Wenngleich nicht mehr in der Johannstadt angesiedelt, ist uns diese Nachricht dennoch eine Meldung wert, der guten alten Zeiten am Käthe-Kollwitz-Ufer willen: Flutlicht für die Fußballerinnen vom SV Johannstadt weiterlesen
Schlagwort: Fußball
Frühlingskick für Jugendliche: Stadtteil-Fußballturnier im Kleinfeld für junge Menschen von 12 bis 21 Jahre
Das Team vom Jugendtreff Trini trotzt dem Winter mit Initiative und richtet ein Fußballturnier auf dem Kleinfeld aus! Jugendliche von 12 bis 21 Jahre aus der Johannstadt und darüber hinaus können antreten in Zweierteams. Natürlich winken dem Einsatz attraktive Preise!
Am 24.3. steht ein sportlicher Nachmittag in Erwartung, mit Frühlingskick, zum weiteren Kennenlernen, zur Vernetzung der Jugendlichen untereinander und mit hoffentlich vielen begeisterten Gesichtern! Antritt 16h!
.
Weitere Informationen
Zu beachten ist der Anmeldeschluss am 17.3., damit alles bestmöglich vorbereitet werden kann.
Anmeldung unter: jz-trini@gmx.de
Damals in der Johannstadt: Die Lilien von der Pfote
Sportlich geht es zu in der vierten Folge von Heinz Kulbs historischen Betrachtungen der Johannstadt: Auf den Tag genau vor 108 Jahren wurde “der neue” Fußballplatz an der Pfotenhauerstraße eröffnet – der heutige Platz des SSV Turbine. Das Wetter war mies, die Stimmung euphorisch.
Leider spielte das Wetter nicht mit. Sich wiederholende kräftige Schauer und herbstliche 12 Grad drohten an diesem Sonntag, den 5. Oktober 1913, die lang herbeigesehnte Eröffnung des neuen Fußballplatzes1 an der Pfotenhauerstraße in der Johannstadt zu einem Wasserbad werden zu lassen. Von Altweibersommer war nichts zu spüren. Und dennoch strömten einige tausend Fußballbegeisterte in die neue Spielstätte. Darunter auch, von Mutti gut eingemummelt, Telegrafenmeister Egon Hempel aus der Pfotenhauer 37 mit seinen Söhnen Franz und August. Sie ergatterten günstige Plätze auf den Stehterrassen an der Seite zur Neubertstraße. Das imposante Bürgerhofspital rechts von ihnen wirkte in diesem diesigen Grau des Nachmittags wie ein verwunschenes Schloss aus den Märchen.
Gott bewahre!
„Wer sind die Leute dort drüben?“, fragte der jüngere August seinen Vater und zeigte auf die gegenüber sich befindliche Tribüne. „Der mit der Federbuschhaube ist der Kriegsminister Generaloberst Freiherr von Hausen. Daneben der schmächtige kleine Herr ist ein Staatsminister. Den Namen weiß ich nicht. Und rechts davon, der mittelgroße Dicke ist der Oberbürgermeister von Dresden, der Geheimrat Dr. Beutler.“ August hakte nach. „Was machen die hier? Spielen die etwa Fußball?“ Egon Hempel konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Auch die Umstehenden grinsten. „Gott bewahre. Würden die spielen, wäre das für den Fußballsport eine Blamage. Und für deren Gegner ein gefundenes Fressen. Nein, nein. Die sind hier, um den Platz an unseren SV GutsMuts zu übergeben. Haben ja auch viel Geld dafür ausgegeben.“
Erste Schritte auf dem Rasen
Dann ein Fanfarenstoß und der Vorsitzende des Dresdner Sportvereins GutsMuts, Erich Knebel, begrüßte alle und dankte den Honoratioren aus Stadt und Königreich dafür, aus der alten Radrennbahn eine moderne Fußballspielstätte mit modernem Rasenplatz gemacht zu haben. Eine Spielanlage, die es mit allen Topplätzen in ganz Deutschland aufnehmen könne. Zwischenzeitlich liefen unter dem Beifall der Anwesenden die Spieler des SC GutsMuts und die Gastmannschaft des Berliner Torball- und Fußballklubs Victoria auf.
