Pilotstadtteil Johannstadt: Energiekachel entwickeln und dabei Privatsphäre schützen

eingestellt am 08.05.2024 von Bertil Kalex (Stadtteilverein), Headerbild: IÖR Media - Einblendung einer historischen Karte auf der Plattform. Zwei Personen betrachten einen Monitor.

Ein Gastbeitrag vom Leibnitz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. Dresden (IÖR).

Was?

Im Projekt Colouring Dresden unterstützen Dresdner Bürger*innen die Wissenschaft mit Gebäudedaten. Die sogenannten Citizens Scientists tragen auf der interaktiven Colouring-Dresden-Karte im Internet etwa ein, wie alt ihr Wohngebäude ist, wie viele Geschosse es hat oder wie hoch ihr Stromverbrauch ist. Diese Daten stellen Forscher*innen vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Forschungsprojekten, Planungsbüros oder Privatpersonen offen bereit. Sie können daraus z.B. Pläne für die Gebäude entwickeln, um sie klimaneutraler, energieeffizienter oder attraktiver zu machen.

Wieso?

Bei bisherigen Veranstaltungen und Diskussionen äußerten Citizen Scientists häufig Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre. Eine Sorge ist der Datenschutz, da die Daten derzeit gebäudegenau abgebildet sind. Hier soll eine sogenannte Datentreuhand helfen. Diese Technik mittelt die übertragenen Daten aus einem bestimmten Bereich, so dass auf der Colouring Dresden-Karte nur ein Durchschnittswert dargestellt wird. So können die Wissenschaftler*innen keine Daten zu einzelnen Gebäuden mehr identifizieren. Ein Vorteil für die Citizen Scientists ist, dass sie ihre eigenen Gebäudeinformationen mit den aggregierten Daten aus der Nachbarschaft vergleichen können.

Wie?

Diese Technologie wird im Rahmen des Projektes „Building Trust” an der Energiekachel von Colouring Dresden entwickelt und im Stadtteil Johannstadt getestet. Wenn die Energiekachel gelauncht wird und die Datentreuhand funktioniert, können Dresdner*innen z.B. einschätzen, ob sie im Vergleich mit der Nachbarschaft besonders viel oder wenig Strom verbrauchen.

Interesse geweckt? Dann komm gern am 3.6. ins Kulturcafé zur Ideenwerkstatt.

Von Bienen lernen: Jan Sarrazin und der Bienengarten der Johannstadt

eingestellt am 24.10.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Bienenhaltung in der Johannstadt mit Mehrwert für den Stadtteil Foto: Anja Hilgert

Die Flugtätigkeit war noch rege an den Einflugschneisen der Bienenkästen in den Internationalen Gärten e.V. der Dresdner Johannstadt, als noch die Spätsommersonne lockte mit langen Strahlen voll Licht und Wärme, die nicht nur Menschen verwöhnen. Wachenden Auges verfolgt der Imker im Johannstädter Bienengarten die Regsamkeit seiner Bienenvölker zum Ende dieses Bienenjahrs.

Goldrute, Amaranth und Sonnenblumen, auch letzte Kornblumen, Horte von bodenkriechender Kapuzinerkresse, Ringelblumen und die Stände von Klee und Pfefferminze wachsen als später Ausdruck sommerlicher Fülle im Gehege der Johannstädter Bienen. Sie bieten in weit geöffneten Kelchen letzte Bestände an Nektar und Blütenstaub preis. Bienen, die mit ihren Fühlern sehr feinstofflich riechen, finden hier noch späte Nahrung, um die Honigvorräte fürs Überwintern ihres Bienenvolkes weiter aufzustocken.

Letzte Sammlertätigkeiten auf der Johannstädter Bienenweide Foto: Anja Hilgert

Vom weiten Weg der Johannstädter Bienen

Bis die Bienen ein sicheres Zuhause in der Johannstadt gefunden haben, sind gut sechs Jahre vergangen. Die Idee zur Bienenhaltung im Johannstädter Stadtteil kam in einer gärtnernden Gruppe im alten Internationalen Gemeinschaftsgarten auf, der sich damals noch auf der Pfotenhauerstraße, innerhalb der Gleisschlaufe der alten Straßenbahnführung befand. Um den vielen Kindern, die dort im Garten mit wirtschafteten, zu erklären, woher die Früchte kommen, die sie ernten, ging die Interessengemeinschaft für Bienen an den Start.

