eingestellt am 07.09.2024 von QM Johannstadt, Headerbild: Alexandr Poddubny (Mitte), die Haussprecherinnen Jutta Petzold-Herrmann (3. v. rechts) und Anett Blaschke (1. v. rechts) vom Wohnhofbeirat, Alexander Wuttke von der Vonovia (1. v. links) und Matthias Kunert vom Quartiersmanagement (2. v. links) übergeben die aufbereiteten Räder an Vertreter*innen der Lebenshilfe Dresden (hinten mit Schildern). Foto: Lebenshilfe Dresden e.V.
In vielen Fahrradkellern der 10-Geschosser im Wohnhof Hopfgartenstraße / Pfotenhauerstraße / Elisenstraße lagern desolate Fahrräder, die bei Wohnungsauszügen zurückgelassen wurden. Was für die Altbesitzer*innen eine vermeintlich kostengünstige Entsorgung darstellt, sorgt für Ärger bei den verbleibenden Bewohner*innen.
eingestellt am 14.06.2024 von Bertil Kalex (Wohnhofbeirat Hopfgartenstraße), Headerbild: Neue Plauderbank im Wohnhof. Foto: Bertil Kalex
Seit Montag, 10. Juni ist sie da, die neue Plauderbank im Wohnhof Hopfgartenstraße. Eine weitere Sitzbank oder Sitzbankgruppe, auch Sitzecke mit Aufenthaltsqualität genannt, war schon länger der Wunsch einiger Anwohner und stand demzufolge auch auf der Agenda des Wohnhofbeirats.
eingestellt am 22.10.2023 von Nadine Kadic, Headerbild: Werbesegel Wohnhofbeirat Hopfgartenstraße. Foto: Nadine Kadic
Gestern, am sonnigen Morgen des 21. Oktober, lohnte es sich, durch das Märchentor an der Pfotenhauerstraße zu spazieren. Hier versammelte sich eine kleine, aber neugierige Gruppe von Menschen im Innenhof zwischen Spielplatz und Workoutpark (oder wie meine Töchter sagen: dem “Männerspielplatz”) zum Aktionstag Sperrmüllentsorgung. Die Bewohnerinnen und Bewohner teilten ihre Erfahrungen für ein gutes und sauberes Zusammenleben in den Häusern am Wohnhof zwischen Elisenstraße, Hopfgartenstraße, Gerokstraße und Pfotenhauerstraße.
eingestellt am 13.06.2023 von Matthias Kunert (QM Johannstadt), Headerbild: 6. Sitzung des Wohnhofbeirats Hopfgartenstraße am 7.6.2023 in der Kita Tabaluga (Foto: Matthias Kunert)
Erste Förderprojekte des Wohnhoffonds 2023 beschlossen – weitere gesucht
In Abänderung der Tagesordnung werden zunächst zwei Anträge auf Förderung aus dem Wohnhoffonds 2023 diskutiert und anschließend beschlossen.
Herr Kalex plant die Herstellung eines Werbesegels, um den Wohnhofbeirat bei Veranstaltungen wie dem Laternenumzug im November besser sichtbar zu machen und für die Mitwirkung zu werben.
Die Förderung beider Projekte mit insgesamt rund 515 EUR wird einstimmig beschlossen. Anschließend werden weitere Projektideen für die Verwendung des Wohnhoffonds 2023 diskutiert, für den die Vonovia und der Stadtteilbeirat Johannstadt jeweils 2.000 EUR zur Verfügung gestellt hatten. Im Gespräch sind u.a.
die Aufbereitung von aus den Kellern entfernten herrenlosen Fahrrädern zur Weitergabe an soziale Einrichtungen im Stadtteil,
die erneute Durchführung eines Martinsumzugs im November 2023 mit Musikkappelle und anschließendem Glühwein- / Punschausschank,
ein interkulturelles Fest im Wohnhof, um den Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu fördern,
Aktivitäten im Zuge des geplanten Aktionstags Sperrmüll (siehe unten),
eine Weihnachtsfeier.
Menschen, die dabei helfen möchten, diese oder weitere Projektideen im Wohnhof in die Umsetzung zu bringen, werden gebeten, sich mit dem Quartiersmanagement Nördliche Johannstadt in Verbindung zu setzen. Da die Mittel des Wohnhoffonds für 2023 nur noch in der nächsten Beiratssitzung am 27.9.2023 vergeben werden können, bittet das Quartiersmanagement um die Einreichung von Projektanträgen bis 10.9.2023 und unterstützt gern bei der Antragsstellung.
Die Kita Tabaluga stellt sich vor und bietet Unterstützung an
Frau Hartmann von der Kita Tabaluga, gibt einen kurzen Einblick in die Arbeit der Kindertagesstätte, in der 160 Kinder betreut werden. Die Kinder wohnen großteils im Wohnhof, ihre Familien stammen aus 25 Ländern. Um der Sprachenvielfalt begegnen zu können, verfügt die Kita auch über arabisch, tschechisch, ukrainisch und englisch-muttersprachliche Pädagog*innen. Die Kita Tabaluga bringt sich in viele Aktivitäten im Stadtteil mit ein. U.a. wurde kürzlich gemeinsam mit “Wir sind Paten” ein von der Vonovia unterstützter Fahrradkurs durchgeführt. Auch hat die Kita die Antragstellung und einen maßgeblichen Teil der Organisation der Malstraße und des Martinsumzugs im vergangenen Jahr übernommen.
Gemeinsam wird im Anschluss unter anderem überlegt, ob und wie die Kita dazu beitragen kann, den Wohnhofbeirat und die damit verbundenen Mitwirkungsmöglichkeiten bei Familien mit Migrationshintergrund bekannter zu machen, da der Anteil der Haussprecher*innen mit Migrationsanteil bislang nur klein ist. Als erste konkrete Aktivität wird die Vorstellung des Wohnhofbeirats bei dem von der Kita ins Leben gerufenen Elterncafé ins Auge gefasst, das im September erstmals stattfinden soll.
Containerstandplätze an der Elisenstraße und Blumenwiese Gerokstraße werden umgestaltet
Den größten Teil der Sitzung machte wie immer der Austausch zum Umsetzungsstand der Bewohneranliegen aus. Die Vonovia stellte die Planungen zum Umbau der Containerstandplätze an der Elisenstraße 30/32 und 34/36 vor, die ähnlich der bereits umgestalteten Stellplätze an der Pfotenhauerstraße mit einer Umzäunung und Zuordnung zu den Hauseingängen sowie einer Erweiterung um blaue Papiertonnen einhergehen soll. Auf Wunsch aus dem Wohnhofbeirat wurden die Planungen inzwischen auch so umgestaltet, dass die vorhandenen Bäume an der Elisenstraße vollständig erhalten bleiben können.
Vorgestellt wurde zudem die bereits in der letzten Sitzung angesprochene Umgestaltung der Blühwiese an der Gerokstraße, die die Abzäunung von zwei Biotopen vorsieht, jedoch den unvermeidbaren Trampelpfad von der Straßenbahnhaltestelle in Richtung Rettungswache nun mit einbeziehen soll. Vorgesehen sind ähnlich des von Herrn Vogel über den Wohnhoffonds umgesetzten Projektes “Naturschutz und biologische Vielfalt” an der Elisenstraße auch Informationstafeln, die über die Funktion der Habitate informieren. Kontrovers diskutiert wurde die ursprünglich auf Wunsch der anliegenden Haussprecher*innen in die Planung aufgenommene Sitzecke. Zwar bestand weiterhin der Wunsch, die Biotope auch als Aufenthaltsort zugänglich zu machen. Aufgrund einer befürchteten nächtlichen Ruhestörung durch wohnhoffremde Menschen im Umfeld der Straßenbahnhaltestelle wurde jedoch beschlossen, die Sitzecke nicht an der Gerokstraße, sondern im Zuge der Umgestaltung der Containerplätze an der Hopfgartenstraße im Innenhofbereich zu realisieren. Eine entsprechende Planung wird von der Vonovia in der nächsten Beiratssitzung vorgestellt.
Umsetzung der Bewohneranliegen kommt weiter voran
Wie in jeder Beiratssitzung, konnten Vonovia und Quartiersmanagement auch dieses Mal über Fortschritte bei der Umsetzung der Liste der Bewohneranliegen aus Hausversammlung und Beiratssitzungen berichten und zugleich neue Vorschläge zur Prüfung mitnehmen. So berichtete die Vonovia über die begonnene Fahrradbereinigungsaktion und die fortgesetzte Briefkastenbeschriftung. Zum Anliegen der Balkonkraftwerke wurde informiert, dass ein Nachrüsten der erforderlichen Balkonsteckdose nach Prüfung durch den Elektriker auf Mieterkosten möglich ist. Für den Hitzeschutz wird auf Anregung des Beirats gerade ein einheitlicher Vorschlag erarbeitet, der dann allen Mieter unterbreitet werden soll. Um wie aus dem Beirat angeregt der freien Zugänglichkeit der umgebauten Containerstandplätze entgegenzuwirken, wurde die Eingangstür des Containerstandortes Pfotenhauerstraße 20 testweise mit einem Knauf ausgestattet. Da häufig jedoch Kinder zum Müllentsorgen geschickt werden, denen die Eltern aus Verlustangst keine Schlüssel mitgeben, soll zunächst beobachtet werden, ob diese Maßnahme tatsächlich zur Verbesserung oder eher zur Verschlechterung der Sauberkeit des Standorts beiträgt.
