101. Oberschule Johannes Gutenberg: “Wir sind keine Verschiebe-Masse”

eingestellt am 16.07.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Juliana Dressel-Zagatowski, Schulleiterin der 101. Oberschule Johannes Gutenberg. Foto: Philine Schlick

Die 101. Oberschule Johannes Gutenberg ist “in”: international, inklusiv, integrativ. Schulleiterin Juliana Dressel-Zagatowksi sieht in ihrer Schülerschaft wegweisendes Potential und kämpft für dessen Anerkennung. Die Cockerwiese als exponierter neuer Standort für die Oberschule wäre ein “politisches Signal für Dresden”, so die Schulleiterin. Doch es könnte eine unliebsame Planänderung geben.

Der Schulhof ist leer an diesem späten Sommernachmittag. Einsam hallen die Schritte auf den als Einbahnstraßen gezeichneten Schulfluren. Nur aus dem Büro der Schulleiterin dringen noch Stimmen. Auf einer schwarzen Tafel neben der Tür stehen in geschwungener Kreide-Schrift Willkommensgrüße in verschiedenen Sprachen. “Kommen Sie rein!”, ruft Juliana Dressel-Zagatowski munter, obwohl es ein langer Tag gewesen sein muss. Gerade hat der vorherige Gesprächspartner ihr Büro verlassen.

Die 101. Oberschule Johannes Gutenberg besuchen 430 Schüler*innen aus 35 Nationen. Foto: Philine Schlick
Die 101. Oberschule Johannes Gutenberg besuchen 430 Schüler*innen aus 35 Nationen. Foto: Philine Schlick

“Ohne Kreativität geht man baden”

“Mir war es wichtig kreativ zu werden. Viele meinen, dafür müsse man malen oder zeichnen können”, sagt Juliana Dressel-Zagatowski, die als studierte Kunsterzieherin in der Tat beides kann. Ihre kreative Erfüllung hat sie allerdings als Schulleiterin gefunden.

Bevor sie in die Johannstadt kam, leitete sie für drei Jahre eine private Schule in Dresden. Angestellt wurde Juliana Dressel-Zagatowski in der 101. Oberschule als Kunst- und Russisch-Lehrerin. Dann bewarb sie sich erfolgreich als Leiterin. Rund 430 Schüler*innen aus dem ganzen Stadtgebiet besuchen die Schule. Vertreten sind über 35 Nationen.

“Jeder Schüler, der ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland kommt, wird an eine Oberschule eingeschult”, berichtet Dressel-Zagatowski. Hier sollen die nötigen Sprachkenntnisse vermittelt werden. Sprachanfänger*innen treffen auf Muttersprachler*innen – und alle müssen mit dem vorgegebenen Lehrplan mithalten: “An dieser Schule muss man kreativ sein, sonst geht man baden”, fasst Leiterin zusammen.

Adé Cockerwiese?

Juliana Dressel-Zagatowksi und ihre Kolleg*innen sehen die jungen Menschen an ihrer Schule nicht als Sorgenkinder, sondern als Persönlichkeiten mit einem Anspruch auf Entwicklung und Verwirklichung. “Dass unsere Schule zu 65 bis 75 Prozent Migrant*innen besuchen, ist eine Riesenchance. Wir sind ein großes lernendes System”, sagt Dressel-Zagatowski über ihre Schule, die sich an dem neuen Projekt der Kinder- und Jugendstiftung “Vielfalt entfalten – Gemeinsam für starke Schulen” beteiligt.

Schreibtischzierde im Büro der Schulleiterin. Foto: Philine Schlick
Schreibtischzierde im Büro der Schulleiterin. Foto: Philine Schlick

Eine Schule mit visionären Ansätzen – dazu würde der exponierte Standort an der Blüherstraße gut passen. Die Johannstadt wird ein Gymnasium bekommen. Dafür, so beschloss der Stadtrat im Juli 2019,  soll die 101. Oberschule Johannes Gutenberg  an der Pfotenhauerstraße Platz machen und an die Bürgerstraße ziehen.

“Der Standort Cockerwiese hätte Symbolcharakter für Dresden. Es wäre ein politisches Signal”, ist die Schulleiterin überzeugt.

Neue Variante stößt auf wenig Begeisterung

Nun bestätigte das Schulverwaltungsamt neue Pläne: “Der bisher geplante Doppelstandort Cockerwiese ist kompromissbehaftet”, heißt es. Eine neue Variante sieht den Neubau der Oberschule auf dem Gelände des Bertolt-Brecht-Gymnasiums vor, welches ebenfalls einen Neubau erhalten wird. Die “städtebauliche Einordnung” sei möglich und auf diese Weise könne der ebenfalls neu geplanten Grundschule an der Cockerwiese mehr Platz eingeräumt werden.

Die 101. Oberschule könnte Modell für die schulische Zukunft sein. Foto: Philine Schlick
Die 101. Oberschule könnte Modell für die schulische Zukunft sein. Foto: Philine Schlick

Diese Idee wurde den beiden Schulen von der Stadt noch nicht offiziell mitgeteilt – sie stößt auf wenig Begeisterung.  “Wir sind keine Verschiebemasse”, kommentiert Dressel-Zagatowski. “Wir wollen Gegenstand einer solchen Entscheidung sein, kein Beiwerk.”

Marcello Meschke, Schulleiter des BB-Gymnasiums, hätte ein zentrales, exponiertes Gebäude für die 101. Oberschule ebenfalls als positiv angesehen. Zudem fürchtet er, dass es für zwei Schulen auf dem Gelände Lortzingstraße 1 zu eng wird: “Wir sind Klimaschule und haben dementsprechend viele Projekte auf dem Außengelände”, sagt er. Durch ein zusätzliches Schulgebäude und weitere Sportanlagen sehe er diese gefährdet.

An den Standort der 101. Oberschule soll das Gymnasium Johannstadt ziehen. Foto: Philine Schlick
An den Standort der 101. Oberschule soll das Gymnasium Johannstadt ziehen. Foto: Philine Schlick

Reibungen sieht er zudem in den unterschiedlichen Konzepten – vom Pausenplan bis zur Nachmittagsgestaltung, die dann abgestimmt werden müssten. Hinzu komme das Problem des Transports: “Die Busse und Bahnen zu unserer Schule sind jetzt schon mit 1000 Schülern überfüllt”, äußert er seine Bedenken.

Eine abschließende Entscheidung, welche Option weiter verfolgt wird, werde durch den Stadtrat getroffen, so das Schulverwaltungsamt.

Über 430 Bildungsbiografien

Die Schüler*innen der 101. Oberschule Johannes Gutenberg kommen aus ganz Europa von Schulen, in denen andere Standards gelten. Sie kommen aus Kriegsländern wie Syrien, Libanon und Jemen und müssen Anschluss finden, nachdem sie jahrelang die Schule nicht besuchen konnten. Sie kommen aus Akademiker- gleichwohl wie aus Arbeiter- und Bauernfamilien. Sie kommen nicht nur mit ihren Rucksäcken, sondern mit ihren Päckchen, mit ihren Hoffnungen und Träumen. Sie bleiben nur für Monate – oder gründen Familien hier.

Blick auf die WGJ-Balkone an der Pfotenhauerstraße. Foto: Philine Schlick
Blick auf die WGJ-Balkone an der Pfotenhauerstraße. Foto: Philine Schlick

“Jeder hat seine ganz individuelle Bildungsbiografie”, sagt Dressel-Zagatowksi. “Wir hatten mal einen Jungen an der Schule, der kam aus Lettland. In seiner Schule dort wird auf Englisch unterrichtet. Die Digitalisierung ist viel weiter voran geschritten. Er hat uns wie ein Relikt wahrgenommen und zwei Jahre nicht mit uns gesprochen. Irgendwann kam das Initial.”

Die Schule setze alles daran, dem Spektrum der Schüler*innen, ihren individuellen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Das bedürfe in erster Linie viel Zeit. “Das geht nicht zack, zack, zack”, sagt die Schulleiterin, die sich um Fördermittel und – programme bemüht, um Personal aufzustocken. “Wir betreten täglich Neuland.”

Nicht vor den Karren spannen lassen

Die Schulleiterin sagt “wir”, wenn sie über die Schule spricht. Denn hier sitzen sprichwörtlich alle in einem Boot: Lehrende und Schüler*innen sind in Prozessen miteinander verbunden. “Kein Tag ist wie der andere”, sagt Dressel-Zagatowski. “Nichts passt hier in vorgefertigte Kategorien.”