Michael Beleites, Landwirt und namhafter Akteur der Umweltbewegung zu DDR-Zeiten, stiftete im Frühjahr 2014 einen ausgeflogenen Schwarm aus seinen Beständen und wurde damit Bienenvater des ersten Volkes für die Johannstadt. Es erhielt sein Zuhause auf dem Dach des Wohncontainers in den Internationalen Gärten. Beratung folgte über den Kontakt vom Imkerverein, und weil es damals nicht so war wie heute, wo Imkerkurse für Stadtbienenhaltung aufs Jahr ausgebucht sind, musste man sein Wissen erarbeiten und „das so machen, wie man’s empfohlen bekommt und am Anfang einfach nur mitlaufen“, resümiert Jan Sarrazin den damaligen Einsteig in sein heutiges Tätigkeitsfeld. 

Unter dem Rauch aus dem Smoker ziehen sich die Bienen in den Stock zurück, so kann dieser für einen Einblick aufgedeckt werden
Foto: Anja Hilgert

Tierhaltung verlangt Einigkeit

Arbeit brachte das neue Hobby genug. Über Fördermittel der anstiftung finanzierte der Verein eine erste Ausstattung an Kisten, Rahmen und auch Imker-Schutzkleidung. Es war ein „Sprung ins kalte Wasser“, gesteht Jan Sarrazin, „Was aber gut war, sich gegenseitig zu befruchten und gemeinsam an der Sache zu wachsen.“ Nach einem Jahr war deutlich, wie intensiv und beständig die Betreuung an den Tieren dran sein muss, um sie gesund zu erhalten. Eine mehrköpfige Gruppe stellte sich für die Aufgabe nicht als entsprechend handlungsfähig heraus. Zu weit lag man auseinander, zu langwierig wurden Entscheidungsprozesse, zu unterschiedlich war die Verbindlichkeit. „Tierhaltung verlangt Einigkeit“, betont Jan Sarrazin und zeigte sich bereit, für das Projekt auf lange Sicht verantwortlich zu zeichnen. 

Das Bienenjahr geht zu Ende, die Vorräte in den Waben werden verdeckelt
Foto: Anja Hilgert

Bienenumzug und Quarantäne

Als 2016 die Internationalen Gärten e.V. im Zuge der Flächenumnutzung einem Parkhaus weichen mussten, organisierte er den Umzug auch für die Bienen ins neue Quartier des jetzigen Standorts Ecke Holbein/Permoserstraße. Dort allerdings gab es einen Vorbehalt: Die Bienen konnten vorerst nicht fest stationär aufgestellt werden, da im Laufe der Folgejahre, ungewiss wann genau, ein am Grundstück entlangführender Wegebau geplant war. Ungewissheit war kein guter Standortfaktor für rhythmisch lebende Bienen.

Jan Sarrazin wurde nicht müde, für seine Bienen zu sorgen und brachte die sechs Völker am bestehenden Stellplatz eines befreundeten Imkers unter. Auf der Homepage der Internationalen Gärten war für geraume Zeit zu lesen, die Johannstädter Bienen seien vorübergehend umquartiert und kehrten im Sommer wieder zurück in ihr angestammtes Zuhause. Doch noch hat das Warten auf die ersten Johannstädter Bienenvölker kein Ende. Bis heute stehen sie im Übergangsquartier und können nicht weg. Wegen des Ausbruchs der Amerikanischen Faulbrut bei einem der Imker steht die gesamte Stellfläche geschlossen unter Quarantäne. Die Johannstädter Bienen sind wohlauf, aber nicht reisefähig.

Die Königin gibt permanent Hormone ab und versammelt ihr Volk im unverkennbaren Eigengeruch
Foto: Anja Hilgert

Projektschmiede Bienengarten

Die Abwesenheit der Bienen beförderte unterdessen im Plenum der Internationalen Gärten Gedankenspiele und schließlich den Plan, die Bienenhaltung am Fuße der Hochhausbauten der Holbeinstraße auszubauen. Getreu dem allerersten Gedanken entstand der Ansporn, das Imkern in den Internationalen Gärten weiter mit Bildungsarbeit zu verbinden. Für Jan Sarrazins gehört es zum Selbstverständnis, mit seiner Arbeit an den Bienen einen Mehrwert zu schaffen. Also nicht allein für sich und etwa den Honigertrag zu wirtschaften, sondern noch mehr Menschen und vor allem Kindern und Jugendlichen Zugang zu verschaffen zum Wesen der Bienen. Von ihrem Wohlbefinden hängt für den Menschen viel ab, vor allem die Bestäubung von Pflanzen, sowohl des eigenen Nutzanbaus, darunter insbesondere die Obstbäume, aber auch im Allgemeinen. Das Wachsen, Erblühen, Frucht tragen, Fortpflanzen der Pflanzen, für das die Bienen Sorge tragen, ist unsere Lebensgrundlage.