Diskutiert wurde weiterhin über Möglichkeiten zur besseren Diebstahlsicherung der Fahrräder im Keller, etwa durch Ösen im Boden, festmontierte Stangen oder die Einführung von Fahrradkellerbenutzungschips. Zur Sicherung des erneut beschädigten Wandbilds im Durchgang wurde eine brandschutzgerechte Versiegelung gefunden, die aufgebracht werden soll.
Der Aktionstag Sperrmüll im zweiten Halbjahr konnte noch nicht mit der Stadtreinigung abgestimmt werden, soll aber an einem Samstag im Oktober stattfinden. Die Beiräte sprechen sich dafür aus, die gemeinschaftliche Keller- und Wohnungsentrümpelung mit einer kleinen Feier ausklingen zu lassen. Ein entsprechender Antrag für den Wohnhoffonds soll in die nächste Sitzung des Beirats eingebracht werden.
Das Quartiersmanagement berichtet über die Eröffnung der Lili-Elbe-Straße als neuen Aufenthaltsort auch für Jugendliche und die damit einhergegangene Vergrößerung des Altglascontainerstandorts an der südlichen Pfeifferhannsstraße hin. Auf Anregung aus dem Wohnhofbeirat habe das zuständige Amt für Stadtplanung und Abfallwirtschaft zudem die Abholfrequenzen der Containerstandplätze Gerokstraße / Hans-Grundig-Straße sowie Hopfgartenstraße veranlasst. im Hinblick auf die Schaffung aufsuchender Sportangebote für Jugendliche sei ein erstes Gespräch mit Sportjugend und Kinderschutzbund geführt worden. Der Kinderschutzbund, der ab 2024 von der Schokofabrik seine Jugendarbeit mobil gestaltet, habe signalisiert, die Sportinteressen von Jugendlichen erfragen und in Abhängigkeit davon sportliche Angebote in die mobile Jugendarbeit mit aufnehmen zu wollen.
Die nächste Sitzung des Wohnhofbeirats findet am 7. Juni 2023 von 17-20 Uhr statt.
Das Protokoll zur Beiratssitzung wird nach Erstellung und Freigabe durch die Beiratsmitglieder auf den Sitzungsseiten des Wohnhofbeirats zum Download bereitgestellt. Hier finden sich auch Informationen zu allen früheren Beiratssitzungen. Die Beiratssitzungen sind öffentlich. Für eine Reihe von Hauseingängen werden Haussprecher*innen noch gesucht. Wer sich in die Beiratsarbeit mit einbringen möchte, kann sich gern beim Quartiersmanagement melden:
eingestellt am 29.04.2022 von Bertil Kalex (Stadtteilverein), Headerbild: Das Gebäude von der Rückseite mit Blick in Richtung Stadtzentrum. Links vorn im Bild die Rückseite des "ADAC-Haus". Foto: Bertil Kalex
Bertil Kalex hat an der verschobenen Verleihung des Erlweinpreises 2020 teilgenommen. Der Johannstädter begeistert sich für das Preisträger-Haus und ordnet seine Bedeutung in einem persönlichen Kommentar ein. Was bedeutet Wohnen in der Johannstadt, welche Chancen gibt es? Und was heißt überhaupt “gutes Wohnen”?
Als kultur- und geschichtsinteressierter Johannstädter verfolgte ich den Bau des mit dem Erlweinpreis 2020 ausgezeichneten Gebäudes und mir wurde sehr zeitig bewusst: Da entsteht ein großartiges Haus in der Johannstadt. Es ist nicht einfach, in der Johannstadt „angepasst“ zu bauen. Die Johannstadt weist eine sehr heterogene Gebäudesubstanz auf – Folgen der großen Zerstörungen durch die Bombenangriffe auf Dresden am 13./14. Februar 1945 (ca. 75 Prozent der Johannstadt waren zerstört), den darauffolgenden Wiederaufbaujahren in der Nachkriegszeit und dem DDR-Wohnungsbauprogramm ab den 1970er Jahren mit Einheitstypenbauten.
Eine gute Wahl
Östlich liegt der Fetscherplatz mit umgebender Blockrandbebauung. Südlich stehen fünfstöckige Nachkriegswohnhäuser mit Satteldächern. Westlich befindet sich ein Grünzug, der fast bis zur Neuen Synagoge reicht, flankiert von fünf- und zehnstöckigen Wohnzeilen mit Flachdächern, die sich scheinbar wahllos abwechseln, dabei frühere Wegbeziehungen und Sichtachsen versperren. Nördlich schließt sich ein zweistöckiger Flachbau an und in Sichtweite befindet sich ein 15 Stockwerke Punkthochhaus.
Der Architekt Peter Zirkel und seine Mitarbeiter*innen haben den baulichen Ist-Zustand im Gebiet sehr gekonnt aufgegriffen und formvollendet umgesetzt und offenkundig bin ich nicht der Einzige, der das so sieht. Die Bauherrin Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG (WGJ) hat mit der Beauftragung des Architekturbüros eine sehr gute Wahl getroffen.
Ein Gebäude, das sich sehen lassen kann
Steht man auf der Striesener Straße und blickt auf das Gebäude, fallen einem sofort die „runden Ecken“ und die gelbe Klinkerfassade auf. Die abgerundeten Ecken und der Ansatz zur Blockrandbebauung stellen für mich eine Reminiszenz früherer Vorkriegsbebauung der Johannstadt dar. Eine Mischung aus Expressionismus und Neuem Bauen. Ein sehr bekanntes Gebäude aus der Zeit des Expressionismus ist der Einsteinturm in Potsdam.
Die gelbe Klinkerfassade stellt einen Bezug zum, in Dresden sehr oft verbauten, Sandstein dar. Ist jedoch viel kostengünstiger und etwas nachhaltiger, da die Klinker aus sandigen Nossener Lehm gebrannt sind. Der „Turm“ des Gebäudes korrespondiert einerseits mit dem sich in Sichtweite befindlichen Punkthochhaus und bildet andererseits einen gelungenen Abschluss des sich westwärts befindlichen Grünzuges.
Tritt man näher an das Gebäude heran, fällt einem auf, dass sich die „runden Ecken“ im Detail, den seitlichen Einfassungen der Fenster sowie in den Eingangsbereichen, fortsetzen. Ebenfalls auffällig die strukturierte Fassade, die sich abwechselnden Erhöhungen und Vertiefungen, über die beiden untersten Gebäudeetagen.
Das Zusammenspiel aller Fassadengestaltungselemente, die „runden Ecken“, die Struktur sowie die natürlich bedingten, unterschiedlichen Gelbtöne der Klinker, nimmt dem Gebäude die Brutalität, die Wucht, die Gebäude dieser Größenklasse (leider) üblicherweise aufweisen. Es spielt förmlich mit den Betrachtenden, als ob es sagen wollte: „Kommt näher und tretet ein“. In die öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten, das Café, die Kantine und das Ladenlokal, lohnt es sich einzutreten und man wird bald feststellen: Hier war man garantiert nicht zum letzten Mal.
Was heißt „gut und sozialverträglich bauen“?
Die Idee vom Zentrum für Baukultur Sachsen, die Preisverleihung des Erlweinpreis 2020 mit einer Dialog-Veranstaltung zu kombinieren, war richtig und ist wichtig. Die Themen rund ums Bauen gehören in die Öffentlichkeit, denn es betrifft alle Menschen irgendwie: als Mieter*in, als Grundstücksbesitzer*in, als Bauherr*in, als Gewerbetreibende etc. Leider waren zu der Dialog-Veranstaltung im Anschluss der Preisverleihung, die die Zeitdauer der gesamten Veranstaltung um zwei Stunden überzogen hat, nur die Insider, also Architekt*innen, Bauherr*innen, Investor*innen und Stadtplaner*innen, anwesend.
Das ist bedauerlich, dennoch, der Anfang ist gemacht. Der extra für die Dialog-Veranstaltung eingeladene und angereiste Berliner Architekt Tim Heide, u.a. Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt (IBeB), wies völlig zurecht darauf hin, dass das Bauwesen aus seiner „Blase“ herausmuss und sich offenen Debatten in jeder Planungs- und Bauphase stellen muss.
