“Hey Alter!” beschert Schüler*innen der 101. Oberschule neun Laptops

eingestellt am 09.03.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Die Initiative Hey Alter! übergab der 101. Oberschule neun Laptops zum Verschenken. Foto: Philine Schlick

Die Initiative “Hey Alter!” hat heute in einer feierlichen Übergabe im kleinsten Rahmen Schüler*innen der 101. Oberschule neun Laptops beschert. Diese sind gebraucht, aber voll funktionstüchtig. Sie kommen wie gerufen.

Schulleiterin Juliana Dressel-Zagatowski strahlt. Zumindest ist das unter ihrer Maske zu erahnen. Sie nahm heute im Foyer der 101. Oberschule neun Laptops entgegen, die sie an Schüler*innen verschenken wird. “Wir machen noch die Einweisung und dann werden die in Betrieb genommen!”

Auf der Suche nach alten Laptops

Überbracht haben die Geräte Tina Gruhl und Kai-Uwe Schurig von der IT-Firma PDV-Systeme Sachsen. Ehrenamtlich beteiligen sich beide an der Initiative “Hey Alter!” Diese möbelt gebrauchte Laptops wieder auf und spendet sie jungen Menschen. Gerade in der Krise eine große Unterstützung.

Bislang wurden deutschlandweit über 2300 Laptops durch “Hey Alter!” verteilt. “Wir sind immer auf der Suche nach Unternehmen und Privatpersonen, die ihre alten Geräte spenden”, sagt Kai-Uwe Schurig. Sie werden dann bei PDV-Systeme wieder zum Laufen gebracht. Derzeit herrscht krisenbedingt ein Mangel an überschüssigen Notebooks und Laptops.

Homeoffice und Homeschooling haben technische Geräte und einen Internetanschluss unabdingbar gemacht. Wer über beides nicht in ausreichendem Maße verfügt, wird schnell abgehängt.

Keine Unterrichts-Lücken entstehen lassen

“Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung und ihre Familien brauchen besondere Unterstützung”, weiß Juliana Dressel-Zagatowksi. “Sie haben nicht viel Zeit.” Es sei schwer, den Anschluss zu finden, wenn Land, Sprache und Schule neu sind. Das Pensum bleibe dasselbe wie für Muttersprachler*innen. Deshalb sei es wichtig, keine Lücken im Unterricht entstehen zu lassen.

Corona habe die Lehr-Situation ohnehin erschwert. “Ich hatte zu meiner Klasse am Anfang nur Kontakt über Quickmessage von Lernsax”, berichtet Hüseyin Küçük, der an der 101. Oberschule als Lehrer für Deutsch als Zweitsprache ist.

Hüseyin Küçük unterrichtet Kinder u.a. aus Afghanistan, Syrien, Bulgarien und Weißrussland. “Viele Fluchtrouten führen über die Türkei”, erzählt er. “Deshalb sprechen viele Kinder türkisch. Das ist praktisch für den Anfang, auch wenn ich im Unterricht nur deutsch spreche.”

Aus dem Lockdown lernen

Nicht alle Kinder haben einen eigenen PC zur Verfügung und kommunizieren via Smartphone. Für den Unterricht abseits der Schule ist das nur begrenzt geeignet, weswegen die neun Laptops händeringend gebraucht werden. Sie sind mit Linux und den gängigen Programmen bespielt, haben funktionstüchtige Kameras und neue Festplatten, stellt Kai-Uwe Schurig vor.

“Bei der Einrichtung eines Internetzugangs helfen unsere Schulsozialarbeiter”, bietet die Schulleiterin an. Denn schon “Papierkram” dieser Art ist für Nicht-Deutschsprachler*innen eine echte Herausforderung.

Ausgestattet mit der richtigen Ausrüstung birgt der Lockdown auch Chancen: “Zahlreiche digitale Kompetenzen haben sich unsere Schüler durch den Umgang mit Technik zuhause angeeignet”, berichtet die Schulleiterin. Aus allen 20 Klassen der 101. Oberschule wurden Empfänger*innen der “neuen alten” Geräte ausgewählt.

Hey Alter! Gebrauchte Laptops für junge Menschen

Grundschulen und Kitas starten am Montag mit Einschränkungen

eingestellt am 12.02.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Blick auf die DRK-Kita "Claras Abenteuerland": Geöffnet, aber streng geregelt. Foto: Philine Schlick

Am Montag, dem 15. Februar, dürfen Grundschulen und Kitas wieder öffnen. Es gelten Einschränkungen, die beachtet werden müssen. Die Vorfreude auf das Wiedersehen ist auf allen Seiten groß.

Endlich wieder Schule! Wer hätte gedacht, dass dies ein Seufzer der Erleichterung sein könnte? Lange haben sich Kinder, Betreuer*innen und Lehrer*innen durch den Lockdown seit November 2020 nicht mehr persönlich gesehen. Am Montag öffnen Kitas und Grundschulen wieder ihre Pforten.

Getrennte Gruppen, viel Zeit draußen

“Ganz normal” ist der Start in den Kita- und Grundschulalltag natürlich nicht. Wie im Frühjahr 2020 gelten strenge Hygienekonzepte. Händewaschen, Wegesysteme, getrennte Gruppen, feste Klassen und viel Zeit draußen sind Maßnahmen, die das Infektionsrisiko minimieren sollen. „Die Erfahrungen aus dem eingeschränkten Regelbetrieb im vergangenen Jahr haben uns gezeigt, dass die Maßnahmen bei anhaltendem Infektionsgeschehen sehr wirksam sind“, erklärt Bildungsbürgermeister Jan Donhauser. Eltern sollen darauf achten, ihre Kinder entsprechend vorzubereiten und warm anzuziehen.

„Wir wissen, welche Herausforderungen die Dresdner Eltern in den vergangenen Wochen bewältigen mussten. Neben den allgemeinen Einschränkungen erlebten die meisten enorme Doppelbelastungen bei der gleichzeitigen Bewältigung von Arbeitsalltag und Kinderbetreuung”, erklärt Donhause weiter. Jetzt geht der Betrieb wieder los und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

“Aus den Medien ließ sich ja schon heraushören, dass es wohl bald wieder losgehen wird”, sagt Ines Frömmel, Schulleiterin der 102. Grundschule Johanna. “Wir wissen von vielen Eltern, dass den Kindern die sozialen Kontakte gefehlt haben.” Trotz aller Einschränkungen ist es ein lang ersehntes Wiedersehen. “Wir können natürlich nicht einfach mit dem Lehrplan weitermachen, sondern müssen uns einen Überblick verschaffen und an den Stand der häuslichen Lernzeit anknüpfen”, so Frau Frömmel.

Zu viel gezahlte Elternbeiträge werden zurück gezahlt

Da die Kinder in festen Gruppen mit festem Personal betreut werden, ist der eingeschränkte Regelbetrieb sehr personalaufwändig. Es kann daher sowohl in Kitas also auch Horten unabhängig von der Trägerschaft zu Einschränkungen bei den Öffnungszeiten kommen. „Uns ist bewusst, dass von den Einschränkungen besonders Familien betroffen sein werden, die auf diese Randzeiten angewiesen sind. Alle Dresdner Kindertageseinrichtungen werden ihre Öffnungszeiten deshalb sehr verantwortungsvoll überprüfen und nur dort einschränken, wo es unbedingt erforderlich ist“, so der Bildungsbürgermeister.

