst im Januar. Seit kurzem sind die großen Glasscheiben milchweiß beklebt. Ein wichtiger Schritt für Hilfesuchende, die sich im Inneren bei Beratungen jetzt unbeobachtet und sicher fühlen können. “Es ist weit verbreitet, dass Opfer von Gewalt oder Missbrauch ihrerseits eine große Scham empfinden”, sagt Lucia Groß. Die Möglichkeit der Anonymität gibt Geborgenheit. “Viele wählen auch bewusst den Weissen Ring aus, weil er nicht staatlich, sondern privat ist”, berichtet Groß.
Der Weisser Ring e.V. mit Sitz in Mainz arbeitet deutschlandweit und ist eng mit Rechtsanwälten, Gerichten und Beratungsstellen vernetzt. “Der Hauptteil unserer Arbeit basiert auf dem Ehrenamt”, sagt Lucia Groß. Ehrenämtler*innen stehen Hilfesuchenden zur Verfügung: Beratend und begleitend auf Behörden- und Ämtergänge.
Aufgrund der Coronakrise können momentan nur eingeschränkt Beratungen stattfinden. Die “große Welle” an Hilfegesuchen erwartet die Mitarbeiter*innen des Weisser Ring e.V. nach weiteren Lockerungen der Einschränkungen, schätzt Lucia Groß.
Die Ausnahmesituation ziehe private Konflikte nach sich. “Die Nerven liegen blank”, bestätigt sie. “Und viele Probleme, die sich in der Alltagsroutine verdrängen ließen, kommen jetzt zutage.” Die Mitarbeiter*innen des Weisse Ring e.V. leisten auch während der Krise Beistand.
“Den Menschen hilft auch schon, wenn man zuhört”, berichtet Groß aus Erfahrung. “Manchmal fehlt auch nur eine Bekräftigung, ein Satz wie: ‘Sie müssen jetzt zur Polizei gehen. Jetzt!’, damit sich der Knoten löst.” In weniger schwerwiegenden Konstellationen geben die Berater*innen Mut und Strategien zum Aushalten des Konflikts.
“Jeder soll zu seinem Recht kommen”, sagt Lucia Groß. Oftmals ist die Furcht vor Kosten ein gewichtiger Hemmschuh für Gewaltopfer. Der Verein kommt für anwaltliche Erstberatungen, aber auch für weitere anfallende Kosten auf. Das betrifft z.B. die Kompensation von Verdienstausfällen nach zugefügten Verletzungen oder die Kosten für die in die Brüche gegangene Brille gemäß dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Grundlegend wichtig bei der Beratung sei das Gefühl der Akzeptanz und des Aufgehobenseins. Vielen Klienten sei bereits ein großes Stück geholfen, wenn sie erfahren, dass sie mit ihren verletzenden Erlebnissen nicht allein sind. Und dass sie nicht erdulden müssen, was vorgefallen ist oder geschieht, so Lucia Groß.
Neben den materiellen Einbußen steht der Verein bei der Bewältigung psychischer Schäden zur Seite. Wohnungseinbrüche, Disko-Schlägereien, Überfälle, Mobbing in der Schule oder im Internet hinterlassen Verletzungen, die heilen müssen. Gefühle der Ohnmacht, der Angst, des Kontrollverlustes brauchen (therapeutische) Angebote, um die Geschädigten wieder lebens-mutig zu machen.
“Manchmal ist es ein Selbstverteidigungskurs, der gut tut. Manchmal muss es ein Psychologe sein”, weiß Lucia Groß. Auf diesen Wegen begleitet der Weisser Ring e.V. “Unsere Kollegen nehmen die Menschen ‘Huckepack'”, sagt die Leiterin.
Ein neues, weites Feld sei der Bereich des Mobbings und der Verbrechen im Internet. Identitätsdiebstahl ist ebenso ein Akt der Gewalt wie das unberechtigte Teilen eines intimen Fotos. “Die Polizei hat da wirklich aufgeholt in den letzten Jahren”, spricht sich Luca Groß lobend aus. Das Thema werde auch von Berater*innen an Schulen immer mehr aufgegriffen. Aufklärung ist nötig – und das Wissen, dass es sich um Taten handelt, die Mitmenschen immensen Schaden zufügen können.