Die Schere sei groß, der Druck auf die Kinder und Jugendlichen teilweise hoch: Zu kulturellen Unterschieden und individuellen Verfassungen kommen die Leistungsanforderungen – Spannungen bleiben da nicht aus.

Empört hat die Schulleiterin kürzlich die kleine parlamentarische Anfrage der AfD zu Gewalt an Schulen aufgenommen. Schnell hätte ein Zeitungsartikel die 101. Oberschule als negatives Beispiel zitiert. “Der Artikel war unreflektiert und diskriminierend”, sagt Dressel-Zagatowski.

Juliana Dressel-Zagatowksi - die Frau mit dem Händchen für fein geschwungene Linien. Foto: Philine Schlick
Juliana Dressel-Zagatowksi – die Frau mit dem Händchen für fein geschwungene Linien. Foto: Philine Schlick

Vor den eindeutig gefärbten Karren will sie ihre Schule nicht spannen lassen. Dass für die Anfrage der AfD Einblick in sensible Daten gegeben wird, macht die Schulleiterin fassungslos. Besondere Vorfälle an ihrer Schule in einem Meldebogen zu erfassen, ist für sie im Sinne der Transparenz und zum Wohl ihrer Schützlinge selbstverständlich. “Aber wenn ich weiß, dass die AfD diese Daten benutzt, verwende ich zukünftig ein anderes Sortiersystem.”

Konflikte haben Ursachen: Sozialer Druck, Diskriminierung, traumatische Erfahrungen, Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit. “An jeder Schule gibt es Gewalt”, sagt Dressel-Zagatowski. “Nicht alle gehen offen damit um.”

Das schönste Erlebnis

Auf Juliana Dressel-Zagatowskis Schreibtisch blüht ein draller Strauß aus den vietnamesischen Gärten.”Mut, meine Liebe, Mut” sagt eine Karte vor der meerblauen Wand des Büros. Was war heute ihr schönstes Erlebnis, Frau Dressel-Zagatowski? “Ich hatte heute zwei, drei schöne Gemeinschaftskunde-Prüfungen, wo Schüler, die nach Deutschland zugezogen sind, verstanden hatten, was Demokratie ist. Das war … toll!”

Weiterführende Informationen

  • 101. Oberschule Johannes Gutenberg
  • Pfotenhauerstraße 44, 01037 Dresden

Kassettenrekorder für Projekt zum Weltkindertag gesucht

eingestellt am 13.07.2020 von Philine Schlick

Für das Projekt “Goldene Kassette der Kinderrechte” zum Weltkindertag am 20. November werden alte Radios, Ghettoblaster und Walkmen gesucht. mit den ungewöhnlichen Mitteln der analogen Kassettentechnik soll das Thema Kinderrechte verknüpft sein. 

Die Kinder- und Jugendbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden Anke Lietzmann bittet die Dresdnerinnen und Dresdner um Technikunterstützung für ein Mitmach-Projekt zum Weltkindertag.

Mit dabei: coloRadio Dresden

Der jährlich am 20. November begangene Jahrestag der Unterzeichnung der UN Kinderrechtskonvention soll gefeiert werden. Viele Träger der Jugendhilfe planen für Kinder und Jugendliche Aktionen zum Thema Kinderrechte, so auch das Büro der Kinder- und Jugendbeauftragten. Gemeinsam mit „Junges Radio“ von coloRadio soll die „Goldene Kassette der Kinderrechte“ entstehen. Dazu benötigen die Initiatoren Technik aus „alten Zeiten“.

Anke Lietzmann freut sich auf dieses besondere Projekt: „Für viele ist die Zukunft digital. Die Corona-Pandemie beschleunigt diesen Prozess. Wir aber machen für unser Projekt zum Weltkindertag einen Schritt zurück – zunächst! Mit den ungewöhnlichen Mitteln der analogen Kassettentechnik wollen wir das Thema Kinderrechte verknüpfen.”

Historisches ausprobieren

Kinder und Jugendliche sollen sich mit ihren Rechten im Rahmen der UN Kinderrechtskonvention auseinander setzen. Gleichzeitig bestehe die Möglichkeit, ein quasi historisches Aufnahmeverfahren ausprobieren.

“Das Ergebnis ist eine produzierte Kassette, die ‚Goldene Kassette der Kinderrechte‘, die wir in unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen mit dem dazugehörigen Abspielgerät zum Anhören bereitlegen wollen. Interessierte können so ganz analog erfahren, was für Rechte Kinder und Jugendliche haben und wie sie diese umsetzen wollen”, so Anke Lietzmann.

Das Büro der Kinder- und Jugendbeauftragten will die Technik für das Projekt nicht neu anschaffen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollen gebrauchte Geräte zum Einsatz kommen.

Möglich sind:

  • Kassettenaufnahmegeräte mit Mikrofoneingang
  • Kassettenabspielgeräte mit eingebautem Lautsprecher (Ghettoblaster)
  • Walkmen

Weiterführende Informationen

  • Wer ein Gerät kostenfrei für dieses Projekt zur Verfügung stellen möchte, wende sich bitte an die Kinder- und Jugendbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden, Telefon: 0351-4882150 oder E-Mail: kinderbeauftragte@dresden.de

Eine Ausstellung öffnete den kurzen Blick in eine andere Welt

eingestellt am 09.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Kunterbunte Ausstellungsfläche für Bilder am Spielplatzzaun

Für kurze Zeit den Blick in eine andere Welt aufleuchten zu lassen, ist in einer Sonntagsausstellung einer kleinen Gruppe ganz junger Künstler*innen geglückt, die ihre Kunstwerke entlang eines Spielplatzzauns für die Öffentlichkeit in der Johannstadt ausstellten.

Temporäre Ausstellung des Malwettbewerbs “Deine Welt”

Die Bildwerke der Kinder – Zeichnungen und Malereien –  sind in der Zeit entstanden, als Schulen und Kindertageseinrichtungen ihre Türen geschlossen hatten aufgrund der Corona-Pandemie. Und immer noch ist der schulische Rahmen zeitlich eingegrenzt und nach Hygienevorschriften streng bemessen. Der Spielraum frei und unbefangen aktiv zeigen zu können, was sie beschäftigt, ist für Kinder klein.

In der brisanten Zeit im Frühjahr hatte das ESF-Projekt der Städtischen Bibliotheken Dresden „Kulturlots*innen – Brücken zwischen Kulturen“ die Initiative ergriffen und mit einem Malwettbewerb Kinder im Stadtteil aufgerufen, „ihre Welt“ zu malen. Das Team der vier Kulturlots*innen baut Brücken in kulturelle Beteiligung und soziale Interaktion auf englisch, arabisch, russisch und rumänisch. Begegnungen und gegenseitiges Kennenlernen der unterschiedlichen Johannstädter*innen werden gefördert und das nachbarschaftliche Zusammenleben gestärkt.

Der Malwettbewerb verstand sich als ein Angebot, Weite in die entstandene Enge zu bringen und auf Fragen zu antworten, die nach Begleitung verlangen und bestenfalls Momente von Orientierung zu stiften, wenn die Ausrichtung fehlt. Fast 30 Kinder sind dieser Einladung zum Malwettbewerb gefolgt.

Puppenspielerin Sonja Grußer mischt sich mit Kasperle unter die Künstler*innen der Ausstellung Foto: Christian Steinert

In einer Ausstellung wurden jetzt am Sonntag 5. Juli 2020 alle Einsendungen präsentiert. Für das Projekt war es ein Glücksfall, dass die Vonovia kooperierte, kurzerhand das Spielplatzgelände Florian-Geyer-Straße 48 zur Verfügung stellte und die Erlaubnis erteilte, dort eine Ausstellung unter den besonderen Vorsichtsmaßnahmen durchzuführen.

Entlang des Spielplatzzauns war reichlich Ausstellungsfläche, dass die Kinder und ihre Eltern und Gäste die entstandenen Bilder vieler möglicher Welten bewundern konnten.
Die kleinen Künstler*innen erhielten ein Dankeschön in Form eines Buches und konnten eine Puppentheater-Aufführung mit Sonja Grußers Kasperle und seinen Puppenfreunden genießen.

 

Weiterführende Informationen

  • Rückfragen beantworten die Veranstalter per E-Mail unter kulturlotsen.johannstadt@gmail.com
  • Das Projekt Kulturlots*innen lädt für Sonntag, den 2. August 2020 von 10 und 12 Uhr in den Garten des Johannstädter Kulturtreffs, Elisenstraße 35 zu einem „Familientreffen“ ein mit Spaß und Spiel, Überraschungen und Aktivitäten für die ganze Familie. Anmeldung ist nicht notwendig.