„Schaut mal. Euer Onkel Max spielt auch mit.“ Dabei zeigte Egon auf den blonden Hünen in der Mitte der „Lilien“, dem Bruder seiner Frau. Lilien, so lautete der Spitzname für die Fußballer des SC. Wegen des Wappens und der Farben blau und weiß. Und der neue Sportplatz hieß ganz schnell in der verbreiteten Kürzungsmanie im Volksmund „Pfote“.
„Und ich war dabei, als wir 1902 unseren Verein gründeten. Wir, das waren ein gutes Dutzend Pennäler2 vom Kreuzschulgymnasium und ich mit noch einigen Fußballern vom Turnverein GutsMuths Striesen“, erzählte er stolz seinen Söhnen. „Damit der SC nicht mit dem Turnverein verwechselt wurde, ließ man beim GutsMuts des SC einfach das ‚h‘ weg. Die Vereinsfarben blau und weiß kamen vom Mützenband der Schüler des Kreuzgymnasiums. Und das Wappen malte ein talentierter Gymnasiast.“ Anerkennende Blicke erntete er von den aufmerksam zuhörenden umstehenden Zuschauern.
Einzug in die leere Radsportarena
„Wer war denn dieser GutsMuts, Vater?“, fragte nun, etwas mehr interessiert, der ältere Franz. Vater Egon war in seinem Element. Nun konnte er mit seinem Geschichtshalbwissen glänzen. „Der lebte vor hundert Jahren und hieß mit vollem Namen Johann Christoph Friedrich GutsMuths oder so ähnlich. In Quedlinburg soll er geboren sein, war ein Lehrer und ging dann nach Schnepfental in Thüringen und schuf dort den ersten deutschen Turnplatz. Daher auch der Name für den Turnverein.“
„Und wo habt ihr Fußball gespielt?“, fragte der Große. „Hier im damaligen Radsportstadion?“ Egon schüttelte den Kopf. „Wo denkst du hin. Erst mal auf verschiedenen Wiesen. Anfangs an der Tittmannstraße, dann durften wir für ein Jahr auf den Sportplatz an der Stübelallee. Dann waren wir auf der Spielwiese drüben bei Anton´s3. Ich schied dann vom aktiven Spiel aus. Die Mannschaft nutzte noch mehrere Jahre die Wiese am Wasserwerk Tolkewitz. Und dann kam uns zugute, dass einige Pennäler von damals studiert hatten und inzwischen gute und einflussreiche Posten bekamen. Die Radsportarena stand inzwischen leer. So nahm man Einfluss auf die Stadt und die Staatsministerien. Und das Ergebnis seht ihr hier.“
Inzwischen wurden mehrere Hochrufe auf den König, den Kaiser und dem Verein dargebracht. Die Menschen hüpften von einem Bein auf das andere, um sich der nasskalten Witterung zu erwehren und warteten nur noch auf eins: dass endlich das Spiel beginnen möge.
Das Spiel beginnt
Victoria Berlin war nur mit einer abgespeckten Mannschaft angereist. Ihre Toppspieler weilten zum Städteturnier in Wien. Aber sie machten es den Dresdnern trotzdem nicht leicht. Torwart Damsch vom SC GutsMuts bekam reichlich Arbeit und tosenden Beifall für jeden gehaltenen Ball und tollen Abwehrparaden. Und Onkel Max in der Verteidigerposition erhielt anfeuernde Rufe von seinen Neffen für jede Abwehrhandlung. Nach einer Viertelstunde nahm Winkler den Druck von den Lilien und schoss das erste Tor. Das zweite ballerte unter großem Jubel der Star des SC auf der Position des Rechtsaußen im Mittelfeld, Rudolf Leip, ins Netz von Victoria und Büttner machte das Trio zur Pause perfekt.
