Wie zur Bestärkung, dass dieses Jahr alles anders ist, bleibt die weiße Decke frostsicher auch bis zum 13.Februar 2021 erhalten. Als böte sich der beharrliche Schnee als Gehilfe an, die diesjährigen, pandemiebedingt zurückhaltenderen Feierlichkeiten zum Gedenken an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg auf seine Art zu begleiten.
Verlangsamung, Klärung, Stille, Innehalten – das alles sind Qualitäten in Weiss, die der Aufgabe des Er-innerns, wie es der Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden am 13.Februar 1945 anstößt, in besonderer Weise zugute kommen. Vor weißem Hintergrund bildet sich alles detailgenau, mit scharfen Konturen wie bei bestem Licht besehen ab. Die diesjährige Erinnerungskultur will Zeichen des einzeln Sichtbaren, auch von zuhause aus setzen.
Erinnerungskultur unter Widrigkeiten
Das gemeinsame Anliegen aller Beteiligten ist es, ein Zeichen für den Frieden und gegen Gewalt und Kriegsherrschaft zu setzen. Dass am Dresdner Gedenktag auch nach 76 jähriger Wiederkehr nichts dem üblichen Gang überlassen wird, stellt der diesjährige 13.Februar mit trotzender Initiativkraft unter Beweis.
Unter allen Akteuren in der Landeshauptstadt, die zum alljährlichen Gedenken aufrufen, darunter die AG 13. Februar wie auch Vertreterinnen und Vertreter der Dresdner Kirchen, der ehrenamtlichen und zivilgesellschaftlichen Dresdner Erinnerungskultur, der städtischen Kultureinrichtungen, der Gedenkstätten sowie der Vereine, Verbände und Initiativen, herrschte Einigkeit, dass Veranstaltungen zum Jahrestag mit aller Präsenz stattfinden, wenn auch aufgrund der gegenwärtig sehr angespannten Pandemielage unter völlig anderen Voraussetzungen.
Einzellicht statt Menschenkette
Gerade die symbolträchtig gewordene Menschenkette durch die Dresdner Innenstadt muss in diesem Jahr untersagt bleiben. Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, gemäß der Schutzverordnungen zuhause zu bleiben und Menschenansammlungen zu meiden. Diesjährige Veranstaltungen bauen auf die Verinnerlichung der Verbundenheit.
Die Menschen, die sich sonst in die Menschenkette eingereiht hätten, sind dieses Jahr aufgerufen, mit einer Kerze im Fenster vom eigenen Zuhause aus den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken und symbolisch die Bereitschaft zur Versöhnung in die Welt auszusenden.
In Stadtteilen wie der Johannstadt sind die Spuren der radikalen Kriegszerstörung besonders sichtbar. In den riesigen Blöcken von Neubauten, die in einem Zuge gestemmt wurden, um der Bevölkerung wieder ein Quartier und ein Zuhause zu stiften, liegen Verlust und Trümmer der Kriegsjahre im Fundament. Großflächig ragen die Neubauten hoch hinaus über die Fläche. Noch einige wohnen hier, die die Zerstörung der Dresdner Luftangriffe als Kinder erlebt haben. Hier würden Fensterkerzen wie in Reihe geschaltet leuchten.
Fassaden der Stadt erleuchten für Menschlichkeit
Nach dem Motto „Wir reichen uns die Hände und bleiben trotzdem zu Hause“ gibt es nach dem Aufruf der Stadt Dresden dieses Jahr eine virtuelle Menschenkette, die ab 18 Uhr als Fassadenprojektion in der Altstadt sichtbar wird.
Wer mitmachen wollte, konnte bis zum 10. des Monats ein Foto von sich, im Hochformat mit den Armen links und rechts vom Körper – so, wie man in der Menschenkette stehen würde – auf der städtischen Webseite hochladen. Mehr als 1.200 Personen beteiligen sich mit ihrem Foto an der virtuellen Menschenkette zum 13. Februar 2021, um so zu zeigen, dass sie zwar nicht vor Ort, aber dennoch sichtbar sind.
In zehn Minuten zwischen 18 Uhr und 18.10 Uhr, sowie in stündlicher Wiederholung bis 22.10 Uhr, erscheinen die eingereichten Fotos der Bürgerinnen und Bürger an den Fassaden sechs markanter Dresdner Gebäude in der Innenstadt: Synagoge, Frauenkirche, Kreuzkirche, Rathaus, Schauspielhaus und Staatskanzlei. Für jeden Ort gibt es eine Sammlung mit rund 200 Fotos. Jedes Foto ist in den zehn Minuten also drei Sekunden zu sehen. Dann “ziehen” die Foto-Sammlungen weiter zum nächsten Gebäude, so dass zu jeder Stunde an den Gebäuden eine andere Fotosammlung zu sehen ist.