Sommerliche Diebstähle – Warum Frauen Weinblätter klauen

eingestellt am 28.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Gefüllte Weinblätter machen viel Arbeit und sind in Syrien eine Festtagsspeise. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Beitrag von Mohammed Ghith al Haj Hossin

Essen ist Heimat – das weiß niemand besser als Menschen, die ihre Heimat verloren und Sehnsucht haben. Mohammed Ghith al Haj Hossin erklärt in seinem Artikel, warum Weinblatt-Diebinnen nur auf ihren Bauch hören und wie sehr vertraute Speisen durch den Magen bis ins Herz gehen.

In der letzten Woche berichteten deutsche Medien über einen komischen Diebstahl: “Ungewöhnliche Beute in Südhessen: Die Polizei hat in Alsbach Weinblatt-Diebe geschnappt. Das Frauen-Trio hatte massenhaft in Weinbergen die Weinblätter von frei zugänglichen Rebstöcken abgerissen.”

Frische Weinblätter werden für die orientalische Küche in Salzlake konserviert. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin
Frische Weinblätter werden für die orientalische Küche in Salzlake konserviert. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Natürlich fragt man sich, worum es geht. Es geht um eine orientalische Spezialität: gefüllte Weinblätter. Auch manche arabische Medien haben es berichtet als lustiges Thema, weil sie indirekt vermuteten, dass es sich bei dem angeklagten Frauen-Trio um Syrerinnen handelt.

Es ist nicht verwunderlich, dass viele deutsche Frauen wurden von ihren syrischen Freundinnen gefragt werden: “Wo können wir frische Weinblätter herbekommen? Oder weißt du irgendwelche Weinberge in der Nähe?”

Ein Koffer voll von Gerüchen und Geschmäckern

Diese Leidenschaft zum Essen hat ihre Grundlage in der Sehnsucht nach allem, was im Herzen steckt. Die Beziehung zwischen Menschen und Essen ist sehr alt und stark verbunden. In diesem Sinne hat es sich durch die Zeiten vom grundlegenden menschlichen Bedürfnis zu einer Kunst entwickelt, die unterschiedliche Gesellschaften bezeichnet.

Der Geruch des Essens bringt manche geflüchtete Menschen zurück zu ihrer Heimat, wo die vermessene Zeiten mit der Familie und Freunde in der Erinnerung bleiben. Jeder hat in seinem Kopf einen Koffer voll von den Gerüchen und Geschmäckern des Essen, die ihn mit seinem Herkunftsort verbinden.

Im Sommer werden die Weinblätter auf Vorrat gepflückt. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin
Im Sommer werden die Weinblätter auf Vorrat gepflückt. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Man kann sich nicht von solchen starken Gefühle befreien. Im Gegenteil solche Gefühle verstärken sie sich Jahr für Jahr. Deswegen hängen sich die geflüchtete Menschen, vor allem Frauen an die Kulinarik in zu Hause oder in der Arbeit als Beruf um Geld zu verdienen. Sie versuchen ihre Beziehungen mit der Vergangenheit zu schützen um der Gegenwart zu ertragen.

Die orientalische Spezialität Yaprak

Gefüllte Weinblätter Yaprak ist ein berühmtes orientalisches Essen im Nahen Osten und in der Türkei. Man braucht viel Erfahrung und Tüchtigkeit um es zuzubereiten. Deswegen wird es gekocht zu wichtigen Anlässen für besondere Gäste. Es ist für gewöhnlich am Anfang jedes Sommers, wie in Syrien zum Beispiel, dass viele Frauen frische Weinblätter zu sammeln beginnen, um es im gesalzen Wasser zu lagern.

So es kann bis nächstes Jahr seinen Geschmack halten, ohne Konservierungsstoffe zu benutzen. Es gibt viele Quellen um Weinblätter zu kaufen. Eine ist, sie auf dem Markt der Saison zu kaufen oder die Frauen bekommen sie von ihren eigenen Rebstock oder als Geschenk von den Nachbarn oder Freunden. Oder aber, und das ist das schlimmste, Diebstahl vom Weinberg.

Nicht nur in Syrien, auch in der Türkei ist Yaprak als Speise bekannt. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin
Nicht nur in Syrien, auch in der Türkei ist Yaprak als Speise bekannt. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Aber hier in Deutschland haben diese Frauen gedacht, dass die letzte Quelle die einzige Quelle ist, ohne sich zu beschäftigen, ob das legal oder nicht. Natürlich muss man die Erlaubnis vom Besitzer haben, sonst gilt es als illegales Verfahren, das bestraft wird. Eine Sache, die das Frauen-Trio nicht gewusst hat, wie ich denke.

Die antike Welt kannte Weinblätter gut. Nicht nur als Lebensmittel sondern auch für die medizinische Nutzung. So spielen sie eine wichtige Rolle in der Mythologie. Zum Beispiel glaubten die alten Griechen an Dionysos als der Gott des Weins, der es zur Welt gebracht hat. In der arabischen Welt wurden die Träume aus Weinblättern als Reichtum und Segen für den Träumer gedeutet. Das ist kein Wunder, wenn wir wissen, welchen Stellenwert Weinblätter im Nahen Osten haben.

Virenschutzprogramm zur Rettung der Soziokultur im Quartier

eingestellt am 25.06.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Not macht erfinderisch: Das aktuelle Heft des Johannstädter Virenschutzes Foto: Anja Hilgert

Die Kulturszene hat hart mit den Corona-Einschränkungen zu kämpfen. Leere Sitze, leere Bühnen, leere Kassen. Wie weit die Hoffnung auf angekündigte “Rettungsschime” trägt und wen sie dann rettet, ist wie bei der Wettervorhersage derzeit nicht gewiss. Wem Warten und Hoffen nicht reicht,  um  lange schon geplante und angekündigte enthusiastische Programme an den Start und unters Publikum zu bringen, schafft neue Bündnisse: Um die Johannstädter Soziokultur zu retten, gibt es jetzt ein Virenschutzprogramm.

Betriebswirtschaftliches Aus für Kultur-Vereine

Wer ein Vierteljahr, also tatsächlich drei volle Monate lang als Kulturbetrieb ohne Kundschaft bleibt, steht betriebswirtschaftlich vor dem Aus. Nach einem vollen Quartal ohne Einnahmen ergibt die Rechenprobe schlicht ein Verlustgeschäft, das sich für Vereine wie den Johannstädter Kulturtreff e.V. im fünfstelligen Bereich bewegt.

Der Eintritt ist dosiert, Türen weit geöffnet: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. Foto: Anja Hilgert
Der Eintritt ist dosiert, Türen weit geöffnet: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. Foto: Anja Hilgert

In ihrer Pressemitteilung vom 24. Juni betont die Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden und Beigeordnete für Kultur und Tourismus, Annekatrin Klepsch: „Angesichts der mehrwöchigen Betriebsuntersagungen und der fortdauernden Hygieneauflagen ist die wirtschaftliche Situation der Kultureinrichtungen existenzgefährdend.“ Es sei zu bedauern, dass die kommunalen Kultureinrichtungen bisher in keinem Hilfsprogramm von Bund und Land berücksichtigt wurden.

 

Sächsischer Landtag beschließt Millionen-Hilfspaket für Kultur (und Tourismus)

Der Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtages hat am 24. Juni das vom Kabinett beschlossene Hilfspaket für Kultur und Tourismus in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro bestätigt. Mit diesen Mitteln will der Freistaat besonders die von der Corona-Pandemie betroffenen Einrichtungen und Akteure in Kultur und Tourismus unterstützen. Ob der besagte ‚Rettungsschirm’ auch bei kleineren Vereinen wie z.B. dem soziokulturellen Zentrum des Johannstädter Kulturtreff e.V. ankommt, ist ungeklärt. Ein guter Teil von deren Finanzierung hängt jedoch an der institutionellen Förderung durch die Stadt. Der andere Teil, der durch Raumvermietungen selbst erwirtschaftet wird, ist abrupt ausgefallen.

Bürgermeisterin Klepsch appellierte an die Regierung des Freistaates Sachsen, die Situation kommunaler Kultureinrichtungen für die Zukunft in den Haushaltsverhandlungen des Freistaates mit zu bedenken: „Die Einnahmeausfälle infolge der Schließung und die extrem eingeschränkte Zuschauerkapazität infolge der Hygieneauflagen führen auch in den kommunalen Kultureinrichtungen und damit den Haushalten der Rechtsträger in eine finanzielle Schieflage.“

Insbesondere Vereine und Institutionen, die den Zweck kultureller Bildung verfolgen und entsprechende vielfältige Veranstaltungen anbieten, sind von der negativen Bilanz betroffen. Wo sich niemand versammeln darf, macht keine Veranstaltung Sinn. Das Programm fällt ins Wasser.

