eingestellt am 29.05.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Ein Grab erzählt auf seine Weise die Geschichten derer, die in ihm bestattet sind Foto: Anja Hilgert
Beitrag von Sylvia-Manorita Wiedemann
„Ohne Erinnerung, ohne Seele, verschwindet die Vergangenheit.“
— Inspiriert durch Annette Dittert, „LONDON CALLING“ —
Wir wohnten vielleicht ein halbes Jahr in der Gerokstraße, als wir zum zweiten Mal den Trinitatisfriedhof uns gegenüber querten. Mir fiel ein imposantes Monument deshalb auf, weil es auf der rechten und linken Seite eine kleine Bank besaß. Irgendwie sympathisch. Außerdem wies ein kleines, gelbes Schild darauf hin, dass man Grabpaten suche. Ohne große Überlegung war klar, wir übernehmen die Grabpatenschaft. Ich fand das toll, mein Mann hatte, nebenbei bemerkt, die Arbeit: Die steinernen Elemente des Monuments wieder zusammenfügen, Efeu zu entfernen, Betonplatten verlegen, Hortensien und Bodendecker pflanzen. Das Grab ist sehr schön.
Ich interessierte mich nun dafür, wer überhaupt dort liegt. Es sind vier Personen. Die erste Grablegung erfolgte 1907:
Hier ruht in Gott mein lieber Mann, unser guter Vater
Herr Hotelier JUL. RICHARD LEUKROTH
Ritter des Königl. Sächs. Albrechtsordens 2.Kl.
geb. am 30.7.1849 zu Buttstädt
gest. am 27.II.1907 zu Dresden
Darunter auf der gleichen, rechten, schönen, grün patinierten Platte noch die Daten seiner FrauAug. Lina Leukroth geb. Praetorius. Auf der identischen linken Platte sind zwei seiner Söhne, Carl Leukroth und Fritz Leukroth verewigt. Carl geboren in Chemnitz, gestorben in Dresden. Fritz hingegen wurde 1885 „zu Bastei“ geboren! Welch ein ungewöhnlicher Geburtsort.
Besonders interessiert waren wir natürlich an Richard Leukroth. Hotelier?. Wo? Unsere ausführliche Recherchearbeit begann. Wir fanden eine Publikation:
“Die Bastei in der sächsischen Schweiz. Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier
Ihres Eintritts in die Geschichte am 29.Mai 1897“
Von Oskar Lehmann
Professor am Königl. Stenographischen Institut zu Dresden Vorsitzender des Centralausschusses des Gebirgsvereins für die sächsische Schweiz
Herausgegeben und seinen Gönnern, Freunden und seinen Gästen gewidmet
Von dem derzeitigen Pächter des Königlichen Bastei-Gasthofs
Richard Leukroth
Hier wird ausführlich auf die Bewirtschaftung der Bastei seit dem 17.05.1812 eingegangen, bis zum Jahr 1883, in dem Richard Leukroth die Pacht übernahm. „Den Zuschlag beim neuen Verpachtungstermin erhielt der geschäftstüchtige Richard Leukroth, unter dessen Leitung „außerordentlich viel für die Bequemlichkeit der Besucher“ geschah. Unter der Leitung von Richard Leukroth wurde die Bastei zu einem Ort des Massentourismus. Die Gastwirtschaft wurde 1893/94 völlig umgebaut und erweitert und eine 6km lange Hochdruckwasserleitungvon der Hohburkersdorfer Höhe gebaut. Diese ersetzte den bisherigen Basteibrunnen an der Basteistraße. Um auch Gäste für mehrere Tage zu gewinnen, entstand „fern von dem Lärm des Passantenpublikums“ ein Logierhaus und für die „allerhöchsten Herrschaften“ ein elegantes Königszimmer mit prächtiger Aussicht auf die Elbe“. Im Hotel standen 70 Betten für müde Wanderer und Gäste bereit. Es residierten durch Herrn Leukroths Betreiben nicht nur Gäste aus königlichem Hause im Hotel der Bastei, auch der einfache Bürger war stets Willkommen und fand freundliche Aufnahme. Die Bastei hatte sich zu einem Naherholungsziel für Dresden und zu einem bekannten Ziel für Kletterfreunde aus ganz Deutschland gemausert, wovon wir auch heute noch profitieren. All dies könnte Anlass gewesen sein ihn als „Ritter des Königlich Sächsischen Albrechtsordens 2.Klasse“ zu ehren.
Herr Leukroth war ein Humanist, nicht nur das Königshaus wurde königlich bewirtet, er war ein Unternehmer mit Vorbildwirkung!Er achtete darauf, dass der Bäckerjunge oder der Fleischer oder wer sonst was auf die Bastei brachte, ein kleines Trinkgeld oder aus der Küche etwas zu essen bekam. Außerdem war Richard Leukroth damals schon im heutigen Sinne umweltbewusst, denn nichts wurde weggeworfen und eventuelle Reste der Küche an arme Familien, wie zum Beispiel die Familien der Steinbrucharbeiter, weitergegeben.
Auf der Plattform des damals noch vorhandenen 16,5m hohen hölzernen Aussichtturms war stets ein Mann anwesend, der den Besuchern die Aussicht erklärte. Ebenfalls stand ein Fernrohr zur kostenlosen Benutzung bereit.
Herr Richard Leukroth besaß darüber hinaus einen Verlag „VERLAG R.LEUKROTH BASTEI“, der der zahlreiche Postkarten von der Bastei herausgab, die zur Bekanntheit der Bastei in hohem Maße beitrugen. Die Zahl von versandten Postkarten übertraf jährlich 70.000!
Dies alles zeichnete Herrn Hotelier Richard Leukroth aus, so dass auch die heute lebenden Dresdner ihm dankbar sein und auf ihn stolz sein können.
Wir sind begeistert sein Grab auf dem Trinitatisfriedhof entdeckt zu haben, zu pflegen und weit über seinen Tod hinaus zu ehren und anderen nahe zu bringen.
Natürlich haben wir in Pirna im Archiv recherchiert. Wir haben alte Postkarten der Bastei des Verlags von Herrn Leukroth erworben. Wir haben Menschen dieses Namens aufgesucht, um noch mehr über Herrn Leukroth zu erfahren. Wir suchten das neue Restaurant der Bastei auf, in der Hoffnung, dass auch dort unser Interesse geteilt wird und Material zu finden ist, welches über die Historie Aufschluss gibt. Leider trafen wir auf keinerlei Interesse. Man sah auch keinen Anlass die 200. Wiederkehr„der Ersterwähnung und Erschließung der Bastei“, 1997 zu feiern, ja zu einem genussreichen Festmahl, „á couvert 4 Mark“ für 300 Gäste aus den verschiedensten Ständen und Berufen, wie 1897, werden zu lassen. Damals wurde sogar die oben erwähnte aufschlussreiche Festschrift herausgebracht.
Schade, schade – Erinnerungen schwinden. Vielleicht wäre dieser Bericht Anlass an Richard Leukroths Grabmal auf dem Trinitatisfriedhof vorbei zu flanieren oder beim nächsten Basteibesuch seiner zu gedenken….
Uns, seine Grabpaten, Sylvia-Manorita und Frank Wiedemann würde es freuen!
eingestellt am 29.05.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Geheimnisvoll und unendlich vielfältig - Die Grabkultur auf dem Trinitatisfriedhof Foto: Anja Hilgert
Vielen Johannstädter*innen gilt der Trinitatisfriedhof als grüne Oase im dicht bebauten Stadtteil. Hinter den hohen zweihundertjährigen Mauern liegt unbeschreibliche Ruhe, ein Einstieg zur Anderswelt.Diese stille Besonderheit ist in zahlreichen Jahresringen über zwei Jahrhunderte lang gewachsen. Alte Gräber der Biedermeier-, Gründer- und Jugendstilzeit geben ein reiches Erscheinungsbild. Beseelung von verstorbenen Persönlichkeiten, die das kulturelle, gesellschaftliche, politische und alltägliche Leben der Stadt prägten, schwebt über der Zeit. Von Anfang an waren Bäume als Wegebegrenzung geplant und so bieten alte beschirmende Baumkronen über den heutigen Wegen Schutz und vermitteln dem weitläufigen Gelände Geborgenheit. Es lässt sich gut zur Ruhe kommen hier, auf dem Trinitatisfriedhof. Doch dem Idyll droht der Verfall seiner historischen Grabstätten.
Namen in Stein
Aufgrund der künstlerischen Gestaltung zählt der Trinitatisfriedhof zu den stadtgeschichtlich und kulturhistorisch bedeutendsten Friedhöfen Dresdens und ist der fünftgrößte Friedhof der Stadt. Eine Ruhestätte für die Toten, die seinerzeit ausdrücklich zweckmäßig als Begräbnisstätte begründet wurde und weniger dem Ritus oder religiösen Kultus verpflichtet gebaut wurde als vielleicht andere Friedhöfe. Historisch betrachtet, wurde hier mehr weltlich geruht.
Historische Persönlichkeiten aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens haben ihre letzte Ruhestätte auf dem Trinitatisfriedhof gefunden. Viele von ihnen hatten lokale Bedeutung. Ob Pionier der Gasbeleuchtung, Volksliedforscher, Tierbildhauer, Pianistin, Kinderbuchauorin, Sozialökonomin – die Liste starker Persönlichkeiten ist lang und immer handelt es sich um eine Lebens-Geschichte, die auf besondere Art Sinn ergeben und Geltung geschaffen hat.
Die Inschriften auf ihren Grabsteinen lesen sich manchmal wie Anfänge einer Erzählung aus vergangener Zeit.
Berufsbezeichnungen, Gilden, Begriffe, Vornamen, die man heute nicht mehr kennt, Adelstitel, Geheimräte und ehrwürdige Bünde, denen sich Menschen damals verpflichtet und zugehörig fühlten. Vieles beginnt wie „Es war einmal…“. Manche derjenigen, die hier in die Erde gelegt wurden, waren überlandesweit bekannt wie der Mediziner Carl Gustav Carus, einige haben es zu Weltruhm gebracht wie der Maler Caspar David Friedrich – ihre Namen sind verzeichnet geblieben, die Steine halten am Zeugnis fest.
Mindestruhezeit nicht mehr als 20 Jahre
Aber auch die Gräber historischer Persönlichkeiten sind über die allgemeine gesetzliche Mindestruhezeit von meist 20 Jahren hinaus nicht geschützt. Wenn also Nachkommen oder sonstige Nutzungsberechtigte die Liegezeit nicht verlängern, dann werden die Grabstätten nach einer geraumen Zeit aufgelöst und eingeebnet, um sie für eine Neubelegung frei zu machen – oder aber der Friedhofsträger springt ein und übernimmt das Grab in städtisches Eigentum.
Zu ihrer eigenen Unterstützung versuchen die finanziell randständigen Friedhofsverwaltungen, Nachfahren, Vereine, Institutionen, Firmen sowie Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen, die sich per Patenschaften in die Erhaltung und Pflege dieser Gräber einbringen.
Auf dem Trinitatisfriedhof fallen aufmerksamen Besucher*innen jene Gräber auf, die das markierende Schild mit dem Patenschaftsgesuch tragen. Der Aufruf findet nicht immer Gehör. Dann nagt der Zahn der Zeit unerbittlich weiter an den Grabmälern: Wind und Wetter, vor allem aber die aggressiven Schadstoffe in der Luft greifen die steinernen Oberflächen an. Zeitzeugnisse verfallen. Manche Friedhofsdenkmale mahnen bereits mit ihrem Verblassen und Verschwinden. Nun hat der Stadtrat Einspruch erhoben.
Historische Grabpflege knüpft Patenschaften
In den letzten Jahren signalisierten die Friedhofsleitungen vermehrt, dass sie aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Pflege und Instandhaltung dieser Gräber nicht mehr wahrnehmen können.
Gegenwärtig erhalten 236 Grabstätten von historischen Persönlichkeiten auf Dresdner Friedhöfen eine Förderung, um nicht dem Verfall preisgegeben zu sein. Für 132 Gräber erhalten die Friedhofsträger anteilig finanzielle Unterstützung von der Landeshauptstadt Dresden. Der andere Anteil kommt von freiwilliger, privater, ehrenamtlicher Hand: 104 Gräber werden durch Privatpersonen, Stiftungen oder andere Engagierte gepflegt. Diese Einzelnen widmen sich mit ihren privaten Mitteln der Pflege eines je individuellen Bausteins kollektiver Vergangenheit.
Stadtgeschichtlicher Wert der Erhaltung
Die Friedhöfe weisen eine Vielzahl von Einzeldenkmalen auf, für die ungewiss ist, wie deren Sicherung gewährleistet werden soll. Häufig handelt es sich um künstlerisch bedeutende Grabmale oder Kleinskulpturen, Bildnisse und Reliefs von kunstgeschichtlichem Wert.
Solcher Erhalt denkmalgeschützter Raritäten kann aufwändig sein, z.B. wenn fachkundige Restaurierung nötig wird. Aus zwingend gegebenem Anlass werden nun im Haushalt der Landeshauptstadt Dresden 2021/2022 zusätzliche Mittel zum Erhalt der Dresdner Friedhöfe und insbesondere zu Erhalt und Pflege historischer Grabstätten bereitgestellt.
Die für Friedhöfe zuständige Bürgermeisterin Eva Jähnigen unterstützt den aktuellen Aufruf des Stadtrats: „Für die Landeshauptstadt Dresden sind die historisch bedeutenden Gräber ein Archiv der Stadtgeschichte. Es sind Erinnerungen an Personen, die die Stadt geprägt haben. Die Grabsteine stehen als abschließendes Symbol des weltlichen Daseins und helfen, Ideenreichtum, Mut, Schöpferkraft und Lebensläufe dieser Persönlichkeiten lebendig zu halten.“
Lokalerbe der Johannstadt
Ein allgegenwärtiger Straßenname in der Nördlichen Johannstadt geht z.B. auf eine solche historische Persönlichkeit zurück, deren Grab städtischer Fürsorge untersteht: Der Jurist Friedrich Wilhelm Pfotenhauer (1812 – 1877) war 28 Jahre lang Bürgermeister der Stadt Dresden. Die Hauptverkehrsader in der Nördlichen Johannstadt ist die nach ihm benannte Pfotenhauerstraße. Für das 15 Quadratmeter große Grab auf dem Johannisfriedhof bringt die Landeshauptstadt Dresden derzeit 150 Euro im Jahr auf.
