Chronik eines angekündigten Todes – Im Gedenken an Marwa El-Sherbini

eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassistisischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Mohammad Ghith al Haj Hossin:

Der Schriftsteller Gabriel García Márquez hat einen tollen Roman geschrieben. Er heißt ‚Chronik eines angekündigten Todes‘. Es geht um den Mord eines Arabers mit Migrationshintergrund, Santiago Nassar, in einem kleinen kolumbianischen Dorf.

Alle Leute im Dorf wussten, dass Nassar von Zwillingsbruder Vicario getötet werden würde, aber niemand hat versucht, diesen Mord zu verhindern. Obwohl sie auch wussten, dass Nassar unschuldig ist. Sie ließen ihn alleine seinem tragischen Schicksal begegnen. Ist das Hasskriminalität? Es ist eine von vielen Interpretationen des Romans.

Halluzinationen fanatischer Menschen

Man fühlt sich am falschen Ort, wenn man nach seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe behandeln wird. Man kann diese Diskriminierung und diesen Rassismus nicht nur im fremden Land erfahren, sondern auch in seiner Heimat. Könnte es sein, dass eine Gesellschaft nur aus Weißen oder Schwarzen besteht? Kam es je vor in der Geschichte, dass es eine solche Gesellschaft gegeben hat? Gehören solche rassistischen Gedanken zur Realität oder nur zu den Halluzinationen fanatischer Menschen?

Diese Fragen bleiben immer offen, obwohl die Antworten sehr einfach sind: Nein, in der Tat gab es niemald es eine solche Gesellschaft. Es sind Halluzinationen fanatischer Menschen, die nur extreme Gruppen bilden können.

Gruppierung bei der Gedenkfeier am 1.Juli
Foto: Mohammad Ghith Al Haj Hossin

Es ist ein verletzendes Gefühl, das viele Narben in der Seele nach sich zieht, besonders für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. Wenn sie glauben, dass ihre Menschlichkeit keine Rolle spielt im Vergleich zu ihrer Herkunft oder Religion. Rassismus zeigt uns sein hässliches Gesicht im Alltagsleben, deswegen haben viele Geflüchtete, die unter Rassismus und Diskriminierung in Deutschland leiden, besondere Geschichten mit ihren alltäglichen Erfahrungen.

Aber man darf in Anbetracht dieser negativen Gefühle nicht aufgeben. Man muss die Opferrolle vermeiden. Man hat in Deutschland unabhängig von Herkunftsort oder Hauptfarbe das Recht, dagegen zu klagen.

Rassismus beginnt in der Kindheit

Manche Menschen, die fremd sind, begegnen alltagsrassistischem Handeln mit Schweigen. Vielleicht haben sie Angst, ihre Stimme zu lauten oder, weil sie nicht wissen, dass sie durch Gesetze das Recht haben, dagegen zu klagen. Und natürlich: wenn sie die Sprache nicht beherrschen, können sie nicht gegen diese schlimme Handlung protestieren.

Ich bin davon überzeugt, dass es Rassismus nicht nur in Deutschland oder Europa gibt, sondern in allen menschlichen Gesellschaften. Rassismus fängt an in der Kindheit, zu Hause mit den Eltern oder in der Schule. Um es gut wahrzunehmen, braucht man sich nur ernst zu fragen, warum ist jemand mit seiner Familie von seiner Heimat geflohen? Der Fakt lautet: Wegen Hasskriminalität, Rassismus und Abwesenheit des Gesetzes. So entstehen extreme Reaktionen, die einen Menschen zu einem Henker machen.

Lesen Sie hier den Artikel von Anja Hilgert

Dein Name, Marwa – Im Gedenken an Marwa El-Sherbini

eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassististischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Anja Hilgert:

Deinen Namen zu kennen

Ich habe dich nicht gekannt, doch nun weiß ich deinen Namen.
Weil du getötet worden bist. Das hat dich mir bekannt gemacht.
Dein Name musste ausgesprochen werden, wiederholt werden, viele Male, bis in meinem Gesicht der Blick frei geworden ist, mein Gesichtsfeld offen wurde für dich.

Wie haben wir gelebt nebeneinander, ohne einander zu kennen?
Dieses Nicht-Kennen. Nicht Wissen-wollen. Jetzt geht mir nicht aus dem Sinn, deinen Namen zu sagen, zu lernen, deinen Namen auszusprechen, ihn laut zu üben, bis er so klingt wie du heißt.
Wir sprechen r und w einzeln hart nacheinander aus, jeden Buchstaben für sich. Es gibt wenig Worte, in denen der Laut vorkommt in meiner Sprache. In deinem Namen klingen r und w weich ineinander, es macht einen anderen Klang, den aus meinem Mund gesprochen, die Lippen erst üben zu formen, ihn zu runden und rollend zu entlassen bis er bei dir wieder ankommt.

Geboren in einem der sieben Weltwunder

Geboren in Alexandria, die Alexander der Große gegründet hat, antike Stadt, eines der sieben Weltwunder und Stadt der großen Bibliothek, bist du in römisch-byzantinischer Kultur verwurzelt. Unser Treffpunkt ist das schöne Florenz an der Elbe.

Du klingst nach einer starken, blühenden Frau, hast kraftvoll mit dem Arm ausgeholt, Handball gespielt in der Nationalmannschaft deines Landes, hast Pharmazie studiert, hast geheiratet, hast einen Sohn, trugst ein zweites Kind in dir, hast vertraut, mit ihnen zu leben.