In dieser besichtigten die Ehrengäste die Gesellschafts- und Unterkunftsräume. Der zweite Vorsitzende vom SC GutsMuts hob dabei hervor, dass der Fußballsport in Dresden immer mehr Anhänger gewänne. Und alles diene der Ertüchtigung der Jugend, erwiderte er unter dem wohlwollenden Nicken des Kriegsministers. Die Mitgliederzahlen im Bereich des Verbandes mitteldeutscher Ballspielvereine4 stiegen innerhalb der letzten 10 Jahre von 8.000 auf 180.000, warf dessen Vorsitzender in die Besichtigungsrunde ein. Auch er wollte der anwesenden Presse zeigen, dass er da war.
In der zweiten Halbzeit schoss Gäbler gleich zu Beginn Tor vier. Dann wachte Victoria endlich auf und kam zu einem Ehrentreffer. Aber GutsMuts war im Torrausch. Noch dreimal landete der Ball unhaltbar im gegnerischen Tor. Der Platz tobte vor Begeisterung. Durch einen Elfmeter kam Victoria zu einem weiteren Treffer. Am Ende stand es 7:2 für die Dresdner, wie in einem Bericht von der Sportplatzeröffnung in den Dresdner Neuesten Nachrichten am 7. Oktober 1913 zu lesen war. Aber die Berliner grämten sich nicht. Es war ja nur ein Freundschaftsspiel und man gönnte den Gastgebern ihren Sieg. Anschließend feierten beide Mannschaften einträchtig im neuen Vereinslokal bis in die Nacht hinein.
Und Egon Hempel und seine Söhne gingen leicht verfroren aber glücklich den kurzen Weg nach Hause. Das Abendbrot wartete.
Anmerkungen
1In der Literatur und auf Websites der Wikipedia werden verschiedene Eröffnungsdaten präsentiert. Es gab aber nur für den 5. Oktober 1913 belegte Daten der Eröffnung des Fußballplatzes an der Pfotenhauerstraße.
2Ein spöttischer Ausdruck aus der Studentensprache. So bezeichnete man im 18. Jahrhundert die Studenten des ersten Studienjahres, die mit Papier und Schreibzeug jede Vorlesung mitschrieben. Im 19. Jahrhundert wurde es zu einem Schimpfwort für Gymnasiasten, später ein Scherzwort für diese Schüler.
3An der Elbe, unweit des heutigen Fährgartens Johannstadt gelegen. Seit 1898 der Stadt gehörig. Beliebtes Ausflugslokal und später auch Badeanstalt. 1945 bei der Bombardierung Dresdens zerstört.
4Der Verband mitteldeutscher Ballspielvereine (VMBV) umfasste als regionaler Sportverbund etwa die Vereine aus den heutigen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, das damalige Sudentenland sowie einige kleinere Gebiete im heutigen Norden Bayerns, im Südosten Niedersachsens und im Süden Brandenburgs.
Damals in der Johannstadt – von Heinz Kulb
- Folge 1: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben
- Folge 2: Es stinkt am Tatzberg
- Folge 3: Die Einweihung des Carola-Hauses
- Folge 4: Die liederliche Woche
NachtSport – ein Johannstädter Modellprojekt für ganz Dresden?
Beitrag von Beate Diederichs
Beim NachtSport, der jeden Freitagabend in der Johannstadt stattfindet, können Interessierte Volleyball, Fußball und Badminton spielen. „Das Angebot ist für alle zwischen 14 und 27 Jahren offen und kostenfrei nutzbar. Unsere bunt gemischte Teilnehmerschaft treibt aber nicht nur Sport, sondern lernt nebenher auch andere Kulturen kennen, deren Eigenheiten zu verstehen und sich sowohl als Team untereinander als auch sportliche Regeln miteinander zu respektieren“, sagt Maik Fabisch, Koordinator NachtSport beim Veranstalter, der Sportjugend Dresden.
