Der Autor Erhart Neubert lebt in der Johannstadt. Von seiner Wohnung aus betrachtet er das Treiben im Viertel. Seien es der Aufbau der Trinitatiskirche oder das Spielen der Kinder im Hof – der ehemalige Bergmann und Ingenieur betrachtet es mit Tiefgang und Freundlichkeit.
Vor etwa zehn Jahren hörte ich im Rahmen einer Veranstaltung des Sächsischen Heimatvereins einen Vortrag über das Thema “Heimat”, welcher mich zum Nachdenken über meine verschiedenen “Heimaten” anregte.
Heimat Erde
Ist meine Heimat dort, wo ich geboren bin? Wo ich meine Kindheit und Jugend erlebt habe? Wo ich das erste Mal ein Mädchen küsste? Oder war es nicht sie, die mich küsste?
Ist meine Heimat vielleicht auch ein bisschen Zwickau, wo ich lustige Studentenjahre absolvierte? Ist unsere Heimat nicht gar das ganze schöne Sachsenland, welches wir über Jahrzehnte erwandert haben?
Ist Heimat nicht auch unsere wunderschöne Erde, die mehr und mehr in Gefahr gerät, nicht mehr die Heimstatt für Menschen, Tiere und Pflanzen zu sein, die sie war?
Auferstehung der Johannstadt
Seit über fünf Jahrzehnten wohnen wir in Johannstadt. Als wir Mitte 1969 das erste Mal zur Baustelle, heute Gerokstraße 40, fuhren, gab es dort. wo jetzt das Güntz-Areal steht, sogar noch Ruinenreste. Aber vor allem in Richtung Süden und Norden weite Flächen, auf denen nur Unkraut wucherte.
Jahr für Jahr haben wir die Auferstehung der Johannstadt erlebt und genießen unsere Johannstadt jeden Tag aus Neue. Wir genießen es, durch unsere Heimat Johannstadt zu bummeln. Durch das herrliche Jugendstilareal am Fetscherplatz. Durch die weiter wachsende Johannstadt an der Dürerstraße, der Arnoldstraße und anderen Orten. Unsere Johannstadt verfügt außerdem über eine sehr gut ausgestattete Infrastruktur. Wir haben einfach alles.
Schulen und Weiterbildungsmöglichkeiten aller Art. Von der Grundschule bis zur Universität. Forschungseinrichtungen mit Weltruf. Kurze Wege beim Einkaufen oder zu Ärzten. Außerden haben wir auch einen der schönsten Biergarten Dresdens.
Zusammenleben als Bereicherung
Ein neues schönes Geschenk für uns ist es, die neue Nutzung unserer Trinitatiskirche zu erleben. Dieses intelligent erdachte Gefüge von Erinnerung, Erhaltung und neuem Leben in einer Kirchenruine. Eine richtig gute Idee.
Eine neue Heimat suchen und auch finden, war für mich immer aufregend, interessant und bereichernd. Anders ist es, wenn Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil sie die verschiedensten Umstände dazu zwingen. Trotzdem haben Menschen aus zahlreichen Nationen auch in Johannstadt eine neue Heimat finden können. Johannstadt ist in den vergangenen Jahrzehnten ein Stück international geworden. Dass dies nicht immer ganz konfliktfrei verläuft, hat natürlich Gründe. Doch das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Nationen ist auch gleichzeitig eine Bereicherung.
Ich unterhalte mich sehr gern mit Gregory, einem Syrer, der mein Gangnachbar ist. Einem klugen Menschen, der seine Gründe hatte, seine Heimat zu verlassen, um in Johannstadt eine neue Heimat zu finden. Sein vierjähriger Enkelsohn Mirco ist schon ein geborener Johannstädter.
Einen aus Irak stammenden Nachbarn sehe ich seltener. Vor einigen Wochen erzählte er mir, dass er in Johannstadt an der Krebsforschung mitarbeitet. Bleibt er Johannstädter und wird seine Forschung vielleicht Menschen in aller Welt helfen können?
Blick in die Zukunft
Wir schätzen auch das viele Grün in und rund um unsere Johannstadt. Der Blick aus der siebten Etage auf den Dürerpark ist zu jeder Jahreszeit schön. Auf kurzem Weg lohnt sich ein Gang in den Großen Garten, den Waldpark oder auf die Elbwiesen.
Wünsche für die weitere Entwicklung unsrer Johannstadt gibt es natürlich auch. Vielleicht erlebe ich es noch, das auf dem Gelände des ehemaligen Plattenwerkes neues Leben einzieht und das die Gerokstraße eine normal zu befahrende Straße sein wird.