Ein Mann hat sich Dir in den Weg gestellt, dir die Berechtigung abgesprochen, hier zu sein, hat dir den Weg verstellt, frei zu leben.
Du hattest Vertrauen, lebensvoll zu sein, dich zu entfalten.
Er trug Gedanken, die dem Leben nicht erlauben zu sein wie es ist. Abgeschnürte Gedanken, die vor sich hin Bilder schaffen und eine Welt definieren nach dem Diktat der Gedanken.

Gedanken, die so eng sind, dass sie Gewalt anwenden müssen, um das Pulsieren des Lebens, das vital ist und schöpferisch, da hineinzupassen, in dieses gedankliche Gitter. Beharrliche Gedanken, die beschneiden, drücken, pressen und prügeln müssen und am Ende mit Messern zustechen, um das klein zu bekommen, was sie nicht zu fassen vermögen.

In Gedanken gerüstet

Ich habe solche Gedanken.

Ich höre Gedanken nach Eindeutigkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, nach Lösungen und Plänen verlangen. Gedanken, die attackieren, was anders ist als es Gedanken mir vorgestellt haben. Das Starren, das Gliedern, Sortieren, Vergleichen in mir, im Verlangen, fest zu machen und in den Griff zu bekommen, was überraschend, chaotisch, unberechenbar, wandelbar und wild ist in mir. Und unterdrückt von einer Last an Gedanken, die nicht nur meine sind. Die Generationen gedacht und ein Gehege der Wirklichkeit damit erstellt haben, das uns fern hält vom Vollzug des Lebendigen.

Jetzt einen Moment nur da sein. Dazwischen. Mich einschieben zwischen die Angst und die Rüstung. Nicht weiter absichern. Nicht zwingend krampfhaft in die Aufrechte gehen mit starrem Rückgrat. Stehen bleiben, kauern und zulassen, was kommt. Runterkommen von den Barrikaden, die verhindern, dass ich und was mir begegnet, da ankommen, wo mein Herz blank liegt.

Hoch ausgerüstete Sicherheit hat nichts ausgerichtet.
Im höchsten Saal der Ordnung, im Landesgericht, vor Richtern und Anwälten und Kräften, die Sorge tragen für Recht und Aufrichtigkeit – da bist du erstochen worden.
Gedanken, die zur Rüstung zwängen, sind grausam. Sie bedingen Ohnmacht, die einsetzt, wenn das Gerüst fällt. Ohnmächtig und betäubt stehen wir vor der systematischen Abriegelung des Herzens und trauen uns nicht zu, Mensch zu sein.

 

Zur Abstimmung in den Stadtrat gereicht: Ein Name für die Straße am Landgericht     Foto: Anja Hilgert

Im elften Jahr: Die Marwa El-Sherbini-Straße

Im elften Jahr deines Todes bin ich auf die Spur deines Lebens gesetzt.
Dasitzend vor dem hohen Gebäude, vor der Wand, die aufragt, vor den schweren Türen, so schwer die Portale, dass sie mit der Hand nicht zu öffnen sind. Sitzen und harren im namenlosen Gebiet vor dem Justizpalast, im Brachland, das die Macht des Gebäudes verantwortet, das für sich alleine dort ragt.
Herkommend von der Straßenkreuzung, dem Fluss, der Brücke, den Wegen, die hier sich bündeln, halten wir an, versammeln uns im Niemandskorridor zwischen Chaos und Ordnung und treten in Kontakt mit dieser Ohnmacht, die um sich greift und Offizielle zum Stammeln, zum Suchen nach Worten bringt.

Dem Gebiet einen Namen vergeben, heißt, es zu benennen – Marwa El-Sherbini-Straße soll der kleine Abschnitt nun heißen.
Nicht nur nächstes Jahr, wenn wir zum 1.Juli wieder dort versammelt stehen, sondern mit allen, die dort sind, jeden Tag und jede Stunde und minütlich, gehen wir in deinem Namen und finden zu einer Stimme, die aus der Ohnmacht aussteigt und Starre und Schweigen durchbricht.

 

Mit Rosen bezeugte Anwesenheit        Foto: Anja Hilgert

Ich frage dich, wie du heißt

Ich brauche keine Rose, nicht weiß und nicht langstielig, edel angeboten zu bekommen, um da zu sein. Mein Strauß ist feuerrot und leuchtend gelb, in warmem Orange und tiefem Violett. Meine Blumen sind selbst gepflückt und sie feiern den Mut, die Beherztheit, das Selbstvertrauen, den Drang zur Freiheit.

Ich möchte dich kennenlernen
Ich frage dich, wie du heißt.

 

Lesen Sie hier den Artikel von Mohammad Ghith al Haj Hossin

Virenschutzprogramm zur Rettung der Soziokultur im Quartier

eingestellt am 25.06.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Not macht erfinderisch: Das aktuelle Heft des Johannstädter Virenschutzes Foto: Anja Hilgert

Die Kulturszene hat hart mit den Corona-Einschränkungen zu kämpfen. Leere Sitze, leere Bühnen, leere Kassen. Wie weit die Hoffnung auf angekündigte “Rettungsschime” trägt und wen sie dann rettet, ist wie bei der Wettervorhersage derzeit nicht gewiss. Wem Warten und Hoffen nicht reicht,  um  lange schon geplante und angekündigte enthusiastische Programme an den Start und unters Publikum zu bringen, schafft neue Bündnisse: Um die Johannstädter Soziokultur zu retten, gibt es jetzt ein Virenschutzprogramm.