NachtSport ist nicht neu – aber erfolgreich. „Ähnliche Konzepte haben andere deutsche Großstädte, wie zum Beispiel Frankfurt a.M. oder Hannover auch, wir als Sportjugend Dresden haben NachtSport 2017 für die Johannstadt als Modellprojekt angepasst und etabliert“, berichtet Maik Fabisch. Er koordiniert das Angebot gemeinsam mit seiner Kollegin Melanie Berg beim Veranstalter, der Sportjugend Dresden.
Gefördert durch Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF), des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden existiert es hier nun seit fast vier Jahren. 2019 kam mit Dresden-Nord ein weiteres ESF-Fördergebiet hinzu. In diesem Jahr folgte – aufgrund einer Hallensperrung am BSZ für Technik – die Seevorstadt-Ost als Ausweichstandort für Volleyball. Auch hier lief das Angebot sofort gut an und wird von den Teilnehmenden auch für andere Stadtteile nachgefragt. „Wir möchten, perspektivisch gesehen, den NachtSport stadtweit etablieren und noch viel besser innerhalb Dresdens vernetzen“, fügt Maik Fabisch hinzu.
Toleranz, Integration, Partizipation, gesellschaftliches Miteinander
Jeden Freitagabend können Interessierte beim NachtSport aus derzeit vier Sportarten auswählen: Volleyball, Tischtennis, Fußball und Badminton. „Wir können uns vorstellen, unser Angebot an Sportarten zu erweitern. Aber nicht jede Disziplin ist für unser Konzept geeignet. Es sollte eine Mannschaftssportart sein, die populär und leicht erlernbar ist. Individualsportarten fördern weniger das Miteinander, passen also auch weniger gut in unser integratives Konzept“, erläutert der Koordinator. Und letztendlich wachen auch die Förderer des Projektes zu Recht darüber, ob die angebotenen Sportarten dem Förderziel entsprechen.
Die Ziele des NachtSports sind durchaus ambitioniert: „Es geht uns um interkulturelle Verständigung, Toleranz, Integration, Partizipation, gesellschaftliches Miteinander und um die Vermittlung von sportlich-demokratischen Werten wie Fairplay, Respekt und Teamgeist. Das gelingt über den Sport als gemeinsame, ungezwungene Basis erstaunlich gut“, berichtet Maik Fabisch weiter.
NachtSport – auch als Einstieg in Vereine
Und die Zahlen können sich sehen lassen: Über 4000 Teilnehmer haben seit 2017 beim NachtSport trainiert. Manche probieren dabei unterschiedliche Sportarten aus, andere bleiben bei einer. Einige entdecken dabei sogar ihre Leidenschaft und wollen bei einem Verein weitertrainieren. „Das freut uns natürlich sehr und ist ebenso ein Ziel unserer Arbeit. Wir drängen die jungen Leute nicht, aber wenn jemand einen passenden Verein sucht, können und wollen wir gern vermitteln. Als größter Jugendverband in Dresden und Expertin für die Jugendarbeit im Sport nutzen wir als Sportjugend im Stadtsportbund Dresden e.V. die guten Kontakte zu den Dresdner Sportvereinen“, beschreibt Maik Fabisch die Situation.
Sportliche und soziale Schule für internationale Teilnehmerschaft
Der Koordinator, der bereits selbst als Übungsleiter in NachtSport-Gruppen tätig war, erzählt mit einem Beispiel davon, wie man dort mit Konflikten umgeht: „Manchmal gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen, beispielsweise im Umgang mit Entscheidungen und Regeln. Hier hilft es, wenn diejenigen, die mit dem Schiedsrichter schimpfen, beim nächsten Spiel selbst dessen Rolle übernehmen. Sie sehen so, wie schwierig es ist, ein Spiel gerecht zu leiten“, erzählt Maik Fabisch, der auch schon als Übungsleiter in NachtSport-Gruppen tätig war. Er blättert in den Teilnehmerlisten und zählt die Nationen auf, zu denen die Teilnehmer gehören: Indien, Syrien, Afghanistan, Somalia, Iran, Taiwan, Italien, Litauen, Chile, Frankreich, Brasilien, Mexiko, China…. Und natürlich Deutschland. Rund die Hälfte aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Projekt sind Deutsche.