Das entspricht dem Durchschnittswert, der jährlich pro erhaltenswertem historischen Grab aus dem städtischen Haushalt bereitgestellt wird. Insgesamt sind das etwa 20.000 Euro pro Jahr. Benötigt werden aber mehr als 90.000 Euro, da die tatsächlichen Kosten einer Grabgrundpflege mit diesem Betragseit einigen Jahren nicht mehr gedeckt werden. Allein für eine pflegeleichte Dauerbegrünung liegen die Durchschnittskosten aktuell bei rund 80 Euro brutto pro Quadratmeter und Jahr. Die Stadtverwaltung schlägt vor, jedes historische Grab mit bis zu 400 Euro pro Jahr zu fördern.
Pflege-Förderung
Zudem soll eine Fachkommission jetzt prüfen, welche historischen Gräber künftig eine Förderung erhalten. Die letzte Aktualisierung der Übersicht über die historischen Gräber erfolgte 1987.
„Die Fachkommission soll bewerten, welche Gräber weiterhin eine geförderte Pflege erhalten sollen. Die Arbeitsergebnisse der Fachkommission werden dann Grundlage für die Fortschreibung der Liste der historischen Gräber sein, über die erneut der Stadtrat entscheiden wird“, beschreibt Jähnigen das weitere Vorgehen. „Neben den Anstrengungen der Stadt, der Friedhofsträger und vieler Freiwilliger ist eine weitere Unterstützung dieser Aufgabe durch die Dresdnerinnen und Dresdner willkommen, um das historische Erbe auf den Dresdner Friedhöfen zu erhalten. Wer Interesse hat, sich um eine dieser historischen Grabstätten zu kümmern, sollte sich an den jeweiligen Friedhof wenden.“
Einstweilige Ruhe
Einstweilen ist für Besucher*innen auf dem Trinitatisfriedhof allein der Wind zu hören, der durch die Baumkronen rauscht. Dazu gesellt sich vieltöniges Rufen und Singen unzähliger munterer Vögel, die sich hier ausgesprochen wohl zu fühlen scheinen.
Neben Hasen und Eichhörnchen, oder dem Fuchs und sogar dem Waldkauz, der hier schon gesichtet wurde, sind Menschen nur vereinzelt anzutreffen. Manche kommen zum stillen Zwiegespräch mit jenen, die schon aus diesem Leben gegangen sind. Doch nicht alle kommen her, um ihrer verstorbenen Nächsten zu gedenken. Mache lenken auch nur einen Spaziergang über das friedlich stimmende Gelände und schätzen die Qualität der bloßen Entspannung, die der Friedhof mit sich bringt.
Die Grabpatenschaften tragen ausser zum Kulturerbe des Friedhofs auch bei zur verwunschen wunderbaren Koexistenz lebendiger Bäume mit den uralten Steinen der Toten, die dem Trinitatisfriedhof einen einzigartigen Charme verleihen.
eingestellt am 26.04.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Wessen Herz für wilde Pflanzen schlägt, fühle sich gerufen! Foto: Anja Hilgert
Für die neue Pflanz-Saison 2021 werden Menschen gesucht, die eine Patenschaft übernehmen für seltene Wildpflanzen unserer Region, um diese bei sich zuhause aufzuziehen und nach der Aufzucht auszusiedeln. Das Umweltzentrum Dresden steht mit Rat und Tat zur Seite und freut sich über neue Mitwirkende im Projekt Urbanität & Vielfalt, in bewährter Weise sind auch neue Pat*innen aus der Johannstadt herzlich willkommen!
Wilde Wiesen
Wiesen sind natürlicherweise das Zuhause zahlreicher Arten von wilden Kräutern, Blüh- und Heilpflanzen. Wenn die Bedingungen stimmen, beheimatet die wilde Wiese eine große Vielfalt an Pflanzen, die nicht nur unsere Sinne erfreuen. Sie geben auch Lebensraum für zahllose Kleinlebewesen, viele Insekten und andere Tiere, z.B. seltene Wildbienen, wie eine Art der Sandbienen und der Hosenbienen, die sich und ihren Nachwuchs vom Pollen der Skabiosen, vornehmlich der Gelben Skabiose ernähren. Ein reichhaltiger Kreislauf, der vielerorts durch Eingriffe des Menschen beeinträchtigt oder zerstört wird. Pflanzpat*innen helfen mit, dass Wildpflanzen wieder das Zuhause bekommen, das ihnen zusteht.
Quartier gesucht für Pflanzen von der Roten Liste
Urbanität und Vielfalt ist ein Projekt am Umweltzentrum Dresden, das in Kooperation mit Bundesumweltministerium und sächsischem Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft dazu aufruft, diesen Raum wieder zu bevölkern, und zwar mit Pflanzen, die sich rar gemacht haben: Gefährdete, in der Region Dresden und Meißen heimische Wildpflanzen sollen in ihrem Bestand geschützt werden. Das Gärtnerei-Team des Umweltzentrums stützt seine Arbeit dabei auf die Mithilfe vieler Bürger*innen, die sich mit ihrem städtischen Wohnraum zur Verfügung stellen, um diesen Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen, ein zeitweiliges Quartier zu bieten, in dem sie kräftig werden und wachsen können, bis sie wieder der Natur übergeben und ausgepflanzt werden.
Kleine Wiesenrauten zurück auf den Elbwiesen
Während der nun vierjährigen Laufzeit des Projektes wurden insgesamt 6.000 gefährdete Wildpflanzen auf 18 ausgewiesene Flächen in Dresden und dem Landkreis Meißen ausgebracht – unter anderm auch in der Johannstadt. Hier wachsen seit der Auspflanzaktion im Herbst 2020 wieder 250 Kleine Wiesenrauten auf den Elbwiesen am Käthe-Kollwitzufer und haben damit eine Chance, sich wieder an ihrem natürlichen Standort zu etablieren. 8 Arten mit unterschiedlichem Gefährdungsstatus und Standortansprüchen wurden 2020 durch Unterstützung von Pflanzpat*innen auf Balkonen oder in privaten Gärten in Obhut genommen, aufgezogen, zum Wachsen und schließlich zum Anwachsen in ihrer natürlichen Umgebung gebracht.
Nach der Anmeldung den Link erhalten zur Info-Veranstaltung online: Am Mittwoch 28.04. 19.30 – 21.00 Uhr stattfinden. Das Umweltzentrum informiert zum Vorhaben, den Projektpflanzen und dem Projektablauf.Hier können auch alle Fragen zur Patenschaft gestellt werden.
Alternativ oder ergänzend zum Online-Training lesen alle potentiellen Pflanzpat*innen den Leitfaden „Ihre Pflanzenpatenschaft bei Urbanität und Vielfalt“, der für 2021 neu überarbeitet worden ist.
Abholung der Patenpflanzen nach vollzogener Anmeldung:
am Samstag 29.5. in Dresden, Umweltzentrum Dresden, Außenstelle ehem. Friedhofsgärtnerei, Bremer Straße 18
Pflege der Patenpflanzen: Wachsen und Gedeihen bei den Pflanzpat*innen zuhause. Fragen oder Probleme können besprochen werden: In den regelmäßig angebotenen U&V-Patensprechstunden oder telefonisch mit dem U&V-Team.
Im September werden die Pflanzen und/oder gesammeltes Saatgut zurück an das Gärtnerei-Team gegeben bzw. sofern es die Corona-Maßnahmen erlauben, finden gemeinschaftliche Auspflanzaktionen statt.
eingestellt am 22.02.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Erhält ein zweites Leben für die Zukunft - Die Schokofabrik wird Familienzentrum. Foto: Anja Hilgert
Dank der vorfrühlinghaften Sonne sind alle Grünflächen wieder freigelegt. Alles, was sprießen kann, reckt sich ins belebende Licht. Auftaktgefühl und Frühlingserwachen begleiten, was jetzt in den Startlöchern sitzt. Damit ist in der Johannstadt endgültig der Startschuss gefallen für eines der lang geplanten, großen Bauvorhaben des Viertels: Der Umbau der ehemaligen Schokoladenfabrik in Dresden-Johannstadt, Hopfgartenstraße 1a, beginnt.
Wo über viele Winter lang das vergessene Gelände der einst renommierten Schokoladenfabrik zugewachsen ist und das Gebäude mit dem markanten Schornstein immer mehr den Charakter einer Industrie-Brache angenommen hatte, wird jetzt saniert und gebaut. Im Februar beginnen die Bauarbeiten für ein Integratives Familienzentrum, das der Kinderschutzbund Ortsverband
Dresden e. V. hier für die Bewohner*innen des Stadtteils einrichten wird.
Die Johannstadt zeigt sich von ihrer Schokoladenseite
Als einziger Teil der einstigen Fabrikanlage ist nach der Kriegszerstörung das Backsteingebäude erhalten geblieben, in dem heute unter dem Namen des Schokofabrik e.V. Kreativ Schaffende, Architekten und freie Künstler*innen mit ihren Ateliers, Werkräumen, Büros und Studios einen liebevoll eingerichteten Oasenort für künstlerisches Schaffen in der Johannstadt verteidigen.
Nebendran, im östlich anschließenden Gebäudeflügel mit der ehemaligen großen Werkhalle und dahinter liegendem Schornstein soll nun ebenfalls in eine neue Nutzung überführt werden. Dazu erwarb der Deutsche Kinderschutzbund 2019 das Gebäude von der Erbengemeinschaft des bis 1953 in der Johannstadt produzierenden Zuckerwarenfabrikanten Bruno Clauß.
Nun soll sich auf den roh freigelegten Grundmauern die moderne Architektur für ein Integratives Familienzentrum erheben. Der Deutsche Kinderschutzbund nimmt sich vor, sich für die Johannstadt von seiner Schokoladenseite zu zeigen. Von den Ursprüngen und der Schokoladenfabrikation wird die bereits fertig konzipierte Stele des Historischen Rundwegs Nr.3, wenn sie am Standort errichtet wird, Bericht geben.
Bunt und lebenswert im Stadtteil
„Derzeit kann man sich nur schwer vorstellen, dass in dem zum Teil ruinösen Gebäude bereits 2023 Hilfen für Jung und Alt aus einer Hand angeboten werden, aber wir sind optimistisch, dass uns dies gelingt“, sagt Heike Heubner-Christa, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes.
Mit einem über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungswissen in der Johannstadt, wirkt Frau Heubner-Christa aktiv auch als Stadtteilbeirätin daran mit, dass die Johannstadt ein lebenswerter Stadtteil für alle Altersgruppen und alle Gruppen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft bleibt: „Als Geschäftsführerin des Dresdner Kinderschutzbundes, der seinen Hauptsitz seit 27 Jahren in der Johannstadt hat, fühle ich mich den Menschen im Stadtteil verpflichtet und verbunden, getreu unserer Maxime „Vielfalt inklusive!“. Wir möchten jede*n Einzelne*n im Stadtteil mitnehmen und dafür begeistern, wie bereichernd und lebenswert so ein bunter und vielfältiger Stadtteil ist.“
Großzügig eingerichtet für Kinder und Jugend
Die Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes wird zusammen mit dem Team der Mobilen Hilfen, der Fachberatung des Kinderschutzbundes und die Fachberatung des Bundesprogramms „Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ hier einziehen.
Der neue Standort in der Hopfgartenstraße liegt im unmittelbaren Einzugsbereich der Schulen der Nördlichen Johannstadt. Im oberen und zugleich geschützten Bereich des Zentrums wird die Intensivwohngruppe „Trampolin“ Kindern und Jugendlichen ein befristetes neues Zuhause bieten, mit großzügigen Aufenthalts- und Therapieräumen sowie einer Dachterrasse.
„Als freier Träger der Jugendhilfe haben wir natürlich besonders die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Blick und treten für deren Rechte ein“,sagt Frau Heubner-Christa. „ Egal ob in unseren Kitas Pünktchen oder Sonnenblumenhaus, dem Kunterbunten Hortplanet oder JOJO, Abenteuerspielplatz und Eule, überall sind Kinder, Jugendliche und deren Familien bei uns herzlich willkommen.“ Das neue Familienzentrum verleiht diesem Kern der Arbeit des Kinderschutzbundes einen zukunftweisenden Ausdruck.
Im unteren Teil des Gebäudes wird es für die Jugend eine weitläufige Begegnungsmöglichkeit geben. In der 1. Etage ist ein kleines Konferenzzentrum geplant, bestehend aus zwei modernen Räumen mit Küche und Sanitärbereich.
Eine Bibliothek für Johannstädter*innen
Frau Heubner-Christas Sicht ist generationenübergreifend: „In unserem Zukunftsprojekt Schokofabrik, dem Integrativen Familienzentrum, möchten wir auch gerne über die selbstverwaltete Stadtteilbibliothek die älteren Generationen ansprechen und einladen, bei uns Teil der Johannstädter Kinderschutzbund Gemeinschaft zu werden.“
In der sanierten Schokoladenfabrik wird es eine Bibliothek für alle Johannstädter*innen geben, die auch als Begegnungsort für Menschen jeden Alters und jeder Kultur sowie für Veranstaltungen genutzt werden kann. Damit soll den vielfältigen Wünschen der Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils entsprochen werden.