Nicht nur vor geladenen Teilnehmer*innen mit genügend Hintergrundwissen und/oder Interesse, sondern explizit potenzielle Nutzer*innen der zu bauenden bzw. zu sanierenden Gebäude miteinbeziehen. Die Themen Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit beim Bauen sind da nur einzelne Bausteine. Tim Heide hinterfragt grundsätzliches (beim Bau) und das ist gut so. Er moniert die umfangreicher werdenden, ohnehin schon komplexen und dabei immer schwerer zu verstehenden Bauvorschriften im Baurecht.
Und das Ganze auf drei Ebenen: im Bund, auf Landesebene und bei den Kommunen. Ständig kommen neue Vorschriften hinzu, ohne dass frühere Vorschriften auf ihre Gültigkeit geprüft werden. Wenn selbst ein Fachmann schon am Verzweifeln ist, wie ergeht es dann jenen, die sich eigentlich nur ihren Traum vom eigenen Heim erfüllen wollen und keine vertieften Kenntnisse des Baurechts besitzen? Für viele endet das nicht selten in einem Albtraum und juristischem Dauerstreit.
Der Dialogpartner von Tim Heide war der Dresdner Architekt Dr. Tom Schoper und stellte die Frage in den Raum: Was bedeutet eigentlich „sozialverträglich Bauen“? Laut Lexika: die Bedürfnisse von Bewohner*innen(gruppen) unterschiedlicher sozialer, kultureller, ethnischer und/oder religiöser Herkunft in einem Gebäude zu vereinen. Salopp gesagt: Vermögende und Arme bzw. Armutsgefährdete unter einem Dach. Einfacher gesagt als getan. Weshalb in vielen Städten – in Teilen gehört auch Dresden dazu – ganze Wohnquartiere von einer Bewohner*innengruppe dominiert werden.
Gutes Wohnen als Grundrecht
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig, ein wesentlicher Punkt dürften jedoch die unterschiedlichen Grundstücks- bzw. Mietpreise sein. Die einen können es sich eben aussuchen, wo sie wohnen wollen. Die anderen müssen mit dem Vorlieb nehmen, was sie sich finanziell leisten können. Oder schlimmer, ihnen kann von Amtswegen (Sozialämter, Jobcenter etc.) Wohnraum zugewiesen werden, was ein klarer Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes wäre. Der gewährleistet das Grundrecht der Freizügigkeit, somit der freien Wohnortswahl. Was nutzt einem dieses Recht, wenn diesem kein „Recht auf Wohnen“ vorangestellt ist? Für arme und armutsgefährdete Menschen jedenfalls nicht viel. Um sozialverträgliches Bauen, dass dieser Bezeichnung gerecht wird, umsetzen zu können, ist es notwendig dem Grundgesetz das Grundrecht auf Wohnen hinzuzufügen.
Das löst die Probleme am Wohnungsmarkt nicht mit sofortiger Wirkung in Luft auf, kann jedoch sehr effektiv einer zunehmenden Gentrifizierung in den Wohnquartieren entgegenwirken. Jedenfalls juristisch sicherer als so manche Mietpreisbremse.
Natürlich hat sich in den letzten Jahren schon einiges bewegt, was öffentliche Beteiligungsformate bei Stadtplanung und Stadtgestaltung betrifft. Doch es ist mehrheitlich auf städtische Vorhaben beschränkt und die Beteiligung auf eher kosmetische Einflussnahme wie Fassaden-, Farb- und/oder Umgebungsgestaltung, Straßenbegrünung, Art und Anzahl der Stadtmöbel etc. reduziert. Außerdem entsteht aus den Beteiligungsergebnissen kein eindeutiges Beschluss- und Umsetzungsverfahren, sondern nur ein grobes Orientierungskonzept.
Es kann so umgesetzt werden, muss aber nicht. Da muss unbedingt noch nachgebessert und vertieft werden, insbesondere wenn man Personengruppen erreichen möchte, die bisher nicht an Beteiligungsformaten teilgenommen haben. Dazu ist nicht nur „die offene Debatte“ im Bauwesen notwendig, sondern der Bausektor als Ganzes muss transparenter und demokratischer werden. Gerade die private Wohnungswirtschaft hat da erhebliche Defizite.
Was fehlt, ist Mitbestimmung
Es geht in erster Linie nicht nur um Geschäftsberichte und/oder Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten. Das ist soweit schon vorhanden. Was fehlt, ist die Mitbestimmung zukünftiger wie gegenwärtiger Mieter*innen bzw. Nutzer*innen bei Planungs- und Bauphasen im Wohnungsbau. Einige Wohnungsgenossenschaften, so auch die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG (WGJ), haben einen Mieter*innenrat. Seit 21.04.2022 hat nun auch die Vonovia dank eines Modellprojektes ihren ersten Mieter*innenrat, den Wohnhofbeirat Hopfgartenstraße. Das ist in zweierlei Hinsicht ein Novum. Es ist der erste Mieter*innenrat in Dresden außerhalb einer Wohnungsgenossenschaft und es ist das erste Mietergremium bundesweit, das einem privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen beigeordnet ist. Man darf gespannt sein (ich bin es jedenfalls), was sich daraus entwickelt.
Wir sollten uns alle, Mieter*innen im Besonderen, mehr fürs Wohnen interessieren. Und das nicht nur auf die „Lage, Lage, Lage …“ und „der Preis ist heiß“ reduziert. Diese Slogans sollten dahin wandern, wo sie hingehören: Ins Museum für ausgediente Werbesprüche. So wie es für viele Menschen wichtig geworden ist, wo ihr Essen und ihre Kleidung herkommen bzw. wie diese produziert wurden, so sollte auch die Art und Weise des Wohnens, die Nachhaltigkeit im Wohnungsbau bzw. bei der Sanierung von Altbauten, der Wohnraumgestaltung und -ausstattung, des gemeinschaftlichen Miteinander in den Wohnhäusern etc. stärker in den Fokus rücken.
Ein Beispiel. Die Hälfte sämtlicher Wohnungen in Dresden – in der Johannstadt sogar etwas mehr – wird von Menschen allein bewohnt. Die wenigsten von denen tun das aus freien Stücken. Wären da nicht gemeinsam nutzbare Küchen in der Wohnhausetage ein Mittel für mehr gelebtes Miteinander und besseres Kennenlernen, statt jedem Single seine eigene Küche zu belassen? Der freigewordene Platz der dann überflüssig gewordenen Küche könnte anderweitig Verwendung finden.
eingestellt am 14.03.2022 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Wohnhofbeirat und Wohnhoffonds ermöglichen ein Frühlingserwachen im Wohnhof mit Mitteln zum Beleben von mehr Lebensqualität Foto: Anja Hilgert
Die Entwicklungen im Wohnhof verlaufen über viele Ebenen, Etagen, Gänge, Zwischengeschosse. Über zweitausend Menschen sind involviert, ein gutes Zusammenleben zu gestalten. Der Bericht über die Umsetzung des Förderprojektes im Johannstädter Wohnhof Hopfgarten/Elisen/Pfotenhauerstraße, für die der Stadtteilbeirat 2021 eine Finanzierung aus dem Verfügungsfonds Nördliche Johannstadt bewilligt hatte, stand ganz oben auf der Tagesordnung der ersten Stadtteilbeiratssitzung in diesem Jahr 2022. Zahlen- und Messwerte, in einer Präsentation zusammengestellt, geben nur ansatzweise Auskunft oder eine Richtung an, welche Prozesse in der Großwohnsiedlung angestoßen und im Gange sind. Vom Kellergeschoss über die Aussenanlagen, über die Flure und Treppenhäuser, Wand an Wand. Manches schlummert noch. Manches gärt, Anderes ist in einer Transformation begriffen. Das Bild vom Wohnhof ist im Wandel.
Durch einen intensiven Prozess an Gesprächsführung, Vermittlung und Unterstützung von Eigeninitiative und Engagement in der Bewohnerschaft soll ein gutes Zusammenleben und die Verbesserung der Lebensqualität im Wohnhof befördert werden.
Der Ruf zur Versammlung
Das Projektziel 2021, für jeden der insgesamt 28 Hochhauseingänge des Wohnhofs Hausversammlungen mit den Bewohner*innen durchzuführen, wurde nur zum Teil erreicht. Mehrsprachigkeit, oft wechselnde Wohnparteien, Neuzuzüge, andere vorrangigere Themen der angesprochenen Personen, Reserviertheit, z.T. auch die Prägung durch negative Erfahrungen stellten eine Hürde dar, alle Mietparteien gleichermaßen zu erreichen und für das Vorhaben zu gewinnen.