Soumya Barai nicht. Der Student aus Indien, der regelmäßig in der freitäglichen Fußballgruppe in der Sporthalle des Bertolt-Brecht-Gymnasiums spielt, ist eher kein Kandidat für Vereinssport: „Neben dem Training hier betreibe ich mehrmals in der Woche Individualsport, laufe und schwimme. Eigentlich habe ich nur sonntags Ruhetag. Da bliebe keine Zeit für einen Verein“, sagt er. Beim NachtSport in der Johannstadt stieß er im letzten Jahr zunächst auf Badminton, was er ebenfalls hier spielt, dann kam Fußball hinzu. Was motiviert ihn denn hierherzukommen, auch an einem so heißen Freitag wie diesem Ende Juli, an dem es der Sportgruppe nicht schwerfällt, die Hygieneauflage von maximal 18 Spielern zu unterschreiten? „Natürlich finde ich es gut, dass das Angebot kostenlos ist. Aber da ist noch mehr: Ich kann einen Sport ausüben, den ich mag, interessante Leute dabei treffen. Und mich beeindruckt immer wieder, wie begeisternd unser Übungsleiter Tobias das Training durchführt.“
In der Johannstadt wird derzeit Fußball und Badminton gespielt, am Ausweichstandort 10. Grundschule wird auch Volleyball angeboten. NachtSport ist offen für alle zwischen 14 und 27, wobei laut Maik Fabisch die Altersgruppe zwischen 15 und 21 am aktivsten ist.
NachtSport Dresden
- www.sportjugend-dresden.de oder via Facebook/Instagram unter sportjugend.dresden
- Fußball wird jeden Freitag zwischen 17 und 19 Uhr in der Turnhalle des Bertolt-Brecht-Gymnasiums, Thomaestraße 60, 01307 Dresden / Badminton jeden Freitag von 21 bis 22.30 Uhr in der Turnhalle des Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums, Haydnstraße 49, 01309 Dresden
-
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Aufgrund der aktuellen Hygienebestimmungen bitte rechtzeitig und in Sportsachen erscheinen, da der Zugang begrenzt ist und die Umkleiden derzeit noch nicht wieder uneingeschränkt nutzbar sind
-
Lust auf Engagement und sportliche Betätigung? Die Sportjugend Dresden sucht immer ehrenamtliche Übungsleiter/-innen für das Projekt NachtSport. Bei Fragen hierzu oder für alle Informationen rund um das Angebot stehen Melanie Berg oder Maik Fabisch gern als Ansprechpartner zur Verfügung. E-Mail: info@sportjugend-dresden.de oder Mobil unter: 0176/87730608 (WhatsApp)
Verdienste im hundertjährigen Verein: Nachruf für Bernd Hartwig im SSV Turbine
Gastbeitrag von Anja Hilgert.
Als Ende vergangenen Monats einer der großen, engagierten Wegbereiter und langjährigen Freunde und Förderer des SSV Turbine e.V. verstorben ist, gab dies den Anlass, einerseits einen Nachruf zu verfassen für Bernd Hartwig, Nachwuchsleiter, Organisator, Hauptverantwortlicher, Netzwerker und Ehrenmitglied des SSV Turbine e.V. , der doch zu plötzlich nun nicht mehr da ist, und damit andererseits das Augenmerk zu richten auf den unvergleichlichen Quartiersbeitrag des SSV Turbine e.V. als größtem aktiven Sportverein in der Johannstadt.
Die in eigener Chronik herausgegebene Vereinsgeschichte des SSV Turbine e.V. liest sich als spannendes Zeugnis zu hundert Jahren bewegter Geschichte im Stadtteil. Aus der Perspektive gegenwärtiger Stadt(teil)entwicklung ist es interessant, die Gestaltung sozialen Lebens über den Vereins-Sport würdigend zu betrachten.