Angesichts der Wiedereröffnung wird das Amt für Kindertagesbetreuung im Februar 2021 die Elternbeiträge von Eltern mit Kindern in kommunalen Kindertageseinrichtungen einziehen. Der Einzug erfolgt bei allen Eltern, die ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt haben, automatisch am 15. Februar 2021. Eltern ohne SEPA-Lastschriftenmandat werden gebeten den gesamten Elternbeitrag für den Monat Februar eigenständig zu überweisen. Zu viel gezahlte Beiträge werden mit den Elternbeiträgen in den kommenden Monaten automatisch verrechnet.

Gespür für Schnee – Ein Winterwimmelbild in der Johannstadt

eingestellt am 19.01.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Winterlandschaft mit frohen Tupfen. Foto: Anja Hilgert

Winterweiße Weite – wie hat das gut getan: Die ganze Welt und alles darin verhüllt in Schnee soweit die Blicke reichen. Wie erfreulich, wie erlösend, als endlich mit diesem Wochenende sogar hier unten im Talkessel sich die Schneedecke über die innerstädtische Bewohnerschaft niedersenkte.

Und dann die Frage: Darf man sich freuen, an den vielen kunterbunten Tupfen und Punkten im Bild, die über die weißen Wiesen und Grünanlagen sich bewegen, kullern, drehen, springen, gleiten – darf man sich freuen, denn es sind Menschen, die sich da in der Winterlandschaft tummeln.

Menschen, die sich bewegen, zu Fuß, auf Skiern, mit Schlitten! Stadtbewohner*innen mit ihren Kindern, große und kleine, die einzeln und in kleinen Gruppen die Gelegenheit nutzen, endlich, endlich auch in den Schnee hinaus zu ziehen, den wir in solcher Ausschließlichkeit seit Langem nicht mehr hatten.

 

Bunt gepunktete Johannstädter Winterlandschaft.   Foto: Constanze Böckmann
Foto: Anja Hilgert

Gespür für Schnee

Alle diejenigen, die in den vergangenen Januarwochen artig im 15-Kilometer-Radius verblieben sind, die keine Hütte, kein zweites Häuschen, auch keine engen Verwandten haben, vielleicht nicht einmal ein Auto, um in die Zittauer oder Lausitzer Hügel oder gar ins verschneite Erzgebirge zu entfliehen, folgten ihrem Gespür für Schnee. 

Denn es war richtig, richtig Winter geworden. Winter, der schneekristallklar und eisig schneidend die ganze Umgebung in ein reines, klares Erscheinungsbild bringt, Konturen stärker zeichnet, Strukturen deutlicher malt, um alles Wesentliche in volle Sichtbarkeit zu heben.
Eine Zauberwelt aus Eisjuwelen, Klarheit und Sternchenglitzer.

 

Winterüberraschungen   Fotos: Anja Hilgert

 

Mit wippender Zipfelmütze im Winterwimmelbild

Das Sehnen wurde erhört. Petrus öffnete die Himmelspforten und Frau Holle schüttelte ihre Betten über uns aus. Die Menschen alle antworteten mit purer, kindlicher Freude. Zogen die bunten Anzüge und Jacken, Schneestiefel und Zipfelmützen an und wippten damit durchs Bild der unendlich weißen Landschaft.

Sogar an einem Montag, der doch im Normalgetriebe menschenleer in seinem Wochenanfangs-Takt verläuft, waren die Hänge bevölkert und Kinderscharen mit und ohne Eltern waren draussen, an der frischen Luft, mit hochroten Wangen. Die Ufer entlang der Elbe gaben ein Winterwimmelbild.
Ausgelassen den Hang runter rutschen, sich ganzkörperlich in die Schneemassen stürzen, mit der treibenden Flockenherde tanzen oder rücklings im Schnee liegen, mit Armen und Beinen rudernd zum Engelchen werden: So ist Winterwonne. Wirklich witzig, wie ausgerechnet der Winter, dieser harte Geselle wirkt, wenn er wie wild das Kind in dir weckt.

 

 

 

Figuren im Schnee und neue Formen der Besiedlung. Fotos: Anja Hilgert

So viele Schneemänner und überhaupt Schneekunstwerke wie in diesem Jahr hat die Stadt wohl noch nicht gesehen. Klar, jetzt war die Chance, mit Kindern oder ohne, auch allein, einfach nur ‘raus zu gehen, gemeinsamen Spaß und etwas zum Staunen zu haben.

 

Wer rollt die dicksten Kugeln

Pulver- oder Pappschnee, verharscht oder schon matschig, der Schnee kam in jeder Konsistenz gerade recht: Hauptsache, es war Material genug da. Die Wiesen hatten zum Glück für alle genug zu bieten. Es wurden Kugeln gerollt in sämtlichen Dicken und Größen, manche nur mit vereinter Kraft überhaupt noch zu drehen, manche liebevoll filigran wie aus Marmor so glatt. Mancher Mann war herausgefordert, die immer größer werdende Rolle zu stemmen und Kinder riefen vereint ihre Kräfte zusammen und packten mit Hau und Ruck eine auf die andere Kugel, größer als sie selbst übereinander.

Eiskugel-Rollen Fotos: Anja Hilgert

 

 

 

 

 

Ideen, wie dem ungehemmt rieselnden Weiß zu Leibe zu rücken war, gingen nicht aus. Mit Schippe, Plaste oder Tüte, mit verlorenem Handschuh und bloßen Händen oder mit Eimerchen und Schaufel – die Leute ließen sich alles mögliche einfallen, um den unbändigen Schnee zu formen.
Soviel Eifer und Kreativität, wo doch klar ist, dass es fast nur für den Moment und auf gar keinen Fall für die Ewigkeit ist, was da geschaffen wird.

Voller Eifer im Moment

Das haben Ronja und Pauline erfahren, denen ihr erstes Schneekugelhaus am Ende eingekracht wurde. Oder Luna und Auri, die den Kugelturm ihres Schneemannes eingestürzt fanden, als sie am nächsten Tag wieder gucken waren. Trotzdem fingen sie gleich wieder von vorne an. Und innerhalb einer Stunde so viele Kugeln zu rollen, um mannshoch ein Haus daraus aufzutürmen – das ruft nach Stadtmeister*innenschaft!

 

In nur einer Stunde errichtet: Johannstädter Eiskugelhaus Foto: Anja Hilgert

 

Bautechniken gibt es viele. Jede*r weiss noch einen Kniff, wie es besser hält, wie vielleicht noch ein eingefügter Stock die Ärmchen oder Bausteine verbindet und die Kugeln doch noch von aussen verschmiert und geschmirgelt besser haften, um gut und lange dazustehen.
Die städtische Landschaft jedenfalls erlebte einen Schmuck, der den diesjährigen Winter kürte. Und ja, in blanker Freude am Vergnügen lauter Schönes hervorbrachte.

 

Lauter Wasser

Wenn sie scheinen würde, die Sonne, ließe sich dieses Lied gut anstimmen und würde das Drama, das sich nun binnen eines Tages abspielt, mildern. Mit einem Mal schwindet die ganze wunderbare Welt der noch jungen Geschöpfe.

Nun scheint die Sonne so hell sie kann,
vor dem Walde, vor dem Walde.

Da fängt der Schneemann zu schwitzen an,
vor dem Walde, vor dem Walde.

Über uns, die wir nassgrau noch mitten im Januar stecken, ist weder der Himmel blau, noch strahlt die Sonne. Für Frühlingsgefühle ist es längst noch zu früh. Die Zeichen stehen eher nach Verlängerung des Einerleis.

Vor Wut wird er schon ganz gelb und grau,
und immer glänzt der Himmel klar und blau,
vor dem Walde, vor dem Walde.