Ab Montag, den 20. April, ist es in Sachsen Pflicht, im ÖPNV und im Einzelhandel einen Mundschutz zu tragen. Wie die Stadt in einer Pressemitteilung ankündigt, werden morgen ab 11 Uhr an der Goldenen Pforte des Rathauses Masken an Menschen ausgegeben, die keinen Mundschutz erwerben oder selbst herstellen können.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert: „Die Bundesregierung hat das Tragen von Schutzmasken dringend empfohlen. Dass der Freistaat Sachsen dieser Empfehlung folgt und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtend festlegt, ist eine sehr gute und mutige Entscheidung. Wenn wir weitere Lockerung der Schutzmaßnahmen wünschen, müssen wir das akzeptieren. Weniger Infektionszahlen können nur so gelingen.”
Dirk Hilbert weiter: “An dieser Stelle auch einen herzlichen Dank an die kleinen und großen Initiativen, die Theaterschneidereien, die regionalen Unternehmen und natürlich die vielen Dresdnerinnen und Dresdner, die schon seit Wochen tausende Masken geschneidert haben für unser Klinik- und Pflegepersonal, für die Feuerwehr, die Familie, Nachbarn und Freunde. So schaffen wir das gemeinsam.“
Das Gesundheitsamt hat einen Handzettel zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung erarbeitet. Er steht im Internet zum Lesen und Downloaden zur Verfügung: www.dresden.de/media/pdf/gesundheit/HYG/Corona_Handzettel_MNB.pdf
Das Amt für Wirtschaftsförderung hat für unter www.dresden.de/wirtschaftsservice eine Übersicht lokaler Produzenten von Gesichtsmasken und Schutzkleidung veröffentlicht. Amtsleiter Dr. Robert Franke: „In Folge der aktuellen Coronavirus-Pandemie stellen bereits einige Dresdner Unternehmen Gesichtsmasken und weitere Schutzkleidung in größeren Stückzahlen her. Unsere Auflistung richtet sich an Unternehmern, die Gesichtsmasken oder Schutzkleidung in größeren Stückzahlen suchen.“
Dabei erhebt die Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit: „Wenn Sie selber Masken herstellen oder gerade Ihre Produktion umstellen, melden Sie sich bitte und wir nehmen Ihr Angebot mit auf“, appelliert Franke an die Hersteller.
Da ging es vorbei, das erste und hoffentlich einzige “CorOstern” in der Johannstadt. Leere Plätze, volle Balkone, gehamsterte Hühnereier, gemeinsam gesungene Lieder, sorgsam überwachte Elbspaziergänge im Abendrot und endlose Sonnenstunden später ist klar: Ein Fest während Corona ist anders, aber niemals sinnlos.
Wie lange die freie Tage vergangen scheinen, obwohl sie doch erst kurz zurück liegen. Als hätte man all das Licht und die Stunden der Muße nur geträumt. Wie hat nochmal alles angefangen? Sicherlich mit der Annahme, Ostern falle trotz guten Wetters dieses Jahr ins Wasser. Reisen und Verwandtenbesuche adé – wohl dem, der ein Gartenhäuschen oder einen Hobbykeller hat.
Gründonnerstag: Vor den Kaufhallen sind die Einkaufswagenspender leer, in den Gängen wird gedrängelt: Es geht nunmehr nicht mehr nur um Klopapier, sondern um die letzten Gründonnerstagseier.
Zwischen ruppig und feiertagsmilde eingestellt, steuern die Konsument*innen ihre Wägelchen durch feine Nebel von Desinfektionsspray aneinander vorbei. War es ein Wunsch oder ein Fluch der da in den Mundschutz genuschelt wurde? Gehen wir optimistischerweise mal davon aus, dass Gutes durchkommt und Schlechtes hängenbleibt …
In den Innenhöfen galoppieren die Kinderherden. Die Tulpen schütteln ihre Köpfe über die Junihitze und aus geöffneten Fenstern duftet es nach Braten und Hefezöpfen. Weniger vom Eise, als von Dampfschiffen und Picknickgruppen befreit sind Strom und Bäche.
Wie in Goethes Osterspaziergang dringt aus dem hohlen, finstern Tor der Stadt ein buntes Gewimmel hervor – in brav sortierten Zweiergrüppchen. Selbst die Autos auf der Waldschlösschenbrücke halten Abstand und überlassen die Geräuschkulisse dem geflügelten Chor der Frühjahrssänger.