Artenvielfalt und nachhaltige Nutzung der Natur inmitten der Johannstadt
Foto: Anja Hilgert

Es wurde „ein bisschen gesponnen, wie das gut umzusetzen wäre,“ um das Wesen und die Lebensweise der Bienen Interessierten und Besucher*innen näherzubringen.
Nachdem der Fußweg entlang der Längsseite des Grundstücks fertig gebaut war, konnte für den neuen bleibenden Standort Hand und Verstand angelegt werden. Der Aufstellungsort für die Bienen wurde unter Berücksichtigung aller Bedingungen vor Ort so geplant, dass die ausfliegenden Bienen nicht die Bahn passierender Fußgänger oder gärtnernder Vereinsmitglieder kreuzen würden. Jegliche Verletzungsgefahr musste ausgeschlossen werden, vor allem, wenn man daran dachte, Menschen achtsam an die Bienen heranführen zu wollen, um sie ihnen nah zu bringen. Die Angst vor dem Bienenstich ist mächtig und berechtigt, wenn man als Veranstalter die Verantwortung trägt.

Mit Bienen im Gehege

Ein regelrechtes Gehege wurde geplant mit ausreichend hohem Zaun, um den Bienenflug gleich von den Kisten weg nach oben zu steuern. Die umstehenden hohen Bäume der Umgebung gaben der Idee Sinn, denn ihre blütenreichen Kronen sind eine Haupt-Bienenweide!
Es ist längst kein Gerücht mehr, dass Stadtbienen mehr Nahrungsquellen, in reicherer Vielfalt und zu natürlicheren Bedingungen vorfinden als ihre Artgenossinnen auf dem Lande. Bienen besuchen auf Ihrem Sammelflug bevorzugt Blüten der gleichen Pflanzenart. Sie kommunizieren die Fundstelle an ihre Mitbienen im Stock weiter und teilen die ergiebige Futterquelle. Dazu braucht es Tausende gleicher Blüten. Für Jan Sarrazin Bienen zum Beispiel die von Linden. In der Stadt sind vor allem blühende Gehölze Bienenweiden: Bäume, Hecken und Sträucher werden ausgiebig angeflogen und besammelt.

Gut verträgliche Nachbarschaft mit Bienen
Foto: Anja Hilgert

Die Anschaffung aller notwendigen Baumaterialien für den neuen Bienen-Standort ermöglichte ein Projektantrag beim Stadtteilfonds Johannstadt. Jan Sarrazin fand durch Torsten Görg umfassende Beratung und die nötige konsequente Unterstützung bis zur Umsetzung seines pädagogischen Kerngedankens.
Unter Einsatz von „richtig viel ehrenamtlicher Arbeit“, entstand für die Öffentlichkeit gut sichtbar, unmittelbar am vorbeilaufenden Fußweg ein Areal, von dem Sarrazin hofft, dass es „hoffentlich jeden Tag zur Verschönerung der Johannstadt beiträgt.“ Eine Einzäunung in Wabenform gewährt den Passanten des Fußweges Schutz vor den Bienen und zugleich Einblick in die Bienenhaltung. Auch Kindergruppen, die aus den umliegenden Kitas jahreszeitliche Streifzüge durch den Garten unternehmen, kommen nicht in unmittelbaren Kontakt mit den fliegenden Bienen, die sich dennoch beobachten lassen.

Illustrierte Schautafeln am Bienengehege leisten erste kreative Vermittlungsarbeit
Foto: Anja Hilgert

Schautafeln aus dem Kinder-Bienen-Bilder-Buch 

In einem Kinder-Bienenbuch des polnischen Autors Piotr Socha fand Sarrazin schließlich die entscheidende Anregung zur Umsetzung der angedachten Schautafeln am Bienenzaun. Das Bienenbuch von Piotr Socha, auf polnisch erschienen, in 15 Sprachen übersetzt, illustriert auf einfache, kindgerecht anschauliche und klare Weise alles, was Bienenhaltung betrifft. Jan Sarrazin ist noch immer erstaunt und tief dankbar, dass der Verlag tatsächlich die Erlaubnis erteilte, 4 Bildseiten für die Zwecke von Schautafeln für die Johannstadt zu verwenden. Er scheute die Mühen nicht, die das hochformatige Scannen und hochwertige Fabrizieren der Tafeln mit sich brachte. Auf seinem vielbepackten Fahrrad schwang er durchs Viertel, um den Bienen-Standort professionell, nachhaltig und langlebig auszustatten.