Zeitgenössische Architektur mit Industriellem Charme
Entworfen und geplant haben die Sanierung der alten Schokoladenfabrik die Architekten um Alexander Pötzsch, in enger Zusammenarbeit mit den Fachplanern von ICL Ingenieur Consult GmbH und Petschow + Thiel Projektmanagement GmbH.Alexander Pötzsch Architekten zeigen mit ihrem Entwurf viel Einfühlungsvermögen in die vorhandene Substanz, die weitestgehend erhalten und modern erweitert wird. Der Industriecharakter bleibt bewahrt und wird durch einen zeitgenössischen Architekturentwurf an die modernen Anforderungen eines Begegnungszentrums übermittelt. Die Schokoladenfabrik in ihrer lokalgeschichtlichen Bedeutung schätzt das Architekturbüro identitätsstiftend ein für die Johannstadt. Somit bleibt der Schornstein mit seinem maßgeblichen Wahrzeichencharaktererhalten und prägt das logo des zukünftigen Johannstädter Familienzentrums.
Das Gesamtprojekt wird durch das Ingenieurbüro Röder gesteuert. Das Projekt wird mit knapp 4,2 Millionen Euro Städtebaufördermitteln aus dem Förderprogramm „Investitionspakt – Soziale Integration im Quartier“ unterstützt. Der Bund und der Freistaat Sachsen stellen 90 Prozent der Fördermittel und die Landeshauptstadt Dresden 416.540 Euro aus Eigenmitteln bereit. „Ohne diese Fördermittel hätten wir das Bauvorhaben niemals stemmen können“, betont die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Bis spätestens 2023 sollen alle Arbeiten fertiggestellt werden.
eingestellt am 19.02.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Das Publikum entscheidet: Hoffnung für den Stadtteilverein Johannstadt e.V. Foto: Anja Hilgert
Der Stadtteilverein Johannstadt e.V. ist beglückwünscht worden und kann selbst das Glück kaum fassen. Denn bislang ist noch gar nicht bekannt, wer inkognito aus den eigenen Reihen den Verein registriert hat beim Wettbewerb um den Verein des Jahres 2020, den der Verband der Ostsächsischen Sparkassen auslobt.
Voting zum Publikumsliebling
Jetzt jedenfalls ist der Stadtteilverein Johannstadt e.V. im Rennen um den Publikumspreis für den Verein des Jahres 2020. Insgesamt 310 Vereine haben sich beworben. In einer ersten Runde wurden bereits zwölf Vereine durch eine Jury aus Vertretern der Ostsächsischen Sparkasse Dresden und der Sächsischen Zeitung als Gewinner mit dem Titel „Verein des Jahres 2020“ gekürt. In den vier Kategorien Kultur, Sport, Soziales und Crowdfunding wurden jeweils erste, zweite und dritte Plätze vergeben, insgesamt dotiert mit einem Spendengeld von 24.000 Euro. Erstplatzierte gewinnen 3.000 Euro Preisgeld für ihre Vereinskasse, Zweitplatzierte bekommen 2.000 und Drittplatzierte 1.000 Euro.
Vom 15. Februar bis einschließlich 7. März läuft nun in zweiter Runde die Preisverleihung durch Abstimmung im Publikum: Wer am besten seine Unterstützer*innen mobilisieren kann, auf der Internetseite der Aktion per Publikumsvoting:bekommt 3.000 Euro oder einen zweiten und dritten Platz zur Unterstützung der Vereinsarbeit.
>Du bist die Johannstadt!<
Vor gut zwei Jahren (erst!) ist der Stadtteilverein Johannstadt e.V. im gleichnamigen Dresdner Stadtteil an den Start gegangen und hatte viel vor: Mit dem Slogan >Du bist die Johannstadt ! > warb er für Mitgliedschaft und aktive Mitgestaltung in und an einem lebenswert(er)en Stadtviertel. Ein Verein, der sich zum selbstgewählten Sinn und Zweck die Vervielfältigung des sozialen und kulturellen Lebens im Stadtteil stellte. Der ein gemeinschaftliches Leben im Stadtteil anvisiert, das von den Beteiligten selbstbestimmt getragen und verantwortet ist. Ein Verein, der sich als Partner, Förderer und Koordinator anbietet, um Zukunftsprojekte zu verwirklichen. In diesem initiativen Sinne steht die Parole >Wir für die Johannstadt!<
Der lebenswert(er)e Stadtteil für alle
In der Johannstadt lebt es sich gut — alle, die hier wohnen und wohnten, sind sich da einhellig einig. Das Viertel ist unvergleichlich vielfältig, sowohl jung als auch alt genug, um die ganze Bandbreite an Lebensweisen anzubieten. Ein städtisches Gebiet auf dichtem Raum, das mit unterschiedlichsten Kulturen, vielfältigen Sprachen und diversen Vorstellungen vom Leben sein Potential stetig steigert.Das Begeisterung weckt für ein gemeinsames Ansinnen, den eigenen Stadtteil, in dem alle Beteiligten miteinander leben, stark zu machen. Dinge zu entwickeln, die einen lebenswert(er)en Stadtteil für seine Mitbewohner*innen aufbauen.
Stadtteilverein Johannstadt e.V. als Träger von Zukunftsprojekten
In den zwei zurückliegenden Jahren ist um den Stadtteilverein ein breites Netzwerk aus Aktiven entstanden, die viel ehrenamtliches Engagement geltend machen. In der Mitte steht der Stadtteilverein Johannstadt e.V. als Träger von unterschiedlichen Initiativen und Projekten, die diverse Mitmach- und Beteiligungsmöglichkeiten im Johannstädter Viertel bieten, wie unter anderem auch die Stadtteilredaktion des online—Stadtteilmagazins johannstadt.de, die seit Mai 2020 ebenfalls unter der Trägerschaft des Stadtteilvereins Johannstadt agiert. In Kooperation mit dem Johannstädter Kulturtreff e.V. ist hieraus auch die Printvariante des Stadtteilmagazins ZEILE entstanden, dessen erste Ausgabe im Dezember 2020 kostenlos an die Bewohner*innen der Nördlichen Johannstadt ausgegeben worden ist.
Mehr Leben im Stadtteil
Auch das Kaffee-für-Alle-mobil, ein batteriebetriebenes Kaffee-Lastenrad mit interkulturelle BegegungsInitiative zählt unter Anderen zu den Projekten des Stadtteilvereins. Unter dem Namen “Café-für-Alle” dreht es seine Touren durch den Stadtteil, zu seinen Spielplätzen und Festen und sorgt niedrigschwellig für Kontakt und Begegnung. Der Schwung des Stadtteilengagements reicht soweit, dass auf dem neugestalteten, bürgerschaftlich mitgestalteten Bönischplatz beim jährlich stattfindenden Interkulturellen Straßenfest das Spiel- und Tanzbein geschwungen werden kann.
In jedem der Projekte wird jeweils ein kleines Stück Stadtteilgeschichte mitgestaltet. Das macht den Stadtteilverein wertvoll und das verleiht ihm auch einen Namen, bei dem man aufhorcht und der gut bekannt und gern genannt ist im Quartier.
Jetzt abstimmen!
Ab dem 15. Februar bis zum 7. März 2021 trommeln alle teilnehmenden Vereine kräftig in ihre Werbekanäle, Mund-zu-Mund-Propaganda oder eben den Buschfunk, um Mitglieder, Fans, Fördernde und Freundeskreise zur Stimmenabgabe auffordern. Jede Stimme zählt! Für ein Preisgeld, das zurückfließt in die Johannstadt!
2. Verein auswählen:
Im besten Fall für die Johannstadt: Stadtteilverein Johannstadt e.V.
3. Stimme abgeben und E-Mail-Adresse erfassen
4. Antwort-E-Mail einsehen und Stimmenabgabe bestätigen
Wir hoffen für den Stadtteilverein Johannstadt e.V.!
Zur Auszeichnung plant die Sparkasse im Mai eine Serie von Videos, in denen die prämierten Ehrenamtlichen vorgestellt werden. Die Preisverleihung findet in diesem Jahr digital statt. Es bleibt spannend.
eingestellt am 07.01.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Die magische Zutat, um weiter zaubern zu können, wird per Crowdfunding gesucht. Foto: Anja Hilgert
Etwas möge eintreten, das aus der gegenwärtigen Situation des Nichts-tun-Könnens erlöst: Ein Stern möge vom Himmel fallen, der in die richtige Richtung weist. So könnte es wahr werden. Wenn der Wunsch nur deutlich genug ist, wenn er am Herzen liegt.
Wenn die Hände sich regen und nicht im Schoß ruhen wollen
Bei ZAFRAN sind den Frauen die Hände gebunden. Diese vielen Hände, die sich regen und tausendundeine Köstlichkeiten zaubern und Mittagstische decken, wo Menschen sich zahlreich sammeln, tagen, einander treffen und miteinander in Austausch gehen. Von Tagungen über Veranstaltungen und Feiern, darf wohl eine Weile noch nur geträumt werden – doch den Frauen wird die Zeit lang.
Seit sich im September 2019 ZAFRAN als sozialer Cateringbetrieb gründete, ist das mehrsprachige Team aus verschiedenen Frauen* weiter zusammengewachsen. Das Unternehmen beliefert Privatfeiern, Firmen-Events, Fachtage und Festveranstaltungen mit Fingerfood- oder warmen Buffets in einer besonderen Mischung aus hochwertiger kaukasischer und syrischer Küche, die perspektivisch durch afghanische Speisen ergänzt wird. Alle Gerichte werden frisch zubereitet, die Buffets dekorativ angerichtet.
Mitarbeiterinnen sind angestellt und optimieren Menü und Herstellungsabläufe. Freie Mitarbeiterinnen arbeiten autonom. Alle probieren, planen, verwerfen und lernen sehr viel dabei. Die Mitarbeiterinnen werden fair entlohnt und entwickeln den Betrieb auf Augenhöhe. Bei Bedarf erhalten sie soziale und behördliche Unterstützung. ZAFRAN Soziales Catering steht für die nachhaltige Stärkung von Frauen* mit Fluchterfahrung.
Der Wunsch nach ZAFRAN auf lokalen Märkten
Wer schon einmal die Gelegenheit hatte, wird sich des guten Geschmacks der hochwertigen arabischen, kaukasischen und persischen Speisen erinnern. Vor allem werden von ZAFRAN Catering interessante Fachveranstaltungen, liebevolle Feiern und kreative Seminare bewirtet. In diesem Jahr sind jedoch viele Großaufträge wegen der Pandemie storniert worden. Dennoch hat ZAFRAN in der Johannstadt und über den Stadtteil hinaus auch in der jetzigen, für alle schwierigen Zeit viel wertschätzende Zusammenarbeit erfahren!
Wenn das noch junge Unternehmen nach vorne blickt, ist allen Beteiligten klar, dass Veranstaltungen weiterhin unsicher sind.
Daher steht nun an, zusätzlich auf lokalen Märkten Fuß zu fassen, vielleicht sogar auf dem geplanten Wochenmarkt auf dem Bönischplatz?! Um in den Zeiten der Corona-Pandemie weiter handlungsfähig zu bleiben, will das Team aus Aminat, Clara, Dagmara, Fatema, Roya, Roza und Zahra ihre hausgemachten Speisen ab 2021 auch auf Märkten anbieten und dafür einen entsprechenden Stand gestalten.
Seit langem ist eines der erklärten Ziele, dass Aminat als feste und erfahrene Mitarbeiterin im Team ihren Führerschein macht, damit sie die Auslieferung der Caterings übernehmen und selbstständig organisieren kann.
Die gute Fee der Crowd
Für die Umsetzung dieser beiden Ziele hat ZAFRAN nun ein Crowdfunding gestartet:
Mit der Unterstützung aus der Crowd würden ein Markt-Pavillon, eine gasbetriebene Stahlpfanne für die Herstellung von Piroggen, ein großes Banner mit Logo und sechs Blusen mit Logo sowie der Führerschein finanziert. Mit der Summe der Fundingschwelle kann ein Großteil der Ausgaben getätigt und der Verkauf auf den Märkten gestartet werden: ZAFRAN würde handlungsfähig bleiben. Alle Gelder, die über das Fundingziel hinausgehen, fließen in die Förderung der Mitarbeiterinnen.
In der bisherigen Laufzeit von vergangenen 19 Tagen haben sich bereits 70 Unterstützende gefunden, die mit ihren Spenden schon eine beachtliche Summe zusammengetragen haben.
Der Fundingzeitraum beläuft sich noch bis zum 24.01.2021 und darf gern ausgenutzt werden.
Teilen und Weitersagen ist ausdrücklich erwünscht : )!
Wer die Plattform besucht und das Unternehmen mit einer Spende unterstützen will, kann sich eine der kulinarischen Prämien sichern, von der hausgemachten Schichttorte bis zum online-Kochkurs.
Clara von Verschuer und das Team von ZAFRAN werden jede Unterstützung dankbar in die Motivation zur weiteren Arbeit stecken!
eingestellt am 24.12.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: (S)Ein Licht in Die Welt tragen - Die Weihnachtsbotschaft kommt dieses Jahr live und online. Foto: Torsten Görg
Nachdem auch an der Elbe kein Präsenzgottesdienst stattfinden darf, hat die Johanneskirchgemeinde einen Videogottesdienst produziert, der in Kooperation mit Willkommen in Johannstadt, Mission Lifeline und Paradiesisch Musizieren der Evangelischen Hochschule nicht nur das Format bisheriger Gottesdienste übersteigt, sondern auch der Weihnachtsbotschaft einen live-Charakter verleiht, der zu den Menschen bis nach Hause dringt : Ein Wort zu dem anderen Weihnachten 2020 – Interview mit Pfarrer Tobias Funke.
Sie können Weihnachten in Ihrer Gemeinde nicht mit einem festlichen Gottesdienst feiern: Was tun Sie als Pfarrer und was machen die Menschen, die sich in der Kirche nicht versammeln dürfen?
Pfarrer Tobias Funke: Es ist ja nicht so, dass die Gotteshäuser zu sind. Das ist ja der Unterschied zu Ostern, als Gottesdienste verboten waren, Präsenzgottesdienste muss man ja sagen. Es gibt ja jetzt auch viele andere Formen von Gottesdiensten. Das haben wir im letzten Jahr gelernt und immer wieder auch gesehen, dass der Gottesdienst auch gut zu Hause stattfinden kann. Bei der Hausandacht, vor dem Fernseher, dem Bildschirm, man auch zu Hause den Gottesdienst miterleben kann. In einer kleinen Hausgemeinschaft oder auch alleine, was jetzt nicht nur durch Corona gekommen ist.
