Kostenfreie Mietrechtsberatung mit Dresden-Pass

eingestellt am 06.07.2024 von Bertil Kalex (Stadtteilverein), Headerbild: Ausschnitt Motiv Digitalscreens „Mietrechtsberatung“, Blaurock Markenkommunikation

Die Betriebskostenabrechnung ist nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt, die Miete wird grundlos erhöht oder die Kündigung für die eigene Wohnung liegt im Briefkasten – das kann für Mieterinnen und Mieter sehr belastend und sogar existenzbedrohend sein. Von wem kann man einen Ratschlag, Unterstützung und Hilfe erhalten? Eine professionelle Mietrechtsberatung hilft weiter. Für Inhaberinnen und Inhaber eines Dresden-Passes ist die Beratung kostenfrei.

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Hilfe bei hoher Nebenkosten-Nachzahlung – auch Arbeitnehmer, Selbstständige und Rentner können einmalige Unterstützung erhalten

eingestellt am 17.01.2024 von Andrea Schubert (Stadtteilverein), Headerbild: Image by ri from Pixabay

Für viele Dresdnerinnen und Dresdner waren die letzten Betriebskostenabrechnungen mit teuren Nachzahlungen für Heizung, Strom und andere Wohnnebenkosten verbunden. Wenn das der Fall ist, kann auch für Haushalte, die bislang noch kein Bürgergeld oder noch keine Sozialhilfe erhalten, ein einmaliger Anspruch auf Unterstützung vom Jobcenter oder Sozialamt bestehen. Читать далее Hilfe bei hoher Nebenkosten-Nachzahlung – auch Arbeitnehmer, Selbstständige und Rentner können einmalige Unterstützung erhalten

Erlweinpreis 2020: Ein Kommentar

eingestellt am 29.04.2022 von Bertil Kalex (Stadtteilverein), Headerbild: Das Gebäude von der Rückseite mit Blick in Richtung Stadtzentrum. Links vorn im Bild die Rückseite des "ADAC-Haus". Foto: Bertil Kalex

Bertil Kalex hat an der verschobenen Verleihung des Erlweinpreises 2020 teilgenommen. Der Johannstädter begeistert sich für das Preisträger-Haus und ordnet seine Bedeutung in einem persönlichen Kommentar ein. Was bedeutet Wohnen in der Johannstadt, welche Chancen gibt es? Und was heißt überhaupt “gutes Wohnen”?

Als kultur- und geschichtsinteressierter Johannstädter verfolgte ich den Bau des mit dem Erlweinpreis 2020 ausgezeichneten Gebäudes  und mir wurde sehr zeitig bewusst: Da entsteht ein großartiges Haus in der Johannstadt. Es ist nicht einfach, in der Johannstadt „angepasst“ zu bauen. Die Johannstadt weist eine sehr heterogene Gebäudesubstanz auf – Folgen der großen Zerstörungen durch die Bombenangriffe auf Dresden am 13./14. Februar 1945 (ca. 75 Prozent der Johannstadt waren zerstört), den darauffolgenden Wiederaufbaujahren in der Nachkriegszeit und dem DDR-Wohnungsbauprogramm ab den 1970er Jahren mit Einheitstypenbauten.

Das Gebäude von der Rückseite. Foto: Bertil Kalex

Eine gute Wahl

Östlich liegt der Fetscherplatz mit umgebender Blockrandbebauung. Südlich stehen fünfstöckige Nachkriegswohnhäuser mit Satteldächern. Westlich befindet sich ein Grünzug, der fast bis zur Neuen Synagoge reicht, flankiert von fünf- und zehnstöckigen Wohnzeilen mit Flachdächern, die sich scheinbar wahllos abwechseln, dabei frühere Wegbeziehungen und Sichtachsen versperren. Nördlich schließt sich ein zweistöckiger Flachbau an und in Sichtweite befindet sich ein 15 Stockwerke Punkthochhaus.

Der Architekt Peter Zirkel und seine Mitarbeiter*innen haben den baulichen Ist-Zustand im Gebiet sehr gekonnt aufgegriffen und formvollendet umgesetzt und offenkundig bin ich nicht der Einzige, der das so sieht. Die Bauherrin Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG (WGJ) hat mit der Beauftragung des Architekturbüros eine sehr gute Wahl getroffen.

