Trauer um Werner Ehrlich

eingestellt am 22.12.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Werner Ehrlich, aufgenommen am Pfingstsonntag 2018 von Bildermann.de/www.bildermann.de
Werner Ehrlich, vielfältiger Engagierter und prägende Persönlichkeit der Johannstadt, ist im Alter von 73 Jahren verstorben. Matthias Erfurth vom Johannstadtarchiv widmet ihm würdigende Worte in seinem Nachruf. 
Werner Ehrlich verstarb vergangene Woche im Pflegeheim “Clara Zetkin” in Johannstadt, dem einstigen Bürgerhospital. Für Werner – ich kannte ihn seit dem Dresdner Geschichtsmarkt anlässlich der 800-Jahr-Feier Dresdens im Jahr 2006 – war es die letzte Station als Kulturbürger in “seinem” Stadtteil Johannstadt, den er jahrelang mit legendären Ideen und Aktionen kulturell mitgestaltet hat. So gingen u. a. der Bürgerladen am Bönischplatz (1997-2003), das erste Plattenbaumuseum (2004) und die Wiederauflage des Elbefestes am Fährgarten (2002) auf sein Konto.

Unglaubliches Begeisterungstalent

Auch wenn Werner in den letzten Jahren nur noch selten in der Öffentlichkeit zu erleben war, so war er trotz nachlassendem Augenlicht doch immer noch hellwach, wenn es um Johannstädter Themen ging. Auf seinen Expertenrat etwa zum Stelenprojekt konnte man sich stets sicher sein oder bei der Recherche zur Geschichte und Geschichten dieses Stadtteils, dessen gleichnamigen Verein (gemeint ist hier der Bezirksverein für die Johannstadt, *Anm. d. Red.) und wie auch dem späteren Verein von Dresdens Erben im Zusammenhang mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke stand er tatkräftig zur Seite.
Was mich als Weggefährte immer an Werner fasziniert hat, ist sein unglaubliches Organisations- und Begeisterungstalent: Man konnte mit einer Idee um die Ecke kommen und wurde am Ende von ihm überzeugt, doch gleich mit an die Umsetzung zu gehen. Damit einher gingen die ihm fernliegenden Berührungsängste, mit Firmenchef*innen und Politiker*innen um Geld und Projekte zu verhandeln.

Ein Dresdner Original

Unermüdlich, pragmatisch und auf das Miteinander bedacht versuchte er, Kultur- und Jugendprojekte anzuschieben. “Wenn dann alles läuft, und mich keiner mehr fragt, freu ich mich und such’ mir eine neue Aufgabe.” (Zitat DNN von 1998).
Sein gutes Herz mit großer Klappe hat nun aufgehört zu schlagen und die Geschichte des Stadtteils müssen nun andere mitschreiben – was bleibt, ist die Freude an diesem Herzensmenschen und Dresdner Original, an das wir uns dankbar und demütig erinnern können.

7 thoughts on “Trauer um Werner Ehrlich”

  1. Wann und was immer along mich zu ihm nach Dresden führte, mein Job, meine Verwandschaft oder auch Neugierde sich mit ihm zu wundern, es gab Sympathie und menschliches Feedback. Ja seine kreative Energie. Ein Herz auf’m menschenmöglich ehrlichsten Fleck. Danke Werner !

    1. Werner Ehrlich habe ich persönlich viel zu verdanken. Er hat uns als jungen Spinnern in den 90er Jahren auf der endlosen Suche nach einem für uns bezahlbaren Arbeitsraum sofort im einstigen Klubhaus Pentacon aufgenommen. Er hatte jeden Tag tausend verrückte Ideen, er hat uns vor allem immer ermutigt einfach zu machen und nicht abzuwarten, er hat mit uns wortwörtlich über Nacht die Wände des Hauses eingerissen, immer im Risiko am nächsten Tag dafür entlassen zu werden. Er war ein verrückter Freigeist, von dem ich mehr über unternehmerische Tugenden gelernt habe, als von vielen wichtigen Managern. Ein wirklich toller Mensch.

      Mein herzliches Beileid für die Angehörigen und Freunde

      Frank Haring

  2. In den anstiftenden Jahren nach der sogenannten Wende war Werner Ehrlich nicht einer von vielen, sondern einer von wenigen, die ermutigten, anpackten, wege und umwege kannten, vertrauen schenkten. ohneihn hätte es den dresdner friedenspreis der anstiftung nicht gegeben, nicht die stadtschreiberstelle in klotzsche, nicht de west-ost-begegnungen auf augenhöhe zwischen kulturschaffenden in dresden und stuttgart. Glückauf, werner da oben, ich weiss, du wartest auf uns, hab’ noch bissel Geduld. peter-grohmann@die-anstifter.de in stuttgart

  3. Lieber Werner,
    Dich als Freund und nimmer müden Aktivisten kennengelernt zu haben, das bleibt. Gerne erinnern wir uns an die bunten Fäden, die wir gemeinsam gesponnen haben, Du immer voller Energie, bescheiden und durch und durch uneitel. Als wir vor wenigen Tagen, am 4. Advent, erfuhren, daß Du von uns gegangen bist, waren wir sehr traurig. Wir sind sicher, daß die Spuren, die Du hinterläßt, sehr treffend von Bertolt Brecht in seiner langen Legende vom weichen Wasser, das den harten Stein besiegt, beschrieben wurde. Leider paßt das nicht auf eine Kranzschleife, deshalb hier digital und auf Papier als letzten Gruß.
    Deine Christl und Karl Nolle
    Dresden, den 01.01.2022
    http://www.karl-nolle.de
    Karl@karl-nolle.de
    ————————————————————-
    „Legende von der Entstehung des Buches
    Tao Te King auf dem Weg des Laotse in die
    Emigration“
    ————————————————————-
    1
    Als er Siebzig war und war gebrechlich
    Drängte es den Lehrer doch nach Ruh
    Denn die Güte war im Lande wieder einmal
    schwächlich
    Und die Bosheit nahm an Kräften wieder
    einmal zu.
    Und er gürtete die Schuh.

