eingestellt am 07.01.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Die magische Zutat, um weiter zaubern zu können, wird per Crowdfunding gesucht. Foto: Anja Hilgert
Etwas möge eintreten, das aus der gegenwärtigen Situation des Nichts-tun-Könnens erlöst: Ein Stern möge vom Himmel fallen, der in die richtige Richtung weist. So könnte es wahr werden. Wenn der Wunsch nur deutlich genug ist, wenn er am Herzen liegt.
Wenn die Hände sich regen und nicht im Schoß ruhen wollen
Bei ZAFRAN sind den Frauen die Hände gebunden. Diese vielen Hände, die sich regen und tausendundeine Köstlichkeiten zaubern und Mittagstische decken, wo Menschen sich zahlreich sammeln, tagen, einander treffen und miteinander in Austausch gehen. Von Tagungen über Veranstaltungen und Feiern, darf wohl eine Weile noch nur geträumt werden – doch den Frauen wird die Zeit lang.
Seit sich im September 2019 ZAFRAN als sozialer Cateringbetrieb gründete, ist das mehrsprachige Team aus verschiedenen Frauen* weiter zusammengewachsen. Das Unternehmen beliefert Privatfeiern, Firmen-Events, Fachtage und Festveranstaltungen mit Fingerfood- oder warmen Buffets in einer besonderen Mischung aus hochwertiger kaukasischer und syrischer Küche, die perspektivisch durch afghanische Speisen ergänzt wird. Alle Gerichte werden frisch zubereitet, die Buffets dekorativ angerichtet.
Mitarbeiterinnen sind angestellt und optimieren Menü und Herstellungsabläufe. Freie Mitarbeiterinnen arbeiten autonom. Alle probieren, planen, verwerfen und lernen sehr viel dabei. Die Mitarbeiterinnen werden fair entlohnt und entwickeln den Betrieb auf Augenhöhe. Bei Bedarf erhalten sie soziale und behördliche Unterstützung. ZAFRAN Soziales Catering steht für die nachhaltige Stärkung von Frauen* mit Fluchterfahrung.
Der Wunsch nach ZAFRAN auf lokalen Märkten
Wer schon einmal die Gelegenheit hatte, wird sich des guten Geschmacks der hochwertigen arabischen, kaukasischen und persischen Speisen erinnern. Vor allem werden von ZAFRAN Catering interessante Fachveranstaltungen, liebevolle Feiern und kreative Seminare bewirtet. In diesem Jahr sind jedoch viele Großaufträge wegen der Pandemie storniert worden. Dennoch hat ZAFRAN in der Johannstadt und über den Stadtteil hinaus auch in der jetzigen, für alle schwierigen Zeit viel wertschätzende Zusammenarbeit erfahren!
Wenn das noch junge Unternehmen nach vorne blickt, ist allen Beteiligten klar, dass Veranstaltungen weiterhin unsicher sind.
Daher steht nun an, zusätzlich auf lokalen Märkten Fuß zu fassen, vielleicht sogar auf dem geplanten Wochenmarkt auf dem Bönischplatz?! Um in den Zeiten der Corona-Pandemie weiter handlungsfähig zu bleiben, will das Team aus Aminat, Clara, Dagmara, Fatema, Roya, Roza und Zahra ihre hausgemachten Speisen ab 2021 auch auf Märkten anbieten und dafür einen entsprechenden Stand gestalten.
Seit langem ist eines der erklärten Ziele, dass Aminat als feste und erfahrene Mitarbeiterin im Team ihren Führerschein macht, damit sie die Auslieferung der Caterings übernehmen und selbstständig organisieren kann.
Die gute Fee der Crowd
Für die Umsetzung dieser beiden Ziele hat ZAFRAN nun ein Crowdfunding gestartet:
Mit der Unterstützung aus der Crowd würden ein Markt-Pavillon, eine gasbetriebene Stahlpfanne für die Herstellung von Piroggen, ein großes Banner mit Logo und sechs Blusen mit Logo sowie der Führerschein finanziert. Mit der Summe der Fundingschwelle kann ein Großteil der Ausgaben getätigt und der Verkauf auf den Märkten gestartet werden: ZAFRAN würde handlungsfähig bleiben. Alle Gelder, die über das Fundingziel hinausgehen, fließen in die Förderung der Mitarbeiterinnen.
In der bisherigen Laufzeit von vergangenen 19 Tagen haben sich bereits 70 Unterstützende gefunden, die mit ihren Spenden schon eine beachtliche Summe zusammengetragen haben.
Der Fundingzeitraum beläuft sich noch bis zum 24.01.2021 und darf gern ausgenutzt werden.
Teilen und Weitersagen ist ausdrücklich erwünscht : )!
Wer die Plattform besucht und das Unternehmen mit einer Spende unterstützen will, kann sich eine der kulinarischen Prämien sichern, von der hausgemachten Schichttorte bis zum online-Kochkurs.
Clara von Verschuer und das Team von ZAFRAN werden jede Unterstützung dankbar in die Motivation zur weiteren Arbeit stecken!
eingestellt am 24.12.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: (S)Ein Licht in Die Welt tragen - Die Weihnachtsbotschaft kommt dieses Jahr live und online. Foto: Torsten Görg
Nachdem auch an der Elbe kein Präsenzgottesdienst stattfinden darf, hat die Johanneskirchgemeinde einen Videogottesdienst produziert, der in Kooperation mit Willkommen in Johannstadt, Mission Lifeline und Paradiesisch Musizieren der Evangelischen Hochschule nicht nur das Format bisheriger Gottesdienste übersteigt, sondern auch der Weihnachtsbotschaft einen live-Charakter verleiht, der zu den Menschen bis nach Hause dringt : Ein Wort zu dem anderen Weihnachten 2020 – Interview mit Pfarrer Tobias Funke.
Sie können Weihnachten in Ihrer Gemeinde nicht mit einem festlichen Gottesdienst feiern: Was tun Sie als Pfarrer und was machen die Menschen, die sich in der Kirche nicht versammeln dürfen?
Pfarrer Tobias Funke: Es ist ja nicht so, dass die Gotteshäuser zu sind. Das ist ja der Unterschied zu Ostern, als Gottesdienste verboten waren, Präsenzgottesdienste muss man ja sagen. Es gibt ja jetzt auch viele andere Formen von Gottesdiensten. Das haben wir im letzten Jahr gelernt und immer wieder auch gesehen, dass der Gottesdienst auch gut zu Hause stattfinden kann. Bei der Hausandacht, vor dem Fernseher, dem Bildschirm, man auch zu Hause den Gottesdienst miterleben kann. In einer kleinen Hausgemeinschaft oder auch alleine, was jetzt nicht nur durch Corona gekommen ist.
Ich mache ja viele Hausbesuche, dann kommen wir gemeinsam ins Gespräch und dann erzählen mir auch ältere Leute, „Ach ja, der Fernsehgottesdienst, das gibt mir doch mehr, da verstehe ich alles und dann bin ich auch mehr mit dabei als wenn ich in die Kirche gehe. Das war schon vor Corona so und das verstärkt sich jetzt natürlich noch mehr.
Licht verwandelt – Foto: Torsten Görg
Wie gestalten Sie Weihnachten jetzt in Ihrer Kirchgemeinde?
Pfarrer Tobias Funke: Die Sächsische Landeskirche hat es den einzelnen Kirchgemeinden frei gestellt oder an die Beauftragten übertragen, selbst zu entscheiden. Das ist eine große Verantwortung, die jede*r da hat.
Wir haben uns dafür entschieden, die Präsenzgottesdienste ausfallen zu lassen. So wie die letzten Jahre gibt es das sowieso nicht: Wir dürfen nicht singen, wir dürfen uns nicht lange versammeln, es müssen alle Kontakte aufgeschrieben werden. Daher wird es in der Johannstadt nur den offenen Kirchsaal im Gemeindehaus geben, dass man kurz, vielleicht für 10min sich da hinsetzen kann, die Weihnachtsgeschichte hören kann und dann zur anderen Seite wieder geht und im Stall, im Gemeindegarten dann sich das Licht von Bethlehem holt. Das ist die Form, die wir jetzt für verantwortbar halten, um Ansteckung zu vermeiden.
In der letzten Verantwortung muss das natürlich jede*r selber entscheiden, ‚gehe ich da jetzt hin oder gehe ich nicht dort hin’. Das obliegt jeder und jedem Einzelnen.
Licht verwandelt – Foto: Torsten Görg
Welche Angebote gibt es für Leute, die unter den Umständen nicht kommen können?
Pfarrer Tobias Funke: Deshalb gibt es in der Kirchgemeinde auch verschiedene online-Angebote, in drei verschiedenen Formaten: Eins für Kinder, ein Kinder-Krippenspiel, das die Gemeindepädagoginnen einstudiert und aufgenommen haben. Dann wird es ein Krippenspiel geben, das die Erwachsenen eigentlich auf der Fiedlerstraße draussen gespielt hätten, so hatten wir es geplant. Das wird es auch online geben, mit dem Gospelchor, das wird auch eingestellt sein. Und auch das, was wir dieses Jahr Weihnachten an der Elbe gefeiert hätten, zusammen mit Mission Lifeline und Willkommen in Johannstadt, wo wir gerade auch das Thema Flucht nochmal thematisieren. Das haben wir jetzt vorproduziert und wird dann auch auf unserem you tube-Kanal abrufbar sein. Ich kann so viel verraten, daß es sich um ein beeindruckendes, für mich sehr beeindruckendes Gottesdienstvideo handelt.
Wer hat an diesem Videodreh für den Heiligabendgottesdienst alles mitgewirkt?
Pfarrer Tobias Funke: Wir haben den Christoph Müller Paul Hoorn, der auch hier in der Johannstadt bekannt ist mit dem Paradiesorchester der Evangelischen Hochschule EHS gewinnen können, der die Musik macht. An der Elbe singt er auch mit seiner Tochter und einem Musiker aus Syrien, der die Oud spielt, das Lied Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, als Sinnbild: Wir haben Platz, es ist Platz in der Herberge, nicht nur Platz in der Herberge von Bethlehem, sondern es ist auch bei uns Platz.
Wir fordern, dass die Situation gerade in Moria und auf den Fluchtbooten eine Änderung braucht. Gerade jetzt zu Weihnachten. Deswegen gibt es auch die Zusammenarbeit mit Mission Lifeline, die eine Institution hier aus Dresden sind.Einer der letzten Crew von Mission Lifeline, hat uns ein Video zur Verfügung gestellt aus dem Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, das ist da jetzt mit eingebaut.
Mit dabei ist auch eine Syrerin, die in Johannstadt lebt, das hat uns WIJ übermittelt, die ihre Fluchtgeschichte erzählt, wie sie hier nach Dresden gekommen ist. Und dann haben die Konfirmanden die Weihnachtsgeschichte eingelesen und Juliane Asmann und ich haben eine Art Predigt, eine Verkündigung dazu beigetragen. So dass das ein Gottesdienst ist, der geht 40 Minuten lang, den man zu Hause sich anschauen und mitfeiern kann. Wie es an der Elbe hätte sein sollen.
Licht verwandelt – Foto: Anja Hilgert
Was ist eigentlich Gottesdienst? Pfarrer Tobias Funke: Der Gottesdienst ist für mich das, was passiert, wenn Menschen zusammenkommen – da ist der Gemeinschaftsaspekt ganz wichtig –und die überlegen, wie kann ich mich darauf konzentrieren: Auf meine Beziehung zu Gott, aber auch: Was bedeutet das in meiner Beziehung zu Gott und der Welt. Deswegen kann ich da Glauben und Handeln schwer auseinandernehmen, die bedingen sich jeweils gegenseitig.
Weil ich an Gott glaube, weil ich von Gott geliebt bin und Verschiedenes geschenkt bekommen habe, meine Begabungen, auch mein Leben, deswegen engagierte ich mich für Gerechtigkeit, für eine bessere Welt. Nicht aus mir heraus, das kann ich selber nicht leisten, das ist diese Gnade, die mir da zukommt, die geschenkt ist. Das finde ich auch die zentrale Weihnachtsbotschaft, dass dieses Licht, das von Bethlehem ausgeht, auch im Dunkelsten immer wieder leuchtet. Und dass das mich befähigt, da auch gegen Dunkelheiten etwas auszurichten, ein bisschen Licht zu spenden.
Licht verwandelt – Foto: Anja Hilgert
Welche Bedeutung hat dann das Zusammenkommen der Menschen an Weihnachten?
