Fundstück: Ehemalige Blattgoldschlägerei in der Dürerstraße

eingestellt am 09.07.2024 von Bertil Kalex (Stadtteilverein), Headerbild: Gebäude der ehemaligen Blattgoldschlägerei in der Dürerstraße. Heute ein Wohnhaus. Gut sichtbar und strahlend bei jedem Wetter, das vergoldete Dach des Vorbaus. Foto: Bertil Kalex

Abseits der großen Hauptwege und – straßen durch die Johannstadt gibt es einige interessante Dinge (wieder) zu entdecken. So auch bei diesem “Fundstück”, der ehemaligen Blattgoldschlägerei, etwas eingerückt in zweiter Reihe, an der Dürerstraße, Hausnummer 102a1.

Im Alltag rennt man, gedankenversunken, achtlos daran vorbei. Außer man wird baustellenbedingt, wie in diesem Fall, gezwungen sich neue Wege zu suchen. Dann ist die Aufmerksamkeit wieder da und man nimmt Notiz vom unbekannten Umfeld entlang der geänderten Wegstrecke.

Die Blattgoldschlägerei war mir nicht ganz unbekannt, zumindest gedanklich. Im Zusammenhang mit Recherchen für ein Projekt, dass sich der Johannstädter Stadtteilgeschichte2 widmet, hatte ich darüber gelesen und war erfreut, dass sich eine Arbeitsstätte, die einem so seltenem Handwerk nachgeht, in der Johannstadt zu finden war. Wie es in der Blattgoldschlägerei mal aussah (und wie klein die Werkstatt war) kann man einem Bild in der Deutschen Fotothek entnehmen.

Mein Resümee: Es lohnt sich hin und wieder mal neue Wege durch die Johannstadt zu gehen. Bewusst Umwege in Kauf zu nehmen und innezuhalten, um neues, unbekanntes zu entdecken oder vertrautes wiederzusehen.

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  1. Die hier ehemals befindliche Blattgoldschlägerei wurde 1830 gegründet. Damit war sie die älteste ihrer Art in Deutschland. Seit 1936 war sie in der Johannstadt ansässig. In den Adressbüchen 1937 und 1942 findet man unter der Adresse Dürerstraße 104 die Eintragung „Blattgold und Prägefolienfabrik, Ferdinand Müller, Hinter- und Seitengebäude“. Da die Räumlichkeiten der Fabrik 1945 zerstört wurden, zog sie auf die Dürerstraße 102a. 1972 wurde die Firma Blattgoldschlägerei Ferdinand Müller verstaatlicht. Nach der Wende 1989 wurde sie wieder reprivatisiert.
    1992/93 entstand ein neues Gebäude mit Wohnungen und Büroeinheiten für das alteingesessene Unternehmen, das bis 2002 weiter geführt wurde. Der Eigentümer vergoldete die Dachziegel des kleinen Vorbaus am Haus als Zeichen seiner Zunft. Im März 2002 wurde die Produktion eingestellt und nach Schwabach bei Nürnberg verlagert. Eine Zeitlang befand sich in der Johannstadt noch ein Verkaufsbüro. Das Blattgold wurde von der Goldschlägerei Busse geliefert, die die sächsische Firma 1991 übernommen hatte.
    Das Blattgold wurde in vielen Arbeitsgängen gemischt, geschmolzen, gewalzt und geschlagen. Am Ende der Bearbeitung war das Edelmetall ein Zehntausendstel Millimeter dünn. Es wurde in 8 Mal 8 Zentimeter große Blätter geschnitten und in ein Buch gelegt. Ein Buch enthielt 300 Blätter und reichte für die Vergoldung von etwas mehr als einem halben Quadratmeter. Alle Arbeitsgänge erfolgten in Handarbeit. Mit dem Blattgold der alteingesessenen Firma wurden u.a. die Krone am Zwinger, die Fama auf der Kunstakademie und Teile des Altars der Frauenkirche vergoldet.
    2008 bot der Alteigentümer das Haus zum Verkauf an. Die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt als neuer Eigentümer erteilte den Auftrag zur kompletten Umgestaltung als reines Wohngebäude nach Niedrigenergiestandard. Es wurde eine komplette Umplanung der Grundrisse und Fassaden vorgenommen. Kleine Details, die an der Fassade angebracht wurden, sowie große Steine, auf denen das Blattgold geschlagen wurde und die vor dem Haus aufgestellt worden sind, erinnern an die einstige Blattgoldschlägerei.
    Quelle: JohannStadtArchiv, Nebenfund im Rahmen von Recherchen (2017 – 2022) zum Projekt “Johannstadt auf Tafeln↩︎
  2. Aus verschiedenen Gründen beschränkt sich das Projekt “Johannstadt auf Tafeln” auf das Fördergebiet des Städtebauförderprogramms Soziale Stadt/Sozialer Zusammenhalt “Nördliche Johannstadt“. Möglich das sich zukünftig Mittel und Wege finden, das Projekt auf die restliche Johannstadt auszuweiten. Erwähnens- und erkundungswerte Orte mit historischem Bezug wie die oben genannte Blattgoldschlägerei gibt es noch einige in der Johannstadt. Vorausgesetzt es finden sich genügend Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Fördermittel und/oder private Geldgeber für das Projekt. Außerdem müsste die Frage geklärt werden, ob man sich auf die statistischen Stadtteile Johannstadt-Nord und Johannstadt-Süd beschränkt oder sich nach der Flurkarte beim Katasteramt richtet. Historisch betrachtet war die Grenze der Johannstadt zu Striesen am Verlauf der Hutten- und Krenkelstraße, des Stresemannplatzes und der Lipsiusstraße. ↩︎

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