Vielleicht werden nun, nach dem Getobe draußen, noch ein paar Erinnerungen zu Papier gebracht. Vielleicht wird in der Wohnung das Grinsen von manchem Schneemann noch ein bisschen in die Breite gezogen und es entsteht ein bunt gemaltes Winterwimmelbild, ein Gedicht, eine Schneegeschichte?

Ach, armer Schneemann, was wird aus Dir?
Lauter Wasser, lauter Wasser.

Von Hals und Nase schon rinnt es hier,
immer nasser, immer nasser

Die Zeit vergeht, kommt der Frühling her;
Die Lerche singt: „Hier ist kein Schneemann mehr,
lauter Wasser, lauter Wasser.“

Die Schwalbe ruft: „Er ist nicht mehr dort
Vor dem Walde, vor dem Walde!“

Der Rabe schreit: „Er ist endlich fort
Vor dem Walde, vor dem Walde!“

Wer Lust hat, malt und klebt und schreibt und dichtet und schickt seinen Beitrag an die Stadtteilredaktion, die dieses wunderbare Erleben von echtem Winter mit Euch gern in die Länge ziehen würde! 

Der Bach, der fließt durch das helle Land,
die Blumen blühen, wo der Schneemann stand,
vor dem Walde, vor dem Walde.

 

Fensterbrettschneemann Foto: Beate Sachsenweger

 

Vielfältige Einsendungen erbeten an: redaktion@johannstadt.de!

Ein Stück Johannstädter Kulturtreff im Briefkasten

eingestellt am 11.01.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Die Winteredition des Alternativprogramms des Johannstädter Kulturtreffs e.V. wartet noch auf reichhaltige Be(i)träge Foto: Johannstädter Kulturtreff e.V.

Der Johannstädter Kulturtreff e.V. ist als Soziokulturelles Zentrum der Dresdner Johannstadt eine wichtige Anlaufstelle für interkulturelle Begegnung und Austausch in unserem Stadtteil. Da sämtliche kulturellen Kurse, kreativen und sportlichen Angebote und Veranstaltungen aktuell ausfallen, sind die Anwohnenden abgetrennt von regelmäßigen Treffpunkten, Kreisen, Zirkeln und Runden mit Angeboten. Das soll eine alternative Lösung noch für die Winterzeit ändern.

Besonders betroffen ist der hohe Anteil von Senior*innen, denen nicht nur ein fester Bezugspunkt, sondern ein Hort an sozialen Kontakten wegbricht. Dem wirkte das Team des Johannstädter Kulturtreff e.V. schon zu Beginn des Lockdowns unmittelbar entgegen mit dem Signal, dass sich gerade jetzt niemand allein fühlen sollte.

Das alternative Angebot des „Virenschutzprogramms“ brachte liebgewonnene Formate von Strick- und Backanleitungen über Fitnessübungen, Sprachspiele und Rätsel zu den Menschen nach Hause: Per mehrseitigem Heft durch den Briefkasten in die umliegenden Haushalte. 

Von Juni bis Dezember 2020 sind vier Ausgaben erschienen, gefördert durch den Fonds Soziokultur, um Kontakt und Verbindung ins Viertel zu halten und Ideen zum Selbermachen zu teilen.

Vier Ausgaben haben bis ins neue Jahr die Situation gerettet, für 2021 wird Starthilfe gebraucht                                 Foto: Johannstädter Kulturtreff e.V.

 

Für die volle Alternative fehlt die Förderung

Nun ist die Förderung ausgelaufen und gleichzeitig hat sich die Phase des Lockdowns auf unabsehbare Zeit verlängert. Der Kulturtreff bleibt weiterhin geschlossen. Trotz Lockdowns soll aber gerade jetzt in der Winterzeit ein weiteres Stück Johannstädter Kulturtreff im Briefkasten erscheinen: Um eine Winteredition des Virenschutzprogramm herausgeben zu können, hatte der Verein über den Jahreswechsel ein Crowdfunding geschaltet: 

https://www.startnext.com/virenschutzprogramm

Ziel 1 von 2 erreicht

Im Finanzierungszeitraum vom 11.12.20 bis 08.01.21 wurden durch 31 Unterstützer*innen erfolgreiche 954 € an Spenden gesammelt.

Damit wurde allerdings nur das erste der Funding-Ziele erreicht: Eine Ausgabe, die Winteredition, des Johannstädter Virenschutzprogramms kann erscheinen. Die Druckkosten sind gedeckt, aber die festangestellten Mitarbeiterinnen des Kulturtreffs müssen für die Angebotsseiten des Heftes selbst kreativ und erfinderisch tätig werden.

Wäre das zweite Fundingziel 1.500 € auch erreicht, könnten den vereinsbekannten Dozent*innen angemessene Entschädigungen für Artikel und Ideenbeiträge gezahlt werden. So würden sie die Möglichkeit erhalten, sich durch inhaltliche Beiträge am Programm zu beteiligen. Da Honorarkräfte vorrangig freiberuflich tätig sind, befinden sie sich aktuell in einer prekären Lage.

Aufruf zur zweiten Runde

Der Kulturtreff hofft deshalb darauf, die Summe des zweiten Fundingziels noch durch weitere Spenden zu erreichen.

Sobald alle Artikel beisammen sind, wird alles wieder liebevoll von Lisa Metziger im Virenschutzformat arrangiert. Das Heft entsteht im A5-Format und wird in der Auflage von mindestens 3.000 Stück produziert. Und landet schließlich in den Johannstädter Briefkästen.

Sollte auch das zweite Fundingziel übertroffen werden, würde ab März ein weiteres Virenschutzprogramm für die Johannstadt herausgebracht.

Wer den Verein mit seinen Dozent*innen oder das Projekt des Virenschutzprogramms mit einer Spende unterstützen möchte, kann gerne folgende Bankverbindung nutzen – auch gegen Spendenbescheinigung:

Spendenkonto Johannstädter Kulturtreff e.V.:

Ostsächsische Sparkasse Dresden
IBAN: DE36850503003120001740
BIC: OSDDDE81XXX

Jeder noch so kleine Betrag hilft, ein Kulturprogramm in Ihren Briefkasten zu veröffentlichen.

Für weitere Informationen

Johannstädter Kulturtreff e.V.
Telefon: 0351 4472823

Zwei Frauen bewegen Menschen – Senior*innenarbeit neu angefasst

eingestellt am 20.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Dialogfähig bleiben in einer zeitgemäßen Senior*innenarbeit. Foto: Anja Hilgert

Zwei Frauen halten das tief in den Stadtteil eingetauchte Gemeinde-Netzwerk möglichst elastisch, denn die Fäden in ihren Händen werden gerade ganz schön strapaziert. Wenn der Blick erst einmal darauf gefallen ist, was die Senior*innenarbeit in der Johannstadt bewegt, so erscheint’s erstaunlich, wie stark da Verbindungen geknüpft sind voller Haltekraft.

Auf der Haydnstraße 23 spielt das lose Laub über die Treppenstufen. Das Gebäude sieht wie so viele öffentliche Häuser in der Stadt kaum Besucher*innen in diesen Tagen. Trotz ausgeklügelter Raumkonzepte und hoch diszipliniert eingehaltener Hygieneregeln können sich hier die Gemeindemitglieder nicht sammeln. Die vielen verschiedenen Kreise für Krabbelnde, Mädels, Junge Erwachsene, Aktive, Kreative, Blinde, Singende, Spielende, Männer, Frauen, Gespräch und Gebet Suchende sind derzeit ausgesetzt, vertagt, fallen aus. Menschen, die hierhin verbunden sind, vermissen ihre regelmäßigen Anbindungspunkte, missen die Gemeinschaft – doch fallen tun sie nicht. Dafür tragen zwei Frauen in der oberen Etage des Johanneshauses Sorge.

