Vorschlag für Straßenname in Johannstadt: Gutachten zu Lea Grundig liegt vor

eingestellt am 25.11.2023 von Andrea Schubert (Stadtteilverein), Headerbild: fertige Verbindungsstr. am 6.9.2023 Foto: Gerd Gottwald

Auf Vorschlag des Stadtbezirksbeirates Altstadt sollte eine neue öffentliche Verkehrsfläche im Stadtteil Johannstadt zwischen Käthe-Kollwitz-Ufer und Florian-Geyer-Straße nach der Dresdner Künstlerin, Illustratorin und Hochschullehrerin Lea Grundig (1906–1977), Frau des Künstlers Hans Grundig, benannt werden.

Lea Grundig musste als Jüdin während der NS-Diktatur fliehen und emigrierte 1940 nach mehreren Verhaftungen nach Palästina. 1949 kehrte sie nach Deutschland zurück und lebte bis 1977 in Dresden. 2022 widmeten die Museen der Stadt Dresden der Kinderbuchillustratorin Grundig eine Freilichtausstellung neben dem Landhaus und bereiten im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes eine Sonderausstellung für 2026 vor.

Während das Leben der Künstlerin bis zur Emigration vergleichsweise gut erforscht war, bestanden seitens der für Straßenbenennungen zuständigen AG Straßennamen sowie innerhalb des Stadtrates Zweifel hinsichtlich der Rolle von Lea Grundig während der letzten Lebensjahre in ihren Funktionen als Mitglied des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands. Nach umfangreicher Diskussion entschied deshalb der Ausschuss für Kultur und Tourismus des Dresdner Stadtrates im März 2023, die betreffende Vorlage V2068/23 zur Straßenbenennung einer neuen öffentlichen Verkehrsfläche zwischen Käthe-Kollwitz-Ufer und Florian-Geyer-Straße zu vertagen und die Verwaltung zu beauftragen, ein externes Gutachten zur Rolle von Lea Grundig als Funktionärin der SED und Präsidentin des Künstlerbundes einzuholen. Die Historikerinnen Lisa Weck M.A. und Prof. Dr. Jeannette van Laak der Universität Halle-Wittenberg haben in den vergangenen Monaten umfangreich in zugänglichen Archiven geforscht und die zur Verfügung stehende Literatur geprüft. Das Gutachten wurde der Stadtverwaltung im November 2023 zur weiteren Befassung des Stadtrates vorgelegt.

Die Wissenschaftlerinnen weisen in ihrem Gutachten darauf hin, dass dieses keine vollständige biografische Darstellung leisten kann, die wechselnden politischen Systeme (Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Diktatur, Britisches Mandatsgebiet, Sowjetische Besatzungszone, DDR) und die Funktionen und Tätigkeiten von Lea Grundig eine breitere Kontextualisierung verlangen. Demzufolge war Lea Grundig als Jüdin und Westemigrantin wiederholt in den verschiedenen Jahrzehnten und politischen Systemen Erfahrungen der Ausgrenzung, des Antisemitismus, der Verfolgung bis hin zum Stalinismus ausgesetzt. Die Ambivalenzen, als Künstlerin wie als Kulturfunktionärin ein Leben in der DDR zu führen, und damit im Zusammenhang stehende Entwicklungen der Persönlichkeit erläutert das Gutachten auf der Grundlage zugänglicher Quellen und Archivunterlagen.

Das Gutachten wird nunmehr den Mitgliedern des Stadtrates zur weiteren Diskussion zur Verfügung gestellt. Die Vorlage V2068/23 zur Straßenbenennung einer neuen öffentlichen Verkehrsfläche zwischen Käthe-Kollwitz-Ufer und Florian-Geyer-Straße kann nun in den Ausschüssen für Kultur und Tourismus (Eigenbetrieb Heinrich-Schütz-Konservatorium) am Dienstag, 28. November 2023, sowie für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften am Mittwoch, 29. November 2023, in nichtöffentlicher Sitzung beraten werden. Sollte der Stadtrat dem Vorschlag zur Straßenbenennung folgen, würden die Anwohner des bisher vorläufig benannten Straßenabschnittes entsprechend informiert werden.

Frühere Artikel zum Thema auf johannstadt.de: Neue Straßen, neue Namen: Lili Elbe und Lea Grundig setzen sich durch und Die Johannstadt hat eine neue Straße

Quelle: Pressemitteilung Landeshauptstadt Dresden

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Vorschlag für Straßenname in Johannstadt: Gutachten zu Lea Grundig liegt vor: 2 комментария

  1. In der aktuellen SKD-Ausstellung im Albertinum >>Revolutionary Romances? Globale Kunstgeschichten in der DDR<< kann man der Funktion Lea Grundigs als Staatskünstlerin in vielfältigen Facetten begegnen, sich selbst ein Bild machen und der Frage nachforschen, ob es wirklich zeitgemäß ist, einer im Zuge gegenwärtiger Stadtteilentwicklung gebauten Straße ihren neuen Namen unter solchem Rückgriff zu verleihen.

    Wer hat den Vorschlag eingebracht? Worauf geht dieser Impuls zurück? Welche Signalwirkung geht für den Stadtteil und seine Bewohner*innen von belastenden Straßennamen aus?

    Die demonstrative Bildsprache und suggestive Rhetorik, die Lea Grundig in den Aufbaujahren der DDR mitgeprägt hat, haben Solidarität und Völkerverständigung aktiv propagiert, tatsächlich hat aber diese ideologisch vereinnahmende und privilegierte Haltung jede Form von Verständigung verunmöglicht und gar nicht gewollt. Die privaten wie politischen Konsequenzen aus dieser verletzten Augenhöhe sind in der sorgfältig recherchierten Ausstellung offen zu erfahren. Damit stehen wir an der herausfordernden Stelle, die ganz sicher nach anderen als den lauten, altgedienten Namen ruft.

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