Ich mache ja viele Hausbesuche, dann kommen wir gemeinsam ins Gespräch und dann erzählen mir auch ältere Leute, „Ach ja, der Fernsehgottesdienst, das gibt mir doch mehr, da verstehe ich alles und dann bin ich auch mehr mit dabei als wenn ich in die Kirche gehe. Das war schon vor Corona so und das verstärkt sich jetzt natürlich noch mehr.
Wie gestalten Sie Weihnachten jetzt in Ihrer Kirchgemeinde?
Pfarrer Tobias Funke: Die Sächsische Landeskirche hat es den einzelnen Kirchgemeinden frei gestellt oder an die Beauftragten übertragen, selbst zu entscheiden. Das ist eine große Verantwortung, die jede*r da hat.
Wir haben uns dafür entschieden, die Präsenzgottesdienste ausfallen zu lassen. So wie die letzten Jahre gibt es das sowieso nicht: Wir dürfen nicht singen, wir dürfen uns nicht lange versammeln, es müssen alle Kontakte aufgeschrieben werden. Daher wird es in der Johannstadt nur den offenen Kirchsaal im Gemeindehaus geben, dass man kurz, vielleicht für 10min sich da hinsetzen kann, die Weihnachtsgeschichte hören kann und dann zur anderen Seite wieder geht und im Stall, im Gemeindegarten dann sich das Licht von Bethlehem holt. Das ist die Form, die wir jetzt für verantwortbar halten, um Ansteckung zu vermeiden.
In der letzten Verantwortung muss das natürlich jede*r selber entscheiden, ‚gehe ich da jetzt hin oder gehe ich nicht dort hin’. Das obliegt jeder und jedem Einzelnen.
Welche Angebote gibt es für Leute, die unter den Umständen nicht kommen können?
Pfarrer Tobias Funke: Deshalb gibt es in der Kirchgemeinde auch verschiedene online-Angebote, in drei verschiedenen Formaten: Eins für Kinder, ein Kinder-Krippenspiel, das die Gemeindepädagoginnen einstudiert und aufgenommen haben. Dann wird es ein Krippenspiel geben, das die Erwachsenen eigentlich auf der Fiedlerstraße draussen gespielt hätten, so hatten wir es geplant. Das wird es auch online geben, mit dem Gospelchor, das wird auch eingestellt sein. Und auch das, was wir dieses Jahr Weihnachten an der Elbe gefeiert hätten, zusammen mit Mission Lifeline und Willkommen in Johannstadt, wo wir gerade auch das Thema Flucht nochmal thematisieren. Das haben wir jetzt vorproduziert und wird dann auch auf unserem you tube-Kanal abrufbar sein. Ich kann so viel verraten, daß es sich um ein beeindruckendes, für mich sehr beeindruckendes Gottesdienstvideo handelt.
Wer hat an diesem Videodreh für den Heiligabendgottesdienst alles mitgewirkt?
Pfarrer Tobias Funke: Wir haben den Christoph Müller Paul Hoorn, der auch hier in der Johannstadt bekannt ist mit dem Paradiesorchester der Evangelischen Hochschule EHS gewinnen können, der die Musik macht. An der Elbe singt er auch mit seiner Tochter und einem Musiker aus Syrien, der die Oud spielt, das Lied Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, als Sinnbild: Wir haben Platz, es ist Platz in der Herberge, nicht nur Platz in der Herberge von Bethlehem, sondern es ist auch bei uns Platz.
Wir fordern, dass die Situation gerade in Moria und auf den Fluchtbooten eine Änderung braucht. Gerade jetzt zu Weihnachten. Deswegen gibt es auch die Zusammenarbeit mit Mission Lifeline, die eine Institution hier aus Dresden sind.Einer der letzten Crew von Mission Lifeline, hat uns ein Video zur Verfügung gestellt aus dem Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, das ist da jetzt mit eingebaut.
Mit dabei ist auch eine Syrerin, die in Johannstadt lebt, das hat uns WIJ übermittelt, die ihre Fluchtgeschichte erzählt, wie sie hier nach Dresden gekommen ist. Und dann haben die Konfirmanden die Weihnachtsgeschichte eingelesen und Juliane Asmann und ich haben eine Art Predigt, eine Verkündigung dazu beigetragen. So dass das ein Gottesdienst ist, der geht 40 Minuten lang, den man zu Hause sich anschauen und mitfeiern kann. Wie es an der Elbe hätte sein sollen.
Was ist eigentlich Gottesdienst? Pfarrer Tobias Funke: Der Gottesdienst ist für mich das, was passiert, wenn Menschen zusammenkommen – da ist der Gemeinschaftsaspekt ganz wichtig –und die überlegen, wie kann ich mich darauf konzentrieren: Auf meine Beziehung zu Gott, aber auch: Was bedeutet das in meiner Beziehung zu Gott und der Welt. Deswegen kann ich da Glauben und Handeln schwer auseinandernehmen, die bedingen sich jeweils gegenseitig.
Weil ich an Gott glaube, weil ich von Gott geliebt bin und Verschiedenes geschenkt bekommen habe, meine Begabungen, auch mein Leben, deswegen engagierte ich mich für Gerechtigkeit, für eine bessere Welt. Nicht aus mir heraus, das kann ich selber nicht leisten, das ist diese Gnade, die mir da zukommt, die geschenkt ist. Das finde ich auch die zentrale Weihnachtsbotschaft, dass dieses Licht, das von Bethlehem ausgeht, auch im Dunkelsten immer wieder leuchtet. Und dass das mich befähigt, da auch gegen Dunkelheiten etwas auszurichten, ein bisschen Licht zu spenden.
Welche Bedeutung hat dann das Zusammenkommen der Menschen an Weihnachten?
Pfarrer Tobias Funke: Ich kenne viele Menschen, denen ist es ganz wichtig, da in Gemeinschaft zu sein. Glaube hat ja immer auch mit Zweifel zu tun und da ist es wichtig, sich gegenseitig auch immer zu bestärken. Denn so etwas wie die gemeinsamen Lieder oder die gemeinsamen Texte, aber auch der gemeinsame Austausch, also Gottesdienst, ist für mich keine Einbahnstraße: Einfach da vorne zu reden und die anderen hören alle zu, sondern das ist ein Kommunikationsgeschehen, das diese drei Ebenen hat: Die Beziehung zu Gott, also die Kommunikation zwischen mir und Gott, aber auch die Beziehung zwischen mir und meinem, meiner Nächsten, indem ich da auf die Not schaue und die Probleme der Mitmenschen wahrnehme. Aber auch als dritter Aspekt die Kommunikation in der Gemeinschaft, das verleiht gegenseitig Stärke. In einem guten Gottesdienst passieren für mich diese drei Dinge. Und das ist dann eben nicht nur der Sonntagsgottesdienst früh, mit Glockengeläut, sondern das passiert auch im Alltag, dass ich Gott diene, dass Gott sich mir zeigt und ich daraus handeln kann. Und da kann Gott auch Mensch werden, indem ich mich um Andere kümmere. Da wird Weihnachten auch Wirklichkeit.
Woher kommt gerade jetzt die Kraft, dafür den Raum zu öffnen? Pfarrer Tobias Funke: Das ist natürlich schwerer jetzt und besonders für das Singen, dass das wegfällt. Ich bin in Leipzig an der Thomaskirche aufgewachsen, da hat das Singen gerade auch der Weihnachtslieder einen ganz großen Stellenwert. Aber wir singen in der Familie natürlich trotzdem jetzt auch, und da würde ich auch alle einladen, in Familie, im kleinen Kreis oder alleine – am Telefon kann man auch singen.
Es gibt ausserdem verschiedene Aktionen: Am Weihnachtsabend kurz nach 18 Uhr, nach dem Abendgeläut soll „Stille Nacht, Heilige Nacht“in ganz Deutschland gesungen werden, dass die Menschen auf die Balkone oder auch vors Haus treten und in großer Gemeinschaft singen.
eingestellt am 28.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Gut verträgliche Nachbarschaft von Schwalben und Menschen Foto: Anja Hilgert
Kunstnester sind von Menschen geschaffene Nester zum Beispiel für Mehlschwalben, um sie zu beheimaten. Mehlschwalbenkunstnest, ist ein Wort, das man sich über die Lippen rinnen lassen kann, um der Bedeutung auf die Spur zu kommen. Denn obwohl Schwalben die Nähe zu Menschen suchen und sich im städtischen Raum heimisch machen, finden sie in unseren Städten immer seltener die Lebensbedingungen mit den Baumaterialien und den Brutmöglichkeiten, die sie zum Überleben brauchen. Der Bestand der Schwalben ist rückläufig.
Die Kunst des Nestbaus – Nisthilfe für Schwalben
Jedes Jahr klingt der Ruf: „Die Schwalben sind zurück“ wie ein magischer Spruch und ist es auch, denn er macht den Einzug des Frühlings gewiss. Dann beginnen die Schwalben, aus ihrem Winterquartier südlich der Sahara zurückkehrend, bei uns mit dem Nestbau: Aus Ton und Lehm bauen sie ihre rundlichen Höhlen, die auf Vogelflughöhe an Hauswänden haften. Sie betreiben eine regelrechte Kunst des Nestbaus, die allerdings rar geworden ist.
Nun ist also Zeit, im Stadtteil vorzusorgen: Für die Rückkehr und hiesige Beheimatung der Schwalben nach diesem Winter.
Diesem Gedanken folgte Robert Arndt, der in der Johannstadt das Projekt ins Leben gerufen hat, Nistkästen für Mehlschwalben im Stadtteil zur Verfügung zu stellen. Das Anbringen von Nisthilfen kann lokal zu Bestandsverbesserungen bei den Schwalben führen. Um die Idee zum Schutz der Zugvögel bei uns umzusetzen, erhielt er die eindeutige Zustimmung des Johannstädter Stadtteilbeirates und Fördergelder aus dem Stadtteilfonds.
Beratende Unterstützung findet das Johannstädter Förderprojekt bei der Beauftragten für Umweltschutz mit Schwerpunkt Naturschutz und Ökologie des NABU Regionalverband Meißen-Dresden. Marion Lehnert arbeitet seit 23 Jahren professionell in der Vermittlung naturschutzrelevanter Themen und hat sich mit dem Projekt „Artenschutz an Gebäuden“ die Umsetzung von Naturschutz in der Stadt vorgenommen.
Ungewusst oder ungewollt – der Vogelbestand wird zurückgedrängt
Durch verstärkte Sanierung und Wärmedämmung von Gebäuden gehen den Tieren ihre Quartiere verloren. Meist ungewusst oder ungewollt wird damit der Bestand vor allem der Schwalben und Mauersegler zurückgedrängt.
Schwalbenarten sind jedoch sehr standorttreu und kehren vorzugsweise jahrelang an dieselben Plätze zurück. Robert Arndt wirbt dafür, dass sich Johannstädter*innen einsetzen, ihr Haus schwalbenfreundlich zu machen. Noch zehn Nistkästen sind im Rahmen des Projektes frei Haus zu vergeben. Und Marion Lehnert stellt in Aussicht: „Wenn Eigentümer*innen die Mehlschwalbenkunstnester anbringen, können wir als NABU Regionalverband ihnen auch die Schwalbenplakette verleihen.“
Die bestellten Nistkästen sind ein Naturschutzprodukt, das denjenigen, die sich am Projekt ‚Nisthilfe in der Johannstadt‘ beteiligen, zur Verfügung gestellt wird, zum mietfreien Wohnen für Schwalben! Laut Hersteller halten die Kästen ein Leben lang. Für die Johannstädter Mehlschwalben handelt es sich um die Variante mit einer Fluglochgröße von 28mm und 32mm, für die Vögel, die eine freie Einflugmöglichkeit brauchen.
Das A und O der guten Befestigung
Die Kästen sind aus Holzbeton und daher reichlich schwer. Das A und O ist also eine gute Befestigung. Eigentlich wollte Robert Arndt anbieten, bei der Befestigung mitzuhelfen, aber durch Corona sind Wohnungs- bzw. Balkonbesuche nicht möglich. „Wir geben von Weitem viele Infos an die Hand“, sagt seine Frau Susi Jaeschke und erklärt, dass unterstützende Beratung dennoch gut möglich ist: „Einige Leute haben Bilder vorab geschickt, ob ihr Platz, den sie vorgesehen haben, für einen Nistkasten geeignet ist und wenn ja, welcher.“
Marion Lehnert meint, es kann gut und gerne zwei oder drei Jahre dauern, bis die Kästen angenommen werden. Sollte es an einem Aufhängungsort gar nicht klappen, dann ist ein Platzwechsel angezeigt.
Es gibt einfache Faustregeln…. Mindesthöhe zwei bis drei Meter. Wenn es keinen Vorzugs-Nistplatz gibt, weichen die Vögel unmittelbar auf das nächstliegende Angebot aus. Ganz wichtig: Der Kasten darf auf gar keinen Fall Mittagssonne abbekommen. Sonst kollabiert die Brut in der Hitze und stirbt.
Holzbeton ist eine Materialmischung, die Witterungseinflüssen sowohl bei Kälte aber auch bei Hitze standhält. Zudem ist es pflegeleicht. Bereits kochendes Wasser genügt, um die Kästen zu reinigen. Die Nist-Pat*innen müssten im Oktober die Kästen, die benutzt wurden, reinigen. In der Natur würden die Nester nach zwei bis drei Jahren von alleine abbrechen und herunterfallen. Die Vögel würden an derselben Stelle im Folgejahr neu bauen. Das Gute in der Natur: Mit dem Nest fallen auch die verbliebenen Parasiten herunter. Das muss bei den Kunstnestern der Mensch mit übernehmen. Mit dem Reinigen reduziert man den Parasitendruck auf die Brut im nächsten Jahr.