Na klar, Honig von hier!

Den eigenen, Bioland zertifizierten Honig aus seinem Johannstädter „Stockwerk“ vertreibt Jan Sarrazin mittlerweile in der Verbrauchergemeinschaft Elisenstraße.

Sich damit in Ruhe und Zufriedenheit zu wiegen, kommt für Jan Sarrazin nicht in Frage. Da ist die Sache mit dem Mehrwert. Die Bienen sind gut durchs Jahr gekommen, die Völker sind stark und der Stock gut bevorratet. Das Gehege steht stabil eingerichtet und ist GPS-gesichert. In Zaungesprächen erhält Jan Sarrazin direkte Anfrage nicht nur zum Verkauf seines Honigs, sondern die Nachbarschaft ist den Bienen gegenüber freundlich und interessiert aufgeschlossen: „Na klar, der Honig kommt von hier!“

Alles durchs Flugloch hineingetragen: Im Stock geschieht die Verarbeitung zu Jan Sarrazins biozertifiziertem “Stockwerk”-Honig
Foto: Anja Hilgert

Per QR Code in acht Sprachen: Von Bienen lernen

 
Die Johannstadt ist ein kulturell sehr durchmischter Stadtteil, und insbesondere die Internationalen Gärten setzen sich für gelebte kulturelle Vielfalt und Verständigung ein. Für die Schautafeln, die in deutscher Sprache gedruckt sind, hat Sarrazin Ausgaben in acht weiteren Sprachen erworben: Chinesisch, Russisch, Englisch, Französisch, Spanisch werden gerade als Tondokument eingelesen, das dann per QR Code mit dem Handy abrufbar ist.
Das Projekt im Johannstädter Bienengarten nimmt allmählich die Form an, von der die ursprüngliche Vision handelte. Nach der Ideenwerkstatt des Stadtteilfonds konkretisierte sich das weitere Vorgehen. Jetzt ist Jan Sarrazin soweit, seine Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen anzusteuern, um das gesammelte Wissen über die Bienen anschaulich zu verbreiten und nicht nur über, sondern vor allem von Bienen zu lernen: In einem zweiten soeben bewilligten Projektantrag geht es nun an die konkrete pädagogische Planung und Umsetzung von Workshops an Johannstädter Schulen für insgesamt 480 Schüler*innen, die darin an die Berufung des Imkerns herangeführt und mit der Lebensweise der Bienen vertraut gemacht werden.

Übers ganze Jahr bei der Arbeit: Imkern in der Johannstadt
foto: Anja Hilgert

Manche Biene fliegt taumelnd vor Gewicht in den Höschen zurück zum Flugloch. Dunkel orange ist ihr Gepäck, das sie gesammelt hat auf tagweiter Bahn. In den Blütenpollen steckt die Kraft eines ganzen Sommers.
Einzelne Tage, in denen die Kälte anzieht und kaum mehr Sonne durch dichte Wolkentiefs dringt, werden mittlerweile mancher Biene zum Verhängnis. Zu weit vom Stock entfernt an einer Blüte hängend, mit halbhohen Höschen, reicht die Kraft oft nicht mehr für den Heimweg. Für die Bienen ist der Winter bereits nah. Im Stock, den über Sommer mehrere Zehntausend Bienen bewohnten, sind bereits Vorräte angelegt, um das zusammenrückende Volk durch die kalte Jahreszeit zu bringen.
Jan Sarrazin ist zuversichtlich, dass sein Bienengarten Früchte tragen wird.

Bienengarten Johannstadt

  • Internationale Gemeinschaftsgärten Holbein-/Ecke Permoserstraße
  • den Honig “Stockwerk” gibt es in der Verbrauchergemeinschaft Elisenstraße zu kaufen

Bringt Ideen in die Werkstatt! – Das bot die Ideenwerkstatt des Stadtteilvereins

eingestellt am 15.09.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Ideen sind gefragt für die Johannstadt, die der Zukunft entgegen geht Foto: Anja Hilgert

Eine Werkstatt feierte Eröffnung am Donnerstagabend 10.09.2020 in der Johannstadt. Hobelspäne, Funkenflug, Geruch nach Schweiß und Arbeit lagen hier anders in der Luft als in traditionellen Handwerksbetrieben. Die Türen öffneten sich nämlich in eine Ideenwerkstatt: Damit lud der Stadtteilverein Johannstadt e.V. Bürger*innen in die JohannStadthalle ein, konstruktive Ideen für ein vitaleres Stadtteilleben vorzustellen, um bald darauf Taten folgen zu lassen. Zeit also für eine Inspektion! Es war eine Suchanzeige, in den Stadtteil geschaltet, um herauszufinden, wo etwas gärt oder schon reif ist, um ins Leben gerufen zu werden. Für diesen Sprung in die Umsetzung bot der Stadtteilverein Mittel und Wege zur Unterstützung an.