Turbine bringt die Johannstadt auf Touren
„Der SSV Turbine e.V. war immer schon ein Mehrsparten- und ein Freizeitsportverein“, betont Harald Werner, langjähriger Abteilungsleiter für Fußball, der mit Bernd Hartwig zusammen über 26 Jahre lang die Vereinsspitze bekleidete. Heute zählt Turbine 764 Mitglieder, davon 730 aktive in sechs sportlichen Disziplinen, wovon Kinder und Jugendliche 32 Prozent Anteil im Verein einnehmen. Fußball ist mit 60 Prozent die größte Abteilung: „Turbine ist das sportliche Fußballzentrum der Johannstadt“, bringt es Harald Werner auf den Punkt.
Dresdner Traditionsverein seit der Jahrhundertwende
Die Johannstadt, die weder Arbeiterviertel, noch Wohlstandsviertel, sondern geplantes Wohnviertel mit vielen heterogenen Facetten und multikulturellem Gefüge ist, braucht Ankerpunkte wie den SSV Turbine, die sich langjährig vor Ort etabliert haben.
Turbine als Dresdner Traditionsverein in der Johannstadt geht in seinen Anfängen zurück bis in die Zeit der Jahrhundertwende. Damit darf man die Formulierung wagen: Die Wiege für Dresden als Fußballhochburg wurde aufgestellt in der Johannstadt. Insofern spielt man heute selbstbewusst in den leuchtenden Vereinsfarben blau-weiß unter dem energiegeladenen Vereins-Wappen blitzzuckender Kraftumsetzung.
Im Jahr 1902 als Dresdner Sportverein GutsMuts gegründet, entwickelte sich die junge Initiative nach dem Ersten Weltkrieg zum größten Sportverein Sachsens mit etwa 1500 Mitgliedern in zwölf sportlichen Abteilungen, zu denen auch Hockey, Tennis, Turnen und Paddeln zählte.
In dieser Blüte-Zeit wurden in der Johannstadt auch internationale Fußballkämpfe ausgetragen wie gegen die Ägyptische Olympiaauswahl und Galatasray Konstantinopel. Unglaublich genug, dass solch großen Ereignisse einst den Platz zierten und dem Verein im Rücken stehen, der in der nördlichen Johannstadt, neben Kleingartensparte und unweit den Elbwiesen, in durchlüfteter Randlage und doch im Verkehrsknoten an der Waldschlösschenbrücke zentral und gut erreichbar gelegen ist.
Das seit 1912 durch den erstgegründeten Fußballverein in der Johannstadt genutzte Gelände auf der Fläche Ecke Neubert/Pfotenhauerstraße geht zurück auf die ehemalige alte Radrennbahn an der Pfotenhauerstraße.
Der damals angelegte Hartplatz blieb über lange Zeit Spielfläche, auch dann noch, als andere Vereine in der Stadt schon längst Kunstrasen hatten. Die Spieler hielten dem Verein dennoch die Treue und standen die wortwörtlichen Härtezeiten durch, was nicht zuletzt der umsichtigen und nachhaltigen Vereinsführung zugute zu halten und damit ein Zeichen für starke verlässliche Vereinsbindung ist. Der Umbau kam 2009 mit aufwändig neu verlegtem Kunstrasen und modernen Sportgebäuden, in denen Tischtennisräume, Umkleidekabinen mit großzügigen Mannschaftsduschräumen sowie das neue Sportcasino mit Kiosk je nach Klientel wechselnd wichtige Rollen spielen und auch anzumieten sind.
Vereinsleben als Chefsache des Stadtbezirks
Im Jahr 1945 kam es zur Neugründung des SG Johannstadt nach dem drastischen Einschnitt der Kriegsjahre. Zu der Zeit waren nicht mehr Vereine die Träger des Sports, sondern die neu gegründeten Stadtbezirke. Als 374. Bezirk Johannstadt erstarkte der Fußballverein und zeichnete Erfolge als Pokalsieger, bei der Stadtmeisterschaft, der Stadt-Bezirksklasse, (Bezirks)Liga- und Kreismeisterschaft sowie als „Ostzonen-Meister“ und Fußball-Städtekampfsieger, die „Knaben-Meisterschaften“ nicht zu vergessen.