Die Nisthilfe-Initiative läuft an
Die Anregung zum Anbringen von Schwalbennistkästen stößt im Viertel bereits auf Resonanz: In der WGJ (Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG) wird von einem Außenmitarbeiter nach passenden Stellen an den Häusern geforscht. Hier hat man mit seltenen Vogelarten, die ihr Zuhause bei der Wohnungsgenossenschaft suchen, bereits Erfahrung. An einem Haus in Elbnähe lebt derzeit ein Falke. Der wiederum ist das Ausschlusskriterium, dort auch Schwalben zum Nisten anzuregen, denn der Nachwuchs wäre sogleich ein gefundenes Fressen.
Auch der Abenteuerspielplatz (ASP Johannstadt-Altstadt) auf der Silbermannstraße bekundet Interesse an dem Nisthilfe-Projekt, um insbesondere Kinder miteinzubeziehen bei der Quartiersuche für die Zugvögel des kommenden Frühlings.
Private Hauseigentümer taten sich dagegen noch schwer. Manche scheuen, für die Vögel ein Loch in die Hausfassade zu bohren. Gerade bei Hauseigentümern sind Schwalben als Mitbewohner nicht sonderlich beliebt – wegen des Kots und der Spuren, die er möglicherweise am Gemäuer hinterlässt. Ich erinnere mich, als ich Kind war, zählten schmale Bretter unter den aneinandergereihten Schwalbennestern zur Optik der Häuser dazu. Das Zusammenwohnen mit den Tieren, die dicht bis an die Häuser herankamen, war, wie mit Haustieren, hier selbstverständlich. Gegen unliebsame Spuren an der Wand würden Kotbretter auch unter städtischen Nistplätzen gut helfen.
Mehlschwalben– sie gehören mit ihrem weißen Bauch, den spitz zulaufenden, bläulich schimmernden schwarzen Flügeln und dem typischen gegabelten Schwanz zu den bekannteren Vögeln in der Stadt. Sie beheimaten sich gerne an Aussenwänden von Gebäuden, an Mauervorsprüngen, und unter Giebeln und Balkonen. Ihr pfeifendes Rufen während waghalsiger Flugmanöver zwischen den Häuserzeilen gehört in der Johannstadt fest zum Sommer dazu.
Zehn Nesthilfe-Kästen sind derzeit noch zu vergeben.
eingestellt am 20.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Dialogfähig bleiben in einer zeitgemäßen Senior*innenarbeit. Foto: Anja Hilgert
Zwei Frauen halten das tief in den Stadtteil eingetauchte Gemeinde-Netzwerk möglichst elastisch, denn die Fäden in ihren Händen werden gerade ganz schön strapaziert. Wenn der Blick erst einmal darauf gefallen ist, was die Senior*innenarbeit in der Johannstadt bewegt, so erscheint’s erstaunlich, wie stark da Verbindungen geknüpft sind voller Haltekraft.
Auf der Haydnstraße 23 spielt das lose Laub über die Treppenstufen. Das Gebäude sieht wie so viele öffentliche Häuser in der Stadt kaum Besucher*innen in diesen Tagen. Trotz ausgeklügelter Raumkonzepte und hoch diszipliniert eingehaltener Hygieneregeln können sich hier die Gemeindemitglieder nicht sammeln. Die vielen verschiedenen Kreise für Krabbelnde, Mädels, Junge Erwachsene, Aktive, Kreative, Blinde, Singende, Spielende, Männer, Frauen, Gespräch und Gebet Suchende sind derzeit ausgesetzt, vertagt, fallen aus. Menschen, die hierhin verbunden sind, vermissen ihre regelmäßigen Anbindungspunkte, missen die Gemeinschaft – doch fallen tun sie nicht.Dafür tragen zwei Frauen in der oberen Etage des Johanneshauses Sorge.
Blicköffnend war ein Besuch in der Kanzlei der Evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Johannes-Kreuz-Lukas, bei Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier, die hier die hauptberuflichen Senior*innen-Mitarbeiterinnen sind.
Zwei engagierte Frauen in der oberen Etage des Johanneshauses. Fotos: Anja Hilgert
Den Wert des Alters erkennen
Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier arbeiten schwerpunktmäßig in der Senior*innenarbeit. Was sie dort tun, ist nicht ohne Weiteres und schon gar nicht in einen fest definierten Rahmen zu setzen. Zu vielseitig, zu agil, zu reflektiert, beherzt, bedächtig, widerspenstig, zu grenzerweiternd wird hier mit Arbeitsaufgaben umgegangen.
Die alten Menschen und Alter überhaupt, das bei ihnen in der Obhut steht, hat der aktuelle öffentliche Fokus unter dem Aspekt gesundheitlicher Anfälligkeit, Gebrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit in die Aufmerksamkeit gerückt. Wie unter Zoom tragen die Alten unserer Gesellschaft die leidvollen Erfahrungen aus von Isolation, Trennung und Vereinsamung, die im Kern phänomenologisch betrachtet gesamtgesellschaftlich alle betreffen.
Da, wo Menschen alltäglich mit Alten arbeiten, erhält die Betrachtung zusätzliche Bildpunkte und Tiefenschärfe. Hier wird unabdingbar die seelische Annäherung an den späten Abschnitt im Leben eines Menschen vorgelebt. Um den jetzt erforderlichen, erneuerten Umgang mit dem Thema Alter, Krankheit und Sterblichkeit zu ermöglichen, braucht es eine Re-sensibilisierung für das Altern und die Bedeutung des Altseins an sich.
Eine Herausforderung, die sich an uns alle richtet. Im Stadtteilleben vor Ort, in das auch die Kirchgemeinde eingebettet ist, haben sich bereits vor einigen Jahren die Akteure zu einem Netzwerk „Johannstadt 60+“ zusammengeschlossen, um sich verstärkt den besonderen Bedürfnissen der Älteren in unserer Gesellschaft zuzuwenden. Dieses Netzwerk engagierter Johannstädter Senior*innenarbeit stiftet einen Horizont, in dem ältere und alte Menschen ihre Lebendigkeit wertschätzend (er)leben können.
Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier geben von ihrer Position aus wertvolle Impulse im Stadtteil und stiften Bande, die dem Wohl derer zukommen, die aus der gesellschaftlichen Mitte hinaus an ihren Rand gedrängt sind. Die Tür öffnet sich dem Versuch reiner Humanität, die nicht nach wirtschaftlichen Interessen funktionieren muss.
Ein dynamisches Gespann
Das Große Basteln genauso wie das gemeinsame Mahl zum Jahresende, mit einziehender jahreszeitlicher Dunkelheit für den November geplant, fallen mitsamt wochenlang ausgearbeitetem Raum- und Lüftungskonzept, den Teil-Lockdown-Verordnungen zum Opfer. Tätigkeiten, die den eintrübenden Geist aus Herbsttief und Winterloch manövrieren, können an den großen, bereits auseinandergerückten Tischen derzeit nicht gemeinschaftlich stattfinden.
Für viel Arbeit, die in Vorbereitungen und noch mehr Vorbesprechungen geflossen ist, sei das ein krasser Rückschlag – könnte man meinen, doch so wird unter den beiden zuständigen Frauen nicht interpretiert. ‚Ausfallen‘ ist ein Wort, das diese beiden im Vokabular nicht führen. Dafür hat sie das vergangene halbe Jahr nach dem ersten Lockdown zu viel Anderes, Gegenteiliges, gelehrt.
Die Reaktion auf die erneute “Verunmöglichung” ist zuversichtlich aufs Machbare gerichtet, aufs Ermöglichen und Zusammenkommen: „Wir haben den allergrößten Teil unserer Veranstaltungen aus dem November hinaus in den Dezember hinein verschoben und hoffen nun auf eine gewisse Durchführbarkeit“, sagt Susanne Schmitt und kündigt die Angebote nun verschoben für den Advent an. Allerdings, wie aller Orten, herrscht die Unsicherheit, was die Verordnungen für den Adventmonat bringen und wie die Sächsische Landeskirche darauf reagieren wird. Viele Absprachen sind noch zu treffen, ein „Plan B“ wartet im Hintergrund, wozu Konfirmand*innen und Jugendliche aus der Jungen Gemeinde bereits ihre Bereitschaft signalisiert haben, um die adventliche Feierlichkeit für die Senior*innen zu unterstützen.
Beide Frauen, soviel ist zu bemerken, gehören selbst einer Generation an, die das Alte zu hinterfragen und anzuzweifeln geübt hat: Als Kinder der 68er Generation, einesteils west-sozialisiert, andernteils im Umfeld der Kirche durch DDR-Zeiten manövriert, sind diese beiden Frauen zwei Pole, die sich fürs Leben einzusetzen gelernt haben. Und sie ergänzen sich – wie rot und blau – zu einem dynamischen Gespann.
Das Senior*innen-Arbeitszimmer entpuppt sich als Agentur zweier handlungsbewusster Menschen, die das Ruder gerade jetzt, in Zeiten von Gruppenverbot und Kontaktsperre, noch einmal zupackend umfassen.
Lock down – Es geht auf andere Weise weiter
Während des ersten Lockdowns waren Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier bis Juni im Homeoffice und haben „dann aber den Hebel ziemlich schnell umgelegt,“ sagt Anne Mechling-Stier. Es sei um schnelles Umdenken, zügiges praktisches Handeln gegangen, ergänzt Susanne Schmitt „und gleich das Signal auszusenden: ‚Es geht auf eine andere Weise weiter.’“
Die Unmöglichkeit bzw. das Verbot, einander zu treffen und zu begegnen, grenzte für Manche ans Gefühl der Verzweiflung. Susanne Schmitt ist überzeugt, dass es lebens-wichtig ist für Menschen, im Sich-selbst-überlassen-Sein zu hören: „Wir haben Euch nicht vergessen.“
Die Frauen definieren sich in ihrer Rolle als Vermittelnde: „Im Kern geht es um Mitmenschlichkeit im Tun, Menschen tun etwas für Menschen.“ Die Arbeitsaufgabe war, so macht es Susanne Schmitt konkret, „die Nachbarschaften zu organisieren“ und „mikroteilig“ ein Netz aufzubauen, dass unter allen Beteiligten wie familiär funktionierte.
Und Anne Mechling-Stier setzt hinzu, „um Deprivation vorzubeugen.“ Das Ausgeschlossensein von alltäglichen Aktivitäten, abgetrennt von Familie, Bezugspersonen, Freunden, Bekannten und Kreisen, fern jeglicher Geborgenheitserfahrung– erschwert den täglichen Lebensvollzug. Alte Menschen, die naturgemäß ohnehin mehr Zeit allein verbringen, sind durch die allgemeine Kontakt- und Ausgehverordnung allzu häufig an die Schwelle zur Vereinsamung geraten.
Im entstandenen Off richteten die Kanzlei-Mitarbeiterinnen als Erstes ein Senior*innentelefon ein. Beide waren fortan mobil erreichbar. Die Betagtesten sind nicht digital aufgestellt, also wurden alle per Brief angeschrieben und von den über 70jährigen haben die beiden Frauen zu zweit über 400 Leute angerufen, um die Lage zu ermitteln.
Susanne Schmitt: „Wir wollen fragen: ‚Wie geht es Ihnen? Was sind Ihre Bedürfnisse?‘“ Anne Mechling-Stier: „Wir gehen mit solchen Ohren um – wo ein Bedürfnis hörbar ist, wird sofort etwas unternommen.“
Im Ethos, den alten und älteren Menschen des Stadtteils Partner auf Augenhöhe zu sein, integrierten und kombinierten sie Bedarf und Ressourcen in ihrer Gemeinde und wurden damit zu Anstifterinnen völlig neuer Wege und Verbindungen.
Senior*innen-Projekte to go
Wie im Handumdrehen entstanden Angebote, die vorher nicht in Reichweite lagen: „Wir haben Dinge gemacht, die wir voriges Jahr nicht für möglich gehalten hätten,“ sagen die beiden Frauen. Über den Sommer wurde das gesamte Programm umgestellt, Kreise trafen sich abwechselnd und rotierend in den Sälen, erstmals gab es auch für Senior*innen „to go“-Angebote. Viele waren daran beteiligt, nicht nur als Teilnehmende, sondern als Aktive.
Erstmals fanden die „Senior*innen-Projekttage“ der Kirchgemeinde komplett als to-go-Angebote querverbindend durch die gesamte Gemeinde statt. Diese hatten als Thema das Paradies auf dem Programm und wurden als Stationen-Rundweg durch die beteiligten Häuser der Kreuzkirche, Lukaskirche und dem Johanneshaus angeboten. Besucher*innen konnten in bestimmten Zeitfenstern einzeln an unterschiedlichen Stationen rund um Adam und Eva in den Rundgang einsteigen und diverse kreative wie seelsorgerisch-geistige Angebote nutzen: Vom Ausstellungsbesuch übers Künstler*innengespräch hin zu kreativen Angeboten, Hoffnungssteinen, Gebeten und Einzel-Gesprächen mit Gemeindepädagog*innen, Pfarrer*innen, Senior*innenarbeiterinnen – das Angebot einer vielseitig aufgestellten Gemeinde war individuell live zu erleben.
„Das war ein reicher zwischenmenschlicher Schatz trotz widriger Umstände,“ sagt Anne Mechling-Stier. Der ‚Paradies-Rundweg‘ fand hohen Anklang. „Es wurden immer mehr, die mit in den Garten gekommen sind,“ schwärmt Susanne Schmitt.
„Die Herausforderungen des Zusammenwachsens der drei Gemeindeteile zu einer großen Innenstadtkirchgemeinde wurden durch die Einschränkungen in diesem Jahr auf eine besonders harte Probe gestellt. Dankbar schauen wir besonders auf ein gelungenes Zusammenwachsen der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen,“ rekapituliert Susanne Schmitt. Und Anne Mechling-Stier ergänzt: „Wie schön, dass wir auch schon bei den Senioren*innen und den Ehrenamtlichen ein gegenseitiges Entdecken erleben. Wir bleiben neugierig aufeinander.“
Sitztanz im Garten Eden
Aus der Erfahrung, dass es z.B. in den 14-Geschossern der Holbeinstraße mehr Menschen gegeben hat, die Hilfe anboten als sie gebraucht wurde, wurde eine zusätzliche Idee ins Leben gerufen: Viele beteiligten sich, Briefe zu schreiben an Bewohner*innen der sechs Pflegeheime in der Johannstadt. Den Bedürftigsten wurden diese lieben Worte dann von Sozialarbeiter*innen in den Einrichtungen vorgelesen.
