Unterstützung in der Krise, die eine Win-win-Situation verspricht: Flaschensammler Rex kommt direkt an die Haustür und holt Pfandgut ab – auch in der Johannstadt. Dafür gibt es einen anonymen Online-Kalender zur Terminvergabe. “Gutes Tun von der Couch aus!”, heißt das Motto. Die Initiative hat Lars Otto aus der Neustadt ergriffen.
Rex und Lars Otto grübeln, seit wann sie sich schon kennen. Sie kommen zu dem Schluss, dass es acht oder neun Jahre sein müssen. Mit Pausen dazwischen. “So bin ich nun mal”, sagt Rex. “Ich bin gern allein.”
Kennengelernt bei der Schatzsuche
Rex hat keine Wohnung. Selbst bei frostigen Temperaturen schläft er unter einer Plane. Mit Hilfsprogrammen und der Übernachtung im Obdachlosenheim hat er es versucht, wurde aber herb enttäuscht. Ihm wurde eine Berufsausbildung versprochen, aber er bekam nur einen sehr kurzen Lehrgang und schlechte Tipps, erzählt er. Ihm Wohnheim wurde er bestohlen. Er zog es vor, auf sich allein gestellt zu bleiben.
Alles, was er besitzt, passt in einen Fahrradanhänger. “Das Schneckenhausprinzip”, sagt Lars Otto, der in der Dresdner Neustadt ein kleines Unternehmen für Outdoorspiele führt, den “Geofux”.
Kennengelernt hat er Rex, als er mit einer Gruppe Freunden eine Party in einer Industriebrache feierte. Eingebunden war auch das Geo-Caching, das er mittlerweile zu seinem Beruf gemacht hat.
Rex half Lars, gute Plätze für sogenannte Geo-Caches zu finden. Das sind kleine Schätze mit Logbuch, die irgendwo im Stadtgebiet versteckt werden. Andere Menschen gehen mithilfe von Koordinaten auf die Suche. Wenn der Schatz gefunden ist, trägt man sich in das kleine Heftchen ein, nimmt den Schatz und hinterlegt einen neuen. Eine spannende Aktivität im Freien.
“Ich will nicht betteln”
Die Gruppe übernachtete dort, wo Rex in seinem Zelt lebte. Am Morgen nach der Party war das Leergut sortiert. “Ich hatte das Gefühl, du hast ein bisschen auf uns aufgepasst”, sagt Lars zu Rex.
Seit diesem Tag stehen Lars und Rex in Kontakt. Die Krise hat Rex schwer getroffen. Weniger Publikumsverkehr bedeutet weniger Flaschen. “Eigentlich kaufe ich mir mein Essen selbst”, sagt er. Zwischenzeitlich habe er aufgrund von Corona in Mülleimern suchen müssen, weil er zu wenig einnahm.
Deshalb ersann Lars beim täglichen gemeinsamen Frühstück in einem Neustädter Hinterhof die Idee des Abholkalenders. Er gibt Rex jeden Morgen die Termine, dieser holt das Pfand ab. Interessierte können sich anonym online eintragen. Bislang sind die Anfragen für Rex gut zu stemmen.
Den Mut nicht sinken lassen
“Es soll eine Win-win-Situation sein”, sagt Lars. Die Menschen werden ihre Flaschen los und Rex hat Arbeit. Ein verlockendes Angebot, gerade in Zeiten, in denen Homeschooling und Homeoffice vielen über den Kopf wachsen. “Ich könnte mir natürlich auch vorstellen, den ganzen Tag auf einer Bank zu sitzen und Kreuzworträtsel zu machen, aber ich muss mein Essen verdienen”, sagt Rex. “Ich will nicht betteln.”
Deshalb spannt er seinen Anhänger an und macht sich auf Touren quer durch die Stadt. Es handele sich um ein Notprogramm, bis das Leben auf der Straße wieder erwache. Es gehe auch darum, den Mut nicht sinken zu lassen. “Wenn einer hungrig unter einem Baum sitzt, an dem ein Apfel hängt, darf er nicht sitzen bleiben und warten, bis der Apfel vielleicht irgendwann herunter fällt. Er muss hochsteigen und ihn holen!”, sagt Rex.
Wenn das Pfand in Krisenzeiten also nicht zu ihm kommt, muss er zum Pfand gehen. Es gehe auch darum, den Mut nicht sinken lassen und nicht zu verzweifeln. Deshalb macht Rex sich für jede Flasche auf den Weg.
“Die Abholung ist vielleicht auch ein Weg, in Beziehung zueinander zu treten”, sagt Lars Otto.