Ein Gebäude, das sich sehen lassen kann

Steht man auf der Striesener Straße und blickt auf das Gebäude, fallen einem sofort die „runden Ecken“ und die gelbe Klinkerfassade auf. Die abgerundeten Ecken und der Ansatz zur Blockrandbebauung stellen für mich eine Reminiszenz früherer Vorkriegsbebauung der Johannstadt dar. Eine Mischung aus Expressionismus und Neuem Bauen. Ein sehr bekanntes Gebäude aus der Zeit des Expressionismus ist der Einsteinturm in Potsdam.

Erlweinpreis 2020: Der Preisträger. Wohn- und Geschäftshaus Striesener Straße 31 – 33. Ansicht von vorn. Foto: Bertil Kalex

Die gelbe Klinkerfassade stellt einen Bezug zum, in Dresden sehr oft verbauten, Sandstein dar. Ist jedoch viel kostengünstiger und etwas nachhaltiger, da die Klinker aus sandigen Nossener Lehm gebrannt sind. Der „Turm“ des Gebäudes korrespondiert einerseits mit dem sich in Sichtweite befindlichen Punkthochhaus und bildet andererseits einen gelungenen Abschluss des sich westwärts befindlichen Grünzuges.

Tritt man näher an das Gebäude heran, fällt einem auf, dass sich die „runden Ecken“ im Detail, den seitlichen Einfassungen der Fenster sowie in den Eingangsbereichen, fortsetzen. Ebenfalls auffällig die strukturierte Fassade, die sich abwechselnden Erhöhungen und Vertiefungen, über die beiden untersten Gebäudeetagen.

Das Zusammenspiel aller Fassadengestaltungselemente, die „runden Ecken“, die Struktur sowie die natürlich bedingten, unterschiedlichen Gelbtöne der Klinker, nimmt dem Gebäude die Brutalität, die Wucht, die Gebäude dieser Größenklasse (leider) üblicherweise aufweisen. Es spielt förmlich mit den Betrachtenden, als ob es sagen wollte: „Kommt näher und tretet ein“. In die öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten, das Café, die Kantine und das Ladenlokal, lohnt es sich einzutreten und man wird bald feststellen: Hier war man garantiert nicht zum letzten Mal.

Was heißt „gut und sozialverträglich bauen“?

Die Idee vom Zentrum für Baukultur Sachsen, die Preisverleihung des Erlweinpreis 2020 mit einer Dialog-Veranstaltung zu kombinieren, war richtig und ist wichtig. Die Themen rund ums Bauen gehören in die Öffentlichkeit, denn es betrifft alle Menschen irgendwie: als Mieter*in, als Grundstücksbesitzer*in, als Bauherr*in, als Gewerbetreibende etc. Leider waren zu der Dialog-Veranstaltung im Anschluss der Preisverleihung, die die Zeitdauer der gesamten Veranstaltung um zwei Stunden überzogen hat, nur die Insider, also Architekt*innen, Bauherr*innen, Investor*innen und Stadtplaner*innen, anwesend.

Das ist bedauerlich, dennoch, der Anfang ist gemacht. Der extra für die Dialog-Veranstaltung eingeladene und angereiste Berliner Architekt Tim Heide, u.a. Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt (IBeB), wies völlig zurecht darauf hin, dass das Bauwesen aus seiner „Blase“ herausmuss und sich offenen Debatten in jeder Planungs- und Bauphase stellen muss.

Erlweinpreis 2020: Tim Heide (l.) und Dr. Tom Schoper (r.) setzen ihren, auf dem Podium begonnenen, “Dialog” als lockeres Tischgespräch mit einem geladenen Gast fort. Foto: Bertil Kalex

Nicht nur vor geladenen Teilnehmer*innen mit genügend Hintergrundwissen und/oder Interesse, sondern explizit potenzielle Nutzer*innen der zu bauenden bzw. zu sanierenden Gebäude miteinbeziehen. Die Themen Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit beim Bauen sind da nur einzelne Bausteine. Tim Heide hinterfragt grundsätzliches (beim Bau) und das ist gut so. Er moniert die umfangreicher werdenden, ohnehin schon komplexen und dabei immer schwerer zu verstehenden Bauvorschriften im Baurecht.