Soziokultur auf der Rettungsinsel

Damit nicht der ganze Verein baden geht, müssen Veranstalter sich etwas einfallen lassen und im wahrsten Sinne des Wortes etwas veranstalten: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. hat nun aus eigenen Kräften nach rettenden Ringen gegriffen und sich mit einem besonderen Einfall wieder an Land gezogen: Unter dem wunderbar bissig, spielerisch lustig formulierten Titel ‘Virenschutzprogramm’ hat die Verantwortliche für Veranstaltungen, Vermietung, Pressearbeit im Johannstädter Kulturtreff e.V., Lisa Metziger ein Heft gezaubert, das Angebote und Mitmachaktionen vereint, „die liebgewonnene Kursangebote zu den Leuten nach Hause bringt.“

Um alternative Wege der Kulturvermittlung einschlagen zu können, begab sich die Mitarbeiterin auf die Suche nach Fördergeldern, die über die Erweiterung im digitalen Raum auf Facebook und Instagram hinaus den Verein wieder handlungsfähig und für seine Interessierten zugänglich machen könnten.

Jury des Fonds Soziokultur ist überzeugt

Ihre eingereichte Zusammenstellung der breit aufgestellten, vielfältigen Kulturangebote, die das Haus seinen Nutzer*innen von 6 bis 99 Jahren, von 9 Uhr bis 21 Uhr übers ganze Jahr in parallel laufenden Veranstaltungen bietet, von Schach, Sport, Tanz und Sprach- und Kochkursen über Keramik-, Strick-, Sing-, Malwerkstätten bis zu Skatrunden, Gartenlabor und Festeskreisen hat die Jury des Fonds Soziokultur überzeugt.

Unter 180 Bewerbungen wurden 65 ausgewählt, davon zwei in Dresden und davon eine in der Johannstadt: Mit der Höchstfördersumme von 5.000 Euro des ad hoc-Förderprogramms ist die neuinitiierte Programmheftreihe des Virenschutzprogramms fortlaufend alle zwei Monate bis zum Jahresende gesichert.

Kultur im Quartier zum Mitnehmen Foto: Anja Hilgert

Riesenerleichterung für die Verantwortlichen

Für die lokalen Verantwortlichen ist das eine Riesenerleichterung: Es sichert den Fortbestand der Bindung, die das Zentrum lebhaft und mit viel Engagement zu den umliegenden Bewohner*innen des Stadtteils unterhält. Nun erhalten die umliegenden Haushalte postalisch zugestellt das kostenlose Programm, dass mit viel Einfallsreichtum vor den Folgen des Virus schützt, indem es in Kontakt bringt: „Ein Programm, in dem für jede*n etwas dabei ist. Alles ist gerade nicht drin, aber wir haben geschafft, vieles zu ermöglichen“, sagt Lisa Metziger, der nur wenig Zeit blieb, das erste Heft zu produzieren. Nun ist es da und wird seit der Wiedereröffnung des Kulturtreffs Mitte Juni positiv aufgenommen.

Bei gutem Wetter im Garten

Schließlich wäre nach Maßgabe des Abstandgebotes für alle Räume nur eine sehr begrenzte Besucher*innenzahl erlaubt – in den großen Veranstaltungsraum dürfen 15 Personen Zugang erhalten, in der Werkstatt inklusive Kursleitung nur neun.

Allein die Skatgruppe zählt 20 Teilnehmende. Somit dürfte nur acht Spielenden erlaubt sein, mit Mundschutz die Karten zu schmettern. Das reißt bestehende Gruppengefüge auseinander und macht keinem der Beteiligten Spaß. So das Wetter mitspielt, gibt es zum Glück den Bonus des großen Gartens, in den sich die Duzendschar strickender Frauen gut sammeln kann oder die Paarpartie Senior-Junior beim Schach.

Vieles ist möglich und der Garten ist offen: Soziokulturelles Zentrum der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Vieles ist möglich geworden, wenn auch längst nicht das, was vom Potential her möglich wäre. Doch das täglich wechselnde Bild wieder stattfindender Aktivitäten und Begegnungen rund um den kulturellen Treffpunkt des Viertels stimmt auch unabhängig von Sonnenschein gelöst und freudig. Wer aus den verschiedenen Gründen nicht kommen kann, hat nun ein Programm für zuhause und kann so das Heft selbst in die Hand nehmen.

Hand in Hand mit den Honorarkräften, die mit ihren Kursen für vielfältiges Lernen und offene Begegnungsräume sorgen, füllt das Alternativprogramm volle zwanzig Seiten mit individuell von den Kursleiter*innen erstellten Anregungen, Anleitungen und Infos aus den angestammten Kursangeboten.

Damit ist eine Kontinuität hergestellt, Liebgewonnenes geht nicht verloren und die gewünschte persönlich menschliche Bindung wird nochmal anders neu belebt, zum Nachlesen, Austüfteln und Schmökern, mit Mitmachaktionen und inspirierenden Möglichkeiten der Teilnahme.
Damit hat der Verein in Zeiten fehlender Rückfinanzierung eine Möglichkeit geschaffen, seine Honorarkräfte zu bezahlen, die als freie Kulturschaffende finanziell im Freien stehen.

Weiterführende Informationen

    • Das aktuelle Heft des Virenschutzprogramms für Juni/Juli 2020 liegt im Johannstädter Kulturtreff e.V. zum Mitnehmen aus und ist auf der Homepage als Download verfügbar.
    • Fragen und Anregungen bitte an: Lisa Metziger, Tel: 0351 210 45 86, E-Mail: lm@johannstaedterkulturtreff.de

Beschlüsse des Beirats: Geld für acht Projekte in der Johannstadt

eingestellt am 22.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Zum siebten Mal tagte am vergangenen Donnerstag der Stadtteilbeiratrat. Es handelt sich um ein Modellprojekt. Foto: Philine Schlick

Am Donnerstag hat der Johannstädter Stadtteilbeirat zum siebten Mal getagt: Acht Projekten wurde finanzielle Unterstützung beschieden. Die Bürger*innen bewiesen mit ihren Anträgen Kreativität: Gesund Händewaschen mit grüner Seife, Nachbarschaftlichkeit durch Gärtnern, ziemlich beste Baumfreunde auf Kalenderblättern … Die Ideen überzeugten, wenngleich einige noch eines Feinschliffs bedürfen.

Vier intensive Stunden lang wurde auf der 7. Beiratssitzung am vergangenen Donnerstag angehört, diskutiert und entschieden. Die JohannStadthalle stellte ihre Räume zur Verfügung, um ausreichend Abstand zu gewährleisten.

Anna Baatz vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) beforscht das Projekt im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung. Foto: Philine Schlick
Anna Baatz vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) beforscht das Projekt im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung. Foto: Philine Schlick

Neben einem Rückblick auf erfolgreich verlaufene Projekte wie den zweiten Teil der Hochhausmelodien, galt es mit Beschlüssen über neue Anträge in die Zukunft zu blicken. Die sieht grün bis rosig aus.

Die “Eule” feiert 33. Geburtstag mit Tag der offenen Tür

Mit einem Sommerfest möchte das Jugendhaus Eule am 24. Juli 2020 an der Marschnerstraße seinen 33. Geburtstag feiern. “Es soll ein Tag der offenen Tür zum gegenseitigen Kennenlernen sein”, sagt Anne Gruner vom Jugendhaus.

Am Nachmittag wird es Musik, Sport und Spiele geben. Mit dabei sind u.a. der Jugendtreff Trini, der LeihLaden und der Kindertreff JoJo. Abends rocken Bands die “Johann-Stage” im Club. Bis zum 26. Juni muss das Team des Jugendhauses noch entscheiden, ob und wie das Fest in Einklang mit aktuellen Corona-Schutzverordnungen stattfinden kann.

Anne Gruner war bei der 7. Beiratssitzung für das Jugendhaus Eule anwesend. Foto: Philine Schlick
Anne Gruner war bei der 7. Beiratssitzung für das Jugendhaus Eule anwesend. Foto: Philine Schlick

Ein neues Domizil bekommt der Club mit der ehemaligen Schokofabrik: Er zieht nach Ende der Bauarbeiten in das Integrative Familienzentrum an der Hopfgartenstraße um.