Blicköffnend war ein Besuch in der Kanzlei der Evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Johannes-Kreuz-Lukas, bei Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier, die hier die hauptberuflichen Senior*innen-Mitarbeiterinnen sind.

Zwei engagierte Frauen in der oberen Etage des Johanneshauses. Fotos: Anja Hilgert

Den Wert des Alters erkennen

Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier arbeiten schwerpunktmäßig in der Senior*innenarbeit. Was sie dort tun, ist nicht ohne Weiteres und schon gar nicht in einen fest definierten Rahmen zu setzen. Zu vielseitig, zu agil, zu reflektiert, beherzt, bedächtig, widerspenstig, zu grenzerweiternd wird hier mit Arbeitsaufgaben umgegangen.

Die alten Menschen und Alter überhaupt, das bei ihnen in der Obhut steht, hat der aktuelle öffentliche Fokus unter dem Aspekt gesundheitlicher Anfälligkeit, Gebrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit in die Aufmerksamkeit gerückt. Wie unter Zoom tragen die Alten unserer Gesellschaft die leidvollen Erfahrungen aus von Isolation, Trennung und Vereinsamung, die im Kern phänomenologisch betrachtet gesamtgesellschaftlich alle betreffen.

Da, wo Menschen alltäglich mit Alten arbeiten, erhält die Betrachtung zusätzliche Bildpunkte und Tiefenschärfe. Hier wird unabdingbar die seelische Annäherung an den späten Abschnitt im Leben eines Menschen vorgelebt. Um den jetzt erforderlichen, erneuerten Umgang mit dem Thema Alter, Krankheit und Sterblichkeit zu ermöglichen, braucht es eine Re-sensibilisierung für das Altern und die Bedeutung des Altseins an sich.

Eine Herausforderung, die sich an uns alle richtet. Im Stadtteilleben vor Ort, in das auch die Kirchgemeinde eingebettet ist, haben sich bereits vor einigen Jahren die Akteure zu einem Netzwerk „Johannstadt 60+“ zusammengeschlossen, um sich verstärkt den besonderen Bedürfnissen der Älteren in unserer Gesellschaft zuzuwenden. Dieses Netzwerk engagierter Johannstädter Senior*innenarbeit stiftet einen Horizont, in dem ältere und alte Menschen ihre Lebendigkeit wertschätzend (er)leben können.
Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier geben von ihrer Position aus wertvolle Impulse im Stadtteil und stiften Bande, die dem Wohl derer zukommen, die aus der gesellschaftlichen Mitte hinaus an ihren Rand gedrängt sind. Die Tür öffnet sich dem Versuch reiner Humanität, die nicht nach wirtschaftlichen Interessen funktionieren muss.

Ein dynamisches Gespann

Das Große Basteln genauso wie das gemeinsame Mahl zum Jahresende, mit einziehender jahreszeitlicher Dunkelheit für den November geplant, fallen mitsamt wochenlang ausgearbeitetem Raum- und Lüftungskonzept, den Teil-Lockdown-Verordnungen zum Opfer. Tätigkeiten, die den eintrübenden Geist aus Herbsttief und Winterloch manövrieren, können an den großen, bereits auseinandergerückten Tischen derzeit nicht gemeinschaftlich stattfinden. 

Für viel Arbeit, die in Vorbereitungen und noch mehr Vorbesprechungen geflossen ist, sei das ein krasser Rückschlag – könnte man meinen, doch so wird unter den beiden zuständigen Frauen nicht interpretiert. ‚Ausfallen‘ ist ein Wort, das diese beiden im Vokabular nicht führen. Dafür hat sie das vergangene halbe Jahr nach dem ersten Lockdown zu viel Anderes, Gegenteiliges, gelehrt.

Die Reaktion auf die erneute “Verunmöglichung” ist zuversichtlich aufs Machbare gerichtet, aufs Ermöglichen und Zusammenkommen: „Wir haben den allergrößten Teil unserer Veranstaltungen aus dem November hinaus in den Dezember hinein verschoben und hoffen nun auf eine gewisse Durchführbarkeit“, sagt Susanne Schmitt und kündigt die Angebote nun verschoben für den Advent an. Allerdings, wie aller Orten, herrscht die Unsicherheit, was die Verordnungen für den Adventmonat bringen und wie die Sächsische Landeskirche darauf reagieren wird. Viele Absprachen sind noch zu treffen, ein „Plan B“ wartet im Hintergrund, wozu Konfirmand*innen und Jugendliche aus der Jungen Gemeinde bereits ihre Bereitschaft signalisiert haben, um die adventliche Feierlichkeit für die Senior*innen zu unterstützen. 

Beide Frauen, soviel ist zu bemerken, gehören selbst einer Generation an, die das Alte zu hinterfragen und anzuzweifeln geübt hat: Als Kinder der 68er Generation, einesteils west-sozialisiert, andernteils im Umfeld der Kirche durch DDR-Zeiten manövriert, sind diese beiden Frauen zwei Pole, die sich fürs Leben einzusetzen gelernt haben. Und sie ergänzen sich – wie rot und blau – zu einem dynamischen Gespann.

Das Senior*innen-Arbeitszimmer entpuppt sich als Agentur zweier handlungsbewusster Menschen, die das Ruder gerade jetzt, in Zeiten von Gruppenverbot und Kontaktsperre, noch einmal zupackend umfassen.

Anne Mechling-Stier / Senior*innenarbeit im Johanneshaus  
Foto: Anja Hilgert

Lock down – Es geht auf andere Weise weiter

Während des ersten Lockdowns waren Susanne Schmitt und Anne Mechling-Stier bis Juni im Homeoffice und haben „dann aber den Hebel ziemlich schnell umgelegt,“ sagt Anne Mechling-Stier. Es sei um schnelles Umdenken, zügiges praktisches Handeln gegangen, ergänzt Susanne Schmitt „und gleich das Signal auszusenden: ‚Es geht auf eine andere Weise weiter.’“ 

Die Unmöglichkeit bzw. das Verbot, einander zu treffen und zu begegnen, grenzte für Manche ans Gefühl der Verzweiflung. Susanne Schmitt ist überzeugt, dass es lebens-wichtig ist für Menschen, im Sich-selbst-überlassen-Sein zu hören: „Wir haben Euch nicht vergessen.“

Die Frauen definieren sich in ihrer Rolle als Vermittelnde: „Im Kern geht es um Mitmenschlichkeit im Tun, Menschen tun etwas für Menschen.“ Die Arbeitsaufgabe war, so macht es Susanne Schmitt konkret, „die Nachbarschaften zu organisieren“ und „mikroteilig“ ein Netz aufzubauen, dass unter allen Beteiligten wie familiär funktionierte.
Und Anne Mechling-Stier setzt hinzu, „um Deprivation vorzubeugen.“ Das Ausgeschlossensein von alltäglichen Aktivitäten, abgetrennt von Familie, Bezugspersonen, Freunden, Bekannten und Kreisen, fern jeglicher Geborgenheitserfahrung  – erschwert den täglichen Lebensvollzug. Alte Menschen, die naturgemäß ohnehin mehr Zeit allein verbringen, sind durch die allgemeine Kontakt- und Ausgehverordnung allzu häufig an die Schwelle zur Vereinsamung geraten.