Die Werkstattausstattung

Es ist nicht wenig, was der Stadtteilverein Johannstadt e.V. im Rahmen der Zukunftsstadt Dresden an Ausstattung und Know How bereithält, um eigeninitiierte Vorschläge von Johannstädter Bürger*innen zu fördern. Was vielen nur unzureichend bekannt ist, wurde mit der Ausrichtung dieser Ideenwerkstatt gezielt in die Öffentlichkeit gerückt und aktiv beworben: Mit dem Werkzeug des Stadtteilfonds steht dem Stadtteilverein jetzt zum zweiten Mal ein Topf an Fördergeldern im Rahmen der Zukunftsstadt Dresden zur Verfügung, mit denen Bürger*innen ihre Ideen für ein nachhaltig lebenswertes Leben im Stadtteil selbst umsetzen können.

Auch in diesem Jahr hat der Stadtbezirksbeirat Altstadt die Arbeit des Johannstädter Stadtteilfonds wieder mit 37.618 Euro unterstützt, und ein Großteil der Gelder ist noch nicht ausgeschöpft. Es stehen also reichlich Mittel zur Verfügung und müssten bestenfalls im Oktober/November beantragt werden, um selbstbestimmten Bürger*innen-Projekten zufließen zu können.

Wer also die Glocken des Stadtteilfonds hat läuten hören, war zur Ideenwerkstatt gekommen.
30 Anmeldungen waren eingegangen und etwa 50 Menschen waren über den frühen Abend versammelt, um am Ideenaustausch teilzuhaben. Einige, aber längst nicht alle hatten eine Idee im Gepäck, die sie teilen oder gar schon konkret in die Umsetzung steuern wollten. Die meisten, die gekommen waren, zeigten sich zunächst aber zurückhaltend, zögerten, sich mit konkreter Ideenbekundung vorzustellen und äußerten erst einmal generell Interesse an den Ideen überhaupt und den Möglichkeiten, in der Werkstatt für Ideen Hilfe und Unterstützung für ein eigenes Thema zu bekommen.

Ideen-Gesuch für das gute Johannstädter Leben
Foto: Anja Hilgert

Wer eine zündende Idee hat, der melde sich

Lang gehegte Träume, plötzlicher Einfall oder nur so gemunkelt – einen diffusen Gedanken, was es mal noch geben oder was man mal noch machen oder besser machen könnte, hegt jede*r irgendwann mehr oder weniger deutlich für sein Umfeld. Meist bleibt es im Dunst und der Himmel voller Sterne. Und die Johannstadt ist zum allgemeinen Bedauern immer noch ohne den Treffpunkt einer Gastronomie, wie sie sich die Leute wünschen.

Es braucht Ermutigung, so die Erfahrung, aufzustehen für eine eigene Idee, denn schließlich ist es nicht leicht und die wenigsten sind geübt, sich ganz auf eigene Füße und mit persönlichem Anliegen vor die Gruppe zu stellen. Das eigene Café eröffnen, die eigene Werkstatt oder den Laden mit Selbstgemachtem – in jedem Traum steckt im Keim die Idee vom selbstbestimmten Handeln, vom kreativen Potential, das nach Ausdrucksmöglichkeiten sucht. 

Das genau wollte die Ideenwerkstatt bei den Einzelnen ab und in den Stadtteil hinein holen:
Den Spaß am Engagement, Begeisterung teilen, Gleichgesinnte treffen und die Lust mehren, gemeinsam etwas zu tun im Wohnumfeld.

Torsten Görg blickte als Projektleiter des Stadtteilfonds zuversichtlich auf eine eingereichte Zahl von Ideen, die dem Stadtteil aus dem Herzen sprechen: Eine gemeinschaftliche Reparatur-Werkstatt wurde angeregt, für die ein Raum zu finden wäre, Johannplasto, der aus recyceltem Plastik neue Gebrauchsgegenstände schafft, benötigt Bekanntmachung, ein Bildungsangebot mit den Johannstädter Bienen sucht Anschluss an Kitas und Schulen, Lebensmittel möchten fairteilt werden, die Einkaufshallen sollen einen eingebauten Baum erhalten mit wiederverwendbaren Tragetaschen, junge Leute möchten sich an einem Pizzaofen treffen, Jugendliche U18 wollen am Wahlgeschehen beteiligt sein – reichlich engagierte Impulse und Vorschläge standen zur Diskussion.