Im Pfarrgarten fanden von der Tanzleiterin Frau Barbara Blümel kreativ angeleitete Sitztanz-Kreise für Senioren*innen statt, die mehr und mehr Belebung durch begeisterte Teilnehmer*innen fanden. Tanzfreudige Senior*innen trafen sich kurzerhand sogar zu einem Tanz- Kreis im Großen Garten auf der Wiese vor dem Hygienemuseum.
Regelmäßig hielten die Pfarrer*innen der Gemeinde mit Lautsprecheranlage an den Pflegeheimen Andachten. Dass auch die Bläser spielten, hielt Anne Mechling-Stier für einen besonders wertvollen Beitrag. Nachweislich erreicht besonders das Musikalische die tief veranlagten Schichten menschlichen Empfindens und dringt gerade bei Demenz durch alles Vergessen hindurch zu den Menschen vor. Damit waren Signale gesetzt, die auch bei Pflegehilfskräften Alltags-auflockernd und positiv angekommen sind.
Susanne Schmitt / Senior*innenarbeit im Johanneshaus
Foto: Anja Hilgert
Senior*innen-Fahrdienst
Für einen barrierefreien Zugang zu den Angeboten im Stadtteil entstand die bahnbrechende Idee eines Fahrdienstes. Schon zuvor war die Idee zu einer „Generationen-Rikscha“ in der Gemeinde geboren worden. Anne Mechling-Stier ist nicht ohne Grund stolz auf die Umsetzung dieses Projektes: Die Generationen-Rikscha der Kirchgemeinde ist nicht nur ein Publikumsmagnet auf allen Festen, sondern bietet alternative Mobilität und die mühelose Überwindung kürzerer Distanzen da an, wo manch eine*r nicht mehr selbst in die Pedale treten kann.
Ein regulärer Fahrdienst, das “Kirchentaxi” schwebte einer Ehrenamtlichen vor, die ihr privates Auto anbot zur Fahrt für Senior*innen, um sie zu Veranstaltungen und Gottesdiensten in der Gemeinde zu befördern. Fix wurden die Rahmenbedingungen besprochen: „Wie können wir’s organisieren?“ und es brauchte zur Koordination der Fahrdienste lediglich die Anschaffung eines mobilen Telefons – ab da war’s „eigentlich ein Selbstläufer.“ Es gibt die hauptamtlich verantwortliche Schaltstelle in der Kanzlei und die selbstorganisierte ehrenamtliche Koordination und Begleitung: Eine eigene Rufnummer leitet Anrufe direkt an den Fahrdienst des Gemeindetaxis. Auch kurzfristig ist das Bestellen einer Fahrt zum Gottesdienst möglich.
Verständnis ist auch da, wenn eine bestellte Fahrt kurzfristig abgesagt werden muss. „Keine Hemmung“, sagt die Organisatorin und hat Verständnis, dass gerade im Alter die Dinge von Tag zu Tag anders aussehen können. Dieser Fahrdienst hält das Angebot so niedrigschwellig wie möglich: Anruf genügt und das Taxi kommt oder kommt nicht, so, wie es gebraucht wird.
Das Kirchentaxi ist auch jetzt in dieser Zeit der Einschränkungen unterwegs – mit der Auflage einer zu tragenden Mund-Nase-Bedeckung.
Vor dem “Altenteil” geht noch was
Für den Anderen da zu sein, sich Gedanken zu machen, sich zu sorgen um den Nächsten und tätig zu werden, benötigte in kirchlichen Kreisen keinen mühevollen Aufruf. Ehrenamtliches Tun gehört hier zum Selbstverständnis des Gemeindelebens.
Pensionär*innen, die in der nacherwerblichen Phase sich noch nicht auf dem Altenteil fühlen, sondern spüren, ‚da ist noch was‘, und in hohem Alter voll im Leben stehen, waren vom neuen Geist, der in der Gemeinde jetzt schwelte, angesteckt. Sie wurden ermuntert, sich mit Ideen und Engagement aktiv zu beteiligen. Susanne Schmidt findet entscheidend, „dass auch Ältere merken, ich habe ein Gewicht. Ich kann was bewirken.“ In der Notsituation, die der lock down war, fand sie wichtig, zu vermitteln: „Unser Stadtteil hat so viel zu bieten, es gibt so vieles an Angeboten, aber Du kannst Dich auch noch einbringen, Du kannst mitreden.“ Das Aktivieren der Menschen liegt ihr am Herzen. Das aus Improvisation und Experiment entstandene Jahresprogramm 2020 stellt unter Beweis, worauf beide Frauen Wert legen: „Mitzuerleben, ich tue. Nicht nur mit dabei sein, sondern ich darf auch mitentscheiden!“ Dem altbacken tradierten Bild, das von aussen gern herangetragen wird ans Gebiet der Senior*innenarbeit, widerspricht das Maß an aktiver Gestaltung und Beteiligung. Damit sind Zeichen gesetzt für die neu anzuschauende Zukunft.
Bis an die Haustür – der Besuchsdienst
Andere Menschen zu besuchen, ist ein fester Bestandteil der Gemeindearbeit. Man kennt einander, weiß umeinander, weiß, wo jemand allein ist, wo Gebrechen, wo Bedürfnisse sind. Der Besuchsdienst war als nachbarschaftliche Struktur 2011 von Susanne Schmitt neu belebt worden, um einerseits mit den jüngeren Senioren*innen in Kontakt zu treten und andererseits zu den Betagtesten „die Brücke aufrecht zu erhalten.“ Jetzt war er nötiger denn je. Und die Bereitschaft von Gemeindemitgliedern, andere im Alleinsein aufzusuchen, hoch: „Wir wollen auch in diesen Zeiten vorbei gehen, und wenn wir durch die Sprechanlage sprechen können.“
Jede*r 75jährige Jubilar*in wird bei sich zuhause besucht: „Weil Du da bist,das ist eigentlich der Glückwunsch, wenn jemand Geburtstag hat.“ Die Jubilar*innen der Johannstadt sind von 75 bis 101 Jahre alt. Darüber hinaus finden persönliche Besuche nach individuellem Bedarf und jeweiliger Einschätzung statt. Der Beziehungsaufbau lebe doch von der häuslichen Nähe, betont Susanne Schmitt, und dass man „,mal eine Hand auf die Schulter legen kann.“ Durchschnittlich werden allein bei den 75Jährigen 130 Besuche im Jahr gemacht von den 10 Ehrenamtlichen, die an der Türe läuten, wo ihr Besuch und damit Gespräch und liebe Geste erwünscht ist.
Unter den Ältesten der Senior*innen ist die hochbetagte Altersgruppe den Pfarrer*innen zum Besuch vorbehalten. Da wandeln sich die Themen:
Die Lebensendlichkeit ist im hohen Alter ein die Tage ständig begleitender Gedanke. Viele Menschen haben da den Wunsch nach einem seelsorgerischen Gespräch, auch Menschen, die der Kirche weniger nah stehen. Die Frage, was mit dem Tod kommt und wie es sein wird, wenn, was jetzt ist, einmal nicht mehr ist, ist groß. Viele stellen sie sich erst, wenn spürbar das Leben zu Ende geht. Im Gespräch lassen sich die Fragen und auch Befürchtungen bewegen: Gibt es offene Rechnungen? Ist etwas noch wieder gut zu machen? Wie lässt sich vergeben?
Solche Fragen werden im Besuchsdienstkreis dennoch generell bewegt: Zur Stärkung dieses Ehrenamtes treffen sich die Ehrenamtlichen in einem eigenen Zirkel, der Austausch und auch Weiterbildung fördert. Alle 2 Monate findet eine “Supervision light” statt, um Raum für gemeinsames Betrachten, Sinnen und manchmal auch Beratschlagen zu schaffen für Erlebtes. Menschen, die gerne auch Besuche bei alten Menschen machen möchten, sind im Besuchskreis jederzeit willkommen sich anzuschließen.
Du beheimatest Dich nur, wo es verbindlich ist
Rückblickend auf dieses ungewöhnliche Jahr undden aufgestellten Jahresbogen sagen Anne Mechling-Stier und Susanne Schmitt einvernehmlich: „Wir haben uns eigentlich ganz gutgemacht.“
Sie sind an den widrigen Herausforderungen gereift. Eine andere Wertigkeit sei entdeckt worden, die lebensbejahende Weltbetrachtung habe sich bewährt und den Mut gestärkt, weiter Inhalte zu schaffen, die mit der ganz konkreten Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun haben. Menschen aufeinander zu zu bewegen, könnte als Motto über der Bürotüre stehen.
Der Entschluss steht, Veranstaltungsformate über Bord zu werfen, die sich überlebt haben. Die Chance sei jetzt da, weiter hinaus zu treten aus dem Klischee der Seniorenkaffeefahrt.
Nur ist die Frage, wie weit die Puste reicht, vor allem auf der anderen Seite, in den häuslichen Wohnungen, wo es durch den lock down wieder einsam und still wird.
Die Adressen sind gesammelt von Menschen, „wo wir erleben, dass sie alleine sind, wo der Pflegebedarf steigt.“ Traditionell werden von vielen Freiwilligen, die in der Gemeinde alle Jahre wieder backen, basteln, Besinnliches stiften, Besuchs-Tüten gepackt für die Advent-Hausbesuche im Anschluss an den Diakonischen Gottesdienst zum 3.Advent.
Jede*r kann kommen, wer mag, um sie auszuteilen, ein Tütchen mit auf den Weg zu nehmen, für einen lieben Gruß an einer Haustür. Der Gottesdienst ist extra kurz gehalten. Das Foyer ist vollgestellt mit den bepackten Weihnachtstütchen für die Ältesten im Stadtteil: 100 Stück, und bisher haben immer alle ihren Weg zu den Menschen gefunden.
Ausblick Senior*innenangebote im Dezember
03.12. Das Große Basteln für Jung und Alt – Eine Alternative im „to-go Format“ wird vorbereitet
05.12. Senior*innen-Advent mit Überraschungs-Format – Eine Alternative als „Bringe-Variante“ durch die Konfirmanden und die Junge Gemeinde wird vorbereitet.
07.12. Senior*innenkreis – Eine Alternative als „Postwurf-Sendung“ wird vorbereitet
13.12. Diakonische Advents-Besuche im Anschluss an den Gottesdienst zum 3. Advent
14.12. Frauen im Gespräch – Eine Alternative als „Postwurf-Gesprächsimpuls“ wird vorbereitet
Mitarbeiterinnen für Seniorenarbeit:Tel. 441 72 47 (mit AB)
Susanne Schmitt: susanne.schmitt@evlks.de und
Anne Mechling-Stier: anne.mechling-stier@evlks.de
Besuchsdienstkreis für Geburtstagsjubilare: Kontakt über die Mitarbeiterinnen für Seniorenarbeit
eingestellt am 10.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Jetzt im Wintertakt - die Johanna auf der Elbe Foto: Anja Hilgert
Dresden leistet sich neben seinen Brücken einen Fährbetrieb über die Elbe. Zur Johannstadt gehört die Fähre wie der Fährgarten zum Stadtteil dazu. Die Ufer der johannstädtischen und der neustädtischen Seite beständig wechselnd, kreuzt sommers wie winters, von morgens früh um sechs, die Johanna, Baujahr 1999 den Strom. Ab November gilt der Winterfahrplan für die Elbfähre.
Für die Linie der Dresdner Verkehrsbetriebe mit offiziellem Namen Linie F 17 (DVB), die von der Fährstelle Johannstadt – Neustadt verkehrt und zurück, ist jetzt der Winterfahrplan dran – gültig ab 2. November 2020.
Johanna und ihre Schwestern verkehren jetzt täglich von 6.30h bis 18.30h, ohne feste Verkehrszeiten, sondern je nach Bedarf von einer zur anderen Seite der Elbe.
Wie ein Pendel über den Fluss
Oma, Opa, Enkelkinder, Mann mit Hund, die immer gleich gekleideten Zwillingsschwestern, Frau mit Fahrrad, morgens die Schulkindergruppe, mittags Tourist*innen und sonntags die ganze Familien-Kaffeegesellschaft – alles verschifft die Johanna, die 75 Personen Platz bieten kann, im Sitzen an der Reling und mehr noch im Stehen.
In Stoßzeiten bewegt sich das Boot wie ein Pendel über den Fluss, Akkord für den Fährmann: Ablegen, rüber machen, festtauen, zusteigen lassen, das Schiebegitter klackt. Manch einer bedankt sich für die schlichte, schöne Überfahrt. Und manchmal, er hat’s im Griff, da kommt der Fährmann tatsächlich nur für dich.
Zeitlos auf dem Wasser
Frühmorgens, wenn die Luft frisch und unberührt ist und alles rundum noch stille schweigt, ist es besonders schön, auf der Johanna zu sein. Über kühler Weite des Wassers brummt der Motor aus tiefem Fährbootbauch kurz auf, dann ein Gleiten, und nichts mehr. Die Elbe verströmt ihren Flusswasserduft und tut, als lägen Salz und Wellenrauschen in der Luft, wenn über ihr die Möwen kreischen. Die Zeit hört auf zu ticken.
Vom Wasser aus wird die Welt anders ansichtig: Ente, Biber, Stadtsilhouette zeigen sich wie magisch. Am schönsten ist das bei Tiefstand der Sonne, wenn in lang tauchenden Strahlen Licht und Wasser sich verbinden, und die Flussfläche glitzert in unfasslich vielen, klein bewegten Punkten.
Das Hupen der Dampfer klingt nach Mississippi, und das Fährboot grüßt klein geschwisterlich mit schmächtigem Tüten.
Wie viel Antrieb und wie viel dem Fluss überlassen – es ist eine philosophische Frage, die den guten Fährmann bestimmt. Ein jeder der Männer hinterlässt seine eigene Handschrift auf dem Wasser.
