Ein Beitrag von Anja Hilgert (Text) und Gerd Gottwald (Bild)
Am Donnerstag 18.7.2024 eröffnete im Johannstädter Kulturtreff die Ausstellung der Dresdner Selbsthilfegruppe „Farbenfrohe Depression“ und der seit über 20 Jahren bestehenden Selbsthilfegruppe „Malwini“ 1 mit einer gut besuchten festlichen Vernissage. Eine Auswahl von über 120 Kunstwerken haben die beteiligten Gruppenmitglieder zusammengestellt, die nun auf allen Fluren und im großen Veranstaltungsraum des JoKT noch bis 5.September gezeigt wird.
Die offene Ausstellungsreihe „ICH…Kunst?!“ im Projekt KUNST VOLL LEBEN des JoKT öffnet unbekannter Kunst und im Verborgenen stattfindenden Kunstschaffen die Möglichkeit, sichtbar zu werden. Eine Ausstellung honoriert den Mut, sich zu zeigen. Menschen der Nachbarschaft sind eingeladen, ihr künstlerisches Schaffen aus dem Privaten heraus an die Öffentlichkeit zu bringen, unterstützt durch Fachwissen und Ressourcen aus dem Kulturtreff.
Der ‘Zufall’ hatte es gefügt, dass Monika Grützner, die engagierte Organisatorin der “Farbenfrohen” sich eines Tages im Kulturtreff umschaute… Aus dem Gegenbesuch in dem gemeinsam genutzten Kreativ-Raum beider selbstorganisierten Gruppen ergab sich der Entschluss, miteinander eine Ausstellung zu organisieren.
Jeden Tag in der Woche treffen sich hier in drei verschiedenen Kleingruppen-Terminen je fünf bis sechs Personen , um gemeinsam künstlerisch zu arbeiten. Nun war es an der Zeit, die vielen entstandenen Bildwerke für eine große Ausstellung zu sichten.
Und die alten Wände des Kulturtreffs sollten noch einmal richtig Glanz erleben, bevor zum Jahresende 2025 der Umzug ins neue Stadtteilhaus Johannstadt kommt. Für die nächsten Sommerwochen wandelt sich das soziokulturelle Zentrum auf der Elisenstraße in eine Kunstgalerie.
Der Johannstädter Kulturtreff wird zur Kunst-Galerie
Alle klassischen Genres der Malerei sind in der Ausstellung vertreten:
Es gibt Landschaft, Stilleben, Portraits von Menschen, Tieren, Pflanzen, Dinos, verrückten Vögeln und fliegenden VW-Bussen, surrealistische Bildwelten sowie nicht gegenständliche Ausdrucksformen in der Kunst der Abstraktion. Verschiedene Stempel- und Abklatschtechniken, Monotypie, Cyanotypie sind der Druckkunst entlehnt.
In Form von Cross Arts findet auch Literatur und kreative Schreibtechnik Eingang in die Bilder und die Kunst der Collage sprengt schließlich auch mentale Barrieren, indem sie Widersprüchliches, Paradoxes und Unsinn neu zusammensetzt.
Die große Unterschiedlichkeit und Spannweite, wie Materialien verwendet, Mittel- und Werkzeuge angewendet, Geschick eingesetzt, Gefühle verarbeitet und Fantasie gefeiert werden, ist immens und ein besonderer Schatz dieser Ausstellung.