Pfarrer Tobias Funke: Ich kenne viele Menschen, denen ist es ganz wichtig, da in Gemeinschaft zu sein. Glaube hat ja immer auch mit Zweifel zu tun und da ist es wichtig, sich gegenseitig auch immer zu bestärken. Denn so etwas wie die gemeinsamen Lieder oder die gemeinsamen Texte, aber auch der gemeinsame Austausch, also Gottesdienst, ist für mich keine Einbahnstraße: Einfach da vorne zu reden und die anderen hören alle zu, sondern das ist ein Kommunikationsgeschehen, das diese drei Ebenen hat: Die Beziehung zu Gott, also die Kommunikation zwischen mir und Gott, aber auch die Beziehung zwischen mir und meinem, meiner Nächsten, indem ich da auf die Not schaue und die Probleme der Mitmenschen wahrnehme. Aber auch als dritter Aspekt die Kommunikation in der Gemeinschaft, das verleiht gegenseitig Stärke. In einem guten Gottesdienst passieren für mich diese drei Dinge. Und das ist dann eben nicht nur der Sonntagsgottesdienst früh, mit Glockengeläut, sondern das passiert auch im Alltag, dass ich Gott diene, dass Gott sich mir zeigt und ich daraus handeln kann. Und da kann Gott auch Mensch werden, indem ich mich um Andere kümmere. Da wird Weihnachten auch Wirklichkeit.
Woher kommt gerade jetzt die Kraft, dafür den Raum zu öffnen? Pfarrer Tobias Funke: Das ist natürlich schwerer jetzt und besonders für das Singen, dass das wegfällt. Ich bin in Leipzig an der Thomaskirche aufgewachsen, da hat das Singen gerade auch der Weihnachtslieder einen ganz großen Stellenwert. Aber wir singen in der Familie natürlich trotzdem jetzt auch, und da würde ich auch alle einladen, in Familie, im kleinen Kreis oder alleine – am Telefon kann man auch singen.
Es gibt ausserdem verschiedene Aktionen: Am Weihnachtsabend kurz nach 18 Uhr, nach dem Abendgeläut soll „Stille Nacht, Heilige Nacht“in ganz Deutschland gesungen werden, dass die Menschen auf die Balkone oder auch vors Haus treten und in großer Gemeinschaft singen.
eingestellt am 28.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Gut verträgliche Nachbarschaft von Schwalben und Menschen Foto: Anja Hilgert
Kunstnester sind von Menschen geschaffene Nester zum Beispiel für Mehlschwalben, um sie zu beheimaten. Mehlschwalbenkunstnest, ist ein Wort, das man sich über die Lippen rinnen lassen kann, um der Bedeutung auf die Spur zu kommen. Denn obwohl Schwalben die Nähe zu Menschen suchen und sich im städtischen Raum heimisch machen, finden sie in unseren Städten immer seltener die Lebensbedingungen mit den Baumaterialien und den Brutmöglichkeiten, die sie zum Überleben brauchen. Der Bestand der Schwalben ist rückläufig.
Die Kunst des Nestbaus – Nisthilfe für Schwalben
Jedes Jahr klingt der Ruf: „Die Schwalben sind zurück“ wie ein magischer Spruch und ist es auch, denn er macht den Einzug des Frühlings gewiss. Dann beginnen die Schwalben, aus ihrem Winterquartier südlich der Sahara zurückkehrend, bei uns mit dem Nestbau: Aus Ton und Lehm bauen sie ihre rundlichen Höhlen, die auf Vogelflughöhe an Hauswänden haften. Sie betreiben eine regelrechte Kunst des Nestbaus, die allerdings rar geworden ist.
Nun ist also Zeit, im Stadtteil vorzusorgen: Für die Rückkehr und hiesige Beheimatung der Schwalben nach diesem Winter.
Diesem Gedanken folgte Robert Arndt, der in der Johannstadt das Projekt ins Leben gerufen hat, Nistkästen für Mehlschwalben im Stadtteil zur Verfügung zu stellen. Das Anbringen von Nisthilfen kann lokal zu Bestandsverbesserungen bei den Schwalben führen. Um die Idee zum Schutz der Zugvögel bei uns umzusetzen, erhielt er die eindeutige Zustimmung des Johannstädter Stadtteilbeirates und Fördergelder aus dem Stadtteilfonds.
Beratende Unterstützung findet das Johannstädter Förderprojekt bei der Beauftragten für Umweltschutz mit Schwerpunkt Naturschutz und Ökologie des NABU Regionalverband Meißen-Dresden. Marion Lehnert arbeitet seit 23 Jahren professionell in der Vermittlung naturschutzrelevanter Themen und hat sich mit dem Projekt „Artenschutz an Gebäuden“ die Umsetzung von Naturschutz in der Stadt vorgenommen.
Ihre Nester haben die Zugvögel an den Häusern für die Rückkehr hinterlassen Foto: Anja Hilgert
Ungewusst oder ungewollt – der Vogelbestand wird zurückgedrängt
Durch verstärkte Sanierung und Wärmedämmung von Gebäuden gehen den Tieren ihre Quartiere verloren. Meist ungewusst oder ungewollt wird damit der Bestand vor allem der Schwalben und Mauersegler zurückgedrängt.
Schwalbenarten sind jedoch sehr standorttreu und kehren vorzugsweise jahrelang an dieselben Plätze zurück. Robert Arndt wirbt dafür, dass sich Johannstädter*innen einsetzen, ihr Haus schwalbenfreundlich zu machen. Noch zehn Nistkästen sind im Rahmen des Projektes frei Haus zu vergeben. Und Marion Lehnert stellt in Aussicht: „Wenn Eigentümer*innen die Mehlschwalbenkunstnester anbringen, können wir als NABU Regionalverband ihnen auch die Schwalbenplakette verleihen.“
Die bestellten Nistkästen sind ein Naturschutzprodukt, das denjenigen, die sich am Projekt ‚Nisthilfe in der Johannstadt‘ beteiligen, zur Verfügung gestellt wird, zum mietfreien Wohnen für Schwalben! Laut Hersteller halten die Kästen ein Leben lang. Für die Johannstädter Mehlschwalben handelt es sich um die Variante mit einer Fluglochgröße von 28mm und 32mm, für die Vögel, die eine freie Einflugmöglichkeit brauchen.
Schwalbennisthilfe im Doppelpack: 3,5 kg schwer, Breite 38cm x Höhe 12 cm x Tiefe 15cm Foto: Susi Jaeschke
Das A und O der guten Befestigung
Die Kästen sind aus Holzbeton und daher reichlich schwer. Das A und O ist also eine gute Befestigung. Eigentlich wollte Robert Arndt anbieten, bei der Befestigung mitzuhelfen, aber durch Corona sind Wohnungs- bzw. Balkonbesuche nicht möglich. „Wir geben von Weitem viele Infos an die Hand“, sagt seine Frau Susi Jaeschke und erklärt, dass unterstützende Beratung dennoch gut möglich ist: „Einige Leute haben Bilder vorab geschickt, ob ihr Platz, den sie vorgesehen haben, für einen Nistkasten geeignet ist und wenn ja, welcher.“
Marion Lehnert meint, es kann gut und gerne zwei oder drei Jahre dauern, bis die Kästen angenommen werden. Sollte es an einem Aufhängungsort gar nicht klappen, dann ist ein Platzwechsel angezeigt.
Es gibt einfache Faustregeln…. Mindesthöhe zwei bis drei Meter. Wenn es keinen Vorzugs-Nistplatz gibt, weichen die Vögel unmittelbar auf das nächstliegende Angebot aus. Ganz wichtig: Der Kasten darf auf gar keinen Fall Mittagssonne abbekommen. Sonst kollabiert die Brut in der Hitze und stirbt.
Holzbeton ist eine Materialmischung, die Witterungseinflüssen sowohl bei Kälte aber auch bei Hitze standhält. Zudem ist es pflegeleicht. Bereits kochendes Wasser genügt, um die Kästen zu reinigen. Die Nist-Pat*innen müssten im Oktober die Kästen, die benutzt wurden, reinigen. In der Natur würden die Nester nach zwei bis drei Jahren von alleine abbrechen und herunterfallen. Die Vögel würden an derselben Stelle im Folgejahr neu bauen. Das Gute in der Natur: Mit dem Nest fallen auch die verbliebenen Parasiten herunter. Das muss bei den Kunstnestern der Mensch mit übernehmen. Mit dem Reinigen reduziert man den Parasitendruck auf die Brut im nächsten Jahr.
Die Nisthilfe-Initiative läuft an
Die Anregung zum Anbringen von Schwalbennistkästen stößt im Viertel bereits auf Resonanz: In der WGJ (Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG) wird von einem Außenmitarbeiter nach passenden Stellen an den Häusern geforscht. Hier hat man mit seltenen Vogelarten, die ihr Zuhause bei der Wohnungsgenossenschaft suchen, bereits Erfahrung. An einem Haus in Elbnähe lebt derzeit ein Falke. Der wiederum ist das Ausschlusskriterium, dort auch Schwalben zum Nisten anzuregen, denn der Nachwuchs wäre sogleich ein gefundenes Fressen.
Auch der Abenteuerspielplatz (ASP Johannstadt-Altstadt) auf der Silbermannstraße bekundet Interesse an dem Nisthilfe-Projekt, um insbesondere Kinder miteinzubeziehen bei der Quartiersuche für die Zugvögel des kommenden Frühlings.
Private Hauseigentümer taten sich dagegen noch schwer. Manche scheuen, für die Vögel ein Loch in die Hausfassade zu bohren. Gerade bei Hauseigentümern sind Schwalben als Mitbewohner nicht sonderlich beliebt – wegen des Kots und der Spuren, die er möglicherweise am Gemäuer hinterlässt. Ich erinnere mich, als ich Kind war, zählten schmale Bretter unter den aneinandergereihten Schwalbennestern zur Optik der Häuser dazu. Das Zusammenwohnen mit den Tieren, die dicht bis an die Häuser herankamen, war, wie mit Haustieren, hier selbstverständlich. Gegen unliebsame Spuren an der Wand würden Kotbretter auch unter städtischen Nistplätzen gut helfen.
Mehlschwalben– sie gehören mit ihrem weißen Bauch, den spitz zulaufenden, bläulich schimmernden schwarzen Flügeln und dem typischen gegabelten Schwanz zu den bekannteren Vögeln in der Stadt. Sie beheimaten sich gerne an Aussenwänden von Gebäuden, an Mauervorsprüngen, und unter Giebeln und Balkonen. Ihr pfeifendes Rufen während waghalsiger Flugmanöver zwischen den Häuserzeilen gehört in der Johannstadt fest zum Sommer dazu.
Zehn Nesthilfe-Kästen sind derzeit noch zu vergeben.
eingestellt am 20.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Dialogfähig bleiben in einer zeitgemäßen Senior*innenarbeit. Foto: Anja Hilgert
Zwei Frauen halten das tief in den Stadtteil eingetauchte Gemeinde-Netzwerk möglichst elastisch, denn die Fäden in ihren Händen werden gerade ganz schön strapaziert. Wenn der Blick erst einmal darauf gefallen ist, was die Senior*innenarbeit in der Johannstadt bewegt, so erscheint’s erstaunlich, wie stark da Verbindungen geknüpft sind voller Haltekraft.
Auf der Haydnstraße 23 spielt das lose Laub über die Treppenstufen. Das Gebäude sieht wie so viele öffentliche Häuser in der Stadt kaum Besucher*innen in diesen Tagen. Trotz ausgeklügelter Raumkonzepte und hoch diszipliniert eingehaltener Hygieneregeln können sich hier die Gemeindemitglieder nicht sammeln. Die vielen verschiedenen Kreise für Krabbelnde, Mädels, Junge Erwachsene, Aktive, Kreative, Blinde, Singende, Spielende, Männer, Frauen, Gespräch und Gebet Suchende sind derzeit ausgesetzt, vertagt, fallen aus. Menschen, die hierhin verbunden sind, vermissen ihre regelmäßigen Anbindungspunkte, missen die Gemeinschaft – doch fallen tun sie nicht.Dafür tragen zwei Frauen in der oberen Etage des Johanneshauses Sorge.
Blicköffnend war ein Besuch in der Kanzlei der Evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Johannes-Kreuz-Lukas, bei Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier, die hier die hauptberuflichen Senior*innen-Mitarbeiterinnen sind.
Zwei engagierte Frauen in der oberen Etage des Johanneshauses. Fotos: Anja Hilgert
Den Wert des Alters erkennen
Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier arbeiten schwerpunktmäßig in der Senior*innenarbeit. Was sie dort tun, ist nicht ohne Weiteres und schon gar nicht in einen fest definierten Rahmen zu setzen. Zu vielseitig, zu agil, zu reflektiert, beherzt, bedächtig, widerspenstig, zu grenzerweiternd wird hier mit Arbeitsaufgaben umgegangen.