Und das Ganze auf drei Ebenen: im Bund, auf Landesebene und bei den Kommunen. Ständig kommen neue Vorschriften hinzu, ohne dass frühere Vorschriften auf ihre Gültigkeit geprüft werden. Wenn selbst ein Fachmann schon am Verzweifeln ist, wie ergeht es dann jenen, die sich eigentlich nur ihren Traum vom eigenen Heim erfüllen wollen und keine vertieften Kenntnisse des Baurechts besitzen? Für viele endet das nicht selten in einem Albtraum und juristischem Dauerstreit.

Der Dialogpartner von Tim Heide war der Dresdner Architekt Dr. Tom Schoper und stellte die Frage in den Raum: Was bedeutet eigentlich „sozialverträglich Bauen“? Laut Lexika: die Bedürfnisse von Bewohner*innen(gruppen) unterschiedlicher sozialer, kultureller, ethnischer und/oder religiöser Herkunft in einem Gebäude zu vereinen. Salopp gesagt: Vermögende und Arme bzw. Armutsgefährdete unter einem Dach. Einfacher gesagt als getan. Weshalb in vielen Städten – in Teilen gehört auch Dresden dazu – ganze Wohnquartiere von einer Bewohner*innengruppe dominiert werden.

Gutes Wohnen als Grundrecht

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig, ein wesentlicher Punkt dürften jedoch die unterschiedlichen Grundstücks- bzw. Mietpreise sein. Die einen können es sich eben aussuchen, wo sie wohnen wollen. Die anderen müssen mit dem Vorlieb nehmen, was sie sich finanziell leisten können. Oder schlimmer, ihnen kann von Amtswegen (Sozialämter, Jobcenter etc.) Wohnraum zugewiesen werden, was ein klarer Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes wäre. Der gewährleistet das Grundrecht der Freizügigkeit, somit der freien Wohnortswahl. Was nutzt einem dieses Recht, wenn diesem kein „Recht auf Wohnen“ vorangestellt ist? Für arme und armutsgefährdete Menschen jedenfalls nicht viel. Um sozialverträgliches Bauen, dass dieser Bezeichnung gerecht wird, umsetzen zu können, ist es notwendig dem Grundgesetz das Grundrecht auf Wohnen hinzuzufügen.

Das löst die Probleme am Wohnungsmarkt nicht mit sofortiger Wirkung in Luft auf, kann jedoch sehr effektiv einer zunehmenden Gentrifizierung in den Wohnquartieren entgegenwirken. Jedenfalls juristisch sicherer als so manche Mietpreisbremse.

Neues sammelt sich um und auf dem wiedereröffneten Bönischplatz Foto: Anja Hilgert

Natürlich hat sich in den letzten Jahren schon einiges bewegt, was öffentliche Beteiligungsformate bei Stadtplanung und Stadtgestaltung betrifft. Doch es ist mehrheitlich auf städtische Vorhaben beschränkt und die Beteiligung auf eher kosmetische Einflussnahme wie Fassaden-, Farb- und/oder Umgebungsgestaltung, Straßenbegrünung, Art und Anzahl der Stadtmöbel etc. reduziert. Außerdem entsteht aus den Beteiligungsergebnissen kein eindeutiges Beschluss- und Umsetzungsverfahren, sondern nur ein grobes Orientierungskonzept.

Es kann so umgesetzt werden, muss aber nicht. Da muss unbedingt noch nachgebessert und vertieft werden, insbesondere wenn man Personengruppen erreichen möchte, die bisher nicht an Beteiligungsformaten teilgenommen haben. Dazu ist nicht nur „die offene Debatte“ im Bauwesen notwendig, sondern der Bausektor als Ganzes muss transparenter und demokratischer werden. Gerade die private Wohnungswirtschaft hat da erhebliche Defizite.

Was fehlt, ist Mitbestimmung

Es geht in erster Linie nicht nur um Geschäftsberichte und/oder Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten. Das ist soweit schon vorhanden. Was fehlt, ist die Mitbestimmung zukünftiger wie gegenwärtiger Mieter*innen bzw. Nutzer*innen bei Planungs- und Bauphasen im Wohnungsbau. Einige Wohnungsgenossenschaften, so auch die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG (WGJ), haben einen Mieter*innenrat. Seit 21.04.2022 hat nun auch die Vonovia dank eines Modellprojektes ihren ersten Mieter*innenrat, den Wohnhofbeirat Hopfgartenstraße. Das ist in zweierlei Hinsicht ein Novum. Es ist der erste Mieter*innenrat in Dresden außerhalb einer Wohnungsgenossenschaft und es ist das erste Mietergremium bundesweit, das einem privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen beigeordnet ist. Man darf gespannt sein (ich bin es jedenfalls), was sich daraus entwickelt.

