Orte » Historischer Rundweg: Standort 9 – Florian-Geyer-Straße

eingestellt am 12.12.2019 von Matthias Kunert (QM Johannstadt), zuletzt geändert am 21.10.2024

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Vom Bönischplatz kommend laufen Sie die Bundschuhstraße in Richtung Elbufer. An der Florian-Geyer-Straße biegen Sie nach links ab. Am Durchgang zur Elisenstraße erreichen Sie den Standort Nr. 9 des historischen Rundwegs.

Vor 1945: Felder und Feldherren

Stadtplan von 1917. Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek. Der Tafelstandort ist markiert.

Hopfgartens, Elisens Ruhe und Lüdickes Wintergarten

Gärten und landwirtschaftliche Nutzung prägten bis ins 19. Jahrhundert hinein das Bild der nördlichen Johannstadt. Eines der größten Vorwerke der Gegend trug den Namen „Hopfgartens“. Die Fläche wurde im Jahre 1819 von Friedrich Waeber erworben. Ab ca. 1830 nannte er sein Grundstück „Elisens Ruhe“. Das Gelände ging 1858 in den Besitz des Handelsgärtners Lüdicke über, der sich mit drei Gewächshäusern (Palmen-, Akazien- und Kamelienhaus) ein grünes Refugium geschaffen hatte. Die Zeitschrift „Die Gartenlaube“ vermerkte 1859 zu Lüdickes Wintergarten: „Von der königlichen Familie und den höchsten Gesellschaftskreisen herab bis zu dem einfachen Bürgersmanne fand dieses neuerstandene Blumeneden seine Freunde und Bewunderer; und während man sich einerseits der hier aufgestellten Pracht und Herrlichkeit erfreute, erstaunte man andererseits, daß diese blühende Schöpfung das Werk eines – Privatmannes, der viele Tausende nicht gescheut, um sie in’s Leben zu rufen“. Mit der wachsenden Bevölkerungszahl der Johannstadt wurden die Gärten ab 1890 zerstört und mit Straßen sowie neuen Wohnhäusern überbaut.

Weitere Informationen zur Geschichte der Gartenvorwerke finden Sie hier.

Links: Stadtplan von 1877. Blau markiert ist die Lage von Lüdickes Wintergarten, braun die spätere Jägerkaserne.
Rechts: Stadtplan von 1881. Lüdickes Wintergarten (blau) ist nicht mehr auffindbar, hier verläuft nun die Wintergartenstraße. Die Jägerkaserne (braun) steht bereits als erstes großes Gebäude der künftigen nördlichen Johannstadt auf dem Feld. Quellen: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek
Links: Ansicht der Blumenhalle in Lüdickes Wintergarten aus „Die Gartenlaube“, 1859. Aus der Sammlung JohannStadtArchiv. Rechts: Jägerkaserne mit Albertbrücke, nach 1882. Die Wohnbebauung fehlt noch. Aus der Sammlung Gonschorek

Jägerkaserne

Zu Beginn der 1880er Jahre errichtete die Militärbaukommission unter Oberstleutnant August Portius (1834–1912) die Jägerkaserne. Der dreiflügelige Gebäudekomplex erhielt im Geschmack der Bauzeit eine Vielzahl von schmückenden Zinnen und Türmchen, sodass er einem herrschaftlichen Schlosskomplex ähnelte. Zum Gebäude gehörte auch ein Exerzierplatz im Innenhof. Der Erstbezug erfolgte durch das „2. Königlich-Sächsische Jäger-Bataillon Nr. 13“ aus Meißen. Von 1919 bis zu ihrer völligen Zerstörung am 13./14. Februar 1945 diente die Kaserne als Polizeigebäude. Bis 2019 blieb die Fläche der ehemaligen Jägerkaserne unbebaut und wurde als Parkplatz genutzt.

Weitere Informationen zur Jägerkaserne finden Sie hier.

Wachablösung vor der Kaserne, ca. 1900. Foto: unbekannt, aus der Sammlung Gonschorek
Jägerkaserne im Luftbild, 1943. Foto: W. Hahn, Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek

Entstehung des Wohngebietes

Die Anlage der heutigen Florian-Geyer-Straße geht auf das Jahr 1893 zurück. Damals trug die Straße den Namen Feldherrenstraße in Anlehnung an die jenseits des Sachsenplatzes befindliche Marschallstraße. Nach der Errichtung der Jägerkaserne entstanden rundum die ersten Wohngebäude, die aufgrund der Hochwassergefahr mit Hochkellern ausgestattet wurden. Um 1920 wohnten hier eine Reihe stadtbekannter Persönlichkeiten, darunter der Opernsänger Otto Kallenbach, der Stadtrat Alfred Reichardt, der Musikdirektor Richard Berger, der Architekt Rudolf Patitz, der Schriftsteller Heinrich Zerkaulen sowie die Schauspielerin Marion Regler. Daneben hatten in der Straße auch wichtige Einrichtungen wie die „Zuckerverteilungsstelle des Königreichs Sachsen“ oder die „Dresdner Zentrale für Bäckereibedarf“ ihren Sitz. An der Ecke zur angrenzenden Gneisenaustraße (heutige Bundschuhstraße) befand sich eine gebietstypische Kneipe, der Gneisenauer Hof.