Die alten Menschen und Alter überhaupt, das bei ihnen in der Obhut steht, hat der aktuelle öffentliche Fokus unter dem Aspekt gesundheitlicher Anfälligkeit, Gebrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit in die Aufmerksamkeit gerückt. Wie unter Zoom tragen die Alten unserer Gesellschaft die leidvollen Erfahrungen aus von Isolation, Trennung und Vereinsamung, die im Kern phänomenologisch betrachtet gesamtgesellschaftlich alle betreffen.
Da, wo Menschen alltäglich mit Alten arbeiten, erhält die Betrachtung zusätzliche Bildpunkte und Tiefenschärfe. Hier wird unabdingbar die seelische Annäherung an den späten Abschnitt im Leben eines Menschen vorgelebt. Um den jetzt erforderlichen, erneuerten Umgang mit dem Thema Alter, Krankheit und Sterblichkeit zu ermöglichen, braucht es eine Re-sensibilisierung für das Altern und die Bedeutung des Altseins an sich.
Eine Herausforderung, die sich an uns alle richtet. Im Stadtteilleben vor Ort, in das auch die Kirchgemeinde eingebettet ist, haben sich bereits vor einigen Jahren die Akteure zu einem Netzwerk „Johannstadt 60+“ zusammengeschlossen, um sich verstärkt den besonderen Bedürfnissen der Älteren in unserer Gesellschaft zuzuwenden. Dieses Netzwerk engagierter Johannstädter Senior*innenarbeit stiftet einen Horizont, in dem ältere und alte Menschen ihre Lebendigkeit wertschätzend (er)leben können.
Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier geben von ihrer Position aus wertvolle Impulse im Stadtteil und stiften Bande, die dem Wohl derer zukommen, die aus der gesellschaftlichen Mitte hinaus an ihren Rand gedrängt sind. Die Tür öffnet sich dem Versuch reiner Humanität, die nicht nach wirtschaftlichen Interessen funktionieren muss.
Ein dynamisches Gespann
Das Große Basteln genauso wie das gemeinsame Mahl zum Jahresende, mit einziehender jahreszeitlicher Dunkelheit für den November geplant, fallen mitsamt wochenlang ausgearbeitetem Raum- und Lüftungskonzept, den Teil-Lockdown-Verordnungen zum Opfer. Tätigkeiten, die den eintrübenden Geist aus Herbsttief und Winterloch manövrieren, können an den großen, bereits auseinandergerückten Tischen derzeit nicht gemeinschaftlich stattfinden.
Für viel Arbeit, die in Vorbereitungen und noch mehr Vorbesprechungen geflossen ist, sei das ein krasser Rückschlag – könnte man meinen, doch so wird unter den beiden zuständigen Frauen nicht interpretiert. ‚Ausfallen‘ ist ein Wort, das diese beiden im Vokabular nicht führen. Dafür hat sie das vergangene halbe Jahr nach dem ersten Lockdown zu viel Anderes, Gegenteiliges, gelehrt.
Die Reaktion auf die erneute “Verunmöglichung” ist zuversichtlich aufs Machbare gerichtet, aufs Ermöglichen und Zusammenkommen: „Wir haben den allergrößten Teil unserer Veranstaltungen aus dem November hinaus in den Dezember hinein verschoben und hoffen nun auf eine gewisse Durchführbarkeit“, sagt Susanne Schmitt und kündigt die Angebote nun verschoben für den Advent an. Allerdings, wie aller Orten, herrscht die Unsicherheit, was die Verordnungen für den Adventmonat bringen und wie die Sächsische Landeskirche darauf reagieren wird. Viele Absprachen sind noch zu treffen, ein „Plan B“ wartet im Hintergrund, wozu Konfirmand*innen und Jugendliche aus der Jungen Gemeinde bereits ihre Bereitschaft signalisiert haben, um die adventliche Feierlichkeit für die Senior*innen zu unterstützen.
Beide Frauen, soviel ist zu bemerken, gehören selbst einer Generation an, die das Alte zu hinterfragen und anzuzweifeln geübt hat: Als Kinder der 68er Generation, einesteils west-sozialisiert, andernteils im Umfeld der Kirche durch DDR-Zeiten manövriert, sind diese beiden Frauen zwei Pole, die sich fürs Leben einzusetzen gelernt haben. Und sie ergänzen sich – wie rot und blau – zu einem dynamischen Gespann.
Das Senior*innen-Arbeitszimmer entpuppt sich als Agentur zweier handlungsbewusster Menschen, die das Ruder gerade jetzt, in Zeiten von Gruppenverbot und Kontaktsperre, noch einmal zupackend umfassen.
Anne Mechling-Stier / Senior*innenarbeit im Johanneshaus Foto: Anja Hilgert
Lock down – Es geht auf andere Weise weiter
Während des ersten Lockdowns waren Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier bis Juni im Homeoffice und haben „dann aber den Hebel ziemlich schnell umgelegt,“ sagt Anne Mechling-Stier. Es sei um schnelles Umdenken, zügiges praktisches Handeln gegangen, ergänzt Susanne Schmitt „und gleich das Signal auszusenden: ‚Es geht auf eine andere Weise weiter.’“
Die Unmöglichkeit bzw. das Verbot, einander zu treffen und zu begegnen, grenzte für Manche ans Gefühl der Verzweiflung. Susanne Schmitt ist überzeugt, dass es lebens-wichtig ist für Menschen, im Sich-selbst-überlassen-Sein zu hören: „Wir haben Euch nicht vergessen.“
Die Frauen definieren sich in ihrer Rolle als Vermittelnde: „Im Kern geht es um Mitmenschlichkeit im Tun, Menschen tun etwas für Menschen.“ Die Arbeitsaufgabe war, so macht es Susanne Schmitt konkret, „die Nachbarschaften zu organisieren“ und „mikroteilig“ ein Netz aufzubauen, dass unter allen Beteiligten wie familiär funktionierte.
Und Anne Mechling-Stier setzt hinzu, „um Deprivation vorzubeugen.“ Das Ausgeschlossensein von alltäglichen Aktivitäten, abgetrennt von Familie, Bezugspersonen, Freunden, Bekannten und Kreisen, fern jeglicher Geborgenheitserfahrung– erschwert den täglichen Lebensvollzug. Alte Menschen, die naturgemäß ohnehin mehr Zeit allein verbringen, sind durch die allgemeine Kontakt- und Ausgehverordnung allzu häufig an die Schwelle zur Vereinsamung geraten.
Im entstandenen Off richteten die Kanzlei-Mitarbeiterinnen als Erstes ein Senior*innentelefon ein. Beide waren fortan mobil erreichbar. Die Betagtesten sind nicht digital aufgestellt, also wurden alle per Brief angeschrieben und von den über 70jährigen haben die beiden Frauen zu zweit über 400 Leute angerufen, um die Lage zu ermitteln.
Susanne Schmitt: „Wir wollen fragen: ‚Wie geht es Ihnen? Was sind Ihre Bedürfnisse?‘“ Anne Mechling-Stier: „Wir gehen mit solchen Ohren um – wo ein Bedürfnis hörbar ist, wird sofort etwas unternommen.“
Im Ethos, den alten und älteren Menschen des Stadtteils Partner auf Augenhöhe zu sein, integrierten und kombinierten sie Bedarf und Ressourcen in ihrer Gemeinde und wurden damit zu Anstifterinnen völlig neuer Wege und Verbindungen.
Senior*innen-Projekte to go
Wie im Handumdrehen entstanden Angebote, die vorher nicht in Reichweite lagen: „Wir haben Dinge gemacht, die wir voriges Jahr nicht für möglich gehalten hätten,“ sagen die beiden Frauen. Über den Sommer wurde das gesamte Programm umgestellt, Kreise trafen sich abwechselnd und rotierend in den Sälen, erstmals gab es auch für Senior*innen „to go“-Angebote. Viele waren daran beteiligt, nicht nur als Teilnehmende, sondern als Aktive.
Erstmals fanden die „Senior*innen-Projekttage“ der Kirchgemeinde komplett als to-go-Angebote querverbindend durch die gesamte Gemeinde statt. Diese hatten als Thema das Paradies auf dem Programm und wurden als Stationen-Rundweg durch die beteiligten Häuser der Kreuzkirche, Lukaskirche und dem Johanneshaus angeboten. Besucher*innen konnten in bestimmten Zeitfenstern einzeln an unterschiedlichen Stationen rund um Adam und Eva in den Rundgang einsteigen und diverse kreative wie seelsorgerisch-geistige Angebote nutzen: Vom Ausstellungsbesuch übers Künstler*innengespräch hin zu kreativen Angeboten, Hoffnungssteinen, Gebeten und Einzel-Gesprächen mit Gemeindepädagog*innen, Pfarrer*innen, Senior*innenarbeiterinnen – das Angebot einer vielseitig aufgestellten Gemeinde war individuell live zu erleben.
„Das war ein reicher zwischenmenschlicher Schatz trotz widriger Umstände,“ sagt Anne Mechling-Stier. Der ‚Paradies-Rundweg‘ fand hohen Anklang. „Es wurden immer mehr, die mit in den Garten gekommen sind,“ schwärmt Susanne Schmitt.
„Die Herausforderungen des Zusammenwachsens der drei Gemeindeteile zu einer großen Innenstadtkirchgemeinde wurden durch die Einschränkungen in diesem Jahr auf eine besonders harte Probe gestellt. Dankbar schauen wir besonders auf ein gelungenes Zusammenwachsen der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen,“ rekapituliert Susanne Schmitt. Und Anne Mechling-Stier ergänzt: „Wie schön, dass wir auch schon bei den Senioren*innen und den Ehrenamtlichen ein gegenseitiges Entdecken erleben. Wir bleiben neugierig aufeinander.“
Sitztanz im Garten Eden
Aus der Erfahrung, dass es z.B. in den 14-Geschossern der Holbeinstraße mehr Menschen gegeben hat, die Hilfe anboten als sie gebraucht wurde, wurde eine zusätzliche Idee ins Leben gerufen: Viele beteiligten sich, Briefe zu schreiben an Bewohner*innen der sechs Pflegeheime in der Johannstadt. Den Bedürftigsten wurden diese lieben Worte dann von Sozialarbeiter*innen in den Einrichtungen vorgelesen.
Im Pfarrgarten fanden von der Tanzleiterin Frau Barbara Blümel kreativ angeleitete Sitztanz-Kreise für Senioren*innen statt, die mehr und mehr Belebung durch begeisterte Teilnehmer*innen fanden. Tanzfreudige Senior*innen trafen sich kurzerhand sogar zu einem Tanz- Kreis im Großen Garten auf der Wiese vor dem Hygienemuseum.
Regelmäßig hielten die Pfarrer*innen der Gemeinde mit Lautsprecheranlage an den Pflegeheimen Andachten. Dass auch die Bläser spielten, hielt Anne Mechling-Stier für einen besonders wertvollen Beitrag. Nachweislich erreicht besonders das Musikalische die tief veranlagten Schichten menschlichen Empfindens und dringt gerade bei Demenz durch alles Vergessen hindurch zu den Menschen vor. Damit waren Signale gesetzt, die auch bei Pflegehilfskräften Alltags-auflockernd und positiv angekommen sind.
Susanne Schmitt / Senior*innenarbeit im Johanneshaus
Foto: Anja Hilgert
Senior*innen-Fahrdienst
Für einen barrierefreien Zugang zu den Angeboten im Stadtteil entstand die bahnbrechende Idee eines Fahrdienstes. Schon zuvor war die Idee zu einer „Generationen-Rikscha“ in der Gemeinde geboren worden. Anne Mechling-Stier ist nicht ohne Grund stolz auf die Umsetzung dieses Projektes: Die Generationen-Rikscha der Kirchgemeinde ist nicht nur ein Publikumsmagnet auf allen Festen, sondern bietet alternative Mobilität und die mühelose Überwindung kürzerer Distanzen da an, wo manch eine*r nicht mehr selbst in die Pedale treten kann.
Ein regulärer Fahrdienst, das “Kirchentaxi” schwebte einer Ehrenamtlichen vor, die ihr privates Auto anbot zur Fahrt für Senior*innen, um sie zu Veranstaltungen und Gottesdiensten in der Gemeinde zu befördern. Fix wurden die Rahmenbedingungen besprochen: „Wie können wir’s organisieren?“ und es brauchte zur Koordination der Fahrdienste lediglich die Anschaffung eines mobilen Telefons – ab da war’s „eigentlich ein Selbstläufer.“ Es gibt die hauptamtlich verantwortliche Schaltstelle in der Kanzlei und die selbstorganisierte ehrenamtliche Koordination und Begleitung: Eine eigene Rufnummer leitet Anrufe direkt an den Fahrdienst des Gemeindetaxis. Auch kurzfristig ist das Bestellen einer Fahrt zum Gottesdienst möglich.