Im entstandenen Off richteten die Kanzlei-Mitarbeiterinnen als Erstes ein Senior*innentelefon ein. Beide waren fortan mobil erreichbar. Die Betagtesten sind nicht digital aufgestellt, also wurden alle per Brief angeschrieben und von den über 70jährigen haben die beiden Frauen zu zweit über 400 Leute angerufen, um die Lage zu ermitteln.
Susanne Schmitt: „Wir wollen fragen: ‚Wie geht es Ihnen? Was sind Ihre Bedürfnisse?‘“
Anne Mechling-Stier: „Wir gehen mit solchen Ohren um – wo ein Bedürfnis hörbar ist, wird sofort etwas unternommen.“

Im Ethos, den alten und älteren Menschen des Stadtteils Partner auf Augenhöhe zu sein, integrierten und kombinierten sie Bedarf und Ressourcen in ihrer Gemeinde und wurden damit zu Anstifterinnen völlig neuer Wege und Verbindungen.

Senior*innen-Projekte to go

Wie im Handumdrehen entstanden Angebote, die vorher nicht in Reichweite lagen: „Wir haben Dinge gemacht, die wir voriges Jahr nicht für möglich gehalten hätten,“ sagen die beiden Frauen. Über den Sommer wurde das gesamte Programm umgestellt, Kreise trafen sich abwechselnd und rotierend in den Sälen, erstmals gab es auch für Senior*innen „to go“-Angebote. Viele waren daran beteiligt, nicht nur als Teilnehmende, sondern als Aktive.

Erstmals fanden die „Senior*innen-Projekttage“ der Kirchgemeinde komplett als to-go-Angebote querverbindend durch die gesamte Gemeinde statt. Diese hatten als Thema das Paradies auf dem Programm und wurden als Stationen-Rundweg durch die beteiligten Häuser der Kreuzkirche, Lukaskirche und dem Johanneshaus angeboten. Besucher*innen konnten in bestimmten Zeitfenstern einzeln an unterschiedlichen Stationen rund um Adam und Eva in den Rundgang einsteigen und diverse kreative wie seelsorgerisch-geistige Angebote nutzen: Vom Ausstellungsbesuch übers Künstler*innengespräch hin zu kreativen Angeboten, Hoffnungssteinen, Gebeten und Einzel-Gesprächen mit Gemeindepädagog*innen, Pfarrer*innen, Senior*innenarbeiterinnen – das Angebot einer vielseitig aufgestellten Gemeinde war individuell live zu erleben. 

„Das war ein reicher zwischenmenschlicher Schatz trotz widriger Umstände,“ sagt Anne Mechling-Stier. Der ‚Paradies-Rundweg‘ fand hohen Anklang. „Es wurden immer mehr, die mit in den Garten gekommen sind,“ schwärmt Susanne Schmitt.

„Die Herausforderungen des Zusammenwachsens der drei Gemeindeteile zu einer großen Innenstadtkirchgemeinde wurden durch die Einschränkungen in diesem Jahr auf eine besonders harte Probe gestellt. Dankbar schauen wir besonders auf ein gelungenes Zusammenwachsen der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen,“ rekapituliert Susanne Schmitt. Und Anne Mechling-Stier ergänzt: „Wie schön, dass wir auch schon bei den Senioren*innen und den Ehrenamtlichen ein gegenseitiges Entdecken erleben. Wir bleiben neugierig aufeinander.“

Sitztanz im Garten Eden

Aus der Erfahrung, dass es z.B. in den 14-Geschossern der Holbeinstraße mehr Menschen gegeben hat, die Hilfe anboten als sie gebraucht wurde, wurde eine zusätzliche Idee ins Leben gerufen: Viele beteiligten sich, Briefe zu schreiben an Bewohner*innen der sechs Pflegeheime in der Johannstadt. Den Bedürftigsten wurden diese lieben Worte dann von Sozialarbeiter*innen in den Einrichtungen vorgelesen.

Im Pfarrgarten fanden von der Tanzleiterin Frau Barbara Blümel kreativ angeleitete Sitztanz-Kreise für Senioren*innen statt, die mehr und mehr Belebung durch begeisterte Teilnehmer*innen fanden. Tanzfreudige Senior*innen trafen sich kurzerhand sogar zu einem Tanz- Kreis im Großen Garten auf der Wiese vor dem Hygienemuseum.

Regelmäßig hielten die Pfarrer*innen der Gemeinde mit Lautsprecheranlage an den Pflegeheimen Andachten. Dass auch die Bläser spielten, hielt Anne Mechling-Stier für einen besonders wertvollen Beitrag. Nachweislich erreicht besonders das Musikalische die tief veranlagten Schichten menschlichen Empfindens und dringt gerade bei Demenz durch alles Vergessen hindurch zu den Menschen vor. Damit waren Signale gesetzt, die auch bei Pflegehilfskräften Alltags-auflockernd und positiv angekommen sind.

 Susanne Schmitt / Senior*innenarbeit im Johanneshaus
Foto: Anja Hilgert

Senior*innen-Fahrdienst

Für einen barrierefreien Zugang zu den Angeboten im Stadtteil entstand die bahnbrechende Idee eines Fahrdienstes. Schon zuvor war die Idee zu einer „Generationen-Rikscha“ in der Gemeinde geboren worden. Anne Mechling-Stier ist nicht ohne Grund stolz auf die Umsetzung dieses Projektes: Die Generationen-Rikscha der Kirchgemeinde ist nicht nur ein Publikumsmagnet auf allen Festen, sondern bietet alternative Mobilität und die mühelose Überwindung kürzerer Distanzen da an, wo manch eine*r nicht mehr selbst in die Pedale treten kann.

Ein regulärer Fahrdienst, das “Kirchentaxi” schwebte einer Ehrenamtlichen vor, die ihr privates Auto anbot zur Fahrt für Senior*innen, um sie zu Veranstaltungen und Gottesdiensten in der Gemeinde zu befördern. Fix wurden die Rahmenbedingungen besprochen: „Wie können wir’s organisieren?“ und es brauchte zur Koordination der Fahrdienste lediglich die Anschaffung eines mobilen Telefons – ab da war’s „eigentlich ein Selbstläufer.“
Es gibt die hauptamtlich verantwortliche Schaltstelle in der Kanzlei und die selbstorganisierte ehrenamtliche Koordination und Begleitung: Eine eigene Rufnummer leitet Anrufe direkt an den Fahrdienst des Gemeindetaxis. Auch kurzfristig ist das Bestellen einer Fahrt zum Gottesdienst möglich.
Verständnis ist auch da, wenn eine bestellte Fahrt kurzfristig abgesagt werden muss. „Keine Hemmung“, sagt die Organisatorin und hat Verständnis, dass gerade im Alter die Dinge von Tag zu Tag anders aussehen können. Dieser Fahrdienst hält das Angebot so niedrigschwellig wie möglich: Anruf genügt und das Taxi kommt oder kommt nicht, so, wie es gebraucht wird.

Das Kirchentaxi ist auch jetzt in dieser Zeit der Einschränkungen unterwegs – mit der Auflage einer zu tragenden Mund-Nase-Bedeckung.

Vor dem “Altenteil” geht noch was

Für den Anderen da zu sein, sich Gedanken zu machen, sich zu sorgen um den Nächsten und tätig zu werden, benötigte in kirchlichen Kreisen keinen mühevollen Aufruf. Ehrenamtliches Tun gehört hier zum Selbstverständnis des Gemeindelebens.