Nach 1945: Planungen, Platten und Punkthochhäuser

Stadtplan von 2024. Der Planausschnitt ist identisch mit dem umseitig abgebildeten historischen Stadtplan. Der Tafelstandort ist markiert. Quelle: Themenstadtplan Dresden

Aus Feldherrenstraße wird Florian-Geyer-Straße

Alle Straßen, die nach Generälen benannt waren, wurden nach 1945 umbenannt, viele davon in Straßennamen mit Bezug zum Bauernkrieg. So erhielt die Feldherrenstraße den neuen Namen Florian-Geyer-Straße. Geyer (ca. 1490-1525) war fränkischer Reichsritter und im Bauernkrieg 1525 Verhandlungsführer des Odenwälder Bauernheeres. Die angrenzende Gneisenaustraße trägt seither den Namen Bundschuhstraße. Die Manteuffelstraße, die an der östlichen Seite der zerstörten Jägerkaserne verlief, wurde eingezogen.

Ehemalige Manteuffelstraße, heute Einfahrt zur Seniorenresidenz, 2015. Foto: G. Gonschorek
Auf der Florian-Geyer-Straße erhaltene Häuser von ca. 1905. Foto: G. Gonschorek

Wiederaufbau und Stadtplanung

Im Umkreis des Tafelstandortes sind nur wenige Wohnhäuser von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben. Nach einer intensiven großräumigen Planung für den Wiederaufbau der nördlichen Johannstadt mit Fertigteilwohnbauten begann 1974 mit dem Häuserblock Florian-Geyer-Straße 2–18 die Errichtung der ersten Wohneinheiten des Typs IW 67 („Industrielles Wohnen“). In den Folgejahren bis 1978 entstanden in dieser Straße die Häuser 28–38 des gleichen Bautyps, am Käthe-Kollwitz-Ufer und an der Florian-Geyer-Straße mit dem Bautyp WHH 15 („Wohnhochhaus“) drei 15-geschossige Punkthochhäuser.

Baustellenplan des Wohnkomplexes Nord, 1972. Erkennbar sind die zwei nicht realisierten Hochhäuser. Nachträglich farbig markiert wurden der Standort der ehemaligen Jägerkaserne (braun) und die ehemalige Manteuffelstraße (blau). Entwurfsbüro für Städtebau des Rates der Stadt Dresden, 1971. Aus der Sammlung Gonschorek

Hausgemeinschaftsleben

Ein Bewohner der Florian-Geyer-Straße erzählt: „In einem Hochhaus wohnten vierzig Familien. […] In dieser Zeit wurde eine Hausgemeinschaftsleitung von den Mietern gewählt, die im Auftrag der AWG das gemeinsame Leben miteinander organisierte. Das waren Arbeitseinsätze in der Außenanlage, Pflege von bestehenden Anlagen und Rabatten. Auch fanden zu gesellschaftlichen Höhepunkten Hausfeste und ähnliche Anlässe mit den Hausbewohnern statt. […] die Hausgemeinschaft [wurde] mit dem Titel ‘Vorbildliche Hausgemeinschaft’ durch die AWG ‘Fortschritt’ und den Bezirksausschuss der ‘Nationalen Front’ der DDR 1989 ausgezeichnet.“

Auszeichnungen „Goldene Hausnummer“ für die Hausgemeinschaft Florian-Geyer-Straße 2, 1977/1989. Aus der Sammlung Gonschorek
Wohnhäuser Typ IW 67 an der Florian-Geyer-Straße, etwa 1992. Foto: G. Gonschorek

 

 

 

 

 

 

Handel und Wandel

Mit der Etablierung des Flohmarktes am Johannstädter Elbufer in den 1990er Jahren konnte der im 19. Jahrhundert unter anderem als Sandsteinlagerplatz und ab 1970 als Parkplatz genutzte Bereich an der Elbe für eine kulturell-kommerzielle Nutzung gewonnen werden. Heute zieht Dresdens ältester Flohmarkt jeden Sonnabend zahlreiche Gäste an.

In der Florian-Geyer-Straße 48 befand sich seit den 1970er Jahren ein Arbeiterwohnheim für afrikanische Gastarbeiter, das 1993 zunächst Übergangswohnheim für russische Spätaussiedler wurde. Später entstand daraus ein Übergangswohnheim für Asylbewerber, das bis 2016 Bestand hatte. Viele Menschen, die hier ankamen, blieben auch nach Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung in der Nachbarschaft. Dies ist eine Ursache, warum das Quartier zwischen Florian-Geyer-Straße und Gerokstraße bis heute eines der interkulturellsten Wohngebiete Dresdens ist.

 

Text: Matthias Erfurth, Matthias Kunert, Henning Seidler
Redaktionsschluss: Januar 2024