Wohnhof Pfotenhauerstraße bekommt Kulturmittler*innen

Der Wohnhof Pfotenhauer-/Elisen-/Hopfgartenstraße ist ein interkulturelles Pflaster: Über zwölf verschiedene Sprachen werden hinter den 28 Eingängen gesprochen, die zu je 40 Wohnungen führen. Das fanden Anne Richter und Gabriele Feyler heraus, indem sie 56 Interviews durchführten. Sie fragten, was Bewohner*innen mögen und was nicht. Es stellte sich heraus, dass in vielen Problemen bereits eine Lösung liegen könnte.

Bewohner*innen bemängelten fehlenden Kontakt zwischen Nachbarn, Lärm (der fällt derzeit vermehrt durch die Rekonstruktion des Gebäudes an) oder herumliegenden Müll. Viele wohnen schon lang hier, mögen die Umgebung und sind bereit sich zu engagieren, entnahmen die Antragstellerinnen den gesammelten Daten.

Gabriele Feyler und Anne Richter stellten die Ergebnisse ihrer Umfrage im Wohnhof Pfotenhauer-/Elisen- und Hopfgartenstraße vor. Foto: Philine Schlick
Gabriele Feyler und Anne Richter stellten die Ergebnisse ihrer Umfrage im Wohnhof Pfotenhauer-/Elisen- und Hopfgartenstraße vor. Foto: Philine Schlick

Nun ist ein Workshop geplant, um die Nachbarschaft miteinander zu vernetzen. Eine Idee ist z.B. Kinder und Senior*innen in Großeltern-Patenschaften zu vermitteln. Auch könnten sich Engagierte zum Gärtnern, Hausaufgaben erledigen oder gemeinsamem Aufräumen zusammentun.

Die Fördermittel aus dem Verfügungsfonds fließen in die Begleitung von Arbeitsgruppen, die sich der Realisierung von Mini-Projekten widmen. Nachbar*innen sollen als Kulturmittler und Ansprechpartner für die einzelnen Vorhaben fungieren und so dauerhaft einen Dialog im Haus schaffen.

TSV Rotation Dresden 1990 e.V. denkt schon im Juni an Weihnachten

Ein alter (Un-)Bekannter ist das Weihnachtsturnen des TSV Rotation. Seit vielen Jahren stellt der Turnverein ein zweistündiges Weihnachtsprogramm mit Tanz, Kostümen und Beleuchtung auf die Beine. Kerstin Illner vom 90-köpfigen Verein denkt schon jetzt an Weihnachten und stellte einen Antrag zur Förderung der Veranstaltung, die zusehends aufwendiger wird.

Hände hoch für den TSV Rotation 1990 e.V. Foto: Philine Schlick
Hände hoch für den TSV Rotation Dresden 1990 e.V. Foto: Philine Schlick

Dargeboten wird das Schauturnen alljährlich in der Turnhalle  102. Grundschule “Johanna”. Aufgrund des anstehenden Neubaus steht diese vermutlich im nächsten Jahr nicht zur Verfügung. “Unser Repertoire eignet sich aber auch für jede andere Bühne”, bot Kerstin Illner an. “Wir sind offen für neue Auftrittsorte.” Neben der Förderung des Events über rund 350 Euro aus dem Verfügungsfonds ergab sich im Gespräch für den TSV Rotation die Möglichkeit, eine Tonanlage aus dem Bestand der 101. Oberschule Johannes Gutenberg zu leihen. Die vereinseigene Tonanlage war bei einem Einbruch gestohlen worden, berichtete Kerstin Illner.

Grün ja, grün … Grüne Seife und Grüne Pfote 66

Die Corona-Isolation hat Anzhelika Dementyeva gemeinsam mit ihrer Familie genutzt, um sich mit einem Thema zu beschäftigen, das während der Krise an Bedeutung gewonnen hat: flüssige Handseife.

Sie möchte aus Pflanzenölen und selbst angebauten Kräutern Seife herstellen, die freundlich zu Haut und Umwelt ist. Frei von Erdöl, künstlichen Farben und Aromen. Der Beirat sah großes Potential in der Idee, allein war die Idee noch nicht ganz ausgereift, befanden einige Beiratsmitglieder.

Die Sinnfälligkeit und das Engagement wurden jedoch gelobt, die Förderung gewährt. Anzhelika Dementyeva kann sich mit rund 1500 Euro aus dem Stadtteilfonds an die Umsetzung von Rezepturen und Workshops machen.

Anzhelica Dementyeva möchte haut- und umweltfreundliche Seife aus Pflanzenölen und selbst angebauten Kräutern herstellen. Besonders an Schulen soll sich ihr Projekt richten. Foto: Philine Schlick
Anzhelika Dementyeva möchte haut- und umweltfreundliche Seife aus Pflanzenölen und selbst angebauten Kräutern herstellen. Besonders an Schulen soll sich ihr Projekt richten. Foto: Philine Schlick

Inspirierend hat die Coronakrise trotz allen Drucks auch auf die Hausgemeinschaft der Pfotenhauerstraße 66 gewirkt. “Wir sind durch Corona näher zusammen gerückt und haben uns gegenseitig geholfen”, berichten Lars Hauptmann und Marthy Lehmann. Das sei durch kleine Handreichungen wie z.B. Paketannahmen für Nachbar*innen geschehen.

Dieses zarte Pflänzchen wollen die Antragsteller*innen weiter pflegen: Zwei Hochbeete, ein Regenwasserspeicher und Pflanzungen sollen den gemeinsamen Innenhof zu einem Ort machen, an dem man sich gern trifft und um den man sich gemeinschaftlich kümmert. Zur Verfügung stehen dafür jetzt rund 990 Euro aus dem Stadtteilfonds.

Mein Freund, der Baum – porträtiert in einem Jahreskalender

Was man kennt, schützt man: Gemäß dieser Weisheit beantragten Stadtteilbeirätin Marie Engelien und Bertil Kalex vom Stadtteilverein Unterstützung für ihre bereits angekündigte Idee von lehrreichen Spaziergängen zu Bäumen in der Johannstadt. Bürger*innen sollen ihre Lieblingsbäume vorstellen und geladene Expert*innen bereichern das persönliche Porträt mit Fachinformationen. Geplant sind drei Spaziergänge.

Bertil Kalex und Marie Engelien wollen Bürger*innen für Bäume sensibilisieren. Foto: Philine Schlick
Bertil Kalex und Marie Engelien wollen Bürger*innen für Bäume sensibilisieren. Foto: Philine Schlick

Daran geknüpft ist die Organisation eines Fotowettbewerbs. Die 13 schönsten Baummotive werden in einem Jahreskalender abgedruckt, so das Ziel. “Vielleicht entwickeln sich aus dem gemeinsamen Interesse Baumpatenschaften”, hofft Marie Engelin.

Corona bremst nicht nur “Café für alle” aus

Die Kontaktbeschränkungen und der Wegfall von zahlreichen Veranstaltungen hat das mobile “Café für alle” schwer getroffen. Um wieder an den Start gehen zu können, hat das 4-köpfige Team um Uwe Tröger die fahrbare Kaffeeküche mit Spuckschutz und Hygienespendern versehen.

Die Kosten für die erforderlichen Umbauten über rund 320 Euro bekommen die Kaffeeköche aus dem Stadtteilfonds gefördert, damit das Café wieder rollen kann.

Uwe Tröger und sein Team ringen um das mobile "Café für alle". Foto: Philine Schlick
Uwe Tröger und sein Team ringen um das mobile “Café für alle”. Foto: Philine Schlick

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie kamen nicht nur beim Café zum Tragen. Anke Ostermeyer vom Stadtplanungsamt musste mitteilen, dass die Gestaltung des Bönischgartens vor dem geplanten Stadtteilhaus aufgrund der verhängten Haushaltssperre nach 2025 verschoben werden muss.

Ebenso verschoben werden muss der Ausbau der ehemaligen Blumenstraße. “Das wird dann in aller Ruhe gemeinsam mit dem Stadtteilhaus passieren”, versuchte Anke Ostermeyer das Positive daran zu sehen.

Die Stadtteilbeirät*innen lauschen den Antragsteller*innen. Foto: Philine Schlick
Die Stadtteilbeirät*innen lauschen den Antragsteller*innen. Foto: Philine Schlick

Von der Krise unberührt blieb der Umbau des Bönischplatzes, der laut Ostermeyer voll im Zeitplan liegt und zum 31. Oktober abgeschlossen sein soll. Stadtteilbeirat Lutz Hoffmann hatte sich für die Organisation eines Straßenfestes als Ersatz für das entfallene Bundschuhstraßenfest gemeldet. Als geeigneter Ort kommt der neue Bönischplatz als auch die Bundschuhstraße infrage, ein Termin muss noch gefunden werden.