Ziel der Versammlungen sollte es sein, für jeden Hauseingang stellvertretende Sprecher*innen zu wählen, die als persönliche Anlaufstelle, Mittler*in und Botschafter*in für die jeweilige Hausgemeinschaft fungieren. Oft blieb eine entsprechende Mitbeteiligung in den Häusern allerdings aus. Das Ausfindigmachen geeigneter Personen brauche viel Zeit und Geduld, teilte Projektmitarbeiterin Tanja Leonov, in ihrem Bericht mit. Die Projektlaufzeit wurde für die Aufgabe als insgesamt nicht ausreichend eingeschätzt.
Entsprechend ist es noch nicht abschließend gelungen, alle Eingänge durch Sprecher*innen zu vertreten. In zehn Hauseingängen stehen die Versammlungen und die Sprecher*innenwahl noch aus.
Zwischen den Kulturen vermitteln
Zusätzlich angedacht war der Aufbau eines mobilen Teams sogenannter Kulturmittler*innen, was Menschen verschiedener Kultur- und Sprachgruppen sind, die mit ihren Kenntnissen in Gesprächen vermitteln helfen. Da es sich um ein rein ehrenamtliches Engagement handelt und finanzielle Anreize bislang nicht geboten werden konnten, musste die Teamzusammenstellung sehr niedrigschwellig angegangen werden. Bislang haben vier Personen gegenüber dem Projektteam ihre Bereitschaft zur Unterstützung bei Übersetzungs- und Dolmetschertätigkeiten erklärt. Der Bedarf liegt bei Weitem höher und die Bemühungen, Menschen für die kommunikative Mittlerrolle zu finden, laufen weiter.
10 Jahre zu spät
„‚Ihr kommt 10 Jahre zu spät‘“, sei von Bewohner*innen häufig zu hören gewesen, erklärte Frau Leonov, die im letzten halben Jahr vielfach in den Hochhäusern unterwegs war. Sie konstatierte vor dem Stadtteilbeirat: „Engagement lässt sich nicht aus dem Boden stampfen – entweder es wächst oder eben auch nicht.“
Die Herangehensweise, vom Ende aus initiiert, sei bisher nicht von Erfolg gekrönt. Auch haben coronabedingte Auflagen und Kontaktbeschränkungen das Projekt erheblich behindert.
Die Quintessenz, die die Projektmitarbeiterin aus den bisherigen Erfahrungen resümiert, fiel nüchtern aus: Verantwortung für Nachbarschaft entstehe durch Gemeinschaftsgefühl, entstehe durch Kennenlernen. Das setzt Räume und Möglichkeiten voraus, die es so nicht gegeben habe. “Eigentlich müsste die Kette anders herum laufen.”
Deshalb sei der Handlungsbedarf im Wohnhof weiterhin groß, die sozialen Bedürfnisse liegen ersichtlich zu Tage. Die Projektarbeit wird 2022 fortgesetzt mit Förderung durch das Sozialamt Dresden und die Vonovia sowie die Unterstützung des Verfügungsfonds Nördliche Johannstadt.
Wohnhofbeirat als Beteiligungsgremium der Vonovia
Es wird nun angestrebt, das entstehende Gemeinschaftsgefühl der Haussprecher*innen zu stärken, indem diese mindestens vier mal im Jahr im sogenannten Wohnhofbeirat zu regulären Treffen mit der Vonovia zusammenkommen, um die Geschicke des Wohnhofs gemeinsam anzugehen.
Die konstituierende Sitzung dieses neu geschaffenen Beteiligungsgremiums der Vonovia steht im April 2022 an. Aufgabe des Wohnhofbeirats ist es, über Anliegen und Vorhaben zu beraten, die für mehrere Hauseingänge oder den gesamten Wohnhof bedeutend sind. zusätzlich kommt dem Beirat die Aufgabe zu, über die Förderung von Bewohnerprojekten aus dem geplanten Wohnhoffonds zu beschließen.
6.000 Euro für den Wohnhof-Fonds
2022 wird der Wohnhofbeirat erstmals mit einem Wohnhoffonds, d.h. mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Vonovia und – per geänderter Förderrichtlinie durch den Stadtteilbeirat – das Quartiersmanagement Nördliche Johannstadt mit dem Verfügungsfonds lassen paritätisch jeweils 3.000 Euro an Finanzmitteln in den Wohnhoffonds einfließen. Diese Gelder, in Summe 6.000 Euro, stehen den Wohnhofbewohner*innen zur Umsetzung eigeninitiierter Projekte ab sofort zur Verfügung. Per Antrag können zukünftig, ab dem zweiten Quartal 2022, Wohnhof-Bewohner*innen finanzielle Unterstützung beantragen zur Umsetzung eigener Projekte und Vorhaben, um die Lebensqualität im Wohnhof zu verbessern. Die Mittel werden per Abstimmung durch den Wohnhofbeirat bewilligt.
Nun geht es für eine gelingende Projektarbeit im Wohnhof darum, über die Wirksamkeit des Wohnhofbeirates auch jene Hausgemeinschaften zu motivieren, sich zu beteiligen, die bislang keine Haussprecher*innen aufgestellt haben. Es braucht mehr Stimmen, die den Beirat im Wohnhof bekannt und den Sinn von Beteiligung transparent machen. Jetzt komme es an auf „Zeit, Präsenz und Dranbleiben, um Ideen ins Rollen zubringen“, sagte abschließend Frau Leonov.
Identifikation mit dem Stadtteilleben in Johannstadt
Der Stadtteilbeirat unterstrich die Wichtigkeit einer gelingenden Anbindung des Wohnhofs ins Johannstädter Stadtteilleben. Frau Dressel-Zagatowski, Direktorin der 101.Oberschule mahnte an, unbedingt zu vermeiden, den Wohnhof als Gebiet zu separieren. Gerade weil es darum gehe, Identifikation zu stiften, sei es so wichtig, jetzt Entscheidungsmöglichkeiten für die Bewohner*innen einräumen, um selber aktiv zu werden, betonte daraufhin André Barth, Amtbezirksleiter Stadtbezirksbeirat Altstadt.
Die Vertreter*innen des Johannstädter Stadtteilbeirats gaben mit einer Stimmenmehrheit von 13 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen ihr positives Votum zur Einrichtung und finanziellen Ausstattung des Wohnhoffonds in der Johannstadt.
Der Modellcharakter des Johannstädter Wohnhof-Projektes steht stellvertretend für solche komprimierten, herausfordernden Formen großstädtischen Wohnens, wie sie auch in anderen Ballungsgebieten anderer Großstädte auftreten, und könne möglicherweise gesellschaftlich zukunftweisend sein – deshalb solle der Versuch laut mehrheitlicher Meinung der lokalen Stadtteilbeiräte unbedingt beispielgebend unternommen werden.
Ein Glücks-Versuch
Das laufende Modellprojekt „Wohnhof Hopfgartenstraße“hat auch aufgrund seiner hohen Komplexität reichlich Potential. Das bedeutet aber auch, es ist ein Stück weit auch ein Experiment – definitiv kann niemand wissen, was in dem Prozess, der mit dem Modellprojekt ins Laufen gebracht worden ist, wirklich heraus kommt. Ob die Investition, der ganze Versuchsaufbau sich lohnt.
Da es sich bei diesem Projekt um das Erproben menschlichen Miteinanders in einer großstädtischen, herausforderungsreichen Wohnform handelt, ist der Ausgang offen. Es kann sein, dass die Erwartungen vielleicht zu groß, das Wollen zu stark, zu aufgesetzt sind. Entwicklung braucht Zeit. Und eine eigene Dynamik, somit Geduld. Mit dieser Offenheit als einer Variablen umzugehen, ist nicht einfach, tut der Entwicklungsfähigkeit aber gut. Ob der Raum ergriffen, eine Zukunft gesehen, ob selbstbestimmtes Handeln als Chance erkannt wird, ist das experimentelle, und deshalb heikle Moment an dem höchst zeitgenössischen Modellprojekt.
In der Johannstadt wird Motivation freigesetzt. Nach mehrheitlicher Meinung der Johannstädter Stadtteilbeiräte gilt es, den Versuch jetzt zu wagen. Unterstützung von Seiten der Landeshauptstadt ist da. Die Johannstadt kann ausprobieren, ob und wie gemeinschaftliches Zusammenleben unter den spezifischen lokalen Voraussetzungen für die Zukunft glücken kann.
Weitere Informationen
Willkommen in Johannstadt e.V.
Verein für gute Nachbarschaft und Integration
Hertelstraße 24
01307 Dresden
Tel.: +49(0)151-17882242
zusammenleben@willkommen-in-johannstadt.de
eingestellt am 28.02.2022 von Philine Schlick, Headerbild: Juan Restrepo Valdez arbeitet als Maler und Skulpteur und gibt sein Wissen in Workshops weiter. Foto. Philine Schlick
Der Künstler Juan Restrepo Valdez gestaltet einen bisher tristen Durchgang in den Innenhof des Vonovia-Wohnhofs an der Pfotenhauer-/Hopfgartenstraße – gemeinsam mit Bürger*innen. Derzeit entstehen an der Hertelstraße die Motive für die geplante “Märchen-Bühne” zwischen Grimm und 1001 Nacht.
