Der Andrang war groß bei den zweiten Hochhausmelodien des Kunsthaus Dresden im Mehrgeschosser Florian-Geyer-Straße 15. Kulturradio und Lokalzeitungen hatten sie fleißig beworben, die Hausbegehung der besonderen Art, und so pilgerten zahlreich Menschen zu Fahrstuhlmusik und Couch-Konzert. Zwischen den Inszenierungen fand sich so manche reale Begebenheit, die im Kontext skurril anmutete …
“Das fühlt sich an wie vierhundert”, sagt Frieder Zimmermann. Gemeinsam mit Caterina Other und Jessica Jäckel bildet er die Band Tworna, die gerade nach ihrem Auftritt im Wohnzimmer von Frau Thielemann im vierten Stock zwischen Wohnküche und Schrankwand ihren Applaus entgegennimmt. Tatsächlich brandet dieser ähnlich gewältig wie die Wogen unter dem Schiff auf dem Bild an der Wand. Etwa zehn Zuschauer*innen sind in große Filzlatschen geschlüpft und haben sich auf Sofas und Stühlen breit gemacht. Eine halbe Stunde lang durften sie lauschen, dann wartete schon die nächste Besatzung.
Lohnende Hürden
Bis zum ersten Konzert galt es für die Gäste, etliche Hürden zu nehmen: Anmeldung im Vorfeld für je nur eine Veranstaltung pro Person, rechtzeitige Abholung der reservierten Karten vