Auf dem Weg durch das neue Güntzareal passierte es: Etwas verhakte sich in meinen Haaren, dann folgte ein spitzes “Tock” auf den Scheitel. Was war das denn? Ich war beim Radfahren nicht in einem Baum hängengeblieben, nein, eine Krähe guckte mich vom Straßenschild herunter mit schief gelegtem Kopf an. Ein seltsames Gefühl, so eine tierische Kopfnuss. Die Stadt Dresden warnt noch bis Ende Juni vor “Krähenattacken”.
Wer Hitchcocks Klassiker “Die Vögel” gesehen hat, kann meine Gefühle erahnen. Noch unheimlicher wurde es, als ein Nachbar ebenfalls von einer Attacke berichtete. Ich beobachtete aufmerksam, ob sich größere Scharen von Vögeln auf Kinderspielplätzen sammeln würden, dann kam die Mitteilung der Stadt:
Dresden wird nicht von Killer-Krähen heimgesucht, aber noch bis Ende Juni wird vor teilweise aggressiven Krähen gewarnt. Die Vögel befinden sich momentan in der Brutphase und beschützen ihren Nachwuchs – und dessen nähere Umgebung.
Krähen sehen rot
In der Nähe der Kinderstube kann ein Mensch schnell als Bedrohung wahrgenommen werden, besonders wenn er sich schnell bewegt (wie beim Joggen) oder rote Kleidung trägt. Die Farbe fällt Krähen besonders ins Auge. Die Tiere greifen am höchsten Punkt, folglich dem Kopf an. Eine Kopfbedeckung kann vor schmerzhaften Begegnungen schützen.
Ein Anflug weist darauf hin, dass sich in der Nähe Jungtiere befinden. Sie werden nach dem Schlüpfen von ihren Eltern auf Ästen, in Gebüschen oder hohem Gras betreut, bis sie flügge sind.
Besser als ihr Ruf
Für den ohnehin nicht glänzenden Ruf der Krähen ist das abschreckende Verhalten freilich nicht zuträglich. Dabei ist es – aus elterlicher Perspektive – durchaus nachvollziehbar.
Krähen und Raben zählen zur Gattung der Rabenvögel und sind auf der nördlichen Halbkugel nahezu überall vertreten. Sie gelten als überaus intelligent: Auf der Futtersuche benutzen sie Werkzeuge wie Stöcke oder Steine oder machen sich örtliche Gegebenheiten zunutze. Beispielsweise lassen sie Nüsse auf Fahrbahnen fallen, um sie von vorüberfahrenden Fahrzeugen knacken zu lassen.
Ferner beweisen sie strategisches Denken beim Verstecken von Wiederauffinden von Futter. Sie sind in der Lage, sich Angreifer zu merken und dieses Wissen an nachfolgende Generationen weiterzugeben.
Ihre Vorliebe für Fleisch und Aas brachte ihnen im Mittelalter ihren schlechten Ruf als “Galgenvögel” ein, wobei sie in Mythen und Märchen in Begleitung von Zauberern und Göttern auftreten und ihnen als weise und kluge Ratgeber und Kundschafter zur Seite stehen.
Krähen und Raben siedeln sich vermehrt in Städten an, weil in Agrarlandschaften das Nahrungsangebot knapper wird. In der Stadt finden sie ein reichhaltiges Buffet vor. Ein bekanntes Bild sind in Mülleimern stochernde Rabenvögel.