“Ich habe etwas gesucht, das uns alle verbindet”, sagt Juan Restrepo Valdez. Der Künstler empfängt in seinem Atelier an der Freiberger Straße. Bei einer Tasse Tee erzählt er, warum er in der Johannstadt Wände bemalen möchte – nicht allein, sondern gemeinsam mit Bürger*innen. Die Vorbereitungen laufen bereits.
Kunst als Brücke
“Ich weiß, wie sich das anfühlt”, sagt Juan Restrepo Valdez über das Ankommen in einer fremden Stadt in einem fremdem Land. Vor 17 Jahren kam er von Kolumbien nach Marburg und musste sich vertraut machen mit der unbekannten Kultur. Im Kunst-Studium lernte er seine Frau kennen. Sie bekam eine Stelle als Volontärin bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. So zogen sie auf die Holbeinstraße in der Johannstadt. “Das war 2015”, erinnert sich Juan. “Das Jahr, als Pegida zum ersten Mal auf die Straße ging.”
Gerade frisch in der neuen Stadt angekommen, hätte er die fremdenfeindliche Bewegung sehr kritisch wahrgenommen, erzählt der Familienvater. Er sei froh, sich in der offenen Kunst- und Kulturszene vor Anfeindungen sicher fühlen zu können. Nach zwei Jahren stand fest: Die Familie würde in Dresden bleiben. Man zog über den Fluss in die Neustadt. Die Kunst blieb als Brücke.
Vom Papier auf die Wand
Der Gestaltung Durchgangs-Passage im Wohnhof Pfotenhauer-/Elisen-/Hopfgartenstraße sagte er gern zu. Im Zuge der Entwicklung des international geprägten Wohnhofes zu mehr Nachbarschaftlichkeit trug der Verein Willkommen in Johannstadt den Auftrag an ihn heran. Juan arbeitet nicht nur als bildender Künstler, sondern gibt sein Wissen als Pädagoge auch weiter. Mit seiner Idee wolle er den Wohnhof lebenwerter und vertrauter machen.
“Was uns alle miteinander verbindet, ist unsere Kindheit”, erklärt Juan. Er fand ein einendes Element in der Welt der Märchen. Seine Pläne zeigt er an einem Modell: Auf den gegenüberliegenden Seiten des Durchgangs sollen Motive aus 1001 Nacht und der Grimm’schen Märchenwelt die Wände schmücken. In prächtig gestalteten Logen werden die Schatten-Risse von Märchenfiguren in Szene gesetzt. “So wird der Durchgang zu einer Bühne!” Inspiriert habe ihn die deutsche Filmemacherin Lotte Reininger. In den 30er-Jahren produzierte sie Trickfilme mit Schattentheater-Figuren.
Juan möchte Tradition und Moderne, Bekanntes und Neues miteinander verschmelzen. Mittlerweile sind es sechs Menschen, die sich regelmäßig samstags in den Räumen von Willkommen in Johannstadt an der Hertelstraße treffen. Nach dem Lockdown sei die Gruppe enthusiastisch bei der Arbeit, berichtet Juan. Beim gemeinsamen Entwerfen von Dekorsergäbe sich stets ein lebendiger Plausch, was alle nach der langen Durststrecke sehr schätzen.
Juan hat den Entwurf geliefert, aber wie die Muster genau aussehen, welche Farben sie haben – das überlässt der Künstler den Teilnehmer*innen: Eine weiße Wand kann eine Wohnung, aber eine bunte Wand kann Heimat sein. Wenn der Frühling kommt, werden die Entwürfe mit Schablonen auf die Wände übertragen. Juan hofft, noch mehr Menschen für das gemeinschaftliche Pinseln zu begeistern: “Es ist ein offenes Konzept. Alle können Mitmachen!”
Märchen-Passage Johannstadt
nächster Termin am 5. März, von 10 bis 12 Uhr in den Räumen von Willkommen in Johannstadt an der Hertelstraße 24
eingestellt am 17.08.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Blick auf die zum teils bereits fertig sanierten Häuser des Wohnhofes. Foto: Philine Schlick
Die Stadt, die Vonovia und der Verein Willkommen in Johannstadt wollen am Modellprojekt „Wohnhof Hopfgartenstraße” zusammenarbeiten. Dafür unterzeichneten Vertreter*innen eine Kooperationsvereinbarung.
Die Hochhäuser der Pfotenhauerstraße, Hopfgartenstraße und Elisenstraße bilden den Wohnhof Hopfgartenstraße in Johannstadt. Viele unterschiedliche Bewohner*innen bedeuten eine vielfältige Nachbarschaft, in der es in den vergangenen Jahren nicht immer reibungslos zuging.
In Zusammenarbeit mit der Bewohnerschaft entwickelte das Quartiersmanagement gemeinsam mit dem Verein Willkommen in Johannstadt ein Konzept, um die Bedürfnisse im Wohnhof zu benennen und zu berücksichtigen. Streitpunkte waren u.a. Lautstärke, herum liegender Müll und Vandalismus. Zeitgleich äußerten viele Bewohner*innen Kummer über Einsamkeit und Isolation. Über Haustürschwellen und Sprachbarrieren hinweg wurde bei ersten Zusammenkünften klar: Es besteht Einigkeit darin, dass etwas getan werden muss und kann.
27.500 Euro für das Modellprojekt
„Uns ist bewusst, dass dieses Modellprojekt keine Lösung für die unzureichende soziale Mischung herbeiführen kann. Zugleich sind wir überzeugt, durch die Förderung von Eigeninitiative und Engagement der Bewohnerschaft und die Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten eine Reduzierung der Konflikte und ein besseres Zusammenleben bewirken zu können”, so Edeltraud Haß von Willkommen in Johannstadt.
Ein ambitioniertes Konzept ihres Vereins bekam vom Stadtbezirksbeirat im April rund 27.500 Euro zugesprochen. Als erster Knoten- und Sammelpunkt von Wünschen und Interessen ist in jedem Haus eine Hausversammlung mit eine*r Sprecher*in angedacht. Diese*r ist gemeinsam mit einer*m Stellvertreter*in Anlaufstelle für Anliegen und Kummer der jeweiligen Nachbar*innen und Mittler*in zwischen Bewohnerschaft und Vonovia.
Stadt will Johannstadt mehr Aufmerksamkeit schenken
„Ziel des Projektes ist die größtmögliche Eigenständigkeit der Bewohneraktivitäten. Die Probleme im Wohnhof Hopfgartenstraße sind exemplarisch für Herausforderungen im Zusammenleben in verschiedenen Dresdner Wohnhöfen mit einer ähnlichen Bevölkerungszusammensetzung. Insofern würden wir das Modell gern weitertragen”, erklärte Martina Pansa.
Insgesamt 28 Hausversammlungen werden mit einem Konzept auf den Weg geschickt, begleitet und moderiert. Nach einer Pilotphase von drei Versammlungen soll das Konzept nach Bedarf angepasst werden. Ein Schwerpunkt des Konzeptes zur Nachbarschaftlichkeit im Wohnhof sind die Posten der Kulturmittler*innen. Sie sollen als Schnittstelle fungieren.
„Die Dresdner Johannstadt ist ein Stadtteil, dem wir sehr bewusst mehr Aufmerksamkeit schenken, weil hier vielfältige Herausforderungen aufeinandertreffen. Dieses Kooperationsprojekt zielt genau in die richtige Richtung. Es geht um Gemeinsames – nur so schaffen wir es, dass sich Menschen mit ihrer Stadt identifizieren und so Verantwortung für sich und andere übernehmen“, sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert.
eingestellt am 19.04.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Blick auf die zum teils bereits fertig sanierten Häuser des Wohnhofes. Foto: Philine Schlick
Ein Projekt so groß wie die Häuser, die es miteinander verbinden soll: Knapp 27.500 Euro sprach der Stadtbezirksbeirat am Mittwoch dem Wohnhof Hopfgarten-/Pfotenhauer/Elisenstraße und seiner Nachbarschaftlichkeit zu. Das Konzept entwickelten der Verein Willkommen in Johannstadt, die Vonovia und das Quartiersmanagement gemeinsam mit Bewohner*innen. Am Ende des Jahres steht ein Ziel, das Maßstäbe setzen könnte.
“Wir haben es hier mit einem äußerst ambitionierten Projekt zu tun”, führte Amtsleiter André Barth das Thema am Mittwoch vor dem Stadtbezirksbeirat ein. “Es ermöglicht uns, dorthin zu gehen, wo es weh tut, und den Zusammenhalt in den teils anonymen Wohnhöfen zu stemmen.”