Mittel und Wege des Stadtteilfonds

Für Bürger*innen, die es zu Taten für das Gemeinwohl drängt, wird der Stadtteilfonds vermittelnd tätig: Torsten Görg steht beratend in der Planungsphase zur Seite, berät bei der Antragstellung der Fördergelder, motiviert die Präsentation des Projektes vor dem Stadtteilbeirat und ist begleitender Ansprechpartner bis zur Umsetzung des Projektes. Das alles geschieht unter Schirmherrschaft der Zukunftsstadt Dresden. Deren Moderatoren übernahmen in der Werkstatt das Management der vorgebrachten Ideen, die erstaunlich konkret und, wie sich später zeigte, in vielerlei Hinsicht durchaus anschlussfähig waren.

Der Mehrwert einer Idee ist letztlich das Überzeugende. Die Zukunftsstadt verlangt nach innovativen Ideen, die für eine allen gemeinsame Zukunft nachhaltig wirksam sein sollen, so das Hauptkriterium für eine Kooperation.

In der Johannstadt ist es die Vielzahl unterschiedlichster kultureller Inseln, die von Lebendigkeit und Lebensqualität zeugen. Das Engagement Einzelner, das hier Früchte trägt, kommt dem Stadtteil insgesamt stärkend zugute. Mit seinen schon umgesetzten Projekten hat der Stadtteilfonds bereits maßgeblich die Szenerie des Viertels bereichert: Ob Hofflohmarkt-Fest, Hochbeete für einen gemeinschaftlich genutzten Hinterhof, ein Holz-Bau-Workshop für Jugendliche, ein Kalender und Fotowettbewerb zum schönsten Baum der Johannstadt oder die Generationen-Riksha, die jetzt die Johanneskirchgemeinde beherbergt und viele andere Einzelprojekte – sie alle bilden Bedürfnisse und kreative Visionen der Johannstädter*innen ab. Auch das online-Stadtteilmagazin, in dem gerade aktuell dieser Artikel vorliegt, ist eine durch den Stadtteilfonds geförderte Projektidee.

Johannstädter Ideenträger*innen in der Werkstatt des Stadtteilvereins Johannstadt e.V. Foto: Torsten Görg

Über den Mehrwert einer Idee

Mit den beiden Werkzeugen, die der Stadtteilverein im Rahmen der Zukunftsstadt Dresden verwaltet, dem Stadtteilfonds einerseits und dem entscheidungstragenden Stadtteilbeirat andererseits, entsteht ein Weg für engagierte Menschen, sich direkt zu involvieren und das Leben im Stadtteil selbstbestimmt mitzugestalten. Damit kann vielfältige Beteiligung unmittelbar dort entstehen, wo die Menschen wohnen und leben. Menschen finden aus passiver Betroffenheit in verwandelnde Teilnahme und aktive Verwirklichung.

Der Slogan des Stadtteilvereins zur ersten Ideenwerkstatt 2017 hieß dementsprechend: Du bist die Johannstadt! Dort wurden vor drei Jahren die Ideen geboren zu den Strukturen, die heute das Wesen des Vereins ausmachen. Daraus resultierend sind im Stadtteil heute die Organe des Stadtteilfonds, des Stadtteilbeirats und der Stadtteilredaktion wirksam.

Deshalb bestimmen über die letztendliche Förderung von Projekten in der Johannstadt auch die Menschen, die es betrifft, selbst: In der Johannstadt gründete sich der erste Dresdner Stadtteilbeirat.

Der erste Dresdner Stadtteilbeirat in der Johannstadt

20 Bürger*innen bilden das Gremium, das über die Förderanträge abstimmt. Die Entscheidungsgewalt liegt damit in den eigenen Reihen: 10 aktive Vertreter*innen aus Einrichtungen der Stadtteilarbeit werden berufen und 10 weitere Mitglieder werden aus der Mitte der Bevölkerung gewählt: Je ein*e Vertreter*in sämtlicher Bevölkerungsgruppen im Stadtteil kommen zusammen: Jugendliche, Senior*innen, Vertreter*innen mit und ohne Migrationsbiografie, Ladenbesitzer*innen, Freiberufler*innen – Jede*r Johannstädter Bürger*in kann kandidieren und sich zur Wahl aufstellen lassen! Aktuell läuft die Amtszeit des derzeitigen Stadtteilbeirats zum Jahresende ab, in der Johannstadt werden im November Wahlen durchgeführt. Die Chance, aktiv zu werden für den Stadtteil besteht gerade jetzt: Wer sich berufen fühlt, meldet sich und kann sich aufstellen lassen!