Lutz Hoffmann ist Stadtteilbeirat und wird das Bönischplatzfest organisieren. Foto: Philine Schlick
Lutz Hoffmann ist Stadtteilbeirat und wird das Bönischplatzfest organisieren. Foto: Philine Schlick

Infos zu Stadtteilbeiratssitzungen in der Johannstadt

  • Die 8. Sitzung findet öffentlich am 15. Juli zwischen 17.30 und 21 Uhr statt Gemeindezentrum Fiedlerstraße der evangelisch-lutherischen Johannes-Kreuz-Lukas-Gemeinde statt. Alle Unterlagen zu den Sitzungen können hier eingesehen werden.
  • In Stadtteil- und Verfügungsfonds stehen noch Gelder für Projekte zur Verfügung. Anträge für die Beiratssitzung am 15. Juli werden bis allerspätestens 28. Juni noch entgegengenommen.

Verstrickte Schicksale: Frauen, Nadeln und ein verbindender Faden

eingestellt am 18.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Gemeinsam Schönes schaffen: Die Frauen des Strick-Kurses verständigen sich mit Nadel und Faden. Foto: Annelie Gunkel

Beitrag von Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Selbstgemachtes erlebt derzeit eine Rennaissance. Dass Stricken nicht nur Hände und Füße, sondern auch Herz und Seele wärmen kann, hat unser Autor Mohammed Ghith Al Haj Hossin bei seiner Frau beobachtet. Sie lernte durch das Stricken eine neue Sprache und neue Freundinnen kennen. 

Stricken als Medizin

In unseren heutigen Zeiten suchen wir nach Hilfsmitteln, die uns ein gesundes Leben geben. Wir treiben Sport, meditieren und machen Yoga, um unseren Körper und unsere Seele von den negativen Auswirkungen des Alltags zu befreien. Aber können Sie sich vorstellen, dass ein Pullover oder ein Paar Socken stricken wie ein magisches Rezept gegen Alzheimer und Stress ist? Es gibt noch viel mehr Vorteile dieser besonderen Handarbeit, zum Beispiel: es fördert das Erinnerungsvermögen und man kann das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindern.

Es war üblich in den siebziger und achtziger Jahren in Syrien, dass Frauen, während des Besuches, in der Tasche Wollknäule und Stricknadeln hatten. Sie saßen, unterhielten sich, tranken Kaffee und strickten. Es ging um Gespräche, Konzentration und Freundschaft.

Vom Hobby zum Lebensunterhalt

In dieser Zeit waren die Nächte des Winters lang und kalt. Man musste etwas gegen die Langeweile machen, vor allem auf dem Land. Deswegen befanden Frauen das Stricken als gute Sache, die sie ihren Töchtern als Tradition beibringen sollten.

Viele Hände schaffen mit vielen kleinen Griffen warme Decken im Kursprojekt "Stricken Interkulturell". Foto: Annelie Gunkel
Viele Hände schaffen mit vielen kleinen Griffen warme Decken im Kursprojekt “Stricken Interkulturell”. Foto: Annelie Gunkel

Später in den folgenden Jahren ging das Stricken zurück wegen der Strickmaschinen, die die Kleidung schneller und günstiger produzierten. Aber sie waren weniger schön, weil ihnen die sanften Hände und Blicke von Frauen fehlten. Als wir kleine Kinder waren, waren wir stolz auf die farbigen Pullover, die unsere Mütter gestrickt hatten.

Nach dem Krieg in Syrien in 2011 begann das Stricken wieder, aber dieses Mal nicht als Unterhaltung sondern als Arbeit, die vielen syrischen Familien in Syrien, Libanon, Jordanien und in der Türkei geholfen hat die Lebenskosten zu tragen.

Stricken als Brücke

Im Jahr 2013 wurde Annelie Gunkel vom Ausländerrat Dresden gefragt, ob sie ein Projekt für geflüchtete Frauen entwickeln und durchführen möchte. Sie fragte sich, wie sie den Frauen bei der Integration helfen könnte? Übrigens wusste sie gut, dass die Frauen die deutsche Sprache nicht sprechen konnten.

Die Damen von "Stricken Interkulturell": Gespräche, Freundschaft, Konzentration. Foto: Manal Aeroota
Die Damen von “Stricken Interkulturell”: Gespräche, Freundschaft, Konzentration. Foto: Manal Aeroota

“Meine Idee war, über eine kreative Initiative den Frauen die Teilnahme zu vereinfachen und das gemeinsame Stricken und Häkeln als ‘Brückenbauer’ für alle Frauen mit und ohne Deutschkenntnisse zu sehen”, sagt Annelie Gunkel.

Es ist eine kreative Idee! Nach diesem mutigen Anfang entwickelte sich das Projekt zu Freundschaften und Hilfe bei Fragen zu Schule, Kindergarten, Ämtern, Wohnungssuche usw. Das neu geborene Projekt heißt Integrationsprojekt „Stricken Interkulturell“, der Träger ist der Johannstädter Kulturtreff e.V.

Internationale Familie

Als wir in Dresden angekommen sind, ging meine Frau zum Kulturtreff. Damals konnte sie kein Wort Deutsch. Ich erinnere mich daran, wie sie begeistert war, als sie über das Stricken sprach. Ich fragte sie: “Warum bist du so glücklich, wenn du doch die deutsche Sprache nicht reden kannst?” –  “Wir haben die Körpersprache (Mimik, Gestik) genutzt als Medium zum Verstehen und es funktioniert sehr gut”, antwortete meine Frau.

Danach hat sie sich mit vielen Frauen angefreundet, darunter Frau Gunkel. Frauen, die aus 15 Nationen stammen stricken hier, wie ein Bienenkasten voll von Bewegung und Begeisterung. “Manche Frauen stricken sehr gerne und viel, andere möchten sich unterhalten und Unterstützung in Fragen des täglichen Lebens bekommen. Wir haben uns als internationale Familie gesehen und das ist bis heute geblieben”, so Frau Gunkel.

Annelie Gunkel leitet wöchentlich den kostenfreien Kurs für Stricken und Sprache im Johannstädter Kulturtreff. Foto: Manal Aeroota
Annelie Gunkel leitet wöchentlich den kostenfreien Kurs für Stricken und Sprache im Johannstädter Kulturtreff. Foto: Manal Aeroota

Aber man kann sich vorstellen wie schwierig es ist, wenn man aus seiner Heimat geflohen ist, um sich selbst und seine Familie zu schützen. Deswegen leiden diese Frauen unter vielen Problemen. Heimweh, Sprachschwierigkeiten, Arbeitssuche und vielem mehr.

Frau Gunkel gab sich viel Mühe, um diese komplizierten Probleme zu lösen. Sie hat heraus gefunden, dass das Familienkonzept in diesem Bereich sehr hilfreich sein konnte. “Ich versuche so gut es mir möglich ist zu helfen und zu vermitteln. Und auch hier hilft das Gefühl Mitglied einer Familie zu sein. Ich wünsche mir sehr, dass ich mit meinem Projekt dazu beitrage, die Frauen ein bisschen glücklicher zu machen.”

Masche für Masche

Nach sieben Jahren geht es nicht nur um Stricken sondern auch um Beratung, Reisen, und Deutschkurse. Heute gibt es viele Frauen beim Stricken, die sehr gut Deutsch sprechen, arbeiten und studieren. In diesem Sinne hat Frau Gunkel geschafftt, dass ihr Projekt nicht nur sein Ziel erreicht hat, sondern auch ein Teil ihres Lebens wurde.

Es müssen nicht immer Pullover und Socken sein, wenn es ums Stricken geht. Foto: Annelie Gunkel
Es müssen nicht immer Pullover und Socken sein, wenn es ums Stricken geht. Foto: Annelie Gunkel

Frau Gunkel fügt hinzu: “Ich persönlich habe sehr wertvolle Freundschaften geschlossen, ich respektiere und schätze alle Frauen und freue mich, dass ich dieses Glück habe, mit all diesen Frauen gemeinsame Wege in die Zukunft gehen zu können.”

Stricken Interkulturell

  • jeden Mittwoch zwischen 14 und 17 Uhr im Begegnungsraum des Johannstädter Kulturtreffs
  • Elisenstraße 35, 01307 Johannstadt

Zwischen Splittern und Graffiti: Mein 1:1-Konzert mit dem Konzertmeister der Philharmonie

eingestellt am 12.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Herr Brömsel, Konzertmeister der 1. Violinen, gab am Freitag ein 1:1-Konzert in der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick

Für klassische Musik braucht man eine teure Garderobe, einen Konzertsaal, Taxi und Häppchen? Von wegen! Die Dresdner Philharmoniker beweisen mit ihrer Idee der 1:1-Konzerte, dass Musik an allen Orten berühren kann. Am Freitag war es die marode Halle der ehemaligen Schokofabrik in der Johannstadt, aus der zarte Violinentöne klangen.