“Ein Dorf ohne Dorfstruktur”
Edeltraud Haß von Willkommen in Johannstadt stellte das umfangreiche Konzept vor, dessen dritte Umsetzungsphase zwischen April und Dezember 2021 mit rund 27.500 Euro gefördert wird. Das entspricht 77 Prozent der Kosten. Die restlichen 23 Prozent trägt die Vonovia.
Es begann schon 2019, mit gemeinsamen Frust und Ärger. Eine Umfrage, durchgeführt vom Kernteam Anne Richter, Gabriele Feyler und Muawia Dafir, sammelte die Meinungen und Eindrücke von 56 Personen aus 15 Nationen.
Diese erste Phase machte klar: Die rund 2200 Bewohner*innen aus 28 Hauseingängen teilten dieselben Sorgen: Lärm, Vandalismus, Müll, Vereinsamung. In einem moderierten Workshop im Juli 2020 sprach man sich aus, entdeckte gemeinsame Ambitionen und Interessen.
Arbeitsgemeinschaften wurden gegründet: ein Müttertreff, ein Seniorenkreis, ein Team zur Begrünung des Innenhofes, die Organisation des Hopfgartenfestes. Insgesamt sieben Gruppen fanden sich zusammen. Ein Hoffest wurde – wie das Bundschuhstraßenfest – im sintflutartigen Regen an diesem Wochenende weggespült. Doch das Ziel ging nicht unter: Die Lebensqualität in dem “Dorf ohne Dorfstruktur”, wie es Edeltraud Haß bezeichnete, soll besser werden.
Die Hausversammlung als Plenum
Phase drei des Projektes sieht nun die Begleitung der einzelnen Arbeitsgruppen vor. Die Initiative der Bewohner*innen zu unterstützen ist das Bestreben, stellt Edeltraud Haß klar. Was sich regt und gedeiht im Wohnhof soll in Social Media-Kanälen und auf der Webseite der Vonovia dokumentiert und präsentiert werden.
Als erster Knoten- und Sammelpunkt von Wünschen und Interessen ist in jedem Haus eine Hausversammlung mit eine*r Sprecher*in angedacht. Diese*r ist gemeinsam mit einer*m Stellvertreter*in Anlaufstelle für Anliegen und Kummer der jeweiligen Nachbar*innen und Mittler*in zwischen Bewohnerschaft und Vonovia.
Insgesamt 28 Hausversammlungen werden mit einem Konzept auf den Weg geschickt, begleitet und moderiert. Nach einer Pilotphase von drei Versammlungen soll das Konzept nach Bedarf angepasst werden.
Fokus auf der Arbeit der Kulturmittler*innen
Ein Schwerpunkt des Konzeptes zur Nachbarschaftlichkeit im Wohnhof sind die Posten der Kulturmittler*innen. Sie sollen als Schnittstelle fungieren, denn das Leben in den Häusern zeichnet sich durch eine hohe kulturelle Diversität aus.
Vier halbtägige Workshops bereiten die Interessierten vor. Sechs bis acht Menschen unterschiedlicher Muttersprache bilden so ein Team und werden bei ihren Aufgaben vom Verein begleitet.
Ein Wohnhofbeirat entsteht
Am Ende des Jahres steht ein echtes Novum: Im Dezember soll aufbauend auf der vorangegangenen Vernetzungsarbeit ein Wohnhofbeirat aufgestellt werden. Er bildet sich aus den Haussprecher*innen der 28 Eingänge und steht für die Bedürfnisse und Anliegen der Bewohnerschaft ein. In kühlen Zahlen ausgedrückt: 15 Prozent, also etwa 330 Bewohner*innen des Wohnhofes, gilt es, bis zum Jahresende zu aktivieren.
Die neue Instanz setzt die Reihe über Stadtteilbeirat, Stadtbezirksbeirat bis hin zum Stadtrat fort und soll perspektivisch auch über eigene Gelder für Projekte im Wohnhof entscheiden.
Zur Koordination des gesamten Anliegens wird eine Steuergruppe mit Repräsentant*innen von Vonovia, Stadtbezirksbeirat, Sozial- und Jugendamt, Bürgermeister und Bewohnerschaft einberufen.
Das Projekt hat Modellcharakter. Es ist einzigartig in seiner Konzeption und soll als “Methodenkoffer” anderen Wohngebieten in Dresden als Erfahrungsschatz dienen.
Zustimmung aus dem Stadtbezirksbeirat
Deutlicher Kritik zu den Dimensionen des Projektes entgegnete Matthias Kunert vom Quartiersmanagement: “Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Wir haben die Chance, hier ein Konzept mit den Bewohner*innen zu entwickeln.” Er verwies darauf, dass das Projekt jetzt bewusst größer geplant worden sei, weil die Vorgängerprojekte gezeigt hätten, dass es in einem so großen Wohnhof anders nicht gelingen kann, in die Breite und Tiefe des Wohnhofs vorzudringen.
Martina Pansa von der Vonovia pflichtete bei: “Die Initiative muss aus den Menschen kommen.”
Etliche Beirät*innen hoben die Hand zur Wortmeldung, um ihre Bewunderung, ihren Dank oder Glückwünsche auszusprechen. Entsprechend dieser Befürwortungen gingen bei der Abstimmung 14 von 17 grünen Ja-Schilder nach oben.
eingestellt am 21.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Mitsprache und Verständigungsbedarfkommen zu Wort auf der Projektwerkstatt zum Wohnhof Foto: Torsten Görg
Am sonnigen Sonnabend, den 11. Juli, konnte die lang geplante Projektwerkstatt zum Zusammenleben im Wohnhof Pfotenhauer-/Hopfgarten/Elisenstraße stattfinden, die seit Frühjahr unter das Versammlungsverbot gefallen war. Für die Bewohner*innen des Wohnhofs wurde damit ein moderierter Beteiligungsprozess eingeläutet, der aus den angestauten Problemen einen Weg in Richtung realer Lösungsansätze bahnen soll. In der Corona-Zwischenzeit hatten sich die Konflikte eher verschärft, als dass sie weniger geworden wären. Nun wurde ein wichtiger Schritt nach vorne gesetzt.
Der Samstagnachmittag war sonnig, die Elbwiesen voller Menschen, die sich mit Spiel und Grill im Sommer verlustierten. Umso mehr erfreute die Veranstalter*innen der Projektwerkstatt, dass 40 Interessierte unterschiedlicher Herkunft im sommerlich gestalteten Garten des Johannstädter Kulturtreff e.V. zusammengekommen waren, um konkret an dem Thema zu arbeiten, das auf der Einladung stand: „Wie gestalten wir ein gutes Zusammenleben im Wohnhof Pfotenhauer-/Hopfgarten-/Elisenstraße?“
Wohnhofwohnen mit Konflikten
Die Plattenbauten im Karree Pfotenhauer-/Hopfgarten-/Elisenstraße beherbergen 28 Hauseingänge mit jeweils 40 Wohnungen. Das Zusammenleben der ca. 2.200 Mieter*innen im Wohnhof ist stark konfliktbelastet. Das alltägliche Leben vollzieht sich hier vor allem dicht an dicht, ist aber nicht zu einem Miteinander gewachsen.
Das sich selbst überlassene Nebeneinander unterschiedlichster Lebensrealitäten bereitet Reibungspunkte, die sich ziellos in die Umgebung entladen. Vor allem Lärm, Unsicherheit, Aggressivität und Müll breiten sich störend aus. Die Stimmung ist gekippt, und das schon seit einigen Jahren. Die Vielzahl unterschiedlicher Sprachen, die hier gesprochen werden, findet bislang den Weg noch nicht in eine Verständigung.
Die Bewohner*innen des Wohnhofs kommen u.a. aus Syrien, Indien, Kurdistan, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Serbien, Ukraine, Kosovo, Tschechien, Russland, Tschetschenien, häufig aus Kriegsgebieten. Unterschiedliche Lebensgeschichten, Rhythmen, Bewältigungsmuster und Gebräuche treffen ununterbrochen aufeinander. Altmieter*innen fühlen sich mit ihren Gewohnheiten und Bedürfnissen bezüglich Ordnung, Sauberkeit, Ruhezeiten und Sicherheit nicht mehr wohl.
Frustration, Überforderung, Gleichgültigkeit und Anonymität stiften ein Klima von Verwahrlosung und Aggression. Fälle von Sachbeschädigungen, Vandalismus, Drogen und Gewaltbereitschaft ziehen Aufmerksamkeit auf sich.
Hilfe direkt aus Deinem Stadtteil
Der Johannstädter Verein Willkommen in Johannstadt e.V. ist sensibilisiert für soziale und kulturelle Brennpunkte im Stadtteil. Mit Patenschaften, Hilfen und Angeboten fördern die Mitglieder – Bürger*innen der Johannstadt – mit hohem ehrenamtlichem Engagement das nachbarschaftliche Miteinander insbesondere mit Blick auf die kulturelle Verständigung, gegenseitigen Respekt, Toleranz und Neugier. Um die Wohnhofsiedlung aus ihrer Schieflage zu holen, hat der Verein mit Unterstützung des Quartiersmanagements Nördliche Johannstadt das Projekt „Kulturmittler“ für den Wohnhof entwickelt.