Betriebswirtschaftliches Aus für Kultur-Vereine

Wer ein Vierteljahr, also tatsächlich drei volle Monate lang als Kulturbetrieb ohne Kundschaft bleibt, steht betriebswirtschaftlich vor dem Aus. Nach einem vollen Quartal ohne Einnahmen ergibt die Rechenprobe schlicht ein Verlustgeschäft, das sich für Vereine wie den Johannstädter Kulturtreff e.V. im fünfstelligen Bereich bewegt.

Der Eintritt ist dosiert, Türen weit geöffnet: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. Foto: Anja Hilgert
Der Eintritt ist dosiert, Türen weit geöffnet: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. Foto: Anja Hilgert

In ihrer Pressemitteilung vom 24. Juni betont die Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden und Beigeordnete für Kultur und Tourismus, Annekatrin Klepsch: „Angesichts der mehrwöchigen Betriebsuntersagungen und der fortdauernden Hygieneauflagen ist die wirtschaftliche Situation der Kultureinrichtungen existenzgefährdend.“ Es sei zu bedauern, dass die kommunalen Kultureinrichtungen bisher in keinem Hilfsprogramm von Bund und Land berücksichtigt wurden.

 

Sächsischer Landtag beschließt Millionen-Hilfspaket für Kultur (und Tourismus)

Der Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtages hat am 24. Juni das vom Kabinett beschlossene Hilfspaket für Kultur und Tourismus in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro bestätigt. Mit diesen Mitteln will der Freistaat besonders die von der Corona-Pandemie betroffenen Einrichtungen und Akteure in Kultur und Tourismus unterstützen. Ob der besagte ‚Rettungsschirm’ auch bei kleineren Vereinen wie z.B. dem soziokulturellen Zentrum des Johannstädter Kulturtreff e.V. ankommt, ist ungeklärt. Ein guter Teil von deren Finanzierung hängt jedoch an der institutionellen Förderung durch die Stadt. Der andere Teil, der durch Raumvermietungen selbst erwirtschaftet wird, ist abrupt ausgefallen.

Bürgermeisterin Klepsch appellierte an die Regierung des Freistaates Sachsen, die Situation kommunaler Kultureinrichtungen für die Zukunft in den Haushaltsverhandlungen des Freistaates mit zu bedenken: „Die Einnahmeausfälle infolge der Schließung und die extrem eingeschränkte Zuschauerkapazität infolge der Hygieneauflagen führen auch in den kommunalen Kultureinrichtungen und damit den Haushalten der Rechtsträger in eine finanzielle Schieflage.“

Insbesondere Vereine und Institutionen, die den Zweck kultureller Bildung verfolgen und entsprechende vielfältige Veranstaltungen anbieten, sind von der negativen Bilanz betroffen. Wo sich niemand versammeln darf, macht keine Veranstaltung Sinn. Das Programm fällt ins Wasser.

Soziokultur auf der Rettungsinsel

Damit nicht der ganze Verein baden geht, müssen Veranstalter sich etwas einfallen lassen und im wahrsten Sinne des Wortes etwas veranstalten: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. hat nun aus eigenen Kräften nach rettenden Ringen gegriffen und sich mit einem besonderen Einfall wieder an Land gezogen: Unter dem wunderbar bissig, spielerisch lustig formulierten Titel ‘Virenschutzprogramm’ hat die Verantwortliche für Veranstaltungen, Vermietung, Pressearbeit im Johannstädter Kulturtreff e.V., Lisa Metziger ein Heft gezaubert, das Angebote und Mitmachaktionen vereint, „die liebgewonnene Kursangebote zu den Leuten nach Hause bringt.“

Um alternative Wege der Kulturvermittlung einschlagen zu können, begab sich die Mitarbeiterin auf die Suche nach Fördergeldern, die über die Erweiterung im digitalen Raum auf Facebook und Instagram hinaus den Verein wieder handlungsfähig und für seine Interessierten zugänglich machen könnten.

Jury des Fonds Soziokultur ist überzeugt

Ihre eingereichte Zusammenstellung der breit aufgestellten, vielfältigen Kulturangebote, die das Haus seinen Nutzer*innen von 6 bis 99 Jahren, von 9 Uhr bis 21 Uhr übers ganze Jahr in parallel laufenden Veranstaltungen bietet, von Schach, Sport, Tanz und Sprach- und Kochkursen über Keramik-, Strick-, Sing-, Malwerkstätten bis zu Skatrunden, Gartenlabor und Festeskreisen hat die Jury des Fonds Soziokultur überzeugt.

Unter 180 Bewerbungen wurden 65 ausgewählt, davon zwei in Dresden und davon eine in der Johannstadt: Mit der Höchstfördersumme von 5.000 Euro des ad hoc-Förderprogramms ist die neuinitiierte Programmheftreihe des Virenschutzprogramms fortlaufend alle zwei Monate bis zum Jahresende gesichert.