Eine dichte Hängung künstlerischer Vielfalt im Erdgeschoss des JoKT
©Gerd Gottwald
Einfühlsamer Ausstellungstitel: ZUSAMMEN DEM LEBEN FARBE GEBEN
Dieses wunderbare Motto gibt drei Gedanken an die Hand:
– dem Leben FARBE geben –
Das Leben ist nicht gemacht, um grau in grau an uns vorbei zu gleiten. Das Leben verlangt nach Licht, um in Farbe zu leuchten. Da geht es Menschen wie Mäusen: Die weltberühmte Maus Frederick aus Leo Leonnis Kinderbuch hat vertraut, dass die im Sommer, in der Weite gesammelten Farben, später, als der Winter kommt, den traurig in ihrer Höhle festsitzenden Mäusen lebendige Gefühle und Ermutigung schenken
– dem Leben Farbe GEBEN –
So zu leben, liegt in unserer Eigenverantwortung: Wir sind es selbst, die Farbe in unser Leben bringen können. Das ist unsere Gabe. Dazu ist nötig, sich ein Stück allein auf den Weg zu begeben, um dieser eigenen Gabe, diesem Sternentaler gewiss zu werden. Jedes Bild, das hier gezeigt ist, hat einen Menschen verlangt, der sich ihm hingibt. Eine oder einen, der allein stand und sich aus sich heraus auf die Spur begeben hat. So entsteht Einmaliges. Wie alle diese Bilder einmalig sind. Das macht ihre unglaubliche Vielfalt aus. Deshalb berührt jedes dieser Bilder auf besondere Weise. Jeder Künstler, jede Künstlerin entwickelt sich mit einem Bild in Neues, Offenes hinein, das von Grund auf gestaltet wird.
– ZUSAMMEN dem Leben Farbe geben –
Die Kraft der hier gezeigten Bilder verdankt sich dem Zusammenschluss den, die Menschen durch die Gruppe erfahren. Die gemeinsamen Treffen sind wöchentlich ein Ankerpunkt, manchmal ‘nur’ für Gespräch und Austausch, immer aber für das kreative Tun, das in gemeinschaftlicher Atmosphäre oft leichter fließt und ausserdem Resonanz verschafft. Es gibt niemanden, der hier anleitet. Jede der tätigen Gruppen ist selbstorganisiert. Jede hat ihr eigenes Potential, das sie ausschöpft. Von außen betrachtet, kann man nur sagen: Glücklich, wer hier die Klinke in die Hand bekommt!
Feierstunde einer gelungenen Kooperation
Die vielen gekommenen Gäste, die Gespräche, die entstanden, haben einen freudigen Auftakt bereitet für eine Ausstellungszeit, die über den Sommer reicht, mit zusätzlichen Angeboten, die hoffentlich noch viele weitere Kunstbegeisterte erreichen (siehe unten).
Das Anliegen, zu betonen, wie wichtig künstlerische Entfaltung, Freude und kreative Wagnisse für ein lebendiges Miteinander sind, ist mit dieser Ausstellung gelungen!
Zusätzliche Angebote zur Ausstellung:
BILDERGESPRÄCH: RUNDGANG MIT BETEILIGTEN KÜNSTLER*INNEN
IDEENREICH FÜR ALLE: KÜNSTLERISCHE TECHNIKEN ZUM AUSPROBIEREN
SCHREIBWERKSTATT: FARBENFROHE AUSSTELLUNG TRIFFT KREATIVES SCHREIBEN
Buchtipp: Eine der teilnehmenden Künstlerinnen hat ihre Erfahrungen im Buch „Schwarze Schmetterlinge in meinem Kopf“ niedergeschrieben.
In eigener Sache: Dieser Artikel wurde verfasst/redaktionell bearbeitet durch die ehrenamtliche Stadtteilredaktion von johannstadt.de. Sie haben auch Lust über die Johannstadt zu schreiben, Beiträge zu lektorieren oder die Redaktion organisatorisch zu unterstützen? Dann melden Sie sich unter redaktion@johannstadt.de.
Unterstützen können Sie unsere Arbeit auch mit Ihrer Spende! IBAN: DE65 4306 0967 1215 9641 00, GLS-Bank Bochum oder über johannstadt.de.
- Nach 20 Jahren Malwini u. a. mit regelmäßigen Maltreffs am Frauenbildungshaus auf der Oskarstraße, hat die Gruppe ihr neues Domizil in den Räumen der „Farbenfrohen“ gefunden, wo das Tun mehr und mehr zusammenwächst, nicht zuletzt durch die gemeinsame und einende Ausstellung. ↩︎