Noch ist die Frist nicht abgelaufen: Für Mitbeteiligung gibt es kein Zu-Spät
Foto: Anja Hilgert

Expert*innen am Werk

Eine Ideen-Werkstatt hat nicht mit demselben handfesten Material zu tun was sonst im klassischen Handwerk zählt. In der gegenwärtigen Zeit verschiebt sich der Begriff der Arbeit ins Geistige.

Vielleicht lässt sich im Nachgang zu der Veranstaltung sogar besser nach-denken, was es bedeutet, Ideen in eine Werkstatt einzuladen. Die Idee hütet ein inniges Anliegen, das, oft nur in einer Ahnung liegend, entwickelt werden möchte. Aus nur eigenen Kräften ist das nur bedingt möglich.

In einer Werkstatt, so das Aushängeschild, sind Expert*innen am Werk. Und was mit Verstand und viel Geschick und Sorgfalt hergestellt wird, hat den Charakter von etwas Besonderem, Neuem, vielleicht so noch nicht Dagewesenem, denn es ist ein Werk und nicht bloß Ware. In dem Falle das Herzensanliegen eine*r kompetenten Bürger*in.

Andrea Schubert als Stadtteilvereinsvorsitzende bedankte sich in ihrer Schlussrede vor allem bei denen, die den Mut hatten, allein nach vorne zu gehen und ihre Idee vorzustellen. Letztlich ist die Unterstützung durch den Stadtteilfonds, den die Zukunftsstadt Dresden ermöglicht, eine Würdigung dieses gelebten Vertrauens in die je eigenen Fähigkeiten, etwas wirklich Neues zu vermögen. Diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit bildet schließlich das Fundament für reife demokratische Entscheidungsprozesse und sozialen Zusammenhalt überhaupt.

Den Stadtteil im Gespür haben

In der Abschlussrunde bedankten sich die meisten für Impulse und Anstöße, die sie durch die anderen Teilnehmenden erhalten hätten. Dabei ging es nicht so sehr um die eigene Idee und diese durchzubringen, sondern mehr um auch emotionale Motive, persönlich aktiv zu werden und sich zu vernetzen, um gemeinschaftlich Lebensraum zu gestalten. 

Die eigentliche Geburtshilfe für den Schritt in die aktive Mitbeteiligung erfolgte in der Ideenwerkstatt durch den Austausch und die Öffnung der Leute füreinander und untereinander. Dieses Zusammenkommen hätte stärker gewichtet und fließender moderiert sein können, um mehr Zeit und Erleben für den Prozess des Miteinanders zu geben.

In der Johannstadt braucht es Zuhörer*innen und Offenheit für noch Ungesprochenes, damit die Bedürfnisse wirklich gefunden werden, die sich im Stadtteil unter der Last des Alltags ansonsten noch weiter zurückziehen und stauen oder andere, auch kriminelle Wege bahnen, um nach aussen zu kommen. Es wird im Stadtteil oft genug und von Kindesalter an mit Gewalt operiert und randaliert gegen das, was als bremsend oder einfach nur unverstanden empfunden wird. Kleinste Schnittmengen, in denen Verständigung sich anbahnen und eine verbindende Erfahrung sich machen lässt, sind tatsächlich wertvoll für das Zusammenleben jetzt und für zukünftige Entwicklung.

Auch nach der Ideenwerkstatt ist es keinesfalls zu spät. Wer sich angesprochen fühlt, mit seiner Idee das Stadtteilleben zu bereichern, kann unmittelbar mit dem Stadtteilverein in Kontakt treten.

Ein Beitrag von Dresden Fernsehen über die Ideenwerkstatt findet sich unter www.sachsen-fernsehen.de/ideen-gesucht-fuer-eine-nachhaltige-johannstadt-770604.