Verständnis ist auch da, wenn eine bestellte Fahrt kurzfristig abgesagt werden muss. „Keine Hemmung“, sagt die Organisatorin und hat Verständnis, dass gerade im Alter die Dinge von Tag zu Tag anders aussehen können. Dieser Fahrdienst hält das Angebot so niedrigschwellig wie möglich: Anruf genügt und das Taxi kommt oder kommt nicht, so, wie es gebraucht wird.
Das Kirchentaxi ist auch jetzt in dieser Zeit der Einschränkungen unterwegs – mit der Auflage einer zu tragenden Mund-Nase-Bedeckung.
Vor dem “Altenteil” geht noch was
Für den Anderen da zu sein, sich Gedanken zu machen, sich zu sorgen um den Nächsten und tätig zu werden, benötigte in kirchlichen Kreisen keinen mühevollen Aufruf. Ehrenamtliches Tun gehört hier zum Selbstverständnis des Gemeindelebens.
Pensionär*innen, die in der nacherwerblichen Phase sich noch nicht auf dem Altenteil fühlen, sondern spüren, ‚da ist noch was‘, und in hohem Alter voll im Leben stehen, waren vom neuen Geist, der in der Gemeinde jetzt schwelte, angesteckt. Sie wurden ermuntert, sich mit Ideen und Engagement aktiv zu beteiligen. Susanne Schmidt findet entscheidend, „dass auch Ältere merken, ich habe ein Gewicht. Ich kann was bewirken.“ In der Notsituation, die der lock down war, fand sie wichtig, zu vermitteln: „Unser Stadtteil hat so viel zu bieten, es gibt so vieles an Angeboten, aber Du kannst Dich auch noch einbringen, Du kannst mitreden.“ Das Aktivieren der Menschen liegt ihr am Herzen. Das aus Improvisation und Experiment entstandene Jahresprogramm 2020 stellt unter Beweis, worauf beide Frauen Wert legen: „Mitzuerleben, ich tue. Nicht nur mit dabei sein, sondern ich darf auch mitentscheiden!“ Dem altbacken tradierten Bild, das von aussen gern herangetragen wird ans Gebiet der Senior*innenarbeit, widerspricht das Maß an aktiver Gestaltung und Beteiligung. Damit sind Zeichen gesetzt für die neu anzuschauende Zukunft.
Bis an die Haustür – der Besuchsdienst
Andere Menschen zu besuchen, ist ein fester Bestandteil der Gemeindearbeit. Man kennt einander, weiß umeinander, weiß, wo jemand allein ist, wo Gebrechen, wo Bedürfnisse sind. Der Besuchsdienst war als nachbarschaftliche Struktur 2011 von Susanne Schmitt neu belebt worden, um einerseits mit den jüngeren Senioren*innen in Kontakt zu treten und andererseits zu den Betagtesten „die Brücke aufrecht zu erhalten.“ Jetzt war er nötiger denn je. Und die Bereitschaft von Gemeindemitgliedern, andere im Alleinsein aufzusuchen, hoch: „Wir wollen auch in diesen Zeiten vorbei gehen, und wenn wir durch die Sprechanlage sprechen können.“
Jede*r 75jährige Jubilar*in wird bei sich zuhause besucht: „Weil Du da bist,das ist eigentlich der Glückwunsch, wenn jemand Geburtstag hat.“ Die Jubilar*innen der Johannstadt sind von 75 bis 101 Jahre alt. Darüber hinaus finden persönliche Besuche nach individuellem Bedarf und jeweiliger Einschätzung statt. Der Beziehungsaufbau lebe doch von der häuslichen Nähe, betont Susanne Schmitt, und dass man „,mal eine Hand auf die Schulter legen kann.“ Durchschnittlich werden allein bei den 75Jährigen 130 Besuche im Jahr gemacht von den 10 Ehrenamtlichen, die an der Türe läuten, wo ihr Besuch und damit Gespräch und liebe Geste erwünscht ist.
Unter den Ältesten der Senior*innen ist die hochbetagte Altersgruppe den Pfarrer*innen zum Besuch vorbehalten. Da wandeln sich die Themen:
Die Lebensendlichkeit ist im hohen Alter ein die Tage ständig begleitender Gedanke. Viele Menschen haben da den Wunsch nach einem seelsorgerischen Gespräch, auch Menschen, die der Kirche weniger nah stehen. Die Frage, was mit dem Tod kommt und wie es sein wird, wenn, was jetzt ist, einmal nicht mehr ist, ist groß. Viele stellen sie sich erst, wenn spürbar das Leben zu Ende geht. Im Gespräch lassen sich die Fragen und auch Befürchtungen bewegen: Gibt es offene Rechnungen? Ist etwas noch wieder gut zu machen? Wie lässt sich vergeben?
Solche Fragen werden im Besuchsdienstkreis dennoch generell bewegt: Zur Stärkung dieses Ehrenamtes treffen sich die Ehrenamtlichen in einem eigenen Zirkel, der Austausch und auch Weiterbildung fördert. Alle 2 Monate findet eine “Supervision light” statt, um Raum für gemeinsames Betrachten, Sinnen und manchmal auch Beratschlagen zu schaffen für Erlebtes. Menschen, die gerne auch Besuche bei alten Menschen machen möchten, sind im Besuchskreis jederzeit willkommen sich anzuschließen.
Du beheimatest Dich nur, wo es verbindlich ist
Rückblickend auf dieses ungewöhnliche Jahr undden aufgestellten Jahresbogen sagen Anne Mechling-Stier und Susanne Schmitt einvernehmlich: „Wir haben uns eigentlich ganz gutgemacht.“
Sie sind an den widrigen Herausforderungen gereift. Eine andere Wertigkeit sei entdeckt worden, die lebensbejahende Weltbetrachtung habe sich bewährt und den Mut gestärkt, weiter Inhalte zu schaffen, die mit der ganz konkreten Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun haben. Menschen aufeinander zu zu bewegen, könnte als Motto über der Bürotüre stehen.
Der Entschluss steht, Veranstaltungsformate über Bord zu werfen, die sich überlebt haben. Die Chance sei jetzt da, weiter hinaus zu treten aus dem Klischee der Seniorenkaffeefahrt.
Nur ist die Frage, wie weit die Puste reicht, vor allem auf der anderen Seite, in den häuslichen Wohnungen, wo es durch den lock down wieder einsam und still wird.
Die Adressen sind gesammelt von Menschen, „wo wir erleben, dass sie alleine sind, wo der Pflegebedarf steigt.“ Traditionell werden von vielen Freiwilligen, die in der Gemeinde alle Jahre wieder backen, basteln, Besinnliches stiften, Besuchs-Tüten gepackt für die Advent-Hausbesuche im Anschluss an den Diakonischen Gottesdienst zum 3.Advent.
Jede*r kann kommen, wer mag, um sie auszuteilen, ein Tütchen mit auf den Weg zu nehmen, für einen lieben Gruß an einer Haustür. Der Gottesdienst ist extra kurz gehalten. Das Foyer ist vollgestellt mit den bepackten Weihnachtstütchen für die Ältesten im Stadtteil: 100 Stück, und bisher haben immer alle ihren Weg zu den Menschen gefunden.
Ausblick Senior*innenangebote im Dezember
03.12. Das Große Basteln für Jung und Alt – Eine Alternative im „to-go Format“ wird vorbereitet
05.12. Senior*innen-Advent mit Überraschungs-Format – Eine Alternative als „Bringe-Variante“ durch die Konfirmanden und die Junge Gemeinde wird vorbereitet.
07.12. Senior*innenkreis – Eine Alternative als „Postwurf-Sendung“ wird vorbereitet
13.12. Diakonische Advents-Besuche im Anschluss an den Gottesdienst zum 3. Advent
14.12. Frauen im Gespräch – Eine Alternative als „Postwurf-Gesprächsimpuls“ wird vorbereitet
eingestellt am 10.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Jetzt im Wintertakt - die Johanna auf der Elbe Foto: Anja Hilgert
Dresden leistet sich neben seinen Brücken einen Fährbetrieb über die Elbe. Zur Johannstadt gehört die Fähre wie der Fährgarten zum Stadtteil dazu. Die Ufer der johannstädtischen und der neustädtischen Seite beständig wechselnd, kreuzt sommers wie winters, von morgens früh um sechs, die Johanna, Baujahr 1999 den Strom. Ab November gilt der Winterfahrplan für die Elbfähre.
Für die Linie der Dresdner Verkehrsbetriebe mit offiziellem Namen Linie F 17 (DVB), die von der Fährstelle Johannstadt – Neustadt verkehrt und zurück, ist jetzt der Winterfahrplan dran – gültig ab 2. November 2020.
Johanna und ihre Schwestern verkehren jetzt täglich von 6.30h bis 18.30h, ohne feste Verkehrszeiten, sondern je nach Bedarf von einer zur anderen Seite der Elbe.
Wie ein Pendel über den Fluss
Oma, Opa, Enkelkinder, Mann mit Hund, die immer gleich gekleideten Zwillingsschwestern, Frau mit Fahrrad, morgens die Schulkindergruppe, mittags Tourist*innen und sonntags die ganze Familien-Kaffeegesellschaft – alles verschifft die Johanna, die 75 Personen Platz bieten kann, im Sitzen an der Reling und mehr noch im Stehen.
In Stoßzeiten bewegt sich das Boot wie ein Pendel über den Fluss, Akkord für den Fährmann: Ablegen, rüber machen, festtauen, zusteigen lassen, das Schiebegitter klackt. Manch einer bedankt sich für die schlichte, schöne Überfahrt. Und manchmal, er hat’s im Griff, da kommt der Fährmann tatsächlich nur für dich.
Zeitlos auf dem Wasser
Frühmorgens, wenn die Luft frisch und unberührt ist und alles rundum noch stille schweigt, ist es besonders schön, auf der Johanna zu sein. Über kühler Weite des Wassers brummt der Motor aus tiefem Fährbootbauch kurz auf, dann ein Gleiten, und nichts mehr. Die Elbe verströmt ihren Flusswasserduft und tut, als lägen Salz und Wellenrauschen in der Luft, wenn über ihr die Möwen kreischen. Die Zeit hört auf zu ticken.
Vom Wasser aus wird die Welt anders ansichtig: Ente, Biber, Stadtsilhouette zeigen sich wie magisch. Am schönsten ist das bei Tiefstand der Sonne, wenn in lang tauchenden Strahlen Licht und Wasser sich verbinden, und die Flussfläche glitzert in unfasslich vielen, klein bewegten Punkten.
Das Hupen der Dampfer klingt nach Mississippi, und das Fährboot grüßt klein geschwisterlich mit schmächtigem Tüten.
Wasser reicht der Welt den Spiegel der Verzauberung Foto: Anja Hilgert
Wie viel Antrieb und wie viel dem Fluss überlassen – es ist eine philosophische Frage, die den guten Fährmann bestimmt. Ein jeder der Männer hinterlässt seine eigene Handschrift auf dem Wasser.
Was ist nun schöner?
Für Momente entführt sich schippern zu lassen oder der Fährmann zu sein? Oder zu sitzen in der Elbuferböschung, beim Plätschern des Flusses den Geschichten zuzusehen, die das Leben dir vorspielt, nahe dem Fähranleger, ganz von selbst?Inmitten der Stadt die Elbfähre zu haben, ist ein alltägliches Stück vom Glück.
eingestellt am 03.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Sternchen der Roten Liste auf den Elbwiesen
Auf den Elbwiesen fand ein herbstlicher Auspflanztag statt, bei dem ca. 250 Kleine Wiesenrauten die Chance gegeben wurde, in der Johannstadt Fuß zu fassen. Mit den doch reichlichen Regenmengen im Oktober war der Boden ausreichend weich und feucht, um noch Pflanzen in freier Landschaft auszubringen, dass sie anwachsen können.
Tage wie dieser wärmende Einstieg in den November begünstigen, dass sich die Pflanzen an ihrem neuen Standort wohl fühlen und hoffentlich fest ansiedeln. Denn es handelt sich um regional selten gewordene, gefährdete Arten von Wildblumen, die eigentlich heimisch hier im Gebiet sind, jedoch fast kaum noch auffindbar. Das Konzept einer besonderen Pflanzenpatenschaft bemüht sich nun darum, der biologischen Vielfalt in den Elbwiesen wieder auf den Sprung und in eine blühende Zukunft zu verhelfen.