Das Leben verläuft derzeit ohnehin in kleinsten Kreisen – ist in diesen noch Feiertagsstimmung zu finden? Wie begeht man ein Familienfest nach wochenlangem Stubenhocken aufeinander – oder ganz allein? Das Repertoire an lesen, sitzen, Kleinigkeiten erledigen, Filme schauen, basteln, joggen scheint ausgereizt. Und die Sonne kennt kein Erbarmen. Sie scheint.
Woher sinkt sie dann doch, die feierliche Stimmung? Das Gefühl, dass alle die Zeit mehr genießen als sonst? Die Ausgelassenheit, die als Lachen von den Balkonen klingt? Die Ruhe, die stundenweise stecknadelempfindlich über den Dächern liegt?
Urlaub ist Langeweile haben, ohne sie zu empfinden. Herumgammeln, Löcher starren, dösen. Die Hitze drückt auf die Augenlider, Tages- und Uhrzeiten verschwimmen. Das Frühstück geht in den Aperitiv über. Welcher Wochentag heute ist, wusste man schon gestern nicht mehr. Keine Tageszeitung, nur Gespräche. Keine Horoskope, nur Sterne. Keine Moderatoren, nur Wetter. Und dazwischen ein Eis von Keyl.
Am Karfreitag stehe ich um 15 Uhr barfuß auf der Wiese, schaue mit zusammen gekniffenen Augen hinauf in den stahlblauen Himmel, ebenso wie ihrerzeit meine Urgroßmutter auf dem Balkon der Villa in der Oberlausitz, und warte darauf, dass “zur Todesstunde unseres Herrn Jesus” eine Wolke die Sonne verfinstert.
Ich warte ebenso erfolglos wie sie. Nicht einmal ein hauchzarter Daunenfetzen segelt vorüber. Das Läuten der Kirchenglocken zur Scheidestunde bestätigt, dass sich der Himmel mit seinem kaiserlichen Aufputz wieder einmal vertan hat. Gut zu wissen, dass sich manche Dinge nie ändern. Traditionen bedürfen nicht unbedingt eines Zeremonienmeisters, Nähe keines Sichtkontakts, gute Gesellschaft keiner Gespräche.
Mein Telefon piepst und zeigt mir das Ostern meiner Heimat: Die Großmutter beim spazieren unter weißen Spierensträuchern, die Mutter behangen mit geschenkten Blusen im Garten, der Vater mit einem seiner Werke in der Tür des Ateliers. Alle sind jeweils an ihrem Platz. Das ist schön und traurig zugleich, denn ich bin nicht dort. Aprilwetter im Herzen.
Am Abend ertönt aus der hintersten Ecke des Innenhofes ein Balkonkonzert: Er gehört zu mir, ich war noch niemals in New York, kein schöner Land … Wie ein Echo setzt sich der Applaus fort und lockt weitere Heimkünstler*innen auf den Balkon. Der musikalische Dominoeffekt reicht noch bis weit in die Nacht, als hinter angekippten Fenstern ausgelassene Rio-Reiser-Röhren zu vernehmen sind. Auch die sind einen Applaus wert.
Am Ostermontag regnet es das Osterwasser, das meine Familie und ich dieses Jahr nicht zusammen schöpfen konnten. Es rinnt mir am Kinn entlang, aber nicht aus dem Mund, sondern aus den Augenwinkeln. Hach, diese dunklen Wolken – das hätte meiner Urgroßmutter am Karfreitag wohlgetan. So weht der Ostermontag die nötige Melancholie über die Flure und rät nach dem Auferstehen zum Wiederhinlegen.
Mit geschlossenen Augen fliege ich auf Besuch zu allen Liebsten, wie der Junge Krabat in der sorbischen Sage. An dunklen Tagen kann man über den Himmel schimpfen – oder die grauen Fenster putzen zu guter Musik.
Es könnte weitergehen mit Osterdienstag und Ostermittwoch. “Alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit”, sagt Nietzsche. “Im Tale grünet Hoffnungsglück”, antwortet Goethe österlich.
Hinweis der Redaktion: Der im Rahmen des Projektes „Online-Stadtteilmagazin“ erschienene Beitrag wurde nicht von der Landeshauptstadt Dresden bzw. dem Quartiersmanagement erstellt und gibt auch nicht die Meinung der Landeshauptstadt Dresden oder des Quartiersmanagements wieder. Für den Inhalt des Beitrags ist der/die Autor*in verantwortlich.