Ideenwerkstatt Johannstadt

  • Stadtteilverein Johannstadt e.V., Projekt Stadtteilfonds und Stadtteilbeirat Johannstadt, Ansprechpartner Torsten Görg, Pfotenhauerstraße 66
    01307 Dresden
  • Telefon 0351 – 41 88 16 67
  • E-Mail stadtteilfonds@johannstadt.de
  • Beratung und Hilfestellung bei Projektentwicklung und Antragstellung/Abrechnung jeden Freitag 15-17 Uhr nach telefonischer Vereinbarung

Was tun mit 30.000 Euro? Die Ideenwerkstatt am Donnerstag

eingestellt am 07.09.2020 von Philine Schlick

Die Ideenwerkstatt am Donnerstag ist eine der wichtigsten Veranstaltungen des Jahres, wenn es um die Verwirklichung von Projekt-Ideen geht. Hier erklären Stadtteilverein, Quartiersmanagement und Zukunftsstadt, wie Anträge gelingen. Die Teilnahme lohnt sich auch ohne eigene Projekt-Idee. Zur Verfügung stehen noch 30.000 Euro. 

Marthy und Lars vom Stadtteilfondsprojekt "Grüne Pfote 66" (Foto Torsten Görg)
Marthy und Lars vom Stadtteilfondsprojekt “Grüne Pfote 66” (Foto Torsten Görg)

Ein Kinderzirkus auf den Elbwiesen, ein Hochbeet im Hinterhof? Bunt gestaltete Papierkörbe, Bienenwiesen, Reparatur-Workshops…? Es sind die kleinen Ideen, die Menschen zusammenbringen und das Viertel lebenswerter machen. Sie zu haben ist eine Sache, sie umzusetzen eine andere. Wie das geht, erklären Macher*innen der Johannstadt am Donnerstag von 18 bis 21 Uhr in der JohannStadthalle an der Holbeinstraße.

Eine Zukunftsidee ist nur einen Antrag weit entfernt

Vertreter*innen der Zukunftsstadt, des Stadtteilvereins und des Quartiersmanagements geben Einblicke helfen dabei, eigene Ideen zu verwirklichen. Bereits 15 externe Teilnehmer*innen sind angemeldet, so Torsten Görg vom Projekt Zukunftsstadt.

Die Stadtteilbeiräte lauschen den Antragsteller*innen. Foto: Philine Schlick
Die Stadtteilbeiräte lauschen den Antragsteller*innen. Foto: Philine Schlick

Um eine Förderung für Ideen zu erhalten, sind ein Kostenplan und ein Projektantrag nötig. Wie diese erstellt und ausgefüllt werden, wird in der Ideenwerkstatt erklärt. In seinen nächsten Sitzungen am 8. Oktober und 12. November entscheidet dann der Stadtteilbeirat in seinen öffentlichen Sitzungen über die Förderung. Je vier Wochen vor der nächsten Sitzung müssen die Anträge eingereicht sein.

NaJo2025: Das Bönischplatzfest 2019. Foto: E.Heinke
NaJo2025: Das Bönischplatzfest 2019. Foto: E.Heinke

In der letzten Sitzung im Juli waren z.B. ein Gymnastikkurs für muslimische Frauen, Mosaik geschmückte Sitzbänke für den Bönischplatz, ein Holzbauworkshop für Jugendliche und ein Videodreh mit der Band Lasse Reinstroem zum Parking Day am 18. September beschlossen worden. Zum Parking Day verwandelt das Projekt Nachhaltige Johannstadt 2025 die Hertelstraße für einige Stunden in einen autofreien Lebensraum.

Zwei Euro pro Einwohner können frei verwaltet werden

Mit Geld aus dem Stadtteilfonds wurden seit 2019 bereits 27 Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität in der Johannstadt gefördert. Rund 37.000 Euro wurden im Januar per Beschluss aus dem Budget des Stadtbezirks Altstadt zur Verfügung gestellt. Das entspricht einem Anteil von 2 Euro pro Einwohner, die selbst verwaltet werden können.

Darüber hinaus hat die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) 12.000 Euro gespendet, die abzüglich einer Verwaltungspauschale ebenfalls in den Stadtteilfonds fließen. Zudem hält der Verfügungsfonds “Nördliche Johannstadt” weitere 3.700 Euro bereit. Aktuell stehen für das Jahr 2020 insgesamt noch reichlich 30.000 Euro zur Verfügung und warten auf mutige Macher*innen.

Ideenwerkstatt am 10. September

  • JohannStadthalle, Holbeinstraße 68, 18 bis 21 Uhr
  • Anmeldung unter stadtteilfonds@johannstadt.de, für Getränke und Snacks ist gesorgt
  • Link zum Facebook-Event
  • Alle Infos zur Veranstaltung finden Sie hier