Kerzen sind bereits angezündet auf den Johannstädter Elbwiesen: Die lichten Blüten der Königskerzen im Oktober Foto: Anja Hilgert
Wenn Mensch und Natur zusammenrücken: Urbanität und Vielfalt
Die noch jungen Pflänzchen wurden von Pflanzenpat*innen mit viel Elan in die Erde gebracht. Diese hatten als Privatleute über den Sommer die Pflanzen im eigenen Garten, auf Balkonen, Dachterrassen und Fensterbrettern gepäppelt und gepflegt, bis sie reif waren für den Übertritt ins offene Land. Dieser neue Ansatz im Naturschutz bezieht Bürger*innen ein in den aktiven Bestandsschutz von Wildpflanzen und lässt Natur und Mensch näher zusammenrücken.
Urbanität & Vielfalt heisst das Projekt, unter dessen Namen die Aktion stattgefunden hat. In Dresden angesiedelt am Umweltzentrum, hat das bundesweite Projekt seit 2018 Pflanzenpat*innen eingeworben, die im Rahmen der Nationalen Strategie für Biologische Vielfalt eine oder mehrere regional seltene und gefährdete Wildpflanzen in die eigene Obhut übernehmen und damit einen Beitrag leisten, den Bestand in der Natur zu stärken.
In die Obhut genommen
Dazu ziehen Mitarbeiter*innen in der Gärtnerei des Umweltzentrums Dresden hunderte Pflanzen von 10 verschiedenen Wildpflanzenarten an, die in Sachsen zwar heimisch, zunehmend aber kaum noch in freier Landschaft zu finden sind und geben diese vorkultivierten Pflanzen in die Hände von Pat*innen ab. Diese erklären sich bereit, mit Neugier und Geduld die Pflanzen bei sich aufzunehmen und groß zu pflegen. Ausgehändigte Pflanzensteckbriefe und Kulturanleitungen helfen, die Pflanzen fachgerecht zu kultivieren.
Im Herbst kehren die herangewachsenen Pflanzen dann zurück zum Team von Urbanität und Vielfalt am Umweltzentrum, das in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden, eine gemeinschaftliche Auspflanzaktion an geeigneten Standorten in der Region durchführt.
Artenvielfalt als hohe Kunst der Natur
Jede Region hat ihre Besonderheit. Jeder Standort weist ganz besondere eigene geologische und klimatische Bedingungen auf, und entsprechend dieser über Jahrmillionen geprägten Standortfaktoren siedeln und leben hier Tiere und Pflanzen, die sich genau mit diesen Bedingungen heimisch fühlen und daran wiederum ihre spezifischen Eigenheiten ausformen. Sie passen sich mit ihren Fähigkeiten dieser Umgebung an und gelangen so zu ihrem besten Wachstumsvermögen, das im genetischen Code gespeichert wird. Auf diesen genetischen Unterschieden begründet sich die Vielfalt der Arten. Die immense Artenvielfalt wiederum ist die Kunst der Natur, flexibel und kraftvoll auf Schwankungen der Umweltbedingungen (den Klimawandel) zu reagieren, um sich selbst zu erhalten. Darum geht es: Dass uns die Natur als Grundlage unseres Lebens erhalten bleibt. Die das erkannt haben, fördern den Selbsterhalt der Natur und spielen ihr zu im unterstützenden Schutz bedrohter und selten gewordener Arten der Flora und Fauna.
Heimischer Widerständler: Der Feld-Mannstreu Foto: Anja Hilgert
Der Feld-Mannstreu (Eryngium campestre)
Einer, der dem Wiesenfeld an der Elbe treu geblieben ist, ist Eryngium campestre, der Feld-Mannstreu. Auch als Brachdistel oder Allermannsharnisch bekannt, liebt er die Sonne. Je wärmer der Standort und je günstiger der Boden für die zylinderartige Wurzel, desto größer und strauchartiger wächst der Mannstreu. In Spanien ist er mir als üppiger Strauch begegnet, der mit dem Silberglanz seiner schmalen Blätter und einer feinen Geometrie im Astaufbau besticht.
Kniehoch ragt er nach Ausblick zur Elbe. Foto: Anja Hilgert
Auf trockenen ungenützten Feldern und an Ackerrändern kann er in geschützten warmen Lagen auch in unseren Breiten vorkommen, ist aber selten geworden und zählt von daher zu den schützenswerten Pflanzen. In Sachsen steht er auf der Roten Liste.
Alles an ihm ist stachelbespickt: Blätter, Blüten und Früchte weisen Spitzen und Stacheln auf und machen die Pflanze ausdauernd in Trockenperioden, damit auf lange Sicht überlebensfähig und wehrhaft. Daher rührten auch ihr landläufiger Name und ihre Wirkung: Wie ein Harnisch ist er wirksam gegen Anfechtungen, übersetzt gesagt hilft er in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr und schützt die Lungen. Homöopathisch wird Eryngium campestre zur Ausleitung angewandt, auch als Tee oder Tinktur hilft er bei der Ausschwemmung von Giftstoffen aus dem Körper, insbesondere dem Gewebe von Beinen und Füßen.
Johannstädter*innen können sich also glücklich schätzen, dass ihnen ein solcher Schatz vor der Haustüre wächst. Zwar mit dem regionalen Unterschied eines kleineren Wuchses, aber dennoch unverkennbar Feld-Mannstreu.
Schönheit im Detail. Foto: Anja Hilgert
Mikrokosmos lokal und regional
Am Beispiel des wehrhaften Feld-Mannstreu wird klar, dass spezielle Bedingungen eines Lebensraums Pflanzen mit ganz speziellen Eigenschaften und Anpassungen hervorbringen. Die Vielgestaltigkeit der Lebensräume bis in kleinste lokale Regionen bildet die Grundlage für die riesengroße globale Artenvielfalt, mit der die Natur uns beschenkt.
Allein in Sachsen existieren weit über hundert verschiedener Biotoptypen. Bio-tope sind aus dem Lateinischen übersetzt Orte des Lebens.
In diesen jeweils sehr speziellen Lebensräumen hat sich über unzählbare Generationen ein komplexes Zusammenleben von Kleinst- bis Großlebewesen entwickelt, die in wechselseitiger Beziehung zueinander das dichte Netz des Lebens weben: als Gemeinschaft. Der Charakter dieser Lebensgemeinschaft ist ihre hohe Biodiversität. Gemäß der Verordnung der Stadt Dresden vom 09.02.2015 (SächsGVBl. S. 300) sind die Dresdner Elbwiesen als Biotop zu bezeichnen. Sie sind als Landschaftsschutzgebiet bestätigt und unterliegen damit einem gesetzlichen Schutzstatus.
Neu erschlossenes Pflanzenwohngebiet
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Pat*innen des Dresdner Umweltzentrums mit ihren 250 Wildblumen in Pflanzschalen und Blumentöpfen auf der Johannstädter Elbwiese zur Auspflanzaktion angerückt sind.
In Sachsen hat in den letzten Jahrzehnten die Zahl der ausgestorbenen, vom Aussterben bedrohten oder in ihrem Bestand gefährdeten Arten stark zugenommen. In den letzten Jahrzehnten stieg der Verlust rapide auf 101 Arten.
Hauptursache für den Bestandsrückgang ist die Zerstörung der Mikro-Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit dem Einsatz von Giften ist ein Grund dafür, aber auch der Anspruch des Menschen auf immer mehr Siedlungs- und damit Bebauungsraum, der natürliche Flächen versiegelt, also vom natürlichen Fluss des Lebens abschneidet. Über die Hälfte aller in Sachsen vorkommenden Biotoptypen gelten als gefährdet.
Die Wiesenflockenblume (Centaurea jacea) leuchtet noch spät im Jahr und setzt einen Akzent für den Schutz von Insekten aller Art, Hummeln, Schmetterlinge, Falter und Bienen, die in dieser Wiese eine Weide haben. Foto: Anja Hilgert
Bundesnaturschutzgesetz bzw. das Sächsische Naturschutzgesetz sehen vor, dass Eingriffe, die durch Baumaßnahmen in Natur und Landschaft entstehen, wieder gut zu machen sind. Als Handlungsempfehlung gelten entsprechende sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die kompensieren sollen, dass der menschliche Eingriff in die Landschaft natürlichen Lebensraum zerstört. Dieser soll laut Gesetz an anderer Stelle entschädigend aufgebaut werden. Mit dieser Schadensersatzlogik wird das unersättliche Expansionsbestreben in unserer Gesellschaft abgehandelt.
Wer also mit seinem Bauvorhaben Natur oder Landschaft in ihrem natürlichen Vorkommen und Wachstum beeinträchtigt, hemmt und bedroht, muss angemessenen Schadensersatz leisten. Die Höhe der Erstattungsleistung richtet sich danach, welche spezifischen Tier- und Pflanzenarten im jeweiligen Biotop nachgewiesen werden. Regional seltene oder gefährdete Arten unterliegen besonderer Wertschätzung und gesetzlich geregeltem Schutz.
Ausgleich, Kompensation und Wiederbelebung
Ein Abschnitt der oberen Elbwiesen nahe dem Käthe-Kollwitz-Ufer, ist eine solche städtische Ausgleichsfläche. Sie kompensiert die beim Bau des Helikopterlandeplatzes der Luftrettung nahe der Waldschlösschenbrücke verloren gegangene natürliche Elbwiesenfläche. Darauf wurden bereits zwei lange Reihen von Jungbäumen gepflanzt, denen sich im diesjährigen trockenen Sommer eine bürgerschaftliche Gießaktion des Stadtteils widmete. Nun sollen auch junge gefährdete Wildblumen frei dort wurzeln dürfen.
Die Auspflanzaktion des Projektes Urbanität und Vielfalt konzentrierte sich auf die ungemähten Wiesenabschnitte zwischen den Bäumen. Dort sind die zarten Wildblumengewächse vor dem Mähbalken sicher, der zwischen den Baumreihen das Gras kurz hält und so dafür sorgt, dass die Nährstoffe nicht durch kräftige Gräser entzogen werden. So können sich die Kleinen Wiesenrauten in aller Ruhe etablieren. Gleichzeitig mit ihnen überleben dort Insekten und deren Eier, Larven und Puppen und können später die zuvor gemähte Fläche wieder besiedeln, dass ein vitaler Lebensraum besteht.
Fast zu übersehen, so zart, in rauer Graslandschaft Foto: Anja Hilgert
Die kleine Wiesenraute (Thalictrum minus)
Die Wiesenraute, Thalictrum groß oder klein bevorzugt Standorte in der Nähe von Quellen und Flussläufen. In Sachsen ist sie vorrangig im Elbtal zuhause. Gleichzeitig liebt sie heiße Sommer. Ihre gefiederten Blätter sind kleiner, aber dennoch der Akelei sehr ähnlich. Der Stengel kann bis zu einem Meter hoch ragen und trägt an feinen Rispen vielzählige Blütenköpfchen in hellem, weißlichen Gelb der Sonne entgegen, die sich im Windhauch wie nickend bewegen. Ihre Blüten sind ausgesprochen fein gestaltet, dass man von grazilen Kunstwerken sprechen möchte, so bezaubernd sind sie anzusehen.
Beim Betrachten wird klar, dass es sich in der Kleinen Wiesenraute um ein zartes Geschöpf handelt, mit geringer Konkurrenzkraft gegenüber anderen Arten. Auf der Roten Liste wird sie als ‚Vom Aussterben bedroht‘ geführt. Mit ihren Blüten ist sie ein Magnet für pollenfressende Insekten.
Die Jahreszeit wandelt sich auch an der Kleinen Wiesenraute Foto: Anja Hilgert
In den kommenden Wochen und Monaten wird regelmäßig nach den Kleinen Wiesenrauten in der Johannstadt geschaut. Bei diesem sogenannten Monitoring begleitet und erfasst das Gärtner*innenteam des Umweltzentrums die Pflanzen in ihrem Wachstum. Allmählich wird dann die Pflanze mehr und mehr der Erde überlassen und wir dürfen an dieser Stelle des Ufers besonders gespannt das kommende Frühjahr erwarten.
eingestellt am 05.10.2020 von Elisabeth Renneberg, Headerbild: So bunt war der Himmel über Johannstadt. Foto: Elisabeth Renneberg
Buntes Getümmel nicht nur auf den Elbwiesen, sondern auch am Himmel darüber: bei bestem Wetter wurde am Sonntag das 15. Johannstädter Drachenfest gefeiert. Groß und Klein kam zusammen, um verschiedenste Flugobjekte in die Lüfte steigen zu lassen und bei Eis, Bier und Musik den Tag zu genießen.
Organisiert wird das jährliche Drachenfest von der JohannstadtHalle. Der Verein war auch selbst vor Ort, mit einer gut besuchten Bastelstation, an der Flaggen bemalt werden konnten. Material, um Drachen zu bauen, gab es leider nicht – für die meisten, umfassend ausgestatteten Familien zum Glück kein Problem.