Brömsel: "Seit Mitte März spiele ich ohne Publikum. Das ist nicht zu ertragen." Foto: Philine Schlick
Brömsel: “Seit Mitte März spiele ich ohne Publikum. Das ist nicht zu ertragen.” Foto: Philine Schlick

Ralph-Carsten Brömsel, Konzertmeister der ersten Violinen, steht, elegant schwarz gekleidet, auf Sand. Er wiegt sich in den Klängen seiner Violine zu einer Partita von Bach. Er steht innerhalb eines aus Kordeln gelegten Rechtecks. Ein Stuhl steht ihm gegenüber. Auf dem sitze ich. Durch die Löcher des Daches des östlichen Gebäudeteils der alten Schokofabrik fallen Sonnenkleckse und wärmen mir den Scheitel.

Mehr Vanitas hätte Bach sich nicht zu träumen gewagt

Glassplitter und bunte Schriftzüge, ein Taubenkadaver und Getränkeverpackungen zieren diesen außergewöhnlichen Konzertsaal. Von mehr Vanitas hätte Meister Johann Sebastian kaum zu träumen gewagt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die sich langsam nach oben schraubenden Töne das alte Dach so angehoben haben, dass mehr Licht hineinströmt.

Hinter jeder*m Besucher*in wird das Tor für den sehr persönlichen Moment geschlossen. Foto: Philine Schlick
Hinter jeder*m Besucher*in wird das Tor für den sehr persönlichen Moment geschlossen. Foto: Philine Schlick

Ich bin traurig und fröhlich zu gleich, wie der Raum und die Musik, wie das Werden und das Vergehen. Bach, Brömsel und seine Violine werden zu einem Spiegel, in dem ich mich hören kann. Dicht an der bloßen Backsteinwand schiebt sich ein Schößling aus dem Sand. Noch mehr als diese Tatsache ergreift mich in diesem Moment der entrückte Gesichtausdruck von Konzertmeister Brömsel, aus dem die Töne strömen, als erdenke er sie beim Spielen.

Klassikkonzerte in Autowerkstätten und Wohnzimmern

Es ist die Faszination der Gegensätze, wegen der sich Matthias Greß besonders über die Bewerbung des Deutschen Kinderschutzbundes Dresden gefreut hat. Er organisiert die außergewöhnliche Konzertreihe, die für die prekäre Lage von Musiker*innen in der Coronakrise sensibilisieren soll.

“Genau nach solchen Orten haben wir gesucht, als wir das Konzept erdacht haben”, sagt er über die ehemalige Schokofabrik. “Ich habe mir auch Autowerkstätten und Wohnzimmer vorgestellt.”

Matthias Greß von den Philharmonikern und Andreas Blume vom Deutschen Kinderschutzbund. Foto: Philine Schlick
Matthias Greß von den Philharmonikern und Andreas Blume vom Deutschen Kinderschutzbund. Foto: Philine Schlick

Andreas Blume vom Kinderschutzbund ist froh, die alte Fabrik so in den Fokus zu rücken und schon vor dem geplanten Ausbau zum integrativen Familienzentrum zu beleben.

Seit etwa vier Wochen geben 20 Musiker*innen der Philharmonie die kostenlosen 1:1-Konzerte – 78 davon gab es bereits. “Ich bin froh, dass sie sich dazu bereit erklärt haben”, sagt Matthias Greß. Für Ralph-Carsten Brömsel gab es zwei Gründe für seine Teilnahme: “Erstens hat es ein Format, bei dem einzelne Personen so individuell und intim ansprechen kann, so in Dresden noch nicht gegeben”, sagt er. “Und zweitens bin ich seit Mitte März ohne Publikum. Das ist für mich nicht auszuhalten.”

Ralph-Carsten Brömsel beim Spiel in der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick
Ralph-Carsten Brömsel beim Spiel in der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick

Bei den 1:1-Konzerten gehe er in einen punktgenauen Austausch, den es so in einem großen Konzertsaal nicht gebe, berichtet er. “Ich kann mich innerlich und mental ganz auf die eine Person ausrichten.” Das, was in dem kleinen Rechteck aus Kordeln passiert, bezeichnet er als “persönliches Geschenk.”

Tauben sitzen auf dem Schornstein der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick
Tauben sitzen auf dem Schornstein der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick

Noch einmal wird eine Mini-Reihe der 1:1-Konzerte am kommenden Dienstag in der Schokofabrik zu erleben sein. Matthias Greß und die Dresdner Philharmoniker*innen können sich vorstellen, das Konzept kleiner, individueller Konzerte ab Herbst beizubehalten. “Es könnten stadtweite Aufführungen in kleinen Gruppen parallel stattfinden”, sinniert Matthias Greß. Er und die Philharmoniker*innen haben bewiesen, dass alte Musik niemals Staub ansetzt.

1:1-Konzerte von Musiker*innen der Dresdner Philharmonie in der ehemaligen Schokofabrik

Trotz Kälteeinbrüchen: Der Dresdner Frühling war der trockenste seit 1961

eingestellt am 11.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Der Klimawandel bringt Trockenheit und Hitze. Foto: Philine Schlick

Dresdens oberirdische Gewässer führen nach dem zu trockenen Frühling so wenig Wasser, dass das Umweltamt am Wochenende verboten hat, Wasser aus Bächen zu entnehmen. Das Frühjahr gilt eigentlich als “Trinkphase” für die Natur vor der Sommerhitze. Die vergangenen heißen Sommer haben den Pegeln stark zugesetzt. Der Niederschlag im Mai konnte den Mangel nicht ausgleichen.

Gefühlt war der Frühling nach einem hitzigen Osterhoch bislang bewölkt und feucht. Die Eisheiligen kamen pünktlich Mitte Mai und schienen sich mit nasskaltem Wetter ungewöhnlich lang zu halten. Die allgemeine Trockenheit konnten sie aber nicht ausgleichen. Der Frühling war der trockenste seit 1961, berichtet das Umweltamt. In den vergangenen drei Monaten fielen insgesamt nur 70,1 Millimeter Regen. Dies ist nicht der einzige auffällige Wert.

Unterwasserbegegnung an der Elbe. Foto: Anja Hilgert
Unterwasserbegegnung an der Elbe. Foto: Anja Hilgert

– 6,3 Grad Celsius im März

Zwischen dem 22. und dem 23. März zeigte das Thermometer unter Hoch “Jürgen” frostige 6,3 Grad Minus an. So kalt war es im ganzen Winter nicht geworden. Diesem Wert stehen 177 Sonnenstunden im März gegenüber. Verglichen mit dem Klimareferenzwert zwischen 1961 und 1990 bedeutet das 61 Prozent mehr Sonne – und mit 25 Millilitern Niederschlag an 13 Tagen 40 Prozent weniger Regen verglichen mit 41,8 Millilitern an 14 Tagen im Referenzzeitraum. Noch im Mai sanken die Temperaturen in den Minusbereich: Das war am 12., wo es mit – 0,2 Grad Celsius einen Frosttag gab.

Nur zwei Regentage im April

Der April 2020 zählt gerade einmal zwei Regentage und lieferte statt Aprilwetters Sonne satt. Insgesamt fielen in diesem Monat nur 1,9 Milliliter Niederschlag. Das macht den April zum sonnigsten seit 1961 – an Trockenheit überboten wird er laut Messungen der Wetterstation Klotzsche nur vom April 2007 mit 0,9 Millilitern. Die sonnige und trockene Wettersituation sorgte dafür, dass der April 2020 die größte Temperaturabweichung gegenüber 1961 bis 1990 erreichte. Mit 11,0 statt 8,0 Grad Celsius war es der neuntwärmste April seit Aufzeichnungsbeginn an der Station Dresden-Klotzsche.

Gießkannen auf dem Trinitatisfriedhof. Foto: Philine Schlick

Seit 2017 überwiegen die Niederschlagsdefizite in Dresden. Von November 2017 bis Ende Mai 2020 beträgt das aufsummierte Niederschlagsdefizit etwa 500 Millimeter. Der Mittelwert der Jahresniederschlagssumme 1961 bis 1990 misst 669 Millimeter. Damit fehlt also allein in den letzten zweieinhalb Jahren schon fast ein ganzer Jahresniederschlag. Ein Anzeiger für die Trockenheit ist besonders der Elbpegel.