Beginnend mit der Projektwerkstatt am 11. Juli sollen Bewohner*innen in einem begleiteten Prozess sechs Monate lang dabei unterstützt werden, in Arbeitsgruppen eigene Projekte zur Verbesserung des Zusammenlebens im Wohnhof auf die Beine zu stellen. Für das Projekt hat die Vonovia knapp 5.000 Euro bereitgestellt.
Ein engagiertes Kernteam, bestehend aus Anne Richter, Gabriele Feyler und Muawia Dafir, gestaltete Ende 2019 mit Förderung des Stadtbezirksbeirats Altstadt den Einstieg ins Wohnhof-Projekt (johannstadt.de berichtete): Insgesamt 56 Bewohner*innen verschiedener kultureller Herkunft wurden systematisch nach der Zufriedenheit mit ihrer Wohnsituation, ihren Vorschlägen und ihrer Mitwirkungsbereitschaft befragt.
Als nun am vergangenen Samstagnachmittag die Umfrageergebnisse öffentlich präsentiert wurden, kochte unter den Teilnehmenden die Gemengelage noch einmal richtig hoch.
Krach, Schmutz, Müll und Dreck
Klagen und Beschwerden hagelte es gegen die massive Belästigung durch Müll, Dreck und Schmutz in den Außenanlagen, auf Gehwegen, Hofgelände, Spielplatz bis hinein in Treppenhäuser, Fahrstühle, Flure.
Als Verantwortliche für den Wohnraum wurde die Vonovia von den versammelten Mieter*innen angeprangert: Die Belästigung durch Lärm und Schmutz im Zuge der sich über Jahre hinziehenden Sanierung wurde als untragbar moniert.
Ebenso die Ablagerung von Müll und Sperrmüll direkt vor der Haustür, deren Abfuhrkosten gleichmäßig auf alle Mieter*innen und deren Nebenkostenabrechnung umgelegt werden, anstatt neuzugezogene Mieter*innen, die die Regeln städtischer Müllentsorgung nicht verstanden haben, aufzuklären.
Viele Probleme, fehlende persönliche Ansprechpartner*innen, zurückgeworfen auf die eigenen vier Wände – der Unmut mancher Teilnehmenden war groß und brandete vehement und lautstark an die Vertreterin der Vonovia, die als Rednerin vorne stand.
Was die Vonovia vorhat
Lidia Sieniuta hatte die Aufgabe, vorzustellen, was die Vonovia tut, um die Probleme anzugehen. Keine einfache Rolle, doch sie stand sie durch. Sie zeigte Verständnis für die extreme Belastungslage im örtlichen Großbaustelleneck des Stadtteils: Von früh bis spät hatte das Wohngebiet erst die Baustelle des Güntzareals unmittelbar vor den Haustüren, nun dröhnt mit permanentem Hämmern und Bohren der Aldi Tiefbau durchs Viertel und der ganze Bönischplatz ist aufgerissen. Und dann auch noch die Modernisierungsmaßnahmen im Wohnhof selbst, zu denen die Vonovia aus Brandschutzgründen verpflichtet ist. Die Bewohner*innen des Wohnhofs haben es zurzeit nicht leicht.
Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels, was die Bauarbeiten anbelangt: Die Sanierung und Modernisierung der Gebäude an der Pfotenhauerstraße 30 bis 36 ist bereits abgeschlossen. Hier wurden Balkone angebaut, Wärmedämmung angebracht, Wasser- und Abwasserleitungen und die Fassade erneuert. In den nächsten zwei Wochen folgt das Bauende auch an der Pfotenhauerstraße 12 bis 16, wo zusätzlich auch die Fenster ausgetauscht wurden. Fast abgeschlossen ist auch der Balkonanbau an der Hopfgartenstraße 4 bis 18, hier wird nach der Vogelbrutzeit im Herbst nur noch die Fassade im Innenhof gestrichen.
Noch bis 31. März 2021 müssen die Mieter*innen auf der Pfotenhauerstraße 18 bis 28 durchhalten, denn hier beginnen die Baumaßnahmen gerade erst. Ganz zum Schluss folgen dann ab 20. Juli 2021 noch die Elisenstraße 30 bis 36 und die Hopfgartenstraße 1 bis 5, wo die Zweiraumwohnungen ebenfalls Balkone erhalten und die Fassade neu gestaltet wird.
Auch dem Müllproblem will sich die Vonovia annehmen, denn „wenn die Tonnen wie zuletzt in Flammen aufgehen, ist niemand zufrieden“. Noch in diesem Jahr sollen deshalb der Müllstandplatz an der Pfotenhauerstraße 22 umzäunt und vergrößert sowie jener an der Pfotenhauerstraße 30 verlegt und umgestaltet werden. An der Stelle des bisherigen Containerplatzes auf der Pfotenhauerstraße 30 wird eine neue Fahrradabstellmöglichkeit geschaffen, und im Bereich der derzeit noch vorhandenen Baustelleneinrichtung an der Gerokstraße entsteht eine 500 m² großen Blühwiese mit Insektenhabitat und Sitzbänken.
Dampf und offene Fragen
Fragen und Vorschläge gab es so viele, dass damit problemlos eine eigene Veranstaltung gefüllt werden hätte können. Im Kessel kochte und schäumte es. Manche Frage konnte sofort geklärt werden, wie etwa jene, warum auch die Fassaden der bereits sanierten Gebäude neu gestrichen werden – weil ein mit der Stadt abgestimmtes Gesamtbild erreicht werden soll und es einfacher ist, die Malerarbeiten durchzuführen, wenn die Gerüste ohnehin gerade stehen. Oder die, ob auch an der Pfotenhauerstraße 36 eine weitere Blühwiese angelegt wird – das sei derzeit nicht geplant.
Viele Fragen blieben allerdings offen und wurden von Frau Sieniuta zur Beantwortung im Nachgang mitgenommen: Warum bekommen die Wohnungen an der Pfotenhauerstraße 18 bis 28 und 32 bis 36 keine Balkone? Warum gibt es in manchen Hausordnungen Ruhezeiten ab 19 Uhr und in anderen – bei den hellhörigen Häusern problematisch – erst ab 22 Uhr? Wie kann die Einhaltung der ausgehängten Arbeitszeiten der Baufirmen sichergestellt werden?
Wie erhalten Mieter*innen Mietminderung wegen der Lärmbelastung? Bergen die geplanten Automatikhaustüren Risiken für Rollstuhlfahrer? Warum wird herumliegender Müll drei Wochen lang nicht entfernt? Warum behandeln die Vonovia-Hausmeister alle Ausländer*innen respektlos, selbst wenn diese sich für Ordnung und Sauberkeit im Wohnhof engagieren? Warum bekommt nicht jede ausländische Familie einen Paten an die Hand? Warum gibt es noch immer keine mehrsprachigen Aushänge zur Mülltrennung? Können die Müllplätze Pfotenhauerstraße 32 bis 36 überdacht werden, damit der Müll nicht einfach von oben reingeworfen werden kann? Warum wurde das Waschhaus auf der Elisenstraße 36 halbiert? Was kann getan werden, wenn Menschen unter den Fenstern bis 23 Uhr Krach machen? Kann auf dem Spielplatz eine Rutsche ergänzt werden?
Immer wieder neu wurde Dampf abgelassen. Ein runder Tisch Vonovia-Mieter, der ebenfalls vorgeschlagen wurde, hätte wahrlich seine Berechtigung. Der Frust kam schwer zur Ruhe und prallte in einem fort an dieselbe Wand. Den einen hob es vom Stuhl, die andere schnaubte. Unkenrufe und Untergrundgeraune waren zu hören: „Das wird sowieso nicht. Immer dasselbe. Am Ende rührt sich doch nichts. Hat eh keinen Zweck.“
Aus dem Knick kommen
Es hatte sich festgefahren. An dieser Stelle stand zum Glück ein unerschrockener Moderator: In einem rasanten Perspektivwechsel gelang es Norbert Rost, die Stimmung aus der muffligen Meckerecke heraus und in Richtung besserer Aussicht zu lotsen. Es war klar, dass das Blaue nicht vom Himmel und auf die Dasitzenden nieder fallen würde. Wie also den Fokus auf das lenken, was möglich ist?! Erst einmal eine Kaffeepause. An einem liebevoll vorbereiteten Buffet ließ es sich im grünen Garten des Kulturtreffs gut schmausen. Das befriedete die Gemüter etwas.