Mit dem Jahr 1949 wurde das „Gebiet der Körperkultur und des Sports“ neu erschlossen und erhielt neue Organisationsstrukturen. Die „Sportfreunde und Sportfreundinnen“ vereinten sich im Kommunalen Wirtschafts Unternehmen, KWU Dresden. Neben Fußball und Abteilungen wie Eishockey, Wasserball, Langlauf ging nicht zuletzt eine Schach-Großmeisterin in die Vereinsgeschichte ein.
„Was geht ab wie eine Maschine? Turbine, T u r b i n e, TURBINE!“
Der hitzige Ruf schallt wie aus einer Kehle über den Platz, aus der Mitte vorgebeugter, sich im Kreis berührender Köpfe von heutigen Nachwuchsteams. Die namengebende Gründung der Betriebssportgemeinschaft BSG Turbine Dresden erfolgte 1951 in der Zeit der Energien, Chemien, Rotationen, von Dynamos, Lokomotiven und Turbinen: Die Politik gab dem Sport Auftrieb. Das auf der Pfotenhauerstraße eingeweihte Stadion wurde nach dem von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Karl Stein benannt.
Vor gut 50 Jahren, am 7. Juli 1963, wurde im Karl-Stein-Stadion gegen Chemie Pirna mit einem 1:0 Sieg der Aufstieg in die Bezirksliga errungen. Dieses Spiel sahen legendäre 1000 Zuschauer! Heute spielt die 1. Männer-Mannschaft die 10. Saison in der Bezirksklasse.
Um Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Werktätigen zu fördern, sorgte die Entwicklungskonzeption des Energiekombinates Ost als Trägerbetrieb im Stadtbezirk Johannstadt für den Ausbau des Freizeit- und Erholungssports: Die BSG Turbine Dresden organisierte Sportfeste auf allen Ebenen. Durch die intensivierte Zusammenarbeit von Deutscher Sportbund (BRD) und Deutscher Sportausschuss (DDR) wurden sportliche Aktivitäten über die innerdeutsche Zonengrenze hinaus gefördert. Somit konnten auf Vereinsebene Begegnungen über politische Grenzen hinweg stattfinden.
Spielsaison für Ehrenamt und Nachwuchsförderung
Im organisierten Fußball auf Vereinsebene geht es immer auch um Trainings-Erfolge, Saisonergebnisse, um vordere Plätze, Ehrungen, Siegertreppchen, Pokalsiege, Meisterschaften. Manches klimpernde Bündel an Medaillen ist der Stolz im Kinderzimmer, und wer den Pokal mit nach Hause nehmen darf, ist König.
Als es nach dem Mauerfall 1990 zur nochmaligen Vereinsneugründung kam, legten die Vorsitzenden Gewicht auf Erhalt und Förderung der Freude am Sport-Spielen, nannten in diesem Sinne die Vereinigung Spielsportverein SSV Turbine Dresden.
Auf dem Platz wird gekämpft und gespielt, gewetteifert, geweint und gejubelt. Den Emotionen ist beim Fußballspielen freier Raum gegeben. Im aktiven Spielbetrieb befinden sich bei Turbine derzeit sechs Männermannschaften und 12 Nachwuchsmannschaften, die Bandbreite reicht von A (U19)-B (U17)-C (U15)-D (U12 u U13)-E (U11 u U10)-F (U8 u U9)-G (U7)-Jugend über 1./2./3. Männer bis zu Senioren und zwei Freizeitmannschaften, die auf Klein- und Großfeld, auf dem Platz und in der Halle trainieren, spielen, einander treffen und an Turnieren und Meisterschaften teilnehmen.
