Alexandra Jentsch ist für die Stadtteilredaktion von johannstadt.de auf dem Gelände des Uniklinikums umher spaziert und hat den Innenhof, ehemals Standort einer Kapelle, näher betrachtet. Ein seltsames Gefühl, das Krankenhaus mit Corona-Station zum Flanieren, nicht zum Arbeiten oder Genesen aufzusuchen …
Die Atmosphäre und die Gestaltung des Innenhofs des Universitätsklinikums sind einen Spaziergang und ein Verweilen wert – vorausgesetzt man verbindet mit einem solchen Ort keine schmerzhaften Erinnerungen, sondern vielleicht eher etwas Heilsames.
Beseelender Platz am Brunnen
Jetzt in diesem Frühling mag es etwas entrückt wirken, auf der Blasewitzer Straße die historischen Mauern aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts an der Stelle der Corona-Ambulanz zu passieren und mit einer Sonnenbrille auf der Nase nur aus Interesse am begrünten Innenhof durch den Haupteingang zu schlendern.
Gerade weil ich im Gesundheitswesen arbeite, tut es gut, diesen Ort nicht von der Pflicht- und Sorgenseite zu betrachten. Mir wird nur kurz der immense Lageplan gewahr, vor dem ein kleiner graubärtig-hängeschultriger Mann lange das Gesuchte nicht zuordnen kann. Er suche die Corona-Ambulanz “nur falls man da mal hinmüsste“. Ein Fingerzeig war zum Glück genug, um den fragenden Blick von der großen abstrakten Karte abzuwenden.
Duft nach Stiefmütterchen
Nicht weit vom Haupteingang zwischen einigen historischen Gebäuden treffe ich auf einen beseelenden Platz am Brunnen unter der Blutbuche. Eine schwarze Krähe kramt unverschreckt im Mülleimer und “fischt“ eine leere Assiette heraus – vielleicht ein Relikt eines nun fernab der Kollegenrunden, dafür aber im Grünen mittagspausierenden Mitarbeitenden der Klinik.
Im Hintergrund sitzt ein kräftiger Herr in brauner Lederjacke und weißem Mundschutz, die Tauben gurren, es riecht nach frisch gepflanzten Stiefmütterchen und die hellgrünen Blatttriebe wirken vor dem blauen Himmel neben den Blutbuchen-Trieben wie ein Goa-Outfit. Hinter den Verzweigungen lugt der lange Schornstein des Heizhauses hervor, den man von fast jeder Stelle des Geländes wie eine Art Markierung herausragen sieht.
Aus Kapelle wurde Seelsorgezentrum
Für eine Minute zerrt der gelbe ADAC-Hubschrauber an der friedlichen Ruhe dieser Gartenanlage und erinnert daran, dass hier Tag für Tag Menschenleben gerettet bzw. an Menschenleiden gemindert werden.
Mein spontaner Weg zeigt weitere Relikte auf, die lange schon Geschichte erzählen: Verzierte Bruchstücke einer neoromanischen Kapelle, die hier 1901 eingeweiht, 1945 zerstört und kurz darauf abgerissen worden war. Was hier als übrig liegt, wirkt in seinen gewundenen Formen und Friedenssymbolen anmutig und bewegt mich ein weiteres Mal im Hinblick auf die vielen Kriegswunden, welche die Johannstadt birgt.
Heute hat den Platz und die Bedeutung der Kapelle das Seelsorge-Zentrum eingenommen, welches seit dem Jahr 2000 an ebendieser Stelle eröffnet ist.
Terminlose Langsamkeit
Einige Meter weiter Richtung Pfotenhauer Straße erinnert eine sehr massiv und entschieden wirkende Mutterfigur an den Ursprung der Klinik und des Namensgebers Carl Gustav Carus'(1789-1869) fortschrittliches Wirken in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Ursprünglich war sie jedoch vom in Dresden studierten und ebenda 1942 verstorbenen Bildhauer Ludwig Godenschweg gefertigt worden. Auch hier laden ein ebenso geformter Brunnen und schattenspendende Bäume zum Erholen und Atmen ein.
Mein Weg aus den Grünanlagen mündet allmählich wieder in Glasfassaden und Metallgeländer, Rampen und Rangierwege. Während ich noch in terminloser Langsamkeit mit der vogelbezwitscherten Parkstille zum Ausgang spaziere, hebt der Hubschrauber zum nächsten Einsatz ab. Vor den Toren rauschen die Fahrzeuge über die Fetscherstraße, vor denen man sich also mit nur einem kurzen Abzweig hinter die historische Mauern verkriechen kann.