Anschließend versuchte Matthias Kunert als betreuender Quartiersmanager, die Perspektive zu wechseln. Das Quartiersmanagement übernimmt seit 2015 im Auftrag der Stadt u.a. die Aufgabe, Bürgeranliegen zu sammeln und Projekte anzuschieben. In regelmäßigen Gesprächen leitet es die gesammelten Anliegen an die verantwortlichen Akteure weiter, darunter auch an die Vonovia und die Stadtverwaltung. Viele hätten sich bei ihm über die Zustände im Wohnhof beschwert, und viele Gespräche seien hierzu bereits geführt worden, sagt Matthias Kunert. Dabei habe er eines verstanden: Vonovia, Stadt und Akteure im Umfeld können Beiträge zur Problemlösung leisten, aber alleine lösen können sie die Probleme nicht. Das kann nur gelingen, wenn die Betroffenen selbst aktiv werden.
Das Quartiersmanagement als Mittler
Deshalb habe das Quartiersmanagement das Kulturmittlerprojekt gemeinsam mit Willkommen in Johannstadt angeschoben. Ziel sei es, konkret umsetzbare Kleinprojekte zu entwickeln, für die die Bewohner*innen selbst Verantwortung übernehmen und bei denen klar ist, wer macht was bis wann und was kostet das. Um evtl. Kosten für die Umsetzung der Kleinprojekte zu decken, hat nicht nur die Vonovia weitere Unterstützung in Aussicht gestellt.
Auch beim Quartiersmanagement können Bewohnergruppen Förderung aus dem Verfügungsfonds beantragen. Als Beispiel nennt Matthias Kunert die Idee einer Mieterinitiative aus dem Jahr 2018, die Bewirtschaftung von Grünflächen im Bereich Elisenstraße bis Pfotenhauerstraße 20 zu übernehmen. Hierfür wurden unter der Trägerschaft des Stadtteilvereins Johannstadt mit der Vonovia eine Vereinbarung getroffen, Sträucher, Samen und Werkzeug gekauft und fast 3.000 Euro Förderung aus dem Verfügungsfonds bewilligt. Die Vonovia habe Räume und weitere Unterstützung bereitgestellt. Wo ein Wille ist, ist also auch ein Weg.
Was kann die Bewohnerschaft tun?
Norbert Rost zögerte im Anschluss keinen Moment: „Was können und wollen Sie tun?“, fragte der Moderator und ergriff Menschen direkt beim Wort, wenn sie sich meldeten oder auch nur mit den Schultern zuckten. Prompt waren alle in Arbeitsgruppen eingebunden, die sich in direkten Austausch begaben, „um miteinander daran rumzudenken“.
Über emotionale Befangenheiten half ein großformatiges Arbeitsblatt hinweg, an dessen Fragen sich das Grübeln entlang hangeln konnte. Ohne dass es ausdrücklich bemerkt wurde, waren die Bewohner*innen kulturübergreifend miteinander in regem Kontakt, und allseits an den Arbeitstischen war Gespräch, wurden Ideen entwickelt. Am Ende fanden sich die Bewohner*innen selbst in die Lage versetzt, eigene konkret umsetzbare Mini-Projekte nach ihren Vorstellungen zu planen, die zur Verbesserung des Zusammenlebens im Wohnhofs beitragen würden.
Sieben auf einen Streich
Das hatten am Anfang wohl nur die wenigsten geglaubt: Dank persönlichen Engagements der versammelten Bewohner*innen starteten aus diesem Werkstattnachmittag sieben Initiativ-Projekte für den Wohnhof. Und die Bewohner*innen zeigten, was eben doch möglich ist!
Nach den Gesprächskreisen war die Stimmung eine völlig andere. Der Knoten war geplatzt, es wurde gescherzt, gelacht und nach dem Mikrofon gegriffen.
– Eins –
„Ich, Ulla“, meldete sich eine Bewohnerin und stellte das Projekt ihrer Gruppe vor: Einen Begegnungsraum schaffen für die Hausgemeinschaft, wie es ihn früher schon gegeben hatte, zum Ausrichten von Feiern und Festen, auch mit mehr Gästen, für Hausversammlungen und zum Zusammenkommen untereinander, mietfrei zur Verfügung stehend für alle Mieter*innen. Die Vonovia will ihre Unterstützung prüfen.
– Zwei –
Um dem hauptsächlichen Störfeld im Wohnhof Herr zu werden, titelte die nächste Gruppe ihr Projekt: „Ich mag’s sauber“. Hier geht es um Mülltrennung und die mehrsprachige Unterweisung richtiger Müllentsorgung. Angeschafft werden sollen Lastenroller, mit denen Sperrmüll kostenfrei zum nahen Wertstoffhof am Tatzberg gefahren werden kann. Auch eine Erklärung in Sachen Mülltrennung von Frauen für Frauen, von Haustür zu Haustür ist angedacht sowie die Anerkennung und Auszeichnung von Menschen, die sich bereits seit langem ehrenamtlich um die Spielplatzreinigung kümmern.
– Drei –
Die als ungenügend befundene Spielplatzlösung und mangelnder Anschluss im Wohnhof war Auslöser für die Idee eines Eltern-Kind-Treffs. In den Hof prallt heiß die Sonne, es gibt keinen schattigen Sitzbereich, auch kein Spielgerät, an dem Kinder wirklich Freude haben. Jetzt ergriff die mutige Mays das Mikrofon und stand ein für ihren Wunsch nach Anschluss zu deutschsprechenden Nachbar*innen. Ein Treffpunkt für Mütter und Väter mit ihren Kindern zum Spielen und Deutsch sprechen soll entstehen, möglichst in Kooperation mit der im Wohnhof befindlichen Integrativen Kindertagesstätte Tabaluga.
– Vier –
Mit ihrem Einstieg „Ich bin das Projekt Blumenfee“, ließ die Sprecherin unmissverständlich erkennen, dass es um Begrünung für den Wohnhof geht, darum, „Grün zu erhalten und zu pflegen“, „etwas mehr Farbe ins Wohngebiet zu bringen“ und „Nachbarn anzustecken, etwas mitzutun.“ „Kräftige Hände, nicht nur meckernde Männer“ wünschte sich die Projektfürsprecherin für ihr Projekt und sprach Bedarf an für einen Werkzeug- und Geräte-Raum, den die Hausgemeinschaft in Teamarbeit nutzen könne. Der Kontakt mit dem bereits bestehenden Projekt zur Grünflächenbewirtschaftung soll hergestellt werden.
– Fünf –
Unter dem Motto „Du bist nicht allein“ kündigte eine Dame in ihren Achtzigern das Projekt an, einen Seniorentreff für den Wohnhof zu organisieren und hatte Vorschläge, sich sowohl mit dem Bundschuhtreff zu vernetzen, als auch die Caféteria im Haus Palmental anzufragen, einmal pro Woche dort Gemeinschaft zu leben.
– Sechs –
Raum zu schaffen für Jugendliche, „besonders für Jungs“ im Alter von 10-17, war das von einer einzelnen Fürsprecherin vorgebrachte Anliegen, die beobachtet, wie sehr gerade Jungen im Wohnhof in der Luft hängen und dann für ihre überschüssige Energie Wege der Beschäftigung suchen, die eher Besorgnis erregen. Sie will Träger der Jugendarbeit wie den Deutschen Kinderschutzbund gewinnen, um mobile Angebote, z.B. eine Fahrradwerkstatt oder einen kreativen Bau-Workshop für motorisierte Fahrzeuge zu organisieren.
– Sieben –
Von allen begrüßt wurde die Ankündigung einer letzten Projektgruppe, unter dem Motto „Wir feiern unsere Nachbarschaft“ im Wohnhof ein Hoffest auszurichten. Nur für den angedachten Termin am 26.9. ist zu bedenken, dass just an diesem Tag im September in unmittelbarer Straßen-Nachbarschaft dieses Jahr das Bönischplatzfest alias Bundschuhstraßenfest geplant ist. Hier bedarf es vielleicht noch eines verständigenden Nachgangs im Viertel für eine Terminabsprache.
Das nächste Treffen kommt
Damit die Ideen tatsächlich in die Umsetzung gelangen, kommt es auf gute Zusammenarbeit an. Unterstützung ist gewährleistet durch die beiden Projektleiter*innen Anne Richter und Gabriele Feyler, die den Beteiligten bis Dezember vermittelnd bei der Planung und Verwirklichung ihres Mini-Projektes zur Seite stehen. Erste Termine für die nächsten Treffen werden diskutiert.
„Am Ende sehr gelungen“, zeigte sich Matthias Kunert mit der Projektwerkstatt zufrieden. „Möge es gelingen, die zu spürende Motivation der Teilnehmenden hochzuhalten und weitere Engagierte anzubinden, um alle sieben und hoffentlich noch weitere Themen substanziell angehen zu können… Ich bin gespannt.“
Gespannt dürfen alle am Prozess Beteiligten nun sein, bis im September dann zum Fest im Wohnhof geladen wird. Ein konkreter Termin steht noch aus.