Kultur im Quartier zum Mitnehmen Foto: Anja Hilgert

Riesenerleichterung für die Verantwortlichen

Für die lokalen Verantwortlichen ist das eine Riesenerleichterung: Es sichert den Fortbestand der Bindung, die das Zentrum lebhaft und mit viel Engagement zu den umliegenden Bewohner*innen des Stadtteils unterhält. Nun erhalten die umliegenden Haushalte postalisch zugestellt das kostenlose Programm, dass mit viel Einfallsreichtum vor den Folgen des Virus schützt, indem es in Kontakt bringt: „Ein Programm, in dem für jede*n etwas dabei ist. Alles ist gerade nicht drin, aber wir haben geschafft, vieles zu ermöglichen“, sagt Lisa Metziger, der nur wenig Zeit blieb, das erste Heft zu produzieren. Nun ist es da und wird seit der Wiedereröffnung des Kulturtreffs Mitte Juni positiv aufgenommen.

Bei gutem Wetter im Garten

Schließlich wäre nach Maßgabe des Abstandgebotes für alle Räume nur eine sehr begrenzte Besucher*innenzahl erlaubt – in den großen Veranstaltungsraum dürfen 15 Personen Zugang erhalten, in der Werkstatt inklusive Kursleitung nur neun.

Allein die Skatgruppe zählt 20 Teilnehmende. Somit dürfte nur acht Spielenden erlaubt sein, mit Mundschutz die Karten zu schmettern. Das reißt bestehende Gruppengefüge auseinander und macht keinem der Beteiligten Spaß. So das Wetter mitspielt, gibt es zum Glück den Bonus des großen Gartens, in den sich die Duzendschar strickender Frauen gut sammeln kann oder die Paarpartie Senior-Junior beim Schach.

Vieles ist möglich und der Garten ist offen: Soziokulturelles Zentrum der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Vieles ist möglich geworden, wenn auch längst nicht das, was vom Potential her möglich wäre. Doch das täglich wechselnde Bild wieder stattfindender Aktivitäten und Begegnungen rund um den kulturellen Treffpunkt des Viertels stimmt auch unabhängig von Sonnenschein gelöst und freudig. Wer aus den verschiedenen Gründen nicht kommen kann, hat nun ein Programm für zuhause und kann so das Heft selbst in die Hand nehmen.

Hand in Hand mit den Honorarkräften, die mit ihren Kursen für vielfältiges Lernen und offene Begegnungsräume sorgen, füllt das Alternativprogramm volle zwanzig Seiten mit individuell von den Kursleiter*innen erstellten Anregungen, Anleitungen und Infos aus den angestammten Kursangeboten.

Damit ist eine Kontinuität hergestellt, Liebgewonnenes geht nicht verloren und die gewünschte persönlich menschliche Bindung wird nochmal anders neu belebt, zum Nachlesen, Austüfteln und Schmökern, mit Mitmachaktionen und inspirierenden Möglichkeiten der Teilnahme.
Damit hat der Verein in Zeiten fehlender Rückfinanzierung eine Möglichkeit geschaffen, seine Honorarkräfte zu bezahlen, die als freie Kulturschaffende finanziell im Freien stehen.

Weiterführende Informationen

    • Das aktuelle Heft des Virenschutzprogramms für Juni/Juli 2020 liegt im Johannstädter Kulturtreff e.V. zum Mitnehmen aus und ist auf der Homepage als Download verfügbar.
    • Fragen und Anregungen bitte an: Lisa Metziger, Tel: 0351 210 45 86, E-Mail: lm@johannstaedterkulturtreff.de

Verstrickte Schicksale: Frauen, Nadeln und ein verbindender Faden

eingestellt am 18.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Gemeinsam Schönes schaffen: Die Frauen des Strick-Kurses verständigen sich mit Nadel und Faden. Foto: Annelie Gunkel

Beitrag von Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Selbstgemachtes erlebt derzeit eine Rennaissance. Dass Stricken nicht nur Hände und Füße, sondern auch Herz und Seele wärmen kann, hat unser Autor Mohammed Ghith Al Haj Hossin bei seiner Frau beobachtet. Sie lernte durch das Stricken eine neue Sprache und neue Freundinnen kennen. 

Stricken als Medizin

In unseren heutigen Zeiten suchen wir nach Hilfsmitteln, die uns ein gesundes Leben geben. Wir treiben Sport, meditieren und machen Yoga, um unseren Körper und unsere Seele von den negativen Auswirkungen des Alltags zu befreien. Aber können Sie sich vorstellen, dass ein Pullover oder ein Paar Socken stricken wie ein magisches Rezept gegen Alzheimer und Stress ist? Es gibt noch viel mehr Vorteile dieser besonderen Handarbeit, zum Beispiel: es fördert das Erinnerungsvermögen und man kann das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindern.

Es war üblich in den siebziger und achtziger Jahren in Syrien, dass Frauen, während des Besuches, in der Tasche Wollknäule und Stricknadeln hatten. Sie saßen, unterhielten sich, tranken Kaffee und strickten. Es ging um Gespräche, Konzentration und Freundschaft.

Vom Hobby zum Lebensunterhalt

In dieser Zeit waren die Nächte des Winters lang und kalt. Man musste etwas gegen die Langeweile machen, vor allem auf dem Land. Deswegen befanden Frauen das Stricken als gute Sache, die sie ihren Töchtern als Tradition beibringen sollten.