Was ist nun schöner?
Für Momente entführt sich schippern zu lassen oder der Fährmann zu sein? Oder zu sitzen in der Elbuferböschung, beim Plätschern des Flusses den Geschichten zuzusehen, die das Leben dir vorspielt, nahe dem Fähranleger, ganz von selbst?Inmitten der Stadt die Elbfähre zu haben, ist ein alltägliches Stück vom Glück.
eingestellt am 03.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Sternchen der Roten Liste auf den Elbwiesen
Auf den Elbwiesen fand ein herbstlicher Auspflanztag statt, bei dem ca. 250 Kleine Wiesenrauten die Chance gegeben wurde, in der Johannstadt Fuß zu fassen. Mit den doch reichlichen Regenmengen im Oktober war der Boden ausreichend weich und feucht, um noch Pflanzen in freier Landschaft auszubringen, dass sie anwachsen können.
Tage wie dieser wärmende Einstieg in den November begünstigen, dass sich die Pflanzen an ihrem neuen Standort wohl fühlen und hoffentlich fest ansiedeln. Denn es handelt sich um regional selten gewordene, gefährdete Arten von Wildblumen, die eigentlich heimisch hier im Gebiet sind, jedoch fast kaum noch auffindbar. Das Konzept einer besonderen Pflanzenpatenschaft bemüht sich nun darum, der biologischen Vielfalt in den Elbwiesen wieder auf den Sprung und in eine blühende Zukunft zu verhelfen.
Wenn Mensch und Natur zusammenrücken: Urbanität und Vielfalt
Die noch jungen Pflänzchen wurden von Pflanzenpat*innen mit viel Elan in die Erde gebracht. Diese hatten als Privatleute über den Sommer die Pflanzen im eigenen Garten, auf Balkonen, Dachterrassen und Fensterbrettern gepäppelt und gepflegt, bis sie reif waren für den Übertritt ins offene Land. Dieser neue Ansatz im Naturschutz bezieht Bürger*innen ein in den aktiven Bestandsschutz von Wildpflanzen und lässt Natur und Mensch näher zusammenrücken.
Urbanität & Vielfalt heisst das Projekt, unter dessen Namen die Aktion stattgefunden hat. In Dresden angesiedelt am Umweltzentrum, hat das bundesweite Projekt seit 2018 Pflanzenpat*innen eingeworben, die im Rahmen der Nationalen Strategie für Biologische Vielfalt eine oder mehrere regional seltene und gefährdete Wildpflanzen in die eigene Obhut übernehmen und damit einen Beitrag leisten, den Bestand in der Natur zu stärken.
In die Obhut genommen
Dazu ziehen Mitarbeiter*innen in der Gärtnerei des Umweltzentrums Dresden hunderte Pflanzen von 10 verschiedenen Wildpflanzenarten an, die in Sachsen zwar heimisch, zunehmend aber kaum noch in freier Landschaft zu finden sind und geben diese vorkultivierten Pflanzen in die Hände von Pat*innen ab. Diese erklären sich bereit, mit Neugier und Geduld die Pflanzen bei sich aufzunehmen und groß zu pflegen. Ausgehändigte Pflanzensteckbriefe und Kulturanleitungen helfen, die Pflanzen fachgerecht zu kultivieren.
Im Herbst kehren die herangewachsenen Pflanzen dann zurück zum Team von Urbanität und Vielfalt am Umweltzentrum, das in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden, eine gemeinschaftliche Auspflanzaktion an geeigneten Standorten in der Region durchführt.
Artenvielfalt als hohe Kunst der Natur
Jede Region hat ihre Besonderheit. Jeder Standort weist ganz besondere eigene geologische und klimatische Bedingungen auf, und entsprechend dieser über Jahrmillionen geprägten Standortfaktoren siedeln und leben hier Tiere und Pflanzen, die sich genau mit diesen Bedingungen heimisch fühlen und daran wiederum ihre spezifischen Eigenheiten ausformen. Sie passen sich mit ihren Fähigkeiten dieser Umgebung an und gelangen so zu ihrem besten Wachstumsvermögen, das im genetischen Code gespeichert wird. Auf diesen genetischen Unterschieden begründet sich die Vielfalt der Arten. Die immense Artenvielfalt wiederum ist die Kunst der Natur, flexibel und kraftvoll auf Schwankungen der Umweltbedingungen (den Klimawandel) zu reagieren, um sich selbst zu erhalten. Darum geht es: Dass uns die Natur als Grundlage unseres Lebens erhalten bleibt. Die das erkannt haben, fördern den Selbsterhalt der Natur und spielen ihr zu im unterstützenden Schutz bedrohter und selten gewordener Arten der Flora und Fauna.
Der Feld-Mannstreu (Eryngium campestre)
Einer, der dem Wiesenfeld an der Elbe treu geblieben ist, ist Eryngium campestre, der Feld-Mannstreu. Auch als Brachdistel oder Allermannsharnisch bekannt, liebt er die Sonne. Je wärmer der Standort und je günstiger der Boden für die zylinderartige Wurzel, desto größer und strauchartiger wächst der Mannstreu. In Spanien ist er mir als üppiger Strauch begegnet, der mit dem Silberglanz seiner schmalen Blätter und einer feinen Geometrie im Astaufbau besticht.
Auf trockenen ungenützten Feldern und an Ackerrändern kann er in geschützten warmen Lagen auch in unseren Breiten vorkommen, ist aber selten geworden und zählt von daher zu den schützenswerten Pflanzen. In Sachsen steht er auf der Roten Liste.
Alles an ihm ist stachelbespickt: Blätter, Blüten und Früchte weisen Spitzen und Stacheln auf und machen die Pflanze ausdauernd in Trockenperioden, damit auf lange Sicht überlebensfähig und wehrhaft. Daher rührten auch ihr landläufiger Name und ihre Wirkung: Wie ein Harnisch ist er wirksam gegen Anfechtungen, übersetzt gesagt hilft er in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr und schützt die Lungen. Homöopathisch wird Eryngium campestre zur Ausleitung angewandt, auch als Tee oder Tinktur hilft er bei der Ausschwemmung von Giftstoffen aus dem Körper, insbesondere dem Gewebe von Beinen und Füßen.
Johannstädter*innen können sich also glücklich schätzen, dass ihnen ein solcher Schatz vor der Haustüre wächst. Zwar mit dem regionalen Unterschied eines kleineren Wuchses, aber dennoch unverkennbar Feld-Mannstreu.
Mikrokosmos lokal und regional
Am Beispiel des wehrhaften Feld-Mannstreu wird klar, dass spezielle Bedingungen eines Lebensraums Pflanzen mit ganz speziellen Eigenschaften und Anpassungen hervorbringen. Die Vielgestaltigkeit der Lebensräume bis in kleinste lokale Regionen bildet die Grundlage für die riesengroße globale Artenvielfalt, mit der die Natur uns beschenkt.
Allein in Sachsen existieren weit über hundert verschiedener Biotoptypen. Bio-tope sind aus dem Lateinischen übersetzt Orte des Lebens.
In diesen jeweils sehr speziellen Lebensräumen hat sich über unzählbare Generationen ein komplexes Zusammenleben von Kleinst- bis Großlebewesen entwickelt, die in wechselseitiger Beziehung zueinander das dichte Netz des Lebens weben: als Gemeinschaft. Der Charakter dieser Lebensgemeinschaft ist ihre hohe Biodiversität. Gemäß der Verordnung der Stadt Dresden vom 09.02.2015 (SächsGVBl. S. 300) sind die Dresdner Elbwiesen als Biotop zu bezeichnen. Sie sind als Landschaftsschutzgebiet bestätigt und unterliegen damit einem gesetzlichen Schutzstatus.
Neu erschlossenes Pflanzenwohngebiet
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Pat*innen des Dresdner Umweltzentrums mit ihren 250 Wildblumen in Pflanzschalen und Blumentöpfen auf der Johannstädter Elbwiese zur Auspflanzaktion angerückt sind.
In Sachsen hat in den letzten Jahrzehnten die Zahl der ausgestorbenen, vom Aussterben bedrohten oder in ihrem Bestand gefährdeten Arten stark zugenommen. In den letzten Jahrzehnten stieg der Verlust rapide auf 101 Arten.
Hauptursache für den Bestandsrückgang ist die Zerstörung der Mikro-Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit dem Einsatz von Giften ist ein Grund dafür, aber auch der Anspruch des Menschen auf immer mehr Siedlungs- und damit Bebauungsraum, der natürliche Flächen versiegelt, also vom natürlichen Fluss des Lebens abschneidet. Über die Hälfte aller in Sachsen vorkommenden Biotoptypen gelten als gefährdet.
Bundesnaturschutzgesetz bzw. das Sächsische Naturschutzgesetz sehen vor, dass Eingriffe, die durch Baumaßnahmen in Natur und Landschaft entstehen, wieder gut zu machen sind. Als Handlungsempfehlung gelten entsprechende sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die kompensieren sollen, dass der menschliche Eingriff in die Landschaft natürlichen Lebensraum zerstört. Dieser soll laut Gesetz an anderer Stelle entschädigend aufgebaut werden. Mit dieser Schadensersatzlogik wird das unersättliche Expansionsbestreben in unserer Gesellschaft abgehandelt.
Wer also mit seinem Bauvorhaben Natur oder Landschaft in ihrem natürlichen Vorkommen und Wachstum beeinträchtigt, hemmt und bedroht, muss angemessenen Schadensersatz leisten. Die Höhe der Erstattungsleistung richtet sich danach, welche spezifischen Tier- und Pflanzenarten im jeweiligen Biotop nachgewiesen werden. Regional seltene oder gefährdete Arten unterliegen besonderer Wertschätzung und gesetzlich geregeltem Schutz.
Ausgleich, Kompensation und Wiederbelebung
Ein Abschnitt der oberen Elbwiesen nahe dem Käthe-Kollwitz-Ufer, ist eine solche städtische Ausgleichsfläche. Sie kompensiert die beim Bau des Helikopterlandeplatzes der Luftrettung nahe der Waldschlösschenbrücke verloren gegangene natürliche Elbwiesenfläche. Darauf wurden bereits zwei lange Reihen von Jungbäumen gepflanzt, denen sich im diesjährigen trockenen Sommer eine bürgerschaftliche Gießaktion des Stadtteils widmete. Nun sollen auch junge gefährdete Wildblumen frei dort wurzeln dürfen.
Die Auspflanzaktion des Projektes Urbanität und Vielfalt konzentrierte sich auf die ungemähten Wiesenabschnitte zwischen den Bäumen. Dort sind die zarten Wildblumengewächse vor dem Mähbalken sicher, der zwischen den Baumreihen das Gras kurz hält und so dafür sorgt, dass die Nährstoffe nicht durch kräftige Gräser entzogen werden. So können sich die Kleinen Wiesenrauten in aller Ruhe etablieren. Gleichzeitig mit ihnen überleben dort Insekten und deren Eier, Larven und Puppen und können später die zuvor gemähte Fläche wieder besiedeln, dass ein vitaler Lebensraum besteht.
Die kleine Wiesenraute (Thalictrum minus)
Die Wiesenraute, Thalictrum groß oder klein bevorzugt Standorte in der Nähe von Quellen und Flussläufen. In Sachsen ist sie vorrangig im Elbtal zuhause. Gleichzeitig liebt sie heiße Sommer. Ihre gefiederten Blätter sind kleiner, aber dennoch der Akelei sehr ähnlich. Der Stengel kann bis zu einem Meter hoch ragen und trägt an feinen Rispen vielzählige Blütenköpfchen in hellem, weißlichen Gelb der Sonne entgegen, die sich im Windhauch wie nickend bewegen. Ihre Blüten sind ausgesprochen fein gestaltet, dass man von grazilen Kunstwerken sprechen möchte, so bezaubernd sind sie anzusehen.
Beim Betrachten wird klar, dass es sich in der Kleinen Wiesenraute um ein zartes Geschöpf handelt, mit geringer Konkurrenzkraft gegenüber anderen Arten. Auf der Roten Liste wird sie als ‚Vom Aussterben bedroht‘ geführt. Mit ihren Blüten ist sie ein Magnet für pollenfressende Insekten.
In den kommenden Wochen und Monaten wird regelmäßig nach den Kleinen Wiesenrauten in der Johannstadt geschaut. Bei diesem sogenannten Monitoring begleitet und erfasst das Gärtner*innenteam des Umweltzentrums die Pflanzen in ihrem Wachstum. Allmählich wird dann die Pflanze mehr und mehr der Erde überlassen und wir dürfen an dieser Stelle des Ufers besonders gespannt das kommende Frühjahr erwarten.
eingestellt am 05.10.2020 von Elisabeth Renneberg, Headerbild: So bunt war der Himmel über Johannstadt. Foto: Elisabeth Renneberg
Buntes Getümmel nicht nur auf den Elbwiesen, sondern auch am Himmel darüber: bei bestem Wetter wurde am Sonntag das 15. Johannstädter Drachenfest gefeiert. Groß und Klein kam zusammen, um verschiedenste Flugobjekte in die Lüfte steigen zu lassen und bei Eis, Bier und Musik den Tag zu genießen.
Organisiert wird das jährliche Drachenfest von der JohannstadtHalle. Der Verein war auch selbst vor Ort, mit einer gut besuchten Bastelstation, an der Flaggen bemalt werden konnten. Material, um Drachen zu bauen, gab es leider nicht – für die meisten, umfassend ausgestatteten Familien zum Glück kein Problem.
Auch Wale können fliegen
Und so starteten Kinder wie Eltern ihre von unterschiedlichem Erfolg gekrönten Flugversuche. Ein Mädchen verhedderte mehrmals hintereinander seine Drachenschnur in immer demselben Baum, während die Fähigkeiten einer Altersgenossin ziemlich schnell von deren Vater als unzureichend eingestuft wurden, wobei er selbst sich als kein Stück geschickter herausstellte.
