Versorgung selbst organisieren – Solidarische Landwirtschaft sucht Mitglieder in der Johannstadt

eingestellt am 24.01.2024 von Torsten Görg (Stadtteilfonds), Headerbild: Wurzelernte auf dem Solawi-Acker (Foto: Axel Kunze)

Am Montag, dem 8. Januar 2024 blockierten zahlreiche Bäuerinnen und Bauern mit Traktoren unter anderem das Käthe-Kollwitz-Ufer in der Johannstadt. Grund für die Proteste war vor allem die geplante Streichung von Steuervergünstigungen und Subventionen. Über die Diskussion um staatliche Unterstützung und Besteuerung hinaus, stellt sich für Politik und Verbraucher*innen die Frage:
Wie sieht eine faire und zukunftsfähige Landwirtschaft aus? Das Projekt „Gemüseanbau in Graupa“, das vom Lebenswurzel e. V. unterstützt wird, bietet darauf eine mögliche Antwort und stellt diese am 27. Januar im Stadtteilladen vor: Solidarische Landwirtschaft – kurz „Solawi“ genannt.

Die ursprüngliche Idee einer solidarischen Landwirtschaft ist einfach: Eine Gruppe von Verbraucher*innen – auch Ernteteiler*innen genannt – schließt sich mit einem Landwirtschaftsbetrieb zusammen und verpflichtet sich, gemeinsam die geplanten Kosten für die Produktion zu decken. Im Gegenzug werden Ernte und weiterverarbeitete Produkte anteilig unter den Mitgliedern aufgeteilt. Je nach Rechts- und Organisationsform wird das Konzept unterschiedlich umgesetzt. In manchen Solawis wird an Mitmach-Tagen dazu eingeladen, auf dem Feld, im Stall oder bei der Weiterverarbeitung selbst mit anzupacken. Die Versorgung wird also gemeinschaftlich organisiert. In Deutschland gibt es bereits rund 500 Solawi-Projekte, Tendenz steigend.

Gemüseanbau in Graupa – ein Solawi-Projekt für Dresden und Umgebung stellt sich vor

Der Lebenswurzel e. V. wurde 2014 gegründet und kooperierte viele Jahre mit der Solawi Schellehof GbR in Struppen. Seit 2023 geht der Verein einen Schritt weiter und unterstützt ab dieser Saison das neue Projekt „Gemüseanbau in Graupa“. Ab 1. April 2024 wird mit viel ehrenamtlichem Engagement eine stillgelegte Gärtnerei im Pirnaer Ortsteil Graupa wiederbelebt. Mit Hilfe von mindestens zwei angestellten Personen im Gartenbau wird dort auf einem Hektar Freifläche und 500 Quadratmetern geschützter Anbaufläche Gemüse angebaut. „Bereits 80 Mitglieder haben ihren Bedarf verbindlich angemeldet. Anmeldungen für die nächste Saison von April 2024 bis März 2025 sind vorerst noch bis Ende Februar möglich. Wer mitmachen will, kann zwischen drei Arten der Mitgliedschaft entscheiden – still, aktiv und engagiert. Je größer die ehrenamtliche Mitarbeit für das Projekt, desto geringer der empfohlene finanzielle Beitrag, an dem man sich bei der Festlegung des Solawi-Beitrags orientieren kann“, erklärt Julia Aepler, engagiertes Mitglied des Projekts.

“MitMachTag” auf dem Solawi-Acker (Foto: Mario Polenz)

Ihren angemeldeten Bedarf an Gemüse- und anderen Nahrungsmitteln können die Mitglieder in einer der Abholstationen abholen. „Im Angebot ist immer das, was saisonal gerade geerntet wird oder eingelagert wurde. Im Januar gibt es zum Beispiel Grünkohl, Karotten, Rote Bete, Rettich, Pastinaken und Kartoffeln aber auch Eier, Backwaren und Getreideprodukte, wie Mehle und Körner von regionalen Kooperationsbetrieben. Für die nächste Saison werden darüber hinaus noch weitere Produkte angeboten, wie Milchprodukte, Honig, Nudeln und verschiedene Öle“, erklärt Julia Aepler.

Solawi-Gemüse – Rote Bete (Foto: Mario Polenz)

Vorteil Solidarischer Landwirtschaft: Geteiltes Risiko und näher dran an den eigenen Nahrungsmitteln

Die zu Saisonbeginn direkt mit den Mitgliedern einer solidarischen Landwirtschaft abgeschlossenen Verträge verschaffen den Erzeuger*innen deutlich mehr Planungssicherheit und fördern deren Unabhängigkeit sowohl von schwankenden Marktpreisen als auch von Subventionen. Das Risiko der landwirtschaftlichen Erzeugung wird auf die Mitglieder verteilt und lastet nicht mehr nur auf den Schultern der Betriebe. Die enge Beziehung der Mitglieder zur Herstellung ihrer Nahrungsmittel garantiert nicht nur, dass diese wohnortnah in Bio-Qualität angebaut und saisonal verbraucht werden, sondern sorgt auch für Transparenz und die Möglichkeit zur Mitsprache. Zudem wird bei der solidarischen Landwirtschaft nichts Essbares weggeworfen, sondern alles verteilt, wie es gewachsen ist, auch wenn die Gurke manchmal eben krumm ist.

Neue Abholmöglichkeit in der Johannstadt? Infoveranstaltung am Samstag, 27. Januar 2024 im Stadtteilladen

Ziel des Projekts „Gemüseanbau in Graupa“ ist es, schon bald 120 Haushalte zu versorgen. So wie an den bislang neun Standorten in Dresden und Umgebung, darunter in Graupa, Pirna, Leubnitz-Neuostra, Gruna, Löbtau, Neustadt und Trachau, könnte es bald auch in der Johannstadt immer donnerstags eine Abholmöglichkeit für die Ernteanteile und die zusätzlich angebotenen Nahrungsmittel geben. Mindestens zehn neue Mitglieder aus dem Stadtteil sollen dafür gefunden werden.

Dazu organisiert der Lebenswurzel e. V. am 27. Januar 2024, von 14 bis 16 Uhr eine Infoveranstaltung im Stadtteilladen, Pfotenhauerstraße 66. Am Büffet mit Kostproben des Solawi-Gemüses und weiteren Produkten können Interessierte direkt probieren, was daraus zubereitet werden kann und was sie erwartet, wenn sie bei dem Solawi-Projekt „Gemüseanbau in Graupa“ mitmachen.

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One thought on “Versorgung selbst organisieren – Solidarische Landwirtschaft sucht Mitglieder in der Johannstadt”

  1. Vielen Dank für diese informative Veranstaltung! Im gut gefüllten Stadtteilladen konnten sich die Anwesenden ein umfangreiches Bild über das Projekt und die Beteiligungsmöglichkeiten machen. Neben einem ausführlichen Vortrag, welcher mit einer sehr regen Diskussion beschlossen wurde, hatten die Mitglieder des Lebenswurzel e.V auch ein sehr ansprechendes und umfangreiches Buffett zum selbst probieren vorbereitet. Viel Erfolg und zahlreiche neue Mitstreiter!

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