Die eingereichten Fotos stammen nicht nur von Einheimischen, sondern beispielsweise auch von gebürtigen Dresdnern aus anderen Städten und dem Ausland, ebenso wie von Menschen, die der Stadt sehr eng verbunden sind. Darunter sind auch zahlreiche Einsendungen aus den Dresdner Partnerstädten, was der Aktion „eine Form des Einstehens für Menschlichkeit heute“ gibt, so Oberbürgermeister Dirk Hilbert.
Zentrales Leuchten auf dem Altmarkt-Marktplatz
Die virtuelle Menschenkette lässt sich auch live verfolgen. Eine Lichtinstallation auf dem Altmarkt übersetzt die Zugriffszahlen der Bürgerinnen und Bürger auf den Livestream auf 13februar.dresden.de in Lichtstärke. Je mehr Menschen ab 18 Uhr zuschauen, desto deutlicher wird ein Lichtband auf dem Altmarkt sichtbar. Jede Teilnahme am Bildschirm zählt. Es ist eine öffentlich sichtbare Ermutigung der Stadt an ihre Bewohnerinnen und Bewohner, sich als Menschengemeinschaft für den Frieden und die Wahrung der Menschenrechte einzusetzen.
Joachim Klement, Intendant des Staatsschauspiels Dresden nennt die Erinnerungen an den 13. Februar und die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Interpretation dieses Ereignisses „Teil der zivilgesellschaftlichen Emanzipation unserer Stadt. Dabei hat das bürgerschaftliche Gedenken in Dresden dazu beigetragen, ein selbstkritisches und selbstbewusstes Bild von sich zu entwickeln. Deshalb kann dieses Datum heute nicht mehr einseitig vereinnahmt werden.“
Lichtsignal gegen rechte Versammlungen
Das Lichtsignal auf dem Dresdner Marktplatz soll bekräftigen, dass ein friedliches Miteinander aktiv von einem breiten zivilgesellschaftlichen Konsens getragen und nicht durch Einzelne zu brechen ist.
Da die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung zum jetzigen Zeitpunkt Versammlungen mit bis zu 1.000 Teilnehmern erlaubt, ist, wie Oberbürgermeister Dirk Hilbert sagt, damit zu rechnen, „dass rechtsradikale Kräfte diese Situation ausnutzen, um die Zerstörung Dresdens für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die AG 13. Februar und viele weitere Akteure der Zivilgesellschaft haben sich intensiv darüber Gedanken gemacht, wie es uns als Stadtgesellschaft in der aktuellen Situation dennoch gelingen kann, diesen Missbrauch nicht unwidersprochen stehen zu lassen.“
Medial inszeniert soll das Zeichen der Verbundenheit mutmachend sein, sich jeglicher Form von körperlicher wie psychischer Gewalt und allen Formen von Diskriminierung mit der Kraft der eigenen Intelligenz entgegenzustellen. Dazu betont die Rektorin der Technischen Universität Dresden Prof. Dr. Ursula M. Staudinger: „Den stärksten Ausdruck fand dieses Gedenken in der Menschenkette, die gleichzeitig ein eindeutiges Symbol des Erinnerns, aber auch des Verstehens gewesen ist. Rassismus, Hass und Hetze, so haben es die Dresdnerinnen und Dresdner immer wieder gezeigt, sollen keinen Platz in der Stadtgesellschaft haben“, und sie appelliert an die „Verantwortung, nicht nachzulassen aus der Vergangenheit zu lernen, um so dazu beizutragen, eine bessere Zukunft in unserem Land zu sichern.“
Abendstunde versammelt stilles Gedenken
Zur Abendstunde um 18 Uhr werden traditionell die Kirchenglocken einen Moment des stillen Gedenkens anläuten. Radio Dresden wird das Läuten der Glocken um 18 Uhr übertragen, verbunden mit der Hoffnung, „dass viele Menschen diese Minuten nutzen, um an die Opfer von Krieg und Zerstörung weltweit zu erinnern.“
Ebenso wird das traditionelle Gedenkkonzert der Dresdner Philharmonie ab 18.30 Uhr von Sachsen Fernsehen live übertragen (zeitversetzt auch ab 20.05 Uhr von den Radiosendern MDR Klassik und MDR Kultur), „als kraftgebendes Ritual und zur Stärkung des Gemeinsinns“, wie die Intendantin der Dresdner Philharmonie, Frauke Roth betont.
Eine Lichtkunstaktion im Rahmen von Weltoffenes Dresden erinnert an den Moment, in dem die Uhren am 13. Februar 1945 in Dresden stehengeblieben sind. Die grafische Lichtskulptur an der OSTRALE.Basis in Übigau statuiert dieses symbolhafte Bild und erinnert an die ewig mahnende Zeit.
Stille, Licht und Ewigkeit, gehüllt in die Farbe des Friedens – die Zeichen zum 13.Februar standen in Dresden nie so versöhnlich.