Bunte Fahnen waren auch ohne Leine sehr begehrt. Foto: Elisabeth Renneberg
Auch Wale können fliegen
Und so starteten Kinder wie Eltern ihre von unterschiedlichem Erfolg gekrönten Flugversuche. Ein Mädchen verhedderte mehrmals hintereinander seine Drachenschnur in immer demselben Baum, während die Fähigkeiten einer Altersgenossin ziemlich schnell von deren Vater als unzureichend eingestuft wurden, wobei er selbst sich als kein Stück geschickter herausstellte.
Trotz diverser Herausforderungen, bei Lenkdrachen übrigens besonders groß, flatterten bald um die 50 bunte Tupfen im ansonsten strahlend blauen Himmel. Ein ganzer Zoo aus Meerestieren, Schmetterlingen, verschiedenen Vögeln, Katzen und Füchsen ließ sich weder von Piraten noch vom Grüffelo einschüchtern. Wer keinen Drachen dabei hatte, ließ stattdessen eben Fußbälle oder Barbiepuppen durch die Luft fliegen.
Selbst Pauli tauschte dunkle Gänge gegen luftige Höhen. Foto: Elisabeth Renneberg
Ein spannendes Rennen lieferten sich eine Biene und ein Pferd, beide angefeuert von ihren jeweiligen Besitzerinnen: „Meiner fliegt besser, weil er größer ist!“ – „Meiner fliegt besser, weil er leichter ist!“ Trotz lückenhafter physikalischer Kenntnisse herrschte allgemein eine ausgelassene und lustige Stimmung.
Highlights verschiedener Formen
Weder lustig noch auskunftsfreudig zeigte sich „der Dräsdner“. Immerhin aber steuerte er besonders spektakuläre Flugtiere bei; der meterlange und sanft dahingleitende Riesenrochen war zweifellos der Höhepunkt unter den an der Leine schwebenden Kreationen.
Star unter den Fliegern: der Riesenrochen des Dräsdners. Foto: Elisabeth Renneberg
Einen programmatischen Höhepunkt bot der Auftritt des Liederesels, der – selbst hin und wieder fälschlich als solches identifiziert – von hüpfenden Häschen sang, thematisch passend untermalt vom fröhlichen Gekreisch auf der Hüpfburg. Mehr oder weniger textsichere Kinder sangen begeistert die Klassiker mit und taten dem musizierenden Esel sogar den Gefallen, den Reiter „Plumpf“ machen zu lassen, weil sich das schließlich viel besser auf „Sumpf“ reimt als „Plumps“.
Liederesel und Hüpfburg sorgen für die Unterhaltung der Kleinen. Foto: Elisabeth Renneberg
Abgelöst wurden der langohrige Kinderlied-Interpret von einem DJ mit unverhohlener Vorliebe für Schlager. „Drachen steigen gegen dem Wind“, schmetterte Roland Kaiser seinen Beitrag zum Fest. Sein Kollege Wolfgang Ziegler kam mit „Verdammt, und dann stehst du im Regen“ der Wahrheit weniger nah: so warm und sonnig war der Herbsttag, dass mit der Softeis-Lieferung beauftragte Eltern die Wiese mit klebrigen, weiß-blau überzogenen Händen erreichten.
Versorgung für Leib und Leben
Neben dem Eisstand profitierte der Fährgarten vom Fest, indem er reichlich Bier und ein paar Bratwürste an den Mann oder die Frau bringen konnte. Auch das Café für alle war dabei und verteilte Kaffee und Kuchen auf Spendenbasis mit dem Ziel, Menschen in Dialog zu bringen und damit zu einer offenen Gesellschaft beizutragen.
Kaffeetrinken für Solidarität. Foto: Elisabeth Renneberg
Ebenfalls in Mission für das Wohl der Gemeinschaft stand das Rettungsteam des DRK bereit, um eventuelle Opfer uneinsichtiger (also nicht wie gebeten abgestiegener) Radfahrer*innen oder unkontrollierter Lenkdrachen-Abstürze zu versorgen.
Glücklicherweise kam es aber weder zu Un- noch zu sonstigen Zwischenfällen, und das Drachenfest endete, wie es begonnen hatte, mit heiterem Himmel und heiterer Atmosphäre.
eingestellt am 18.08.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Im Johanngarten flimmern immer mittwochs Filme für Jugendliche. Foto: Plattenwechsel
Im Rahmen der jährlichen Sommerferienaktion “Johannstars” werden im Johanngarten jeden Mittwoch Filme für junge Menschen ab 16 Jahren gezeigt. Der Eintritt ist kostenfrei.
Nach der Krise locken frische Luft und Kultur ganz besonders. Im Sommerkino unter freiem Himmel im Johanngarten an der Hopfgartenstraße kann beides verbunden werden. Jeden Mittwoch ab 20 Uhr wird ein Film gezeigt, der sich besonders an Jugendliche ab 16 Jahren richtet. Noch zweimal findet das Event dieses Sommer statt.
Luisa Kolb von Streetwork City: “Das Sommerkino wurde bisher sehr gut angenommen, an jedem Mittwochabend waren ca. 30 Zuschauer*innen vor Ort.”
Der Eintritt ist frei, zudem gibt es ab ca. 19 Uhr kostenlos Popcorn. Eigene Sitzgelegenheiten können gern mitgebracht werden.
Die Veranstaltung ist ein Kooperationsprojekt von Streetwork City, Jugendhaus Eule, Jugendzentrum Trini, Wir sind Paten, DRK YoCo und Johannstädter Kulturtreff. Das Sommerkino ist Teil der jährlich stattfinden Sommerferienaktion Johannstars und wird finnanziert von Utopolis – Soziokultur im Quartier.
Sommerkino im Johanngarten
19. August: “Der Junge und die Wildgänse”, FR/NOR 2019
eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert
Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassistisischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Mohammad Ghith al Haj Hossin:
Der Schriftsteller Gabriel García Márquez hat einen tollen Roman geschrieben. Er heißt ‚Chronik eines angekündigten Todes‘. Es geht um den Mord eines Arabers mit Migrationshintergrund, Santiago Nassar, in einem kleinen kolumbianischen Dorf.
Alle Leute im Dorf wussten, dass Nassar von Zwillingsbruder Vicario getötet werden würde, aber niemand hat versucht, diesen Mord zu verhindern. Obwohl sie auch wussten, dass Nassar unschuldig ist. Sie ließen ihn alleine seinem tragischen Schicksal begegnen. Ist das Hasskriminalität? Es ist eine von vielen Interpretationen des Romans.
Halluzinationen fanatischer Menschen
Man fühlt sich am falschen Ort, wenn man nach seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe behandeln wird. Man kann diese Diskriminierung und diesen Rassismus nicht nur im fremden Land erfahren, sondern auch in seiner Heimat. Könnte es sein, dass eine Gesellschaft nur aus Weißen oder Schwarzen besteht? Kam es je vor in der Geschichte, dass es eine solche Gesellschaft gegeben hat? Gehören solche rassistischen Gedanken zur Realität oder nur zu den Halluzinationen fanatischer Menschen?
Diese Fragen bleiben immer offen, obwohl die Antworten sehr einfach sind: Nein, in der Tat gab es niemald es eine solche Gesellschaft. Es sind Halluzinationen fanatischer Menschen, die nur extreme Gruppen bilden können.
Gruppierung bei der Gedenkfeier am 1.Juli Foto: Mohammad Ghith Al Haj Hossin
Es ist ein verletzendes Gefühl, das viele Narben in der Seele nach sich zieht, besonders für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. Wenn sie glauben, dass ihre Menschlichkeit keine Rolle spielt im Vergleich zu ihrer Herkunft oder Religion. Rassismus zeigt uns sein hässliches Gesicht im Alltagsleben, deswegen haben viele Geflüchtete, die unter Rassismus und Diskriminierung in Deutschland leiden, besondere Geschichten mit ihren alltäglichen Erfahrungen.
Aber man darf in Anbetracht dieser negativen Gefühle nicht aufgeben. Man muss die Opferrolle vermeiden. Man hat in Deutschland unabhängig von Herkunftsort oder Hauptfarbe das Recht, dagegen zu klagen.
Rassismus beginnt in der Kindheit
Manche Menschen, die fremd sind, begegnen alltagsrassistischem Handeln mit Schweigen. Vielleicht haben sie Angst, ihre Stimme zu lauten oder, weil sie nicht wissen, dass sie durch Gesetze das Recht haben, dagegen zu klagen. Und natürlich: wenn sie die Sprache nicht beherrschen, können sie nicht gegen diese schlimme Handlung protestieren.
Ich bin davon überzeugt, dass es Rassismus nicht nur in Deutschland oder Europa gibt, sondern in allen menschlichen Gesellschaften. Rassismus fängt an in der Kindheit, zu Hause mit den Eltern oder in der Schule. Um es gut wahrzunehmen, braucht man sich nur ernst zu fragen, warum ist jemand mit seiner Familie von seiner Heimat geflohen? Der Fakt lautet: Wegen Hasskriminalität, Rassismus und Abwesenheit des Gesetzes. So entstehen extreme Reaktionen, die einen Menschen zu einem Henker machen.
eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert
Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassististischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Anja Hilgert:
Deinen Namen zu kennen
Ich habe dich nicht gekannt, doch nun weiß ich deinen Namen.
Weil du getötet worden bist. Das hat dich mir bekannt gemacht.
Dein Name musste ausgesprochen werden, wiederholt werden, viele Male, bis in meinem Gesicht der Blick frei geworden ist, mein Gesichtsfeld offen wurde für dich.
Wie haben wir gelebt nebeneinander, ohne einander zu kennen?
Dieses Nicht-Kennen. Nicht Wissen-wollen. Jetzt geht mir nicht aus dem Sinn, deinen Namen zu sagen, zu lernen, deinen Namen auszusprechen, ihn laut zu üben, bis er so klingt wie du heißt.
Wir sprechen r und w einzeln hart nacheinander aus, jeden Buchstaben für sich. Es gibt wenig Worte, in denen der Laut vorkommt in meiner Sprache. In deinem Namen klingen r und w weich ineinander, es macht einen anderen Klang, den aus meinem Mund gesprochen, die Lippen erst üben zu formen, ihn zu runden und rollend zu entlassen bis er bei dir wieder ankommt.
Geboren in einem der sieben Weltwunder
Geboren in Alexandria, die Alexander der Große gegründet hat, antike Stadt, eines der sieben Weltwunder und Stadt der großen Bibliothek, bist du in römisch-byzantinischer Kultur verwurzelt. Unser Treffpunkt ist das schöne Florenz an der Elbe.
Du klingst nach einer starken, blühenden Frau, hast kraftvoll mit dem Arm ausgeholt, Handball gespielt in der Nationalmannschaft deines Landes, hast Pharmazie studiert, hast geheiratet, hast einen Sohn, trugst ein zweites Kind in dir, hast vertraut, mit ihnen zu leben.
Ein Mann hat sich Dir in den Weg gestellt, dir die Berechtigung abgesprochen, hier zu sein, hat dir den Weg verstellt, frei zu leben.
Du hattest Vertrauen, lebensvoll zu sein, dich zu entfalten.
Er trug Gedanken, die dem Leben nicht erlauben zu sein wie es ist. Abgeschnürte Gedanken, die vor sich hin Bilder schaffen und eine Welt definieren nach dem Diktat der Gedanken.
Gedanken, die so eng sind, dass sie Gewalt anwenden müssen, um das Pulsieren des Lebens, das vital ist und schöpferisch, da hineinzupassen, in dieses gedankliche Gitter. Beharrliche Gedanken, die beschneiden, drücken, pressen und prügeln müssen und am Ende mit Messern zustechen, um das klein zu bekommen, was sie nicht zu fassen vermögen.
In Gedanken gerüstet
Ich habe solche Gedanken.
Ich höre Gedanken nach Eindeutigkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, nach Lösungen und Plänen verlangen. Gedanken, die attackieren, was anders ist als es Gedanken mir vorgestellt haben. Das Starren, das Gliedern, Sortieren, Vergleichen in mir, im Verlangen, fest zu machen und in den Griff zu bekommen, was überraschend, chaotisch, unberechenbar, wandelbar und wild ist in mir. Und unterdrückt von einer Last an Gedanken, die nicht nur meine sind. Die Generationen gedacht und ein Gehege der Wirklichkeit damit erstellt haben, das uns fern hält vom Vollzug des Lebendigen.
Jetzt einen Moment nur da sein. Dazwischen. Mich einschieben zwischen die Angst und die Rüstung. Nicht weiter absichern. Nicht zwingend krampfhaft in die Aufrechte gehen mit starrem Rückgrat. Stehen bleiben, kauern und zulassen, was kommt. Runterkommen von den Barrikaden, die verhindern, dass ich und was mir begegnet, da ankommen, wo mein Herz blank liegt.
Hoch ausgerüstete Sicherheit hat nichts ausgerichtet.