Wohnhofbeirat und Wohnhoffonds ermöglichen ein Frühlingserwachen im Wohnhof mit Mitteln zum Beleben von mehr Lebensqualität Foto: Anja Hilgert

Wir sollten uns alle, Mieter*innen im Besonderen, mehr fürs Wohnen interessieren. Und das nicht nur auf die „Lage, Lage, Lage …“ und „der Preis ist heiß“ reduziert. Diese Slogans sollten dahin wandern, wo sie hingehören: Ins Museum für ausgediente Werbesprüche. So wie es für viele Menschen wichtig geworden ist, wo ihr Essen und ihre Kleidung herkommen bzw. wie diese produziert wurden, so sollte auch die Art und Weise des Wohnens, die Nachhaltigkeit im Wohnungsbau bzw. bei der Sanierung von Altbauten, der Wohnraumgestaltung und -ausstattung, des gemeinschaftlichen Miteinander in den Wohnhäusern etc. stärker in den Fokus rücken.

Ein Beispiel. Die Hälfte sämtlicher Wohnungen in Dresden – in der Johannstadt sogar etwas mehr – wird von Menschen allein bewohnt. Die wenigsten von denen tun das aus freien Stücken. Wären da nicht gemeinsam nutzbare Küchen in der Wohnhausetage ein Mittel für mehr gelebtes Miteinander und besseres Kennenlernen, statt jedem Single seine eigene Küche zu belassen? Der freigewordene Platz der dann überflüssig gewordenen Küche könnte anderweitig Verwendung finden.

Bertil Kalex,
Johannstädter

Wo liegt eigentlich Johannstadt? – Ein Gastbeitrag

eingestellt am 24.01.2022 von Philine Schlick, Headerbild: Blick über die Stadtlandschaft in der Johannstadt. Foto: privat

Ein Anwohner der Gerokstraße interessiert sich für die Bauarbeiten an der Trinitatiskirche und kommt mit Pfarrer Tobias Funke ins Gespräch. Als Dankeschön übersendet er einen persönlichen Johannstädter Erinnerungstext an ihn. Die Stadtteilredaktion freut sich, diesen hiermit veröffentlichen zu dürfen:

Es war ein Glücksfall 1963. Nach unserer Hochzeit Anfang Juni konnten wir immerhin einen Minihaushalt in einem Zimmer gestalten. Dann folgte mit Hilfe einer Anzeige der zweite Glücksfall. Eine kleine Wohnung am Leutewitzer Park und damit, welch’ Komfort, ein Wechsel von Trockentoilette zur Wasserspülung. Unser Nachwuchs hatte es ziemlich eilig und im August 1965 waren wir schon zu viert. Also begann die Suche nach einer anderen Bleibe. Ein kleines Haus oder doch lieber eine Mietwohnung ? Versuch auf Versuch. So vergingen einige Jahre.

Dann 1969 der dritte Glücksfall. Ein Angebot der Betriebswohnungskommission für eine größere Wohnung in der Südvorstadt, nun schon mit Bad und Innentoilette. Welch eine Aussicht. Aber unmittelbar danach eine erneute Wendung. Es hieß, wir könnten auch in einen Neubau in Johannstadt ziehen. Als ich das einem Freund sagte, fragte er, warum wir den so weit weg – nach Johann-Georgenstadt – ziehen wollten. Der Irrtum war natürlich schnell aufgeklärt.

Dann kam alles ganz anders

Wir waren selbstverständlich sehr neugierig, wo genau wir denn künftig wohnen würden. Also fuhren wir nach einem Blick auf den Stadtplan Dresden am folgenden Wochenende das erste Mal nach Johannstadt. Zwischen Käthe-Kollwitz-Ufer und Striesener Straße fanden wir zwar viele unkrautbewachsene Flächen, jedoch nur wenig Bautätigkeit vor. Lediglich an der Gerokstraße stand ein Kran und man konnte ahnen, dass da wohl ein Haus von beachtlicher Länge entstehen müsste. Zwei Kollegen waren vor einiger Zeit in ein Haus an der Zöllnerstraße eigenzogen, konnten mir allerdings auch nichts Näheres sagen. Meine Nachfrage bei der Wohnungskommission ergab eine ziemlich verschwommene Aussage. Wir bekämen eine Wohnung im Block 3 an der Gerokstraße in der siebenten Etage mit Blick nach Süden. Das konnte ja wohl nur mit dem gesichteten Kran zusammen hängen. Am darauffolgenden Wochenende folglich ein neuer Ausflug nach Johannstadt. Der Bau hatte sichtbare Fortschritte gemacht. Es waren schon drei Hauseingänge zu erkennen.