Niedriger Elbpegel macht mangelnde Niederschläge sichtbar

Im Einzugsbereich der Elbe in Tschechien fehlt es seit Jahren an kräftigen Niederschlägen, die die Elbe speisen. Wenn dort Dürre herrscht, ist das hier in der Stadt zu sehen. Am 10. und 11. Mai 2020 wurde am Pegel Dresden der niedrigste Tagesmittelwert in einem Mai seit der Inbetriebnahme der Moldaukaskaden im Jahr 1964 registriert: Der Pegelwert erreichte nur 68 Zentimeter. Da im Winter nahezu kein Schnee fiel, blieb auch das Wasser der Schneeschmelze aus.

Zur Folge hat der Wassermangel auch einen bedenklich niedrigen Grundwasserstand: Im Durchschnitt liegen die Grundwasserstände an den städtischen Messstellen etwa 90 Zentimeter unter dem Monatsmittelwert der letzten elf Jahre. Die weitere Entwicklung wird vom Niederschlags- und Temperaturverlauf der nächsten Monate abhängen. Allerdings ist selbst bei ergiebigen Niederschlägen nicht mit einer zügigen Wiederauffüllung des Grundwasserleiters zu rechnen.

Blick auf die Elbwiesen. Foto: Christina Eppers
Blick auf die Elbwiesen. Foto: Christina Eppers

„Das fehlende Wasser in den lokalen Grundwassersspeichern konnte nicht ausgeglichen werden,“ erklärt Wolfgang Socher, Leiter des Umweltamtes Dresden. „Im Vergleich zu den langfristig gemessenen Monatsmittelwerten des Deutschen Wetterdienstes für Dresden hat sich seit 2013 ein Niederschlagsdefizit von rund 470 Liter pro Quadratmeter summiert. Das entspricht der Regenmenge, die in Dresden durchschnittlich in einem dreiviertel Jahr fällt“, sagt Socher.

Umweltamt ordnet Entnahme-Stopp bis zum 15. Oktober 2020 an

„Verschärft und mitverursacht wird die Situation durch die Dürrejahre 2018 und 2019. Die ungewöhnlich starken Niedrigwasserphasen dieser Jahre ließen zahlreiche Dresdner Bäche und Flüsse vollständig oder über weite Strecken austrocknen“, erklärt Wolfgang Socher, und ergänzt: „Dazu zählte auch die Prießnitz, einer der größten Bäche im Stadtgebiet.“

Alle 40 Fließgewässer in Dresden führen zu wenig Wasser. Deshalb hat das Umweltamt einen Entnahme-Stopp bis zum 15. Oktober 2020 angeordnet. Wasser darf weder geschöpft noch gepumpt werden – ausgenommen ist die Elbe und in punkto Wasserentnahme mit Handgefäßen die Vereinigte Weißeritz sowie der Lockwitzbach. Werden bei Gewässerkontrollen Verstöße festgestellt, kann dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Das Bußgeld beträgt mindestens 50 Euro.

Klimawandel bringt weitere Trockenheit

Vom Wassermangel besonders betroffen sind die Fische. Bei Austrocknung des Fließgewässers sterben sie oder wandern ab. Im Stadtgebiet besiedeln Fische die ausgetrockneten Abschnitte wegen mangelnder Rückzugsräume – wenn überhaupt – oft nur langsam.

Das Dresdner Umweltamt hat bereits an vielen Stellen Stadtgewässer renaturiert. Ufergehölze sorgen für mehr Abkühlung und weniger Verdunstung. Die begonnenen Projekte müssen in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Langfristig soll es gelingen, die natürlichen Gewässer und ihre Einzugsgebiete widerstandsfähiger gegen klimabedingte Veränderungen zu machen.

Prognosen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sagen in den nächsten Jahren klimawandelbedingt weiter steigende Temperaturen, spürbar geringere Niederschläge und die Zunahme extremer Wetterereignisse voraus. Damit ist auch zukünftig häufiger mit Niedrigwasserphasen zu rechnen.

Aktuelle Informationen

  • im Themenstadtplan unter stadtplan.dresden.de: Im Themenfeld Umwelt, Kategorie Wasser lassen sich Daten aktuell einsehen und Hintergrundinformationen zu einzelnen Gewässern aufrufen.
  • Fragen beantwortet das Umweltamt unter Telefon 0351-4886241

Dresdner Philharmoniker*innen geben 1:1- Konzerte in der ehemaligen Schokofabrik

eingestellt am 10.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Luftbild der ehemaligen Schokofabrik. Quelle: Stadt Dresden

Lange mussten Konzert-Liebhaber*innen darben. Mit den Lockerungen sprießen die ersten zarten Versuche der Wiederbelebung von Sälen und Bühnen. In der Johannstadt stehen Konzerte besonderer Natur an: Musiker*innen der Dresdner Philharmonie bespielen je eine*n Zuhörerin für 15 Minuten. Von Angesicht zu Angesicht – kostenlos. An einem ungewöhnlichen Ort.

Noch ist der östliche Teil der ehemaligen Schokofabrik an der Hopfgartenstraße eine Brache. Das soll sich ändern: Vergangenes Jahr beschloss der Stadtrat auf Antrag des Stadtplanungsamtes hin, aus dem Industriebau ein integratives Zentrum des Deutschen Kinderschutzbundes zu verwandeln. Dieser hat sich nun als ungewöhnlicher Konzertsaal für die ebenso ungewöhnliche 1:1-Konzertreihe der Dresdner Philharmonie beworben. Streicher und bröselnder Putz – in der alten Schokofabrik erleben die Besucher*innen einen intimen Musikgenuss in unvergleichlichem Ambiente.

Kinderschutzbund hat sich als Gastgeber beworben

“Wir haben uns vor einer Woche als Gastgeber bei der Philharmonie beworben”, erzählt Andreas Blume vom Deutschen Kinderschutzbund Dresden. “Der Intendant war begeistert bei der Besichtigung.” Zum einen biete die ehemalige Schokofabrik eine spannungsreiche Umgebung, zum anderen sei der Auftrittsort regensicher und ausreichend vor Lautstärke geschützt.

So werden am kommenden Freitag und dem folgenden Dienstag je vier Mini-Konzerte am Stück stattfinden. Welches Instrument die/den Zuhörer*in erwartet, bleibt eine Überraschung. “Das kann alles sein: Vom Horn zur Violine, Tuba oder Oboe …”, macht Andreas Blume neugierig.

Intime, kostenfreie Konzerte als Zeichen der Solidarität

In Wohnzimmern, Hinterhöfen, Arbeitsräumen: Je eine*e Musiker*in sitzt einem Konzertgast im angemessenen Sicherheitsabstand gegenüber und gibt ein privates Konzert. Bewerbungen sind jederzeit willkommen. Die Plätze sind streng limitiert: Interessierte müssen ein kostenloses Ticket buchen, um sich anzumelden. Das ist auf der Webseite der Philharmonie möglich. Die Musiker*innen verzichten auf ihr Honorar, sodass die Konzerte kostenfrei angeboten werden. Spenden sind gern gesehen.

Erdacht hat sich das Konzert der 1:1-Konzert die Dresdner Philharmonie. Die intimen Auftritte sollen ein Zeichen der Solidarität mit der freischaffenden Musikszene setzen, die durch die Corona-Krise schwere finanzielle Verluste erlitten hat. Die Philharmonie möchte, dass “Dresdens Kulturlandschaft wieder erstrahlt wie zuvor.”

Konzerte mit Musiker*innen der Philharmonie Dresden in der Johannstadt

  • jeweils in der Industriebrache ehemalige Schokofabrik an der Hofgartenstraße (nicht barrierefrei, tragen Sie festes Schuhwerk)
  • Freitag, 12. Juni um 11 Uhr, 11.15 Uhr, 11.30 Uhr und 11.45 Uhr
  • Dienstag, 16. Juni um 16 Uhr, 16.15 Uhr, 16.30 Uhr und 16.45 Uhr
  • Hier geht es zu den Tickets
  • Spendenkonto Deutsche Orchester-Stiftung, Kennwort: 1_1Concerts Stuttgart, IBAN: DE35 1004 0000 0114 1514 05, BIC: COBADEFFXXX
  • Spendenkonto Freunde des HSKD e.V.. Spendenzweck: Spende Honorarlehrkräfte, 1to1Concerts, IBAN: DE11 8505 0300 3120 2168 51, BIC: OSDDDE81XXX