Pensionär*innen, die in der nacherwerblichen Phase sich noch nicht auf dem Altenteil fühlen, sondern spüren, ‚da ist noch was‘, und in hohem Alter voll im Leben stehen, waren vom neuen Geist, der in der Gemeinde jetzt schwelte, angesteckt. Sie wurden ermuntert, sich mit Ideen und Engagement aktiv zu beteiligen.
Susanne Schmidt findet entscheidend, „dass auch Ältere merken, ich habe ein Gewicht. Ich kann was bewirken.“ In der Notsituation, die der lock down war, fand sie wichtig, zu vermitteln: „Unser Stadtteil hat so viel zu bieten, es gibt so vieles an Angeboten, aber Du kannst Dich auch noch einbringen, Du kannst mitreden.“ Das Aktivieren der Menschen liegt ihr am Herzen. Das aus Improvisation und Experiment entstandene Jahresprogramm 2020 stellt unter Beweis, worauf beide Frauen Wert legen: „Mitzuerleben, ich tue. Nicht nur mit dabei sein, sondern ich darf auch mitentscheiden!“ Dem altbacken tradierten Bild, das von aussen gern herangetragen wird ans Gebiet der Senior*innenarbeit, widerspricht das Maß an aktiver Gestaltung und Beteiligung. Damit sind Zeichen gesetzt für die neu anzuschauende Zukunft.

Bis an die Haustür – der Besuchsdienst

Andere Menschen zu besuchen, ist ein fester Bestandteil der Gemeindearbeit. Man kennt einander, weiß umeinander, weiß, wo jemand allein ist, wo Gebrechen, wo Bedürfnisse sind. Der Besuchsdienst war als nachbarschaftliche Struktur 2011 von Susanne Schmitt neu belebt worden, um einerseits mit den jüngeren Senioren*innen in Kontakt zu treten und andererseits zu den Betagtesten „die Brücke aufrecht zu erhalten.“ Jetzt war er nötiger denn je. Und die Bereitschaft von Gemeindemitgliedern, andere im Alleinsein aufzusuchen, hoch: „Wir wollen auch in diesen Zeiten vorbei gehen, und wenn wir durch die Sprechanlage sprechen können.“ 

Jede*r  75jährige Jubilar*in wird bei sich zuhause besucht: „Weil Du da bist,  das ist eigentlich der Glückwunsch, wenn jemand Geburtstag hat.“ Die Jubilar*innen der Johannstadt sind von 75 bis 101 Jahre alt.
Darüber hinaus finden persönliche Besuche nach individuellem Bedarf und jeweiliger Einschätzung statt. Der Beziehungsaufbau lebe doch von der häuslichen Nähe, betont Susanne Schmitt, und dass man „,mal eine Hand auf die Schulter legen kann.“ Durchschnittlich werden allein bei den 75Jährigen 130 Besuche im Jahr gemacht von den 10 Ehrenamtlichen, die an der Türe läuten, wo ihr Besuch und damit Gespräch und liebe Geste erwünscht ist. 

Unter den Ältesten der Senior*innen ist die hochbetagte Altersgruppe den Pfarrer*innen zum Besuch vorbehalten. Da wandeln sich die Themen:
Die Lebensendlichkeit ist im hohen Alter ein die Tage ständig begleitender Gedanke. Viele Menschen haben da den Wunsch nach einem seelsorgerischen Gespräch, auch Menschen, die der Kirche weniger nah stehen. Die Frage, was mit dem Tod kommt und wie es sein wird, wenn, was jetzt ist, einmal nicht mehr ist, ist groß. Viele stellen sie sich erst, wenn spürbar das Leben zu Ende geht. Im Gespräch lassen sich die Fragen und auch Befürchtungen bewegen: Gibt es offene Rechnungen? Ist etwas noch wieder gut zu machen? Wie lässt sich vergeben?

Solche Fragen werden im Besuchsdienstkreis dennoch generell bewegt: Zur Stärkung dieses Ehrenamtes treffen sich die Ehrenamtlichen in einem eigenen Zirkel, der Austausch und auch Weiterbildung fördert. Alle 2 Monate findet eine “Supervision light” statt, um Raum für gemeinsames Betrachten, Sinnen und manchmal auch Beratschlagen zu schaffen für Erlebtes. Menschen, die gerne auch Besuche bei alten Menschen machen möchten, sind im Besuchskreis jederzeit willkommen sich anzuschließen.

Du beheimatest Dich nur, wo es verbindlich ist

Rückblickend auf dieses ungewöhnliche Jahr und den aufgestellten Jahresbogen sagen Anne Mechling-Stier und Susanne Schmitt einvernehmlich: „Wir haben uns eigentlich ganz gutgemacht.“
Sie sind an den widrigen Herausforderungen gereift. Eine andere Wertigkeit sei entdeckt worden, die lebensbejahende Weltbetrachtung habe sich bewährt und den Mut gestärkt, weiter Inhalte zu schaffen, die mit der ganz konkreten Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun haben. Menschen aufeinander zu zu bewegen, könnte als Motto über der Bürotüre stehen. 

Der Entschluss steht, Veranstaltungsformate über Bord zu werfen, die sich überlebt haben. Die Chance sei jetzt da, weiter hinaus zu treten aus dem Klischee der Seniorenkaffeefahrt.

Nur ist die Frage, wie weit die Puste reicht, vor allem auf der anderen Seite, in den häuslichen Wohnungen, wo es durch den lock down wieder einsam und still wird.

Die Adressen sind gesammelt von Menschen, „wo wir erleben, dass sie alleine sind, wo der Pflegebedarf steigt.“ Traditionell werden von vielen Freiwilligen, die in der Gemeinde alle Jahre wieder backen, basteln, Besinnliches stiften, Besuchs-Tüten gepackt für die Advent-Hausbesuche im Anschluss an den Diakonischen Gottesdienst zum 3.Advent.
Jede*r kann kommen, wer mag, um sie auszuteilen, ein Tütchen mit auf den Weg zu nehmen, für einen lieben Gruß an einer Haustür. Der Gottesdienst ist extra kurz gehalten. Das Foyer ist vollgestellt mit den bepackten Weihnachtstütchen für die Ältesten im Stadtteil: 100 Stück, und bisher haben immer alle ihren Weg zu den Menschen gefunden.

Ausblick Senior*innenangebote im Dezember

  • 03.12. Das Große Basteln für Jung und Alt – Eine Alternative im „to-go Format“ wird vorbereitet
  • 05.12. Senior*innen-Advent mit Überraschungs-Format – Eine Alternative als „Bringe-Variante“ durch die Konfirmanden und die Junge Gemeinde wird vorbereitet.
  • 07.12. Senior*innenkreis – Eine Alternative als „Postwurf-Sendung“ wird vorbereitet
  • 13.12. Diakonische Advents-Besuche im Anschluss an den Gottesdienst zum 3. Advent
  • 14.12. Frauen im Gespräch – Eine Alternative als „Postwurf-Gesprächsimpuls“ wird vorbereitet 

Weitere Informationen

Kunst im Umschlag – Ein Kreativprojekt für Mädchen durchbricht das Abstandsband

eingestellt am 23.06.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Mit kreativem Werkzeug und Farbe in Kontakt bleiben - Das Kreativprojekt für Mädchen in der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Seit zwei Jahren trifft sich eine Gruppe von Mädchen zum künstlerischen Experimentieren im kreativen Austausch mit zwei Künstlerinnen, die den Raum halten für freies, absichtsloses und unvorhersehbares Schaffen, das zu einmalig schönen Ergebnissen führt. Kreativwerkstatt hört sich gleich zweimal schöpferisch an: Sich von der eigenen Lust am Gestalten beflügeln lassen und eine Werkstatt vorfinden, die alles Benötigte an Materialien und Werkzeugen bietet.