Viele Hände schaffen mit vielen kleinen Griffen warme Decken im Kursprojekt "Stricken Interkulturell". Foto: Annelie Gunkel
Viele Hände schaffen mit vielen kleinen Griffen warme Decken im Kursprojekt “Stricken Interkulturell”. Foto: Annelie Gunkel

Später in den folgenden Jahren ging das Stricken zurück wegen der Strickmaschinen, die die Kleidung schneller und günstiger produzierten. Aber sie waren weniger schön, weil ihnen die sanften Hände und Blicke von Frauen fehlten. Als wir kleine Kinder waren, waren wir stolz auf die farbigen Pullover, die unsere Mütter gestrickt hatten.

Nach dem Krieg in Syrien in 2011 begann das Stricken wieder, aber dieses Mal nicht als Unterhaltung sondern als Arbeit, die vielen syrischen Familien in Syrien, Libanon, Jordanien und in der Türkei geholfen hat die Lebenskosten zu tragen.

Stricken als Brücke

Im Jahr 2013 wurde Annelie Gunkel vom Ausländerrat Dresden gefragt, ob sie ein Projekt für geflüchtete Frauen entwickeln und durchführen möchte. Sie fragte sich, wie sie den Frauen bei der Integration helfen könnte? Übrigens wusste sie gut, dass die Frauen die deutsche Sprache nicht sprechen konnten.

Die Damen von "Stricken Interkulturell": Gespräche, Freundschaft, Konzentration. Foto: Manal Aeroota
Die Damen von “Stricken Interkulturell”: Gespräche, Freundschaft, Konzentration. Foto: Manal Aeroota

“Meine Idee war, über eine kreative Initiative den Frauen die Teilnahme zu vereinfachen und das gemeinsame Stricken und Häkeln als ‘Brückenbauer’ für alle Frauen mit und ohne Deutschkenntnisse zu sehen”, sagt Annelie Gunkel.

Es ist eine kreative Idee! Nach diesem mutigen Anfang entwickelte sich das Projekt zu Freundschaften und Hilfe bei Fragen zu Schule, Kindergarten, Ämtern, Wohnungssuche usw. Das neu geborene Projekt heißt Integrationsprojekt „Stricken Interkulturell“, der Träger ist der Johannstädter Kulturtreff e.V.

Internationale Familie

Als wir in Dresden angekommen sind, ging meine Frau zum Kulturtreff. Damals konnte sie kein Wort Deutsch. Ich erinnere mich daran, wie sie begeistert war, als sie über das Stricken sprach. Ich fragte sie: “Warum bist du so glücklich, wenn du doch die deutsche Sprache nicht reden kannst?” –  “Wir haben die Körpersprache (Mimik, Gestik) genutzt als Medium zum Verstehen und es funktioniert sehr gut”, antwortete meine Frau.

Danach hat sie sich mit vielen Frauen angefreundet, darunter Frau Gunkel. Frauen, die aus 15 Nationen stammen stricken hier, wie ein Bienenkasten voll von Bewegung und Begeisterung. “Manche Frauen stricken sehr gerne und viel, andere möchten sich unterhalten und Unterstützung in Fragen des täglichen Lebens bekommen. Wir haben uns als internationale Familie gesehen und das ist bis heute geblieben”, so Frau Gunkel.

Annelie Gunkel leitet wöchentlich den kostenfreien Kurs für Stricken und Sprache im Johannstädter Kulturtreff. Foto: Manal Aeroota
Annelie Gunkel leitet wöchentlich den kostenfreien Kurs für Stricken und Sprache im Johannstädter Kulturtreff. Foto: Manal Aeroota

Aber man kann sich vorstellen wie schwierig es ist, wenn man aus seiner Heimat geflohen ist, um sich selbst und seine Familie zu schützen. Deswegen leiden diese Frauen unter vielen Problemen. Heimweh, Sprachschwierigkeiten, Arbeitssuche und vielem mehr.

Frau Gunkel gab sich viel Mühe, um diese komplizierten Probleme zu lösen. Sie hat heraus gefunden, dass das Familienkonzept in diesem Bereich sehr hilfreich sein konnte. “Ich versuche so gut es mir möglich ist zu helfen und zu vermitteln. Und auch hier hilft das Gefühl Mitglied einer Familie zu sein. Ich wünsche mir sehr, dass ich mit meinem Projekt dazu beitrage, die Frauen ein bisschen glücklicher zu machen.”

Masche für Masche

Nach sieben Jahren geht es nicht nur um Stricken sondern auch um Beratung, Reisen, und Deutschkurse. Heute gibt es viele Frauen beim Stricken, die sehr gut Deutsch sprechen, arbeiten und studieren. In diesem Sinne hat Frau Gunkel geschafftt, dass ihr Projekt nicht nur sein Ziel erreicht hat, sondern auch ein Teil ihres Lebens wurde.

Es müssen nicht immer Pullover und Socken sein, wenn es ums Stricken geht. Foto: Annelie Gunkel
Es müssen nicht immer Pullover und Socken sein, wenn es ums Stricken geht. Foto: Annelie Gunkel

Frau Gunkel fügt hinzu: “Ich persönlich habe sehr wertvolle Freundschaften geschlossen, ich respektiere und schätze alle Frauen und freue mich, dass ich dieses Glück habe, mit all diesen Frauen gemeinsame Wege in die Zukunft gehen zu können.”