Im höchsten Saal der Ordnung, im Landesgericht, vor Richtern und Anwälten und Kräften, die Sorge tragen für Recht und Aufrichtigkeit – da bist du erstochen worden.
Gedanken, die zur Rüstung zwängen, sind grausam. Sie bedingen Ohnmacht, die einsetzt, wenn das Gerüst fällt. Ohnmächtig und betäubt stehen wir vor der systematischen Abriegelung des Herzens und trauen uns nicht zu, Mensch zu sein.
Zur Abstimmung in den Stadtrat gereicht: Ein Name für die Straße am Landgericht Foto: Anja Hilgert
Im elften Jahr: Die Marwa El-Sherbini-Straße
Im elften Jahr deines Todes bin ich auf die Spur deines Lebens gesetzt.
Dasitzend vor dem hohen Gebäude, vor der Wand, die aufragt, vor den schweren Türen, so schwer die Portale, dass sie mit der Hand nicht zu öffnen sind. Sitzen und harren im namenlosen Gebiet vor dem Justizpalast, im Brachland, das die Macht des Gebäudes verantwortet, das für sich alleine dort ragt.
Herkommend von der Straßenkreuzung, dem Fluss, der Brücke, den Wegen, die hier sich bündeln, halten wir an, versammeln uns im Niemandskorridor zwischen Chaos und Ordnung und treten in Kontakt mit dieser Ohnmacht, die um sich greift und Offizielle zum Stammeln, zum Suchen nach Worten bringt.
Dem Gebiet einen Namen vergeben, heißt, es zu benennen – Marwa El-Sherbini-Straße soll der kleine Abschnitt nun heißen.
Nicht nur nächstes Jahr, wenn wir zum 1.Juli wieder dort versammelt stehen, sondern mit allen, die dort sind, jeden Tag und jede Stunde und minütlich, gehen wir in deinem Namen und finden zu einer Stimme, die aus der Ohnmacht aussteigt und Starre und Schweigen durchbricht.
Mit Rosen bezeugte Anwesenheit Foto: Anja Hilgert
Ich frage dich, wie du heißt
Ich brauche keine Rose, nicht weiß und nicht langstielig, edel angeboten zu bekommen, um da zu sein. Mein Strauß ist feuerrot und leuchtend gelb, in warmem Orange und tiefem Violett. Meine Blumen sind selbst gepflückt und sie feiern den Mut, die Beherztheit, das Selbstvertrauen, den Drang zur Freiheit.
Ich möchte dich kennenlernen
Ich frage dich, wie du heißt.
eingestellt am 02.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Caravan-Camping am Käthe-Kollwitz-Ufer: Funktioniert ohne Anmeldung und ohne Luxus, aber nicht auf die Dauer Foto:Anja Hilgert
Es wird Ferienzeit und Dresden gilt bei Kurzurlauber*innen und Städtereisenden schon immer als ein attraktives Ziel. Reisebeschränkungen und eine gemischte Gefühlsanlage, was das Fernreisen generell angeht, mögen Dresden in dieser Saison die Besucher*innen zurückbringen, die die Stadt im Frühjahr einbüßen musste. Nun gibt es Ideen, besonders Caravan-Tourist*innen für einen Stopp in Dresden zu begeistern.
Johannstädter Caravan-Romantik
Für ein, zwei Nächte sparsam im städtischen Grün am Johannstädter Rand Foto: Anja Hilgert
Um den Tourismus anzukurbeln und damit Gastronomie und Handel in der Corona-Krise zu stärken, erweitert die Landeshauptstadt ihre Stellflächen für Caravans und Wohnmobile. „Corona hat dem ohnehin boomenden Caravan-Tourismus in Deutschland noch einmal einen kräftigen Schub gegeben. Wir reagieren auf diesen Trend und laden die europäischen Camper in die Elbmetropole ein!“, sagt Corinne Miseer, Geschäftsführerin der Dresden Marketing GmbH (DMG).
Was ab 15.Juli 2020 als lockendes Angebot auf den neu geschaffenen 40 Stellplätzen auf einem weiträumigen Parkplatz an der Pieschener Allee gilt, hat sich am Johannstädter Elbufer in den vergangenen Jahren bereits fest eingespielt: Hier stehen regelmäßig Nummernschilder aus S, DA, FR oder WI und aus ganz NRW und bleiben für ein, zwei Nächte stehen.
Füße hochlegen im Quartier
Am Käthe-Kollwitz-Ufer, anschließend an die künftige Bebauungsfläche der FlüWo Bauen Wohnen eG werden Stellplätze sowohl für PKW als auch Caravan angeboten. Gegen eine Parkgebühr von 12€/Tag findet sich hier unter hohen Bäumen und frischer Elbbrise ein schattiges Plätzchen fürs Wohnmobil. Es gibt weder Strom noch Wasser, doch zum Auspacken der Campingsstühle ist reichlich Raum und zum Füße hochlegen im Freien genügt auch die sparsame Atmosphäre.
Gerahmt vom gründerzeitlichen Hintergrund der Florian-Geyer-Straße hat der Platz seinen Ausschnitt an angenehm städtischem Flair. Schließlich ist es zur Elbe und ihren grünen Wiesen nicht weit, Altstadt und Neustadt sind zu Fuß bzw über die öffentlichen Verkehrsmittel aus der Johannstadt ohne Aufwand zu erreichen und vielfache Einkaufsmöglichkeiten gibt es über die Pfotenhauerstraße gleich um die Ecke…Und wer sich vom Platz nicht mehr weg bewegen möchte, bekommt die Brötchen an die Bustür geliefert, wie das Inserat von Bäcker Henschel auf der Parkplatz-Stellwand verspricht.
Stellplatz-Angebot mit Minimal-Komfort Foto: Anja Hilgert
Der Aufenthalt funktioniert ganz ohne Anmeldung, per Kasse vor Ort. In und um die Landeshauptstadt Dresden gibt es damit nun über 1.000 städtische und private Caravan-Parkplätze mit unterschiedlichem Service.
Campingidylle auf Zeit
Erwähnenswert ist allerdings, das die Nutzung in der Johannstadt aus städtischer Sicht definitiv eine zwischenzeitliche ist: Die Campingidylle wird nicht mehr lange anhalten. Die auswärtigen Großstadtnomaden in ihren voll ausgestatteten mobilen Bleiben werden ihrer Wege ziehen müssen, wenn der Platz seiner Bestimmung gemäß bebaut wird. Die Fläche ist für Menschen bestimmt, die in Dresden sesshaft sind und werden wollen.
Der Bebauungsplan Nr.079 sieht die Wiederherstellung der gründerzeitlichen Bebauung vor. Die Flächen wurden vom Stadtrat als Vorbehaltsflächen für sozialen Wohnungsbau ausgewiesen.
eingestellt am 14.06.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Wogen der Mäusegerste vorm Gewitter Foto: Anja Hilgert
Es mag am Gewitter gelegen haben, das mir auf den Fersen war, als ich an der Elbe entlang, durch kniehohe, unendlich scheinende Wiesen unterwegs war. Vielleicht haben der nahende Himmel und das Dunklerwerden der Wolken verholfen, ganz da zu sein, wach für den voll geladenen Moment.
Da war nichts als Gras. Endlos wogendes Gras. Zu einem grünen Meer zusammengewachsene Wiesen. Dicht an dicht tanzten die Halme wellenförmig in die Richtung, in die der Wind sie bog. Oft scheint nichts als Vorstellung vorzuliegen, wenn wir von dem reden, was uns vertraut und gewöhnlich erscheint: Gras. Gras ist überall, ist einfach da. Rasen, Wiese, ist klar. Grünfläche. Schön. Sommerlich. Und dann passiert es, dass der Blick eintaucht und an Ungewöhnliches stößt. Ein Riss geht durchs Herkömmliche. Mit einem Mal wird sichtbar, was eigentlich da ist. Vielfalt offenbart sich. Gras ist von solcher Vielfalt, dass es in Staunen versetzt: Eine Hommage ans grünende Gras und Wiedergutmachung, wenn es wieder einmal ohne Wahrnehmung mit plumpen Füßen betreten wird.
Grünes Fell der Erde
Man spricht vom grünen Kleid der Erde und meint wahlweise den Wald oder Gras, mit dem flächendeckend die Erde geschützt ist – vor Hitze und Trockenheit, vor Erosion des Bodens durch Wasser und Wind. Gras ist wie ein Fell, das keinen Flecken Erde nackt lassen kann. Wachsender, lebendiger Teil ihres Körpers. Wir verdanken dem Grün der Pflanzen, dass wir atmen können und überhaupt am Leben sind auf der Erde. Im Grünen sind wir miteingebunden in die größeren Prozesse der Natur.
Grünende Wellen Foto: Anja Hilgert
Kniehoch und weiter nach oben ans Licht
Kniehoch und weiter nach oben drängt das Gras ins Licht, webt einen dichten wuchernden Flor. Grünendes Grün möchte man aktivierend sagen. Etwas von Üppigkeit, Wachstum und Lebenskraft ist darin, das sich auf den eigenen Organismus überträgt, wenn man es nur lang genug in sich einlässt. In der Natur atmet der Mensch tiefer, wird ausgeglichener.
Wie die Sonne jetzt dem höchsten Punkt ihres Bogengangs zustrebt, so sättigt sich auch der Farbton der Jahreszeit zum prallsten Grün, das wir haben können. Grün als Farbe purer Lebendigkeit, Mischung aus Wasser und Licht. Grundnahrung sozusagen. Und grasgrün, so denkt man, ist die Speerspitze von unfassbar grün.
Baden im grünen Meer
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, noch einmal baden zu gehen, im grünen Meer, das wir gleich vor der Haustüre haben. Baden gehen im Grün mit weit geöffneter Haut und allen Sinnen. Sich hineinlegen und sich treiben lassen, gleiten unterm blauen Himmel.
Der kühle Mai hat den Pflanzen noch einmal Kraft zum Wachsen gegeben. Zugleich ist ein Teil des Grases schon über den Bogen hinaus, wirft seine Samen ab, wird braun und dörr, begibt sich in den Übergang, um Heu zu werden. Der Mähdrescher kündigt sich an für die Junimahd, erste Heuernte des Jahres. Schließlich, das vergisst man als Städter*in gerne mal, ist Gras wertvolles Kapital für die Landwirtschaft und ernährt viele Tiere, von denen man sagen muss, dass wir mehr von ihnen als mit ihnen leben, z.B. Kühe.
Bevor also der Mähdrescher kommt, lassen wir noch einmal den Blick fallen aufs Gras. Es gibt gar nicht DAS Gras: Gras ist nicht gleich Gras. Es ist sich kaum ähnlich. So verschieden sind die Stängel und das, was daraus sprießt. Mehrere tausend Arten von Gras gibt es, so lässt sich lernen. Sogar die* spazieren laufende Städter*in sichtet eine Varietät von Gräsern auf nur wenigen Quadratmetern Wiese.
Wogen im Meer aus Gras Foto: Anja Hilgert
Rispen und Blütenspitzchen
Manche Grasspitze kitzelt bis an den Bauchnabel heran oder sticht auch mal ein Kind in die Nase. Die winzigen, fast unsichtbaren Blüten sitzen an den zahlreichen verzweigten Spitze des Grassprosses. Sein Blütenstand ist untergliedert in Rispen und Ähren, die in einer Vielzahl von winzigen Blütchen enden. Im Verzicht auf Blütenpracht überlässt die Graspflanze ihr Erbgut bloß dem Wind, der die Samen in alle Himmelsrichtungen verstreut. Dass die Pflanze keine aufwändige Blüte produziert, steigert ihren Nährgehalt. Entsprechend zählen Gräser zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit. Die Früchte des Grases sind stärkehaltig und als Getreidekörner fortentwickelt ein Hauptnahrungsmittel der Menschheit.
Grasartvielfalt pro Quadratmeter Wiese
Die Trespe ist die tänzerischste hiesiger Gräser, hat ihre fingerspitzenlangen Ähren an einzelnen dünnen Stielchen aufgehangen, die sich wechselseitig vom Hauptstiel abteilen und die Frucht in alle Richtungen gaukeln und baumeln lassen. Von jedem Windstoß stiebt der Strauß auseinander. Von Trespen und Rispengräsern gibt es mehrere Unterarten in unseren Wiesen.
Trespe vom Wind zerweht Foto: Anja Hilgert
Als Rispe bezeichnet man einen in mehrere, unregelmäßige Achsen verzweigten Blütenstand mit vielen einzelnen Blütenabschlüssen, die beim Gras fast unsichtbar winzig sind. Zur jetzigen Zeit wehen über den Wiesen mitunter dichte grüngelbliche Wolken von Grasblütenstaub, die Heuschnupfen-Allergiker von allem, was Wiese ist, fernhalten.