    2
    Und er packte ein, was er so brauchte:
    Wenig. Doch es wurde dies und das.
    So die Pfeife, die er abends immer rauchte
    Und das Büchlein, das er immer las.
    Weißbrot nach dem Augenmaß.

    3
    Freute sich des Tals noch einmal und
    vergaß es
    Als er ins Gebirg den Weg einschlug
    Und sein Ochse freute sich des frischen
    Grases
    Kauend, während er den Alten trug.
    Denn dem ging es schnell genug.

    4
    Doch am vierten Tag im Felsgesteine
    Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:
    „Kostbarkeiten zu verzollen?“ – „Keine.“
    Und der Knabe, der den Ochsen führte,
    sprach: “Er hat gelehrt.“
    Und so war auch das erklärt.

    5
    Doch der Mann in einer heiteren Regung
    Fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?“
    Sprach der Knabe: „Daß das weiche
    Wasser in Bewegung
    Mit der Zeit den harten Stein besiegt.
    Du verstehst, das Harte unterliegt.“

    6
    Daß er nicht das letzte Tageslicht verlöre
    Trieb der Knabe nun den Ochsen an
    Und die drei verschwanden schon um
    eine schwarze Föhre
    Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann
    Und er schrie: „He, du! Halt an!

    7
    Was ist das mit diesem Wasser, Alter?“
    Hielt der Alte: „Interessiert es dich?“
    Sprach der Mann: „Ich bin nur Zollverwalter
    Doch wer wen besiegt, das interessiert auch
    mich.
    Wenn du’s weißt, dann sprich!

    8
    Schreib mir’s auf! Diktier es diesem Kinde!
    So was nimmt man doch nicht mit sich fort.
    Da gibt’s doch Papier bei uns und Tinte
    Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne
    dort.
    Nun, ist das ein Wort?“

    9
    Über seine Schulter sah der Alte
    Auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh.
    Und die Stirne eine einzige Falte.
    Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu.
    Und er murmelte: „Auch du?”

    10
    Eine höfliche Bitte abzuschlagen
    War der Alte, wie es schien, zu alt.
    Denn er sagte laut: „Die etwas fragen
    Die verdienen Antwort.“ Sprach der Knabe
    „Es wird auch schon kalt.“
    „Gut, ein kleiner Aufenthalt.“

    11
    Und von seinem Ochsen stieg der Weise
    Sieben Tage schrieben sie zu zweit
    Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte
    nur noch leise
    Mit den Schmugglern in der ganzen Zeit).
    Und dann war’s soweit.

    12
    Und dem Zöllner händigte der Knabe
    Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein.
    Und mit Dank für eine kleine Reisegabe
    Bogen sie um jene Föhre ins Gestein.
    Sagt jetzt: kann man höflicher sein?

    13
    Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
    Dessen Name auf dem Buche prangt!
    Denn man muß dem Weisen seine Weisheit
    erst entreißen.
    Darum sei der Zöllner auch bedankt:
    Er hat sie ihm abverlangt.

    Bertolt Brecht

  4. Das von Karl Nolle zitierte Gedicht „Legende von der Entstehung des Buches Tao Te King“ hat auch einen traurigen Bezug zu Werner Ehrlich. Als wir, ein paar Freunde und Bekannte von Werner, ihm „seine Weisheit abverlangen“ – sprich: ihm helfen wollten, seine lange geplanten Memoiren endlich zu Papier zu bringen – war es zu spät. Er hat sie mit sich fort genommen. Nun bleibt nur die Erinnerung an Werner bei den Vielen, die ihn kannten. Vielleicht gelingt uns mit vereinten Kräften bei der geplanten Gedenkveranstaltung am 1. Mai in der Kümmelschänke, was Werner selbst nicht mehr vergönnt war: das Mosaik seines ungewöhnlichen, aktiven, inspirierenden Lebens und Wirkens zusammenzutragen.

    1. Dann sollten alle, die Werner kannten, ihre Erinnerungen aufschreiben und die Fotos von ihm und mit ihm zusammensuchen. Das wäre ja schon mal ein Anfang.
      Am Sonntag konnte/ sollte ich leider nicht dabei sein.

  5. Eure Veröffentlichungen haben mich sehr berührt.
    Als relativ neu Hinzugezogene kannte ich euren Mitstreiter nicht. Aber gibt es denn nicht die Möglichkeit, auch über die Website “nebenan.de” generell über personelle Besonderheiten im Stadtteil zu berichten/ informieren, über eine spezielle Rubrik?
    Die erwähnte Gedenkveranstaltung am 01. Mai würde ich gern besuchen und ich denke, dass es auch einige Jüngere gibt, die ein Rückblick auf ein so eindrucksvolles Leben und Wirken interessiert.
    Mein herzliches Beileid den Angehörigen und nächsten Freunden!
    Betina Lasch

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