Aus dem bescheidenen Rahmen der Anfangsjahre auf der Pfotenhauerstraße ist in der Dresdner Johannstadt eine beeindruckende Geschichte des Sporttreibens, insbesondere des Fußballspielens, und eine ausgeprägte Kinder- und Jugendarbeit gewachsen.
Puzzlestein Bernd Hartwig
Als Bernd Hartwig, selbst als Neustadtkind aufgewachsen, in den 80er Jahren in die neuen Bauten auf der Pfotenhauerstraße umgezogen war, begann er gleich, sich ins Viertel zu integrieren und legte durch seinen Beitritt zum Verein den Grundstein seines über 40Jahre gewachsenen Engagements vor allem für den Vereinsnachwuchs und die Trainerfortbildung.
Über Bernd Hartwig zu reden, heißt, über viele andere auch zu reden, die Teil des großen Puzzles sind. Schließlich wird der gesamte Trainingsbetrieb rein durch Ehrenamtliche abgesichert: „Wir haben rund 40 Trainer und davon 21 Trainer mit Lizenz. Schiedsrichter sind immer Mangelware. Wir erfüllen aber die Vorgaben der Verbände. Bei den Mannschaftsleitern ist es so, dass viele Eltern eingebunden sind“, meldet der Vorstandsvorsitzende Maik Diersche. Die Mitnahme und gute Betreuung der Elternschaft ist ein lebendiges Kernstück der Vereinsphilosophie: „Das Innere muss funktionieren und das ist der soziale Zusammenhalt, die gegenseitige Unterstützung.“ Eine starke Basis, die breit aufgestellt die klare Pyramide des Vereins trägt, sei das Erfolgsrezept.
„Hier wachse ich mit hinein“
Wenn der Verein als gewachsene Einheit neu dazu Kommenden das Gefühl geben kann, in ein Gebilde mit hineinzuwachsen, dann funktioniert Integration: „Hier wachse ich mit hinein“, formuliert Harald Werner die Signalwirkung, die er besonders für die Migration der Kinder im Blick hat.
Im Verein wird das nicht an die große Glocke gehängt, dass verschiedene Nationalitäten unter blau-weiß spielen, dass auch die Trainerschaft international aufgestellt ist. Dem Alleinstellungsmerkmal als einzigem Sportverein in Johannstadt gerecht zu werden, sei eine Riesenaufgabe, der man sich bewusst sei.
Maik Diersche klingt bescheiden: „In wie weit die SSV Turbine Dresden für Johannstadt wichtig ist, müssen andere beurteilen. Andererseits haben wir viele Migranten im Verein. Ich denke das wir für die Integration für Johannstadt schon wichtig sind.“
Allmählich mit Ende des Jahres gehen die Mannschaften in die Trainings- und auch Spielpause, Ruhe kehrt ein. Die tragenden Verbindungen werden entlastet, und es entsteht Raum für Neues.
Die Sonderausgabe des Turbine-Kickers “100 Jahre Sport in der Johannstadt”, von Ehrenmitglied Lothar Döhler als Vereinschronik verfasst, kann als Broschüre im Sportcasino oder in der Geschäftsstelle des SSV Turbine Dresden e.V. erworben werden.
1. Weihnachtssingen 2019
- Der SSV Turbine lädt am 21. Dezember zum 1. Weihnachtssingen ins Stadion Pfotenhauerstraße ein
- Einlass 17 Uhr, Beginn 18 Uhr
- Tickets im Vorverkauf 5 Euro (Erwachsene) / 2,50 Euro (Kinder) bzw. an der Abendkasse 7 Euro / 4,50 Euro
- Es gibt groovige Adventslieder von Gospelstreet
Hinweis der Redaktion: Der im Rahmen des Projektes „Online-Stadtteilmagazin“ erschienene Beitrag wurde nicht von der Landeshauptstadt Dresden bzw. dem Quartiersmanagement erstellt und gibt auch nicht die Meinung der Landeshauptstadt Dresden oder des Quartiersmanagements wieder. Für den Inhalt des Beitrags ist der/die Autor*in verantwortlich.