Das Gewöhnliche Rispengras erkennt man leicht an den gekräuselt heraus stehenden, dunkleren Wollhärchen. Der Halm ist am unteren Ende rötlich gefärbt und verleiht damit dem Gras eine warme Ankerung zum Boden hin.
Viele der Gräser tragen einen rot- bzw. blauvioletten Farbton wie um sich herum.
Locker und wenig verzweigt besteht beim Rotschwingel die Rispe aus wechselnd zu den Seiten abstehenden Ährchen, die dicht und zugleich fein, als Schwingel beinahe kräftig genug scheinen, einen Ton zu erzeugen, wäre die Luft nur widerständig genug.
Ähnlich in Aufbau und Färbung, die Ähren nur kleiner und in kürzeren Stielchen dichter am Stängel gehalten, fällt auch der Glatthafer mit einem leicht rötlich-violetten Farbspiel auf.
Kaum sichtbares feines Wiesenrispengras Foto: Anja Hilgert
Bis ins Detail vereinzelt, kleinteiliger und im Windwehen fast aufgelöst in seiner Form erscheint das Wiesenrispengras als filigranstes unter den Süßgräsern. Zum zärtlichen, hauchenden Streicheln sind diese Halme wie wunderbar beschaffen.
Wem dies eine zu kitzelige Angelegenheit wird, greife zum wolligen Honiggras, das mit breiter angelegtem Wedel über mehr Volumen verfügt und insgesamt weicher und sanfter ist. Es ist gut zu erkennen an einem unmittelbar bis an die Rispe heran hüllenden, stützenden Blatt.
Ordnung beim Knäuelgras Foto: Anja Hilgert
Knäuelgras heißt lautmalerisch so, weil es seine Ähren alle im oberen Teil seines Stängels zu knubbeligen Knäueln zusammengeschoben hat, die man auch als Horste bezeichnet, weil hier die Samen kompakt und miteinander geborgen wie in Nestern gruppieren. In voller Blüte lösen sich die Samen aus diesen Puscheln und tümmeln sich wild durcheinander auf den Knäueln, bis der Wind sie davonträgt.
Lieschgras komprimiert noch weiter und hält wie eine allerdichteste Spindel die unzähligen Ährchen alle blickdicht rings um den Stängel angeordnet, dass es borstig wirkt wie eine kleine Flaschenbürste. Gegen den Strich gezogen, sammeln sich die Samen mit einem Zug in der Hand und geben das beste Juckpuver, das manche sich nicht unterstehen können, dem Freund oder der Freundin in den Nacken und unters T-shirt zu streuen.
Typisch für den Fuchsschwanz Foto: Anja Hilgert
Die weichere Variante dieser Art Ährenrispe stellt der Fuchsschwanz dar, bei dem die abstehenden Ährchen msich etwas neigen und anschmiegen. Die ausgestoßenen Samen liegen wie brauner Pelzbesatz auf. Das Ganze ähnelt der Rute des namengebenden Fuchses in Miniaturform und macht dieses Gras leicht wiedererkennbar.
Deutsch Weiderispengras oder Englisch Raygras Foto: Anja Hilgert
Wo dunkle verdichtete Büschel sich kompakt im restlichen Grasteppich abbilden, handelt es sich meist um robustes Deutsches Weidelgras. Entlang des langgestreckten, dünnen, lanzenartigen Stängels liegen rhythmisch wechselnd links und rechts die treppenartig aufgereihten Ähren. Auch als Englisches Raygras bezeichnet, erhält die noble Schlichtheit in Anlehnung zum Roggen (engl. ray) einen besonderen Namen. Auch ist die gewellte Linie des Halms bemerkenswert, die die Natur beschert, wenn man alle Ährchen vom Stängel abgepuhlt hat.
Raygras Foto: Anja Hilgert
Eine kleinere, wie vereinfachte Form dieser spindelförmigen Grasart ist die allgemein bekannte und von Rasenliebhabern ungeliebte Quecke. Sie schiebt geradlinig schlicht ihre Triebe wie kleine flache Schwerter nach oben, die widerständig und robust so schnell nichts brechen kann.
Mäusegerste Foto: Anja Hilgert
Am Wegesrand weit verbreitet ist die sogenannte Mäusegerste, gut zu erkennen an der dem Getreide am meisten ähnelnden Ähre. Wie bei der Gerste stehen hier spitze, stechende Grannen ab. Die ganze Pflanze ist aber wesentlich kleiner und wächst auf kurzem, gedrungenem Stängel recht bodennah, was ihr womöglich ihren Namen verleiht: Ihre Samen, dienen, wenn sie zu Boden fallen, gleich als Futter für die eiligen Mäuse, die Vorräte sammelnd des Weges kommen.
Graseinsichten Foto: Anja Hilgert
Die Mannigfaltigkeit von Gras und Graslandschaften ist nur angedeutet und noch weit dehnbar. Nebenbei und zum Ende sei noch erwähnt, wie später im Juni das Heu dann gemacht wird. Die Elbwiesen sind dann nach Abzug der Traktoren und Heuwender für kurze Zeit johannstädtisches Spielfeld für Heuschlachten und zum Ausbreiten klassischer Picknickdecken. Der Duft nach frisch gemähtem Heu ist verlockend gemütlich und unverkennbar warm und würzig, um sommerliches Draussensein bis in die Nacht hinein zu verlängern.
Dank für Rechercheergebnisse geht an reiche Informationsquellen aus der Vielzahl an privaten Naturblogs, die im Netz einsehbar sind.
eingestellt am 26.05.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Ein neues Haus für Gastlichkeit am Johannstädter Elbufer Foto: Anja Hilgert
Ein kleines Fenster war blau im Himmel zur Eröffnung der Johannstadt-Elblounge am Tag vor Himmelfahrt. Seit 20.Mai stehen die Türen offen in dem modern sanierten, lange erwarteten und bis auf Kleinigkeiten nun fertiggestellten Neu-Umbau des ehemaligen Johannstädters am Käthe-Kollwitz-Ufer.
Der Johann, wie die Adresse zum Ausgehen in der Johannstadt nun heißt, präsentiert sich mit einladendem Schaufenster zur Straßenfront. Da fehlt nur noch der beleuchtende Rahmen. Doch der Blick durchs Fenster selbst ist verlockend: Offen gehaltene Räume, gönnerhafte Gastlichkeit und eine Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt. Im Fenster spiegelt sich die gegenüberliegende Gründerzeitfassade und integriert den grau-weißen kubischen Flachbau in seine städtische Umgebung.
Attraktive Lage für den neuen Johann Foto: Anja Hilgert
Der Termin der Eröffnung fiel günstig: Johannstädter*innen und andere Neugierige, die das neu entstehende Restaurant in der attraktiven Lage an Johannstädter Elbufer und Elberadweg über die vergangenen Wochen in den Blick genommen hatten, konnten die Neueröffnung zum Himmelfahrt-Wochenende gut als Auftakt nutzen für lang aufgestaute Sehnsüchte nach einer Kultur des Ausgehens, mit der Familie oder unter Freunden auswärts essen und etwas trinken zu gehen und es sich gut gehen zu lassen. Reservierungen für die bemessen aufgestellten Tische waren für das verlängerte Feiertags-Wochenende schon vorab angenommen worden.
Schaufenster zur neuen Gastlichkeit Foto: Anja Hilgert
Ich mag es aufgeräumt
Ein stattlicher Bau, der sich über drei Etagen mit einem Lokal sehen lässt, das alle Ansprüche gepflegter Gastronomie befriedigen möchte: Großzügige Räume in modern ansprechender, schlichter Noblesse für die Gäste, exklusive Polstermöbel und ausgewähltes Lampendesign, Weitläufigkeit bei hohen Decken und durchgehender Fensterfront, die reichlich mit Licht versorgt, nicht nur eine, sondern gleich zwei Terrassen mit bester Frischluft-Aussicht und ein freundlicher Service, der von einer zentralen dreiseitigen Theke den Überblick behält.
„Ich mag es tatsächlich aufgeräumt“, sagt Geschäftsführerin Laura Girke und führt zuvorkommend durchs Etablissement, in dem sie als Pächterin nach eigenen Vorstellungen waltet: „Unser Ansinnen ist eine regionale, saisonal wechselnde Küche mit frisch zubereiteten Speisen. Auch viele Schnäpse kommen aus der Region.“
Laura Girke ist Geschäftsführerin der Johann-elblounge Foto: Anja Hilgert
Ob Fisch aus privater Zucht, Gemüse aus Radebeul, hausgebackene Kuchen, Torten und sogar auch Brote, das Angebot stammt aus der Region unmittelbar vor den Toren der Stadt. Alltag ist zuhause, deshalb wird im Restaurant ein ausgewählterer Geschmack bekocht. Die Ravioli sind hausgemacht und Maisgries kommt verfeinert als Kerbelpolenta. Das Steak vom Elbweiderind und die Hüfte vom Lamm bereichern warme und kalte Salate und wer mag, bestellt Sekt vom Schloss und Wein aus Privatkellerei.
Separate Gasträume in weitläufigem Lokal Foto: Anja Hilgert
Die Verlangsamung für den Gaumen: Slow food
Der Johann setzt mit der Vielfalt seiner Speisekarte auf Slow food. Das erklärt die erlesene und zugleich bodenständige Auswahl an Gerichten und Menüs. Es geht zum Einen um Verantwortung fürs Essen: Verwendet werden sowohl pflanzliche als auch tierische Produkte, bei denen gesichert ist, woher sie kommen. Eine stattliche Liste heimischer Produzenten beliefert die Küche und spricht für Sorgfalt, Qualität und saisonale Frische. Die Speisen sind dadurch hochwertig, nahrhaft und gesund.
Da Essen nicht nur satt machen, sondern auch möglichst Leib und Seele zusammenhalten soll, liest sich die Speisekarte wie Musik für den Gaumen: Bärlauch-Schaum und Mairübchen verführen nicht nur mit jahreszeitlichem Genuss, sondern sind auch achtsam zubereitet. Der bewusste Umgang mit ausgewählten Zutaten macht ein schonend zubereitetes, wohlschmeckendes Mahl und die Mischung aus traditionell heimischer Küche und zeitgenössischem Anspruch an die Kochkunst tischt das Besondere auf.
Noch weit auseinandergerückt: Plätze mit Fernsicht Foto: Anja Hilgert
Unbeschwert essen gehen am Hochzeitstag
Für Laura Girke ist es ein Herzensanliegen, dass sich in ihrem Lokal Kinder genauso gut aufgehoben fühlen wie Erwachsene. Damit schließt sie im kinderreichen Johannstädter Stadtteil an den Wunsch nach einem Familienlokal an: „Auch einmal schön und chic zum Abendessen am Hochzeitstag ausgehen zu können“, wünscht sie jungen Eltern und hat für die Einrichtung eines eigenen Kinderzimmers gesorgt: „Fernab und außer Hörweite von den Tischen gibt es einen Kinderbereich, wo Kinder für sich Beschäftigung haben, wenn die Erwachsenen zu Tisch sitzen.“
Zum Eröffnungstag schlenderten durchaus auch einige feiner als alltäglich gekleidete Paare zur Tür hinein, schauen sich um, betrachten, erwägen und sind, so bestätigt es ein Johannstädter Ehepaar, wohlwollend, empfinden das neue Lokal als „ansprechend“.
“Als Johannstädter, da darf man sich bekennen.” Besucherpaar am Eröffnungstag Foto: Anja Hilgert
Viele, die jetzt hier einkehren, kannten noch den alten Johannstädter, der mit Kegelbahn im Keller, mit Betriebsfeiern und im Lokal ausgerichteten Silvesterfeierlichkeiten eine feste Bindung zur Johannstädter Kundschaft aufgebaut und damit identitätsstiftend gewirkt hatte fürs Viertel. Nun sind sie erfreut, dass es wieder ein Lokal gibt, dass das Potential dazu hat, eine echte Gaststätte für Johannstädter*innen und vielleicht nicht nur für diese, zu werden.
Viel Platz für weite Sicht Foto: Anja Hilgert
Im Außenbereich bemühen sich rahmende Details, die recht nackte Architektur einzubinden in die sonstige grüne Umgebung: Kletterpflanzenbewuchs, Erdbeertöpfchen auf den Tischen und auf dem oberen Deck – so ist man verleitet, die höher gelegene zweite Terrasse zu nennen- ein angelegtes Gartenstück mit zart blühenden Pflänzchen, vor denen man sich in einem der Hängekörbe dort oben illuster schaukeln kann. Ob es allerdings andauernd Radiomusik sein muss, die das Verweilen im ganzen Haus beschallt, ist eine Frage, die sich noch mit dem guten Geschmack der Kundschaft beantworten muss.