Die große Baugrube in Richtung Sachsenplatz ließ weitere Hauseingänge vermuten. Wir wollten mehr wissen und fuhren deshalb an einem Wochentag zur Baustelle. Einen Bauarbeiter fragte ich, wo denn der Block 3 entstünde. Er nahm seinen Helm ab, kratzte sich am Kopf und blickte etwas ratlos in Richtung der damaligen Schumannstraße, wo ein Bagger begann, sich in die Erde zu wühlen. Dann meinte er zögernd, dass dies wohl nur mit den drei bereits sichtbaren Hauseingängen zusammenhängen könnte.

Hurra, wir glaubten nun, Gewissheit zu haben. Zur Bauruhe an einem der nächsten Wochenenden führte uns der Weg in einen der drei Hauseingänge, über denen sich schon vier oder fünf der zehn vorgesehenen Etagen übereinander türmten.

Unsere „Bewaffnung“ zur Erstürmung unserer Zukunft waren ein Zollstock, Papier und Bleistift. Zentimetergenau haben wir im ersten Stock den Wohnungsgrundriss, die Breite der Fenster und alle anderen augenscheinlichen Notwendigkeiten vermessen.

Zu Hause folgte dann die maßstabsgerechte Einrichtung der Wohnung mit vorhandenen Möbeln und notwendiger Zukäufe.Und dann kam doch alles ganz anders.

Zwei Flaschen Bergmannschnaps

Fast nebenbei erhielten wir die Information, dass sich unsere künftige Wohnung in einem fünfzehngeschossigen Hochhaus, wie am damaligen Fućikplatz bereits vorhanden, befinden solle. Da, wo der Bagger inzwischen zwei ansehnliche Gruben links und rechts seiner Schienenbahn freigelegt hatte. Dann hätte die Vermessung unserer „neuen Welt“ gar keinen Sinn gehabt. Jetzt nahmen wir Kontakt zur Kommunalen Wohnungsverwaltung auf.

Frau P., eine kleine, rundliche, etwas aufgedonnerte Dame, rief zunächst bei meiner Wohnungskommission an, ob wir überhaupt berechtigt seien, Anfragen zu stellen. Nachdem ihre Neugier befriedigt war, erfuhren wir, dass wir tatsächlich in einem dieser Hochhäuser unser Zuhause haben sollten.

Als sie mir die Auskunft erteilte, hatte sie schon Monate voraus gedacht. Sie fragte mich nämlich, ob ich denn die Funktion des „Etagenverantwortlichen“ übernehmen könne. Es ging zum Beispiel darum, die Pflege des unserer Etage zugeordneten Rosenbeetes zu gewährleisten. Es hätte sich sicher auch ein anderer Neumieter bereit erklärt, aber ich dachte ebenfalls etwas weiter. Eine stabile Beziehung zur KWV 12 könnte in der Zukunft keinesfalls schaden, dachte ich. Als ich deshalb das nach einigem Zögern zusagte, ließ sie sich sogar unsere künftige Wohnungsnummer entlocken. Es würde die Wohnung 704 sein.

Als ich meinem Eltern, sie wohnten in einer Kleinstadt unweit von Dresden, vom näher rückenden Glück, Dreizimmer-Wohnung mit Fernheizung, erzählte, meinte mein Vater, dass er sich in solch einem “Karnickelstall“ nie wohlfühlen würde. Großstadtweite und Kleinstadtmief sind eben zwei recht unterschiedliche Dinge.

Einige Wochen lang beobachteten wir ab und zu durch den neuerdings vorhandenen Bauzaun entlang der Gerokstraße den Baufortschritt, Es ging ganz schön voran. An einem Wochentag pirschte ich mich nach einigen vergeblichen Anläufen an den Bauleiter, um zu erfahren, wann denn mit dem Einzug gerechnet werden könne.