Das Kursangebot von Anja Klengel, Kunstpädagogin und Kunsttherapeutin,  und Alexandra Mieth, freie Künstlerin, Kunsttherapeutin und Musikerin, gilt im Stadtteil als Geheimtipp. Seit zwei Jahren öffnen die Werkstattleiterinnen im Johannstädter Kulturtreff e.V. immer mittwochs weite Türen für zwölf unterschiedlichste Mädchen zwischen acht und 14 Jahren.

Mit einem künstlerischen Angebot, das in Qualität und Anspruch ausdrücklich auf Hochwertigkeit setzt, möchten die beiden Frauen insbesondere für Mädchen die Möglichkeit zu kultureller Teilhabe und persönlicher Entfaltung im Johannstädter Stadtteil eröffnen.

 

Alexandra Mieth (li) und Anja Klengel (re) halten die Werkstatt offen   Foto: Johannstädter Kulturtreff e.V.

Wir haben die Jungs nicht weggeschickt

Aus einer Hochdruckwerkstatt und dem Folgeprojekt einer Druckwerkstatt hat sich über zwei Jahre das Kreativangebot ‘Fingerabdruck’ entwickelt, eine Weiterentwicklung aus einem einmaligen Sommerferienangebot hin zum wöchentlich stattfindenden Kursangebot an Mädchen der Altersgruppe 8 bis 14 Jahre.

„Wir haben die Jungs nicht weggeschickt“, beteuern die beiden Leiterinnen. Es hat sich dahin entwickelt, dass sie diesen geschützten Raum anbieten, in dem Mädchen unter sich sind. Viele Mädchen hatten nicht nur das Bedürfnis nach kreativem Tun, sondern auch nach einem Treffpunkt.

Geplant war das nicht und hat sich eher zufällig und mit der Zeit so ergeben, bestätigt sich aber für die beiden Kursleiterinnen als kraftvolle Idee: Einfach sein zu können, wie sie sind, und tun zu können, worauf sie wirklich Lust haben und was ihnen im Moment entspricht, keine Forderung oder Verpflichtung verspüren, nichts zu müssen, erweist sich für die Mädchen als kostbare Erfahrung.

Künstlerisches Ergreifen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was passt zu mir?

Die Werkstatt macht das Ergreifen der eigenen Lust am Gestalten möglich: Hier ist jede, die kommt, voll für sich selbst verantwortlich. Es gibt keinen Auslöser für den Druck gefallen zu wollen, sich abgrenzen, durchsetzen oder konkurrieren zu müssen. Das Gegenüber für unterschiedlichste mitgebrachte Emotionen und Gedanken, ist das zur freien Verfügung gestellte Material der Werkstatt.

Für die beiden Künstlerinnen Anja Klengel und Alexandra Mieth ist das der pädagogische und auch therapeutische Auftrag ihrer Arbeit: „Es geht um vorpubertäre Themen“, fasst Anja Klengel die Bedürfnislage zusammen: „Die vielen entscheidenden Fragen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was sind meine Stärken, meine Schwächen? Was passt zu mir? Wie bin ich in meinem Körper?“

Wunderliche Wandelwesen     Foto: Anja Hilgert

Mit allen Sinnen aktiv

Unterschiedlichste Methoden aus dem Bereich der Bildenden Kunst, die immer variieren, immer andere Impulse setzen, funktionieren als Anstiftung, mit allen Sinnen aktiv zu werden. So gibt es überraschende selbst entwickelte Antworten bei der Erforschung und Entdeckung von sich selbst und der Umwelt.

„Entscheidungen für die oder die Methode werden immer aus dem Prozess der Gruppe getroffen“, erklärt Alexandra Mieth, die Leidenschaft darin entfaltet, die Mädchen auf ihren kreativen Reisen zu begleiten und zum gegenwärtigen Entwicklungsstand passende künstlerische Methoden vorzustellen.

Die Vertrautheit beider Kursleiterinnen miteinander fördert einen leichten, spielerischen Zugang, die Disziplinen auch einmal miteinander zu verknüpfen: Ergänzend bieten sie Yoga und Bodypercussion an, um mit dem eigenen Körper in Verbindung zu kommen. Überhaupt aufzuspüren, was individuell an dem Tag ansteht.
Um Tatkraft und Begeisterung müssen sie sich nicht bemühen, die fließen reichlich. Da gilt es eher, rechtzeitig zu erkennen: „Die müssen sich auch mal groß ausbreiten dürfen,“ und an der Wand oder auf dem Fußboden entsprechende Formate bereit zu halten.

Fisch - Ein Begriff macht den Anfang. Foto: Anja Hilgert
Fisch – Ein Begriff macht den Anfang. Foto: Anja Hilgert

Was dann sichtbar wird wird "Kunst im Umschlag" Foto: Anja Hilgert
Was dann sichtbar wird wird “Kunst im Umschlag” Foto: Anja Hilgert

Ein Schutzraum vor Leistung

Ihren Kurs bezeichnen sie als „Ausgleich zum leistungsorientierten Schulalltag“.
Gerade vor dem Hintergrund von LernSax und Homeschooling und unter unmöglichen Bedingungen weiter zu erbringenden ‚Leistungserhebungen’, sei deutlich geworden: „Es ist ein erklärter Schutzraum vor Leistung“. Häufig ginge es besonders bei Mädchen darum, „ gut zu sein, besser zu sein, hübsch zu sein, zu brillieren – Wir denken nicht ‚Jetzt müsste sie doch’, wir versuchen das nicht zu pushen“, sagt Anja Klengel.

Über die Kinder reicht das Angebot bis nach Hause zu den Eltern, die erkennen können, „wie wichtig ist Kreativität und dass die Töchter den Raum dafür haben.“

Alles anders im Shut down

Seit März diesen Jahres aber war alles anders: Infolge der Pandemie blieb der Johannstädter Kulturtreff e.V. (JoKT) geschlossen. Es war unmöglich geworden, sich überhaupt miteinander zu treffen. Pinsel, Stifte, Farben und Papier blieben unabgeholt im Regal und fanden nicht mehr zusammen. Es entstanden keine Bilder mehr. Keine Farbmischungen und auch nicht die Linie einer Zeichnung. Die blieben bei den Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig das Angebot aufgesucht hatten, in den Köpfen und Gliedern stecken. Und keiner zuhause, der das wie sonst immer mittwochs abholte.

Griff in die Fülle: Kunst im Umschlag. Foto: Anja Hilgert
Griff in die Fülle: Kunst im Umschlag. Foto: Anja Hilgert

Schulsozialarbeiter berichten im Nachgang der coronalastigen Zeit, wie die plötzlich verordnete Isolation und die anmoderierte Spontan-Digitalisierung für Kinder und Jugendliche noch einmal anders Spuren hinterlassen hat, als es Statistiken von Wirtschaft und Finanzmarkt führen können.

Verunsicherungen, Sorgen und Nöte verliefen oftmals im Unsichtbaren, ohne mitgeteilt bzw gehört zu sein und nicht selten griff die schleichende seelische Belastung tiefer unter die Haut, wie die Dresdner Kinder- und Jugendbeauftrage Anke Lietzmann zum Kindertag vermeldete (johannstadt.de berichtete).

