People » Der mit der Sonne lacht – in Johann*s Eisfenster

eingestellt am 18.06.2024 von Anja Hilgert (ZEILE), zuletzt geändert am 18.06.2024

Beitrag von Anja Hilgert, 2021

Einer, der sich wie kein anderer freut, wenn die Sonne scheint, steht hinter weit offenem Fenster und verbreitet gute Laune. Milad ist der neue Mann in Johanns Eisfenster am Bönischplatz. Mit seinen gerade 24 Jahren zählt er zu den jüngsten Gewerbetreibenden im Stadtteil, und er beschert dem beliebtesten Fenster der Johannstadt einen neuen Start in die Saison.

Der mit der Sonne lacht

Es fühlt sich immer noch an wie neu zu starten, sagt Milad, der bereits im vergangenen Jahr ins Gespräch mit den Vorbesitzern gegangen war, um die Schlüssel für den verschlossenen Eisladen zu übernehmen. Während es im Stadtteil lange stilles Rätselraten gegeben hatte, ob sich zu der lange gesuchten Nachfolge für Johanns Eisfenster überhaupt etwas regte, liefen die Verhandlungen bereits über die Zielgerade: „Es gab viele Bewerber“, sagt Milad, „den Laden wollten einige Leute haben.“ Der Vermieter hat sich für ihn entschieden.

Der eigene Laden im Viertel, das sein Zuhause ist Foto: Anja Hilgert

 

Mit dem Thema verbunden sei er schon lange, sagt Milad, der vor seiner Selbständigkeit in der Altmarktgalerie in einem Eiscafé gearbeitet hat. Einmal war er auf dem Nachhauseweg mit dem Fahrrad am Bönischplatz entlang gefahren und hatte bemerkt, dass schon lange niemand mehr am Eisladen gestanden und Eis gegessen hatte. Da entdeckte er den Zettel am Fenster: Nachfolger gesucht und wusste, dass das ihm galt: „Das ist schon immer meine Bestimmung, ich wollte schon immer ein Eiscafé haben. Ich habe schon mit 16 angefangen, in einem Eiscafé zu arbeiten, so nebenbei. Und ich wohne auch schon lange in der Johannstadt.“

Gesattelt mit langjähriger Erfahrung, dazu ortsverbunden und positiv gestimmt für einen Berufsstart im Stadtteil, wurde er mit den Vorbesitzern Leander Bienert und Martin Petzold schnell vertragseinig. – Letztes Jahr im Oktober war es dann soweit für den frühen Schritt in die Selbständigkeit.

Absolut der Typ dafür

Optimistischer als einer, der zum Zeitpunkt kurz vor dem ‚harten’ lock down im Herbst 2020 sein erstes eigenes Ladengeschäft eröffnet, kann kaum jemand sein – doch das ist Milad, wie er in seiner eigenen Eisdiele steht und lacht. Nach den ersten Tagen der Öffnung musste er unmittelbar wieder schließen und ist mit dem Eisladen erst einmal in den Winterschlaf gegangen. Die Eis-Saison endet ohnehin Ende Oktober und beginnt mit Frühlingserwachen – dieses Jahr war es Mitte April soweit. Seitdem ist Milad vor Ort und hält das Eisfenster weit geöffnet.

Soft oder aus der Truhe – die Auswahl ist gewachsen Foto: Anja Hilgert

 

„Es läuft gut“, strahlt Milad, „natürlich bezogen auf die Tage, wo man aufmachen kann, da lief es gut.“ Für Eisdielenbesitzer sind blauer Himmel und Sonnenschein der alles setzende Maßstab.
Natürlich ist wetterbedingt auch öfter einmal geschlossen, „letzte Woche war verregnet, da war komplett zu“, kommentiert Milad das Warten auf den Wonnemonat Mai. Enthusiastisch fügt er an: „Aber die Saison kommt ja erst, bis Oktober wird dann durchgezogen.“

Geöffnet ist jeden Tag, von Montag bis Sonntag, vormittags ab 11 oder 12 Uhr bis abends zwischen 18 und 20 Uhr, je nach Sonnenstand und Witterung eben. Dann steht Milad durchgängig in der Eisdiele. Für ein halbes Jahr, „und danach ist dann wieder ein halbes Jahr Freizeit“, erklärt der jugendliche Ladenbesitzer: „Wenn du selbständig bist, also selbst-ständig, dann macht dir das nichts aus, im Gegenteil, da bin ich absolut der Typ dafür.“

 

Waffel oder Becher

Blitzblank und top in Schuss sieht alles aus. Dabei wurde nur ein wenig umgebaut: Dort, wo vorher von außen uneinsichtig noch Raum für die Eisproduktion war, ist nun reine Verkaufsfläche. Das Ganze wirkt großzügig, offen und übersichtlich, alles steht griffbereit am festen Ort. Für einen, der allein nach allen Seiten hantiert, muss es genau so sein. Alles perfekt abgestimmt also.
Alles, was die Ladentheke betrifft, hat sich dezent verändert: Nicht mehr nur Kinder steigen das Bänkchen hinauf, um zum Eisfenster hineinschauen zu können, sondern jetzt ist da ein Stufenplateau, auf dem sich alle, die Eiskund*innen werden, einen Schritt weit vom Straßenpflaster abheben.