Stricken Interkulturell

  • jeden Mittwoch zwischen 14 und 17 Uhr im Begegnungsraum des Johannstädter Kulturtreffs
  • Elisenstraße 35, 01307 Johannstadt

Sprung in die Lebendigkeit – Zum International Mother Language Day im Johannstädter Kulturtreff

eingestellt am 29.02.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Vielfalt an Angeboten und Ansprechpartner*innen Foto: Meike Weid, Johannstädter Kulturtreff

Beitrag von Anja Hilgert

Die Vorstellung, dass die Sprache, die die Mutter spricht, nicht nur in ihre Umgebung nach außen tönt, sondern auch nach innen, in den eigenen Körper und zu dem Kind, das sie darin trägt – ist ein gefühlvoller Nachklang des begegnungsreichen Nachmittags am 21.Februar im Johannstädter Kulturtreff anlässlich des International Mother Language Day.

Muttersprache zu pflegen, was bedeutet das? Warum ist es von Bedeutung, in der eigenen Sprache sprechen, denken und träumen zu können? Und wie gelingt Verständigung?

Das Gefühl von Heimat

Die Muttersprache bindet in die eigene familiäre, verwandtschaftliche, die regionale, kulturelle und im weitesten Sinne irdische Herkunft. Die Identität wurzelt in ihr. Sie hat schon vor dem körperlichen Eintritt in den Erdenraum das Dasein ummantelt wie eine Klangglocke. Die Sprache ist Mittlerin in unsere Herkunft. In der Sprache fühlen wir uns zuhause. Und sie nehmen wir überall hin mit, wenn wir unser Heimatland verlassen. Dann trägt wie mütterlich die Sprache im fremdklingenden Raum dieses Gefühl von Heimat.

Den Faden finden und im Kreis bewegen, Mandalakunst am Anfang. Foto: Anja Hilgert

Ein Gewimmel von bestaunenswerten Menschen füllte den Veranstaltungssaal. Manche waren in schillernder Kleidung gekommen, paillettenbesetzt, aufwändig bestickt oder farblich überleuchtend, die Frisuren gesteckt, der Scheitel gezogen, Lippen bemalt inmitten einer weniger auffälligen Menge und doch markanten Vielfalt auch derer, die in Alltagskleidung als Gäste der Veranstaltung gekommen waren.

Jedes Alter war vertreten. Dort saßen die Frauen höheren Alters, die Hände in den Schoß gelegt, wohnten mit und ohne Kopfbedeckung dem Treiben wohlwollend lächelnd  bei, an den Pfeilern lehnten Männer, standen locker verteilt in den hinteren Reihen, ein paar Teenager drückten sich an der Wand entlang und auf Matten verteilt und in voluminösen Sitzsäcken versunken gruppierten sich die vielen Kinder jeglichen Alters.

Der International Mother Language Day war die Auftaktveranstaltung einer Reihe, die unter dem Titel „Platte im Wandel – Kreatives Stadtlabor“ das Johannstädter Stadtteilleben in künstlerischen Ansätzen bewegen, anregen, erlebbar machen will.

Mitmachen, ausprobieren, kennenlernen

Im Rahmen des Projektes PLATTENWECHSEL – Wir in Aktion fand er in Kooperation mit dem ESF-Projekt Kulturlotsen – Brücken zwischen den Kulturen der Zentralbibliothek im Vereinshaus des Johannstädter Kulturtreffs so zum ersten Mal statt. Der veränderten, noch ungeübten sprachlichen und kulturellen Vielfalt im Stadtteil war ein Ort geöffnet für Ausdruck und Austausch.

Vielfalt an Angeboten und Ansprechpartner*innen
Foto: Meike Weid, Johannstädter Kulturtreff

Bewohner*innen der Johannstadt waren Akteur*innen und Ansprechpartner*innen und boten Workshops zum Mitmachen, Ausprobieren und Kennenlernen unterschiedlichster kultureller Techniken und Fähigkeiten. Mitteilungsdrang und die Freude, sich zu zeigen, schufen eine erwartungsfrohe Stimmung. Aus jeder Richtung der Welt kam ein Puzzlestück ins vibrierende Ganze.

Ein stolzer Tanz aus Bangladesch, von Mutter und Tochter dargeboten, eroberte eingangs das Parkett. Dann ein Duo aus Mann und Frau, er aus Indien, sie aus Griechenland, kein Paar, sondern Interessenverwandte, turnten verbal durch griechische Zahlenreihen, mit denen humorvoll und bunt der Satz des Pythagoras erklärt war wie in noch keiner Schule.

Wortschatz: BH und Odol

Eine asiatisch anmutende Portugiesin wies an sich selbst darauf hin, mit ihrem Aussehen keinem Klischeebild zu entsprechen und nahm, während sie den Gesang des Fado vorstellte, allen unausgesprochenen Irritationen den Wind aus den Segeln. Damit brachte sie geschickt die Themen von Bikulturalität, Muttersprache und Mehrsprachlichkeit, Diversität und Migrationshintergrund ins Spiel, der an diesem Nachmittag hoch im Kurs stand.