Zwei Flaschen Bergmannsschnaps, sie könnten sich das Zeug ja an kühlen Tagen dem Frühstückstee beimischen, lösten die Zunge etwas. Also, er rechne so mit Anfang bis Mitte November, jedoch nur, wenn der Plan eingehalten werden könne und das sei eben fraglich. Phantastisch, das hieße ja, Weihnachten im Hochhaus. Wiederum nahmen wir, als das Haus etwa drei Etagen gewachsen war, eine Vermessung des Grundrisses vor, denn wir wussten nun genau, wo sich die Wohnung 704 befinden würde.

Es kann los gehen!

Einmal im September wagten wir uns, die Kinder fest an der Hand haltend, sogar in die siebente Etage in unser zukünftiges Domizil und genossen die Aussicht. Der Blick ging weit nach Süden bis zur Babisnauer Pappel, in Bodennähe bis zur Striesener Straße. Die ganze Fläche schön bunt mit viel grünen und anderem Gestrüpp.

An einem Sommerabend zog es mich wieder nach Johannstadt zur Baustelle. Das Schlupfloch im Bauzaun war noch vorhanden, aber der Haupteingang zum Haus war versperrt. Ich versuchte es über einen Seiteneingang. Plötzlich hinter mir Hundegebell. Bei meinem Respekt vor Hunden eine schwierige Situation, aber das Tier war glücklicherweise angeleint. Der zugehörige Wächter war recht zugängig. Das Haus sei nun verschlossen, weil inzwischen schon der Großteil der Küchen eingebaut sei. Ab diesem Zeitpunkt also nichts mehr mit „Besichtigungen“.

Gegen Ende Oktober sickerte die vorgesehene Übergabe der Wohnungen zu uns durch. Ab 20. November könnten die Schlüssel empfangen werden. Der Kohlevorrat in unserem Keller müsste also reichen.

Dann die neue Nachricht. Es gebe doch noch Verzögerungen. Genaues könne man nicht sagen. Die Kohlen gingen aus und ich holte noch zwei Zentner. Aber auch die waren in unserer Wohnung im Erdgeschoss bald aufgebraucht. Dann die Nachricht: Mit Weihnachten wird das nichts mehr. Nochmals ein oder zwei Sack Kohlen. Der Händler fragte, ob er denn nicht eine volle Ladung anliefern solle, der Winter stünde ja erst noch bevor.

Neuer Termin: 20. Januar 1970. Neue Absage: Das Wasser ist noch nicht in Ordnung. Natürlich: Nochmals ein Kohletransport, nun aber nur noch ein Sack.

Die Bestellung des Möbeltransportes war damals auch so ein Problemchen. Zweimal habe ich den Termin bei der Firma Seidel neu aushandeln müssen.

Endlich die Aussage: Es kann losgehen. Genau 25 Jahre nach der furchtbaren Zerstörung Dresdens und damit fast der ganzen Johannstadt, am 13. Februar 1970, empfingen wir im künftigen Gemeinschaftsraum die Schlüssel zur Wohnung.

Von Borsberg bis Frauenkirche

Schon am nächsten Tag und an den folgenden Tagen haben wir die „lockeren“ Haushaltsgegenstände in den Trabant gepackt. Weil vorerst nur ein Fahrstuhl, warum weiß ich nicht, zur Verfügung stand, haben wir den Großteil der Ladungen mit Wäschekörben nach oben geschleppt. Vier Tage später folgten dann die Möbel.

Noch einige Jahre nach unserem Einzug rumpelten tagsüber und teilweise nachts die Plattentransporter vom Plattenwerk Johannstadt laut scheppernd zu Baustellen an der Holbein-, Cranach- und anderen Straßen. Die Leerfahrten zurück zum Plattenwerk waren besonders gut zu hören.

Als Belästigung haben wir das eigentlich nicht empfunden. Wir dachten eher an die Menschen, die vielleicht nun ebenfalls ihre Nasen zu Besichtigungen und Vermessungen in die rasch wachsenden Häuser steckten. Wenn wir vierzig Jahre später den Ausblick genießen, müssen wir uns zwar etwas verbiegen, um die Babisnauer Pappel zu erspähen. Vor uns liegt aber ein wunderschöner Teil der Johannstadt und der etwas weitere Blick schweift vom Borsberg bis hin zur Frauenkirche. Der Fastverzicht auf die Pappelaussicht fällt nicht schwer. Eher macht es uns Freude, von der Pappel aus die Dresdner Johannstadt mit unserem Hochhaus zu suchen.

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