Trotz diverser Herausforderungen, bei Lenkdrachen übrigens besonders groß, flatterten bald um die 50 bunte Tupfen im ansonsten strahlend blauen Himmel. Ein ganzer Zoo aus Meerestieren, Schmetterlingen, verschiedenen Vögeln, Katzen und Füchsen ließ sich weder von Piraten noch vom Grüffelo einschüchtern. Wer keinen Drachen dabei hatte, ließ stattdessen eben Fußbälle oder Barbiepuppen durch die Luft fliegen.
Ein spannendes Rennen lieferten sich eine Biene und ein Pferd, beide angefeuert von ihren jeweiligen Besitzerinnen: „Meiner fliegt besser, weil er größer ist!“ – „Meiner fliegt besser, weil er leichter ist!“ Trotz lückenhafter physikalischer Kenntnisse herrschte allgemein eine ausgelassene und lustige Stimmung.
Highlights verschiedener Formen
Weder lustig noch auskunftsfreudig zeigte sich „der Dräsdner“. Immerhin aber steuerte er besonders spektakuläre Flugtiere bei; der meterlange und sanft dahingleitende Riesenrochen war zweifellos der Höhepunkt unter den an der Leine schwebenden Kreationen.
Einen programmatischen Höhepunkt bot der Auftritt des Liederesels, der – selbst hin und wieder fälschlich als solches identifiziert – von hüpfenden Häschen sang, thematisch passend untermalt vom fröhlichen Gekreisch auf der Hüpfburg. Mehr oder weniger textsichere Kinder sangen begeistert die Klassiker mit und taten dem musizierenden Esel sogar den Gefallen, den Reiter „Plumpf“ machen zu lassen, weil sich das schließlich viel besser auf „Sumpf“ reimt als „Plumps“.
Abgelöst wurden der langohrige Kinderlied-Interpret von einem DJ mit unverhohlener Vorliebe für Schlager. „Drachen steigen gegen dem Wind“, schmetterte Roland Kaiser seinen Beitrag zum Fest. Sein Kollege Wolfgang Ziegler kam mit „Verdammt, und dann stehst du im Regen“ der Wahrheit weniger nah: so warm und sonnig war der Herbsttag, dass mit der Softeis-Lieferung beauftragte Eltern die Wiese mit klebrigen, weiß-blau überzogenen Händen erreichten.
Versorgung für Leib und Leben
Neben dem Eisstand profitierte der Fährgarten vom Fest, indem er reichlich Bier und ein paar Bratwürste an den Mann oder die Frau bringen konnte. Auch das Café für alle war dabei und verteilte Kaffee und Kuchen auf Spendenbasis mit dem Ziel, Menschen in Dialog zu bringen und damit zu einer offenen Gesellschaft beizutragen.
Ebenfalls in Mission für das Wohl der Gemeinschaft stand das Rettungsteam des DRK bereit, um eventuelle Opfer uneinsichtiger (also nicht wie gebeten abgestiegener) Radfahrer*innen oder unkontrollierter Lenkdrachen-Abstürze zu versorgen.
Glücklicherweise kam es aber weder zu Un- noch zu sonstigen Zwischenfällen, und das Drachenfest endete, wie es begonnen hatte, mit heiterem Himmel und heiterer Atmosphäre.
eingestellt am 18.08.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Im Johanngarten flimmern immer mittwochs Filme für Jugendliche. Foto: Plattenwechsel
Im Rahmen der jährlichen Sommerferienaktion “Johannstars” werden im Johanngarten jeden Mittwoch Filme für junge Menschen ab 16 Jahren gezeigt. Der Eintritt ist kostenfrei.
Nach der Krise locken frische Luft und Kultur ganz besonders. Im Sommerkino unter freiem Himmel im Johanngarten an der Hopfgartenstraße kann beides verbunden werden. Jeden Mittwoch ab 20 Uhr wird ein Film gezeigt, der sich besonders an Jugendliche ab 16 Jahren richtet. Noch zweimal findet das Event dieses Sommer statt.
Luisa Kolb von Streetwork City: “Das Sommerkino wurde bisher sehr gut angenommen, an jedem Mittwochabend waren ca. 30 Zuschauer*innen vor Ort.”
Der Eintritt ist frei, zudem gibt es ab ca. 19 Uhr kostenlos Popcorn. Eigene Sitzgelegenheiten können gern mitgebracht werden.
Die Veranstaltung ist ein Kooperationsprojekt von Streetwork City, Jugendhaus Eule, Jugendzentrum Trini, Wir sind Paten, DRK YoCo und Johannstädter Kulturtreff. Das Sommerkino ist Teil der jährlich stattfinden Sommerferienaktion Johannstars und wird finnanziert von Utopolis – Soziokultur im Quartier.
Sommerkino im Johanngarten
19. August: “Der Junge und die Wildgänse”, FR/NOR 2019
eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert
Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassistisischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Mohammad Ghith al Haj Hossin:
Der Schriftsteller Gabriel García Márquez hat einen tollen Roman geschrieben. Er heißt ‚Chronik eines angekündigten Todes‘. Es geht um den Mord eines Arabers mit Migrationshintergrund, Santiago Nassar, in einem kleinen kolumbianischen Dorf.
Alle Leute im Dorf wussten, dass Nassar von Zwillingsbruder Vicario getötet werden würde, aber niemand hat versucht, diesen Mord zu verhindern. Obwohl sie auch wussten, dass Nassar unschuldig ist. Sie ließen ihn alleine seinem tragischen Schicksal begegnen. Ist das Hasskriminalität? Es ist eine von vielen Interpretationen des Romans.
Halluzinationen fanatischer Menschen
Man fühlt sich am falschen Ort, wenn man nach seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe behandeln wird. Man kann diese Diskriminierung und diesen Rassismus nicht nur im fremden Land erfahren, sondern auch in seiner Heimat. Könnte es sein, dass eine Gesellschaft nur aus Weißen oder Schwarzen besteht? Kam es je vor in der Geschichte, dass es eine solche Gesellschaft gegeben hat? Gehören solche rassistischen Gedanken zur Realität oder nur zu den Halluzinationen fanatischer Menschen?
Diese Fragen bleiben immer offen, obwohl die Antworten sehr einfach sind: Nein, in der Tat gab es niemald es eine solche Gesellschaft. Es sind Halluzinationen fanatischer Menschen, die nur extreme Gruppen bilden können.
Es ist ein verletzendes Gefühl, das viele Narben in der Seele nach sich zieht, besonders für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. Wenn sie glauben, dass ihre Menschlichkeit keine Rolle spielt im Vergleich zu ihrer Herkunft oder Religion. Rassismus zeigt uns sein hässliches Gesicht im Alltagsleben, deswegen haben viele Geflüchtete, die unter Rassismus und Diskriminierung in Deutschland leiden, besondere Geschichten mit ihren alltäglichen Erfahrungen.
Aber man darf in Anbetracht dieser negativen Gefühle nicht aufgeben. Man muss die Opferrolle vermeiden. Man hat in Deutschland unabhängig von Herkunftsort oder Hauptfarbe das Recht, dagegen zu klagen.
Rassismus beginnt in der Kindheit
Manche Menschen, die fremd sind, begegnen alltagsrassistischem Handeln mit Schweigen. Vielleicht haben sie Angst, ihre Stimme zu lauten oder, weil sie nicht wissen, dass sie durch Gesetze das Recht haben, dagegen zu klagen. Und natürlich: wenn sie die Sprache nicht beherrschen, können sie nicht gegen diese schlimme Handlung protestieren.
Ich bin davon überzeugt, dass es Rassismus nicht nur in Deutschland oder Europa gibt, sondern in allen menschlichen Gesellschaften. Rassismus fängt an in der Kindheit, zu Hause mit den Eltern oder in der Schule. Um es gut wahrzunehmen, braucht man sich nur ernst zu fragen, warum ist jemand mit seiner Familie von seiner Heimat geflohen? Der Fakt lautet: Wegen Hasskriminalität, Rassismus und Abwesenheit des Gesetzes. So entstehen extreme Reaktionen, die einen Menschen zu einem Henker machen.
eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert
Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassististischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Anja Hilgert:
Deinen Namen zu kennen
Ich habe dich nicht gekannt, doch nun weiß ich deinen Namen.
Weil du getötet worden bist. Das hat dich mir bekannt gemacht.
Dein Name musste ausgesprochen werden, wiederholt werden, viele Male, bis in meinem Gesicht der Blick frei geworden ist, mein Gesichtsfeld offen wurde für dich.
Wie haben wir gelebt nebeneinander, ohne einander zu kennen?
Dieses Nicht-Kennen. Nicht Wissen-wollen. Jetzt geht mir nicht aus dem Sinn, deinen Namen zu sagen, zu lernen, deinen Namen auszusprechen, ihn laut zu üben, bis er so klingt wie du heißt.
Wir sprechen r und w einzeln hart nacheinander aus, jeden Buchstaben für sich. Es gibt wenig Worte, in denen der Laut vorkommt in meiner Sprache. In deinem Namen klingen r und w weich ineinander, es macht einen anderen Klang, den aus meinem Mund gesprochen, die Lippen erst üben zu formen, ihn zu runden und rollend zu entlassen bis er bei dir wieder ankommt.
Geboren in einem der sieben Weltwunder
Geboren in Alexandria, die Alexander der Große gegründet hat, antike Stadt, eines der sieben Weltwunder und Stadt der großen Bibliothek, bist du in römisch-byzantinischer Kultur verwurzelt. Unser Treffpunkt ist das schöne Florenz an der Elbe.
Du klingst nach einer starken, blühenden Frau, hast kraftvoll mit dem Arm ausgeholt, Handball gespielt in der Nationalmannschaft deines Landes, hast Pharmazie studiert, hast geheiratet, hast einen Sohn, trugst ein zweites Kind in dir, hast vertraut, mit ihnen zu leben.
Ein Mann hat sich Dir in den Weg gestellt, dir die Berechtigung abgesprochen, hier zu sein, hat dir den Weg verstellt, frei zu leben.
Du hattest Vertrauen, lebensvoll zu sein, dich zu entfalten.
Er trug Gedanken, die dem Leben nicht erlauben zu sein wie es ist. Abgeschnürte Gedanken, die vor sich hin Bilder schaffen und eine Welt definieren nach dem Diktat der Gedanken.
Gedanken, die so eng sind, dass sie Gewalt anwenden müssen, um das Pulsieren des Lebens, das vital ist und schöpferisch, da hineinzupassen, in dieses gedankliche Gitter. Beharrliche Gedanken, die beschneiden, drücken, pressen und prügeln müssen und am Ende mit Messern zustechen, um das klein zu bekommen, was sie nicht zu fassen vermögen.
In Gedanken gerüstet
Ich habe solche Gedanken.
Ich höre Gedanken nach Eindeutigkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, nach Lösungen und Plänen verlangen. Gedanken, die attackieren, was anders ist als es Gedanken mir vorgestellt haben. Das Starren, das Gliedern, Sortieren, Vergleichen in mir, im Verlangen, fest zu machen und in den Griff zu bekommen, was überraschend, chaotisch, unberechenbar, wandelbar und wild ist in mir. Und unterdrückt von einer Last an Gedanken, die nicht nur meine sind. Die Generationen gedacht und ein Gehege der Wirklichkeit damit erstellt haben, das uns fern hält vom Vollzug des Lebendigen.
Jetzt einen Moment nur da sein. Dazwischen. Mich einschieben zwischen die Angst und die Rüstung. Nicht weiter absichern. Nicht zwingend krampfhaft in die Aufrechte gehen mit starrem Rückgrat. Stehen bleiben, kauern und zulassen, was kommt. Runterkommen von den Barrikaden, die verhindern, dass ich und was mir begegnet, da ankommen, wo mein Herz blank liegt.
Hoch ausgerüstete Sicherheit hat nichts ausgerichtet.
Im höchsten Saal der Ordnung, im Landesgericht, vor Richtern und Anwälten und Kräften, die Sorge tragen für Recht und Aufrichtigkeit – da bist du erstochen worden.
Gedanken, die zur Rüstung zwängen, sind grausam. Sie bedingen Ohnmacht, die einsetzt, wenn das Gerüst fällt. Ohnmächtig und betäubt stehen wir vor der systematischen Abriegelung des Herzens und trauen uns nicht zu, Mensch zu sein.
Im elften Jahr: Die Marwa El-Sherbini-Straße
Im elften Jahr deines Todes bin ich auf die Spur deines Lebens gesetzt.
Dasitzend vor dem hohen Gebäude, vor der Wand, die aufragt, vor den schweren Türen, so schwer die Portale, dass sie mit der Hand nicht zu öffnen sind. Sitzen und harren im namenlosen Gebiet vor dem Justizpalast, im Brachland, das die Macht des Gebäudes verantwortet, das für sich alleine dort ragt.
Herkommend von der Straßenkreuzung, dem Fluss, der Brücke, den Wegen, die hier sich bündeln, halten wir an, versammeln uns im Niemandskorridor zwischen Chaos und Ordnung und treten in Kontakt mit dieser Ohnmacht, die um sich greift und Offizielle zum Stammeln, zum Suchen nach Worten bringt.
Dem Gebiet einen Namen vergeben, heißt, es zu benennen – Marwa El-Sherbini-Straße soll der kleine Abschnitt nun heißen.
Nicht nur nächstes Jahr, wenn wir zum 1.Juli wieder dort versammelt stehen, sondern mit allen, die dort sind, jeden Tag und jede Stunde und minütlich, gehen wir in deinem Namen und finden zu einer Stimme, die aus der Ohnmacht aussteigt und Starre und Schweigen durchbricht.
Ich frage dich, wie du heißt
Ich brauche keine Rose, nicht weiß und nicht langstielig, edel angeboten zu bekommen, um da zu sein. Mein Strauß ist feuerrot und leuchtend gelb, in warmem Orange und tiefem Violett. Meine Blumen sind selbst gepflückt und sie feiern den Mut, die Beherztheit, das Selbstvertrauen, den Drang zur Freiheit.
Ich möchte dich kennenlernen
Ich frage dich, wie du heißt.