Ein indonesischer Student mit „Vatermörderkragen“ hatte lustigen Sinn für solche Vokabeln und auch fürs Phänomen viktorianischer Kolonialherrenkleidung. Mit seiner Ko-Referentin, die in bewusster Lust das Indonesische vortrug, klärten sie auf, dass aus Dresden der BH und Odol fest in den indonesischen Sprachschatz aufgegangen sind. Dann knallte, schnalzte und zischte der Raum von Lauten eines südafrikanischen Dialekts – welcher es war von den zwölf oder 300?, oder wie in Indonesien 700 gelebten Sprachen, das war nicht mehr zu ermitteln.

in-, Zwei-, Vielsprachigkeit und die Nachbarschaft der Kulturen in Aktion
Foto: Meike Weid, Johannstädter Kulturtreff

Mitten hindurch zog der Kasperle eine lange Kette von Kindern hinter sich her und verschwand gemeinsam mit Zauberern und Oma Sonja zum Spielen im Nebenzimmer. Weit entfernt von den Straßen im Süden ihres Landes, hatte eine Inderin den Sinn der Mandalas neu entdeckt und leitete steif gewordene Hände und Hirnwindungen an, in geschickter Handhabe mit mehrfarbigen Fäden das kunstvolle Geheimnis um Stäbchen zu wickeln.

Im Anschluss an die Präsentationen und das Singen teilten sich die Teilnehmenden auf verschiedene Workshops auf und machten in kleinen Gruppen Erfahrungen z.B. mit der Chinesischen Teezeremonie, mit Kalligraphie, Henna-Tattoos oder betätigten sich ganzkörperlich beim Bollywood-Dance und einem Bellydance-Workshop. Für die Kinder gab es einen Malwettbewerb, der am Ende ausgewertet wurde.

Es wurde viel gelacht im Vielsprachengewirr. Die Erdkugel drehte nicht schnell genug, um mit dem begeisterten Tempo der Darbietungen Schritt zu halten.

Kaleidoskop der Interkulturalität

Der Ablauf von vier Stunden Festprogramm war glücklich geordnet angeschrieben, denn tatsächlich hätte man verloren gehen können in der dicht aufeinanderfolgenden Fülle tänzerischer, musikalischer, landeskundlicher und insgesamt kultureller Beiträge: Aus Bangladesch, Indien, Rumänien, Südafrika, Singapur, Arabien, Portugal, Griechenland, Indonesien, Deutschland, China und vielleicht noch weiteren unentdeckt gebliebenen Ländern wurden kunstreich, ambitioniert oder humorvoll vielverzweigte Aspekte kultureller Herkunft ergründet.

Von den Veranstalterinnen moderierend verknüpft, ergab sich ein kühnes Kaleidoskop von Interkulturalität. So ist es also, und das kann entstehen, wenn unterschiedliche Kulturen frei aufeinandertreffen können und sich gegenseitig den Raum schenken, im Sprechen, im Lauschen und Zuhören, im Genießen, Staunen und Erkennen.

Expert*innen für magische Kreisformen
Foto: Meike Weid, Johannstädter Kulturtreff

Das Publikum sprang mit seiner Aufmerksamkeit mit auf die Bühne, nahm regen Anteil und erhielt schließlich die unwiderstehliche Aufforderung, mitzusingen in einem sich gerade aufbauenden Lied. Kaum ein*r widerstand. In riesengroßem, gemeinsamem Kreis, der sie alle mit einschloss, die da waren, wurden mit Ellen und Karo Lieder gesungen, die kultur- und sprach- und identitätsübergreifend einfach sehr, sehr viel Spaß machten. Danach war der Wärmepegel erheblich gestiegen, fand Auswege in glühende Wangen und leuchtende Augen. Kleine Wortwechsel entstanden hier und da, manche schüchtern, mit stärker wechselnden Blicken und einem Lächeln, manchmal wurde ein ganzes Gespräch daraus.

Emotional erreichte die Veranstaltung ihren Höhepunkt mit dem Auftritt von Sani, der mit seiner Gitarre innig verbunden ein mehrstrophiges Lied sang, mit dem Titel Ami Banglay Gaan Gay. Dieses Lied war ergreifend schön. Die Kinder wurden alle still und lauschten, die Schultern der Erwachsenen sanken tiefer und im Laufe der Strophen entspannte der ganze Saal, wurde ruhig und war hingegeben. Mit diesem Lied, das nur dargeboten und nicht näher erläutert worden war, erklärt sich ohne weitere Worte der Beweggrund eines International Mother Language Day. Auch der stolze Impetus der Tanzaufführung zum Eingang des Festes versteht sich von hier aus besser.

Mandala in Vollendung. Foto: Anja Hilgert

Bangla ist die Muttersprache der Bengalen. In schon zwanzigjähriger Tradition wird der International Mother Language Day rund um den Globus immer am 21.Februar gefeiert. Dieses Datum legte die UNESCO Konferenz 1999 in Bangladesch fest im Gedenken an die vier Studenten, die nach der Kolonialzeit für das Recht der Bengalen auf ihre Muttersprache im damaligen Ost-Pakistan protestiert und ihr Leben gelassen hatten. Heute ist jener Teil Ostpakistans der unabhängige südostasiatische Staat Bangladesch, dessen Name sich zusammensetzt aus bangla ‚bengalisch‘ und desch ‚Land‘.

Hinweis der Redaktion: Der im Rahmen des Projektes „Online-Stadtteilmagazin“ erschienene Beitrag wurde nicht von der Landeshauptstadt Dresden bzw. dem Quartiersmanagement erstellt und gibt auch nicht die Meinung der Landeshauptstadt Dresden oder des Quartiersmanagements wieder. Für den Inhalt des Beitrags ist der/die Autor*in verantwortlich.

Frieden muss nicht leise sein

eingestellt am 18.12.2019 von Philine Schlick, Headerbild: Wie bestellt fielen zögerlich die ersten Schneeflocken. Foto: Philine Schlick

… das bewies das 5. Fest des Friedens am vergangenen Freitag. Flitzende Kinder, klingende Saiten, ein rappelvolles Café Halva und der erste Auftritt des Dresdner Plattenchores zeigten, dass Besinnlichkeit durchaus vital sein kann.

Ich habe mich gerade von einem Hasen in eine Spinne verwandelt, jetzt greife ich nach den Sternen. Nein, ich habe keine Fieberträume, sondern bin Teilnehmerin einer Klang-Yoga-Runde beim Fest des Friedens des Johannstädter Kulturtreffs.

Die Yoga-Position “Spinne” trainiert auch die Lachmuskeln. Foto: Philine Schlick

Große und kleine Partnerinnen bilden mit verschränkten Händen oder Rücken an Rücken die Tiere in einer erzählten Geschichte nach, dass es wohlig in den Sehnen zieht. Im Anschluss finden wir uns liegend zu einer Traumreise ein, die uns von warmen Licht durchflutet im Tiefschnee versinken lässt. Ein Bild, das sich jeder Braunbär zum Einschlafen wünscht.

Widerstand zwecklos: Das Kuchenbuffet des Café Halva. Foto: Philine Schlick

Das Paradies ist ein interkulturelles Buffet

Apropos Braunbär, ich habe Bärenhunger. Ich breche also aus dem Sportraum ins Café Halva auf, das mit dem prächtigsten Kuchenbuffet seit dem Schlaraffenland kulinarisch den Beweis erbringt, dass das Paradies interkulturell sein muss: Muffins und Sahnekuchen, Früchtchen und Hörnchen kommen auf immer neuen Platten aus der Küche angeschwebt. Das Wunder: Die Kuchenberge werden aufgrund ihrer Zierde so ehrfürchtig behandelt, dass kaum ein Krümel daneben geht.

Das Kurbeltheater bebilderte und vertonte die “Bremer Stadtmusikanten”. Foto: Philine Schlick

Ebenerdig geht es weiter im Seminarraum I, wo das Kurbeltheater die Bremer Stadtmusikanten zeigt. Auf eine seidene Stoffbahn gemalte Bilder illustrieren das Grimm’sche Märchen. Sie ziehen über eine Walze in einem hölzernen Kasten vorüber – ein Kinoerlebnis der besonderen Art. Der Sitzsack unter mir hat noch größeren Hunger als ich, und um nicht im Halbdunkeln in ihm zu versinken, lasse ich die vier Tiere nach Bremen ziehen und bewege mich selbst in die obere Etage.

Vor dem Kuschel-Kamin-Zimmer des Kindertreffs JoJo diskutieren drei Jungen, ob das hinter der Tür cool oder was für Babys ist. Nachdem ich nachgeschaut habe, komme ich zu dem Schluss, dass beides zutrifft. Die Jungen vor der Tür sind mittlerweile zu einer Einigung gekommen: Das Zimmer mit dem Kaminfeuer auf dem Flachbildschirm ist für Babys, aber das JoJo ist cool. Sie stürmen auf Socken davon.

Johannes Gerstengarbe beim Gitarrenspiel. Foto: Philine Schlick

Singende, klingende Platte

Aus dem Veranstaltungsraum klingt Musik. Johannes Gerstengarbe entlockt seiner Gitarre verträumte Töne, bevor sich Viktor und Friedrich die Bühne für den Sketch “Welche Feinde hat Deutschland?” erobern. Für dessen Verständlichkeit wäre der Verzicht auf das Textbuch zuträglich gewesen. So bleibt die Antwort auf die Frage, die der Beitragstitel stellt, für mich offen. Aber das ist in diesem Fall durchaus tröstlich.

Die Bühne wird frei für den internationalen Kinderchor.

Weihnachtsbeleuchtung an Johannstädter Balkonen. Foto: Philine Schlick

Ein Blick aus dem Fenster rückt durch die herab gesunkene Dunkelheit die nächsten Hauptakteure ins richtige Licht: Die bunt leuchtenden Johannstädter Balkone. Der Dresdner Plattenchor hat ab 17 Uhr alle Gäste in den Innenhof zum gemeinschaftlichen Singen eingeladen. Nächste Nachbarn können ihr Organ vom heimatlichen Balkon aus erschallen lassen – eine famose Idee!

Mich tragen die ersten Klänge auf dem Fahrrad davon, zur nächsten Station. Aber die liegt nicht auf der Elisenstraße. Hektik? Ach nö, Advent!

Hinweis der Redaktion: Der im Rahmen des Projektes „Online-Stadtteilmagazin“ erschienene Beitrag wurde nicht von der Landeshauptstadt Dresden bzw. dem Quartiersmanagement erstellt und gibt auch nicht die Meinung der Landeshauptstadt Dresden oder des Quartiersmanagements wieder. Für den Inhalt des Beitrags ist der/die Autor*in verantwortlich.