Abstand einhalten, Distanz überbrücken

Um es dahin gar nicht erst kommen zu lassen, ließen sich Anja Klengel und Alexandra Mieth etwas einfallen, um ihre jungen Teilnehmerinnen trotz Kontaktverbot dennoch zuhause zu erreichen und miteinander in Verbindung und Austausch zu bringen. Natürlich auf künstlerischem Kommunikationsweg: Das Kursprojekt ‘Kunst im Umschlag’ wurde geboren.

Ein Kreativprojekt aus der Werkstatt auf digitale Medien umzustellen, „fühlte sich sperrig an“, sagt Anja Klengel, „lieber nah dran bleiben und praktisch was machen.“ Dennoch schickte sie zuerst eine Einladung zum Zoom-Meeting in die Runde – und erhielt keine Rückmeldung.
So entstand die alternative Idee, um im Abstand die Distanz aufzubrechen.

Schaffen Perspektive: Alexandra Mieth und Anja Klengel                                     Foto: Anja Hilgert

Wenn Dir eins nicht zusagt, schick’s zurück

In einen DIN-A4-Briefumschlag steckten sie zwei beliebige Bildanfänge zum Auswählen: Wenn Dir eins nicht zusagt, schick’s zurück“, stand dabei, mit passender Gebrauchsanweisung zum weiteren Vorgehen. Gearbeitet wird mit Absender-Codes, „um nicht richtig zu wissen, wer hat das jetzt gemacht.“

So liegt von Anfang an die Betonung auf dem Ganzen als einem künstlerischen Prozess, an dem gleichwertig verschiedene Künstlerinnen miteinander wirken. Was entsteht, ist offen. Das ist als Zielsetzung wichtig: Es gibt kein Ziel zu erreichen. Alles entsteht im gemeinsamen Unterwegs-Sein.

Die jeweils weiter daran arbeitende Künstlerin wird intuitiv und spontan bestimmt: „Wer könnte sich angesprochen fühlen? Wer braucht gerade etwas?“ Insgesamt arbeiten zwei bis vier Mädchen am Bildprozess. Jede Adressatin aus dem Kreis der Mädchen arbeitet dann für sich selbst am zugesandten Bild ihrer Wahl weiter, so weit sie möchte und vermag und schickt es zurück an die Leiterinnen.

Manchmal ein Tag, manchmal zwei Wochen

Ein frankierter Rücksendeumschlag liegt dabei – „Es ist ein kostenfreies Angebot und soll auch in schwierigen Zeiten ohne Kosten für die Teilnehmenden sein.“ Unterstützung gab es für das Projekt im Programm ‘Kultur macht stark. Bündnis für Bildung’.

Den Anfang finden: Hut, Amboss, Blumentopf oder Pullover oder ganz etwas Anderes?      Foto: Anja Hilgert

Manchmal lag zwischen Beginn und Fertigstellung ein Tag, manchmal zwei Wochen, erzählen die Kursleiterinnen. Die finale Entscheidung liegt dann bei der kunstpädagogischen Einschätzung der beiden Frauen, die auch Sammelstelle für alle fertiggestellten Bilder sind.

Auf der Internetplattform Artdoxa findet sich eine erste virtuell ausgestellte Sammlung aller in diesem Zeitraum entstandenen Bilder. Der tatsächliche Schatz an fertig gestellten Bildern wartet nun auf die, die ihn geschaffen haben in der Werkstatt des JoKT: Die Aussicht darauf klingt bei beiden Kursleiterinnen sehnsüchtig vorfreudig: „Wenn wir uns wiedersehen dürfen…“

Detailgestaltung aus dem Zufall  Foto: A. Hilgert

Einem Farbfleck vertrauen

Ideen kommen mit dem Tun. Sich aufs Papier einlassen, das mit nur einer Spur an Bemalung oder Zeichnung versehen ist oder nur ein Element von irgendetwas aufweist, von dem man auch nicht genau weiß, was es ist. Sich einfach einlassen auf das, was da ist. Das schafft eine besondere Ruhe, die immer irgendwo im Zeitrahmen des Kurses auftaucht und wie als Lotsin die Gruppe ins Tun bringt.

Jede für sich beginnt, an einem Punkt auf dem Papier. Hier in der Werkstatt geht es so zu, dass etwas frei entstehen darf. Es entsteht unter der Hand, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Die Mädchen sind meist selbst überrascht, was sie hervorbringen und was das Bild ihnen zeigt: Das ist durch Dich entstanden. Das hast Du geschaffen. „Welten eröffnen, die möglicherweise einen bleibenden Platz haben im Leben,“ nennt Alexandra Mieth dieses Ergebnis.

Das Bild gehört allen

Wie die Mädchen aufeinander eingehen, begeistert die Künstlerin, was sie im Umgang miteinander voneinander lernen: „Achtsam sein, feinfühlig werden, Gespür entwickeln für Grenzen, was geht noch, was nicht mehr. Dass jemand gewaltig drüber malt ist nie vorgekommen. Es gibt eine große Ehrfurcht und eher die Frage, ‚Darf ich hier was dazu machen.’“

Gruppenprozesse in gemeinsamen Bildentwürfen beweisen: Das Bild gehört allen und ist nur da aus allen. Das fällt beim Betrachten der Bilder auf: Verschiedenheit des Ausdrucks auf einem Blatt, mit Überschneidungen, Berührungen, Nebeneinander, Ergänzungen, Humor und Leichtigkeit. Es ist ein Spiel miteinander, das mit vielen Künstlerinnen am Werk reiche, farbintensive und erzählfreudige Bilder schafft.

Blickwechsel aus verschiedenen Brillen                    Foto: A. Hilgert

Zu dem Projekt kommen immer wieder einmal neue Mädchen dazu, manchmal über Umwege. Eine Schulsozialarbeiterin hatte in der Schulberatung die Brücke zum Projektangebot geschlagen. So kam ein Mädchen in die Werkstatt dazu, die aus ihrem Kulturkreis heraus nicht einfach im Stadtteil für Aktivitäten außerhalb der Schule hätte unterwegs sein dürfen. Hierher brachte sie nun die Mama und holte sie nach den Kursstunden wieder ab. Nach ein paar Mal durfte das Mädchen sogar alleine vom Kurs nach Hause gehen.

Wiedereröffnung am 15. Juni 2020

Der Impuls der Kreativwerkstatt wird mittlerweile durch die Johannstadt bis in viele Kulturkreise hinein getragen. Über das Teilen von Erfahrungen spricht sich das Angebot positiv in der breiten Klientel des JoKT herum: „Aus sich heraus bringt es kaum jemand zur verbindlichen Anmeldung. Es braucht Menschen, die über die Schwelle begleiten“, sagt Anja Klengel, „Bewerbung über Flyer bringt nicht viel, es läuft über persönlichen Kontakt. Wir könnten uns auch Vorstelltage in Schulen vorstellen.“

Die Wiedereröffnung des Johannstädter Kulturtreff e.V. am 15. Juni fällt in den Zeitraum des 30-jährigenVereinsjubiläums. Die Macherinnen haben dazu unter den notwendigen Hygiene-Auflagen das “Virenschutzprogramm” zusammengestellt, in dem kostenlose Kursangebote Brücken bauen in Freiräume freudvoller Lebensgestaltung. Ideen und Impulse der Soziokultur, um neue Anfänge zu stiften für junge bis alte Bewohner*innen des Stadtteils, sich aktiv einzubringen und untereinander kreativ Kontakt zu finden – auch die Kunst im Umschlag ruft auf, Anfänge für neue Bilder zu gestalten!

Weiterführende Informationen

  • Malwerkstatt jeden Mittwoch zwischen 15.30 und 18.30 Uhr im Johannstädter Kulturtreff, Elisenstraße 35