 

Neue Theke – neuer Blick Foto: Anja Hilgert

Anstelle des Tischs, der gleich hinter dem Eisfenster als “Old style Theke” stand, ist nun eine offene Eisvitrine: „Die Leute sehen jetzt direkt das Eis, ich glaube das gefällt den Kund*innen gut. Und ich kann von hier aus direkten Fensterverkauf machen, das ist ein Vorteil“, berichtet Milad.

 

Die gute alte DDR-Maschine

Zu Anfang hatte Milad noch eine italienische Softeis-Maschine, war damit aber gar nicht zufrieden. Jetzt hat er die Maschine in Betrieb, die auch vorher im Laden stand: Eine der altmeisterlichen Produktionsmaschinen noch aus DDR-Zeiten, mit denen Vorbesitzer Martin Petzold seinerzeit das Johann*s-Eisfenster-Softeis produziert hatte, ist in den Besitz des jungen Nachfolgers übergegangen: „Das ist heftig – da sind die alten DDR-Maschinen noch besser als die tollen italienischen Maschinen. Hier hat man nur einen Bruchteil an Teilen zu reinigen und das Eis ist leckerer als bei den italienischen. Seit drei Wochen im Einsatz, ich bin super zufrieden.“

Verkauf und Softeisproduktion vereint im eigenen Laden Foto: Anja Hilgert

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Nachfrage nach Softeis ist unverändert hoch. Darauf vertrauen Altkund*innen blind und Kinder des Wohnumfelds sind damit groß geworden – keine Sonnenscheinwoche im Quartier verging ohne dieses Eis, zweifarbig, aus der Düse, mit geschwungenem Zipfel. Einige staunen nicht schlecht, wenn jetzt Milad auf sein Eisangebot verweist: „Softeis ist für heute leider aus, kommt aber morgen wieder!“ Kaum eine*r geht ohne. Dann wird eben umentschieden: Noch ein Stracciatella auf die Mango! Oder anstatt des bewährten himmelblauen Schlumpf-Eises dann eben Crêpes-Schoko, Zartbitter-Orange oder, was am meisten gefragt ist, nicht nur bei Kindern, ist Oreo-Eis: „Das ist der Renner!“, sagt Milad und bekennt sich damit zu seinem persönlichen Lieblingseis.

„Die Sorten passe ich danach an, was die Kund*innen gerne mögen. 18 Sorten habe ich immer da, 16 passen in die Vitrine, da gibt es dann immer einen Wechsel. Alle Sorten sind laktosefrei, außer Giotto, und vegan ist auch die Hälfte.“ Ein Punktesystem weist den Weg zum richtigen, gut verträglichen Eis, auch für Allergiker.

Das Fenster fürs Glücklichsein in der Johannstadt. Foto: Anja Hilgert

Das Eis kommt von der Sächsischen Eismanufaktur aus Freiberg, „wirklich handgemacht, aus einer kleinen Manufaktur.“ Warum er das so anbietet? „Es schmeckt besser. Da käme ich nicht ran, da braucht es ganz andere Maschinen und viel mehr Platz.“

Bei Eis ist sowieso jede*r immer glücklich

Am Eisstand am Bönischplatz trifft sich die Johannstadt – aus seinem Fensterausschnitt sieht Milad den Stadtteil „total multikulti“. „Ich lebe hier schon seit ich sechs bin, also ich kenne hier in der Johannstadt alles. Die machen die Johannstadt gerade richtig schön. Zum Beispiel das Güntzareal. Ich mag es hier sehr, manche fragen mich, warum es noch Johanns Eisfenster heißt – aber das ist für mich klar – es steht ja für Johannstadt. Bei Eis ist sowieso jede*r immer glücklich. Arabien, Türkei, Afghanistan, Tschetschenien, Deutschland, Russland, Afrikanische Länder, Vertreter*innen aller Kulturen kommen hierher, alle verstehen sich, keiner guckt den Anderen schief an, ich finde das steht für eine gelungene Integration.“

Fenster und Türe weit offen für die kommende Saison Foto: Anja Hilgert

Aufklappbare Tische

Eisladen, Eisdiele oder Eiscafé? – Da würde doch eine Terrasse dazugehören…! Apropos Wermutstropfen…Was ist eigentlich mit der Sonnenschirm bestandenen Wagenpritsche des guten alten Barkas?

Auch wenn der vielleicht sogar teuer zu erwerben wäre vom Vorbesitzer – die Lage vor Ort hat sich verändert: Der Gehweg ist seit der Umgestaltung des Bönischplatzes breiter geworden. Milad sieht auf dem gesamten Platz mehr Aufenthaltsqualität mit mehr Sitzbänken. Die Parkplätze vor dem Laden verlangen einen Parkschein, sodass der Pritschenwagen hier nicht ohne Weiteres abgestellt sein könnte.

Doch die gute Nachricht lässt nicht auf sich warten: Tische werden – so es denn einmal wieder möglich sein wird – in der nächsten Saison sicher draußen aufgestellt: „Das bekommen wir hin“, versichert Milad. Und wenn gar die Saison gut läuft, denkt er schon darüber nach, vielleicht sogar noch jemanden einzustellen, der oder die mit ihm Eis verkauft.

Johanns Eisfenster

  • am Bönischplatz in Johannstadt-Nord
    wetterabhängig täglich geöffnet :
    ab 10 Grad Celsius Montag bis Sonntag ca. 12 bis 18.30 Uhr
    ab 16 Grad Celsius Montag bis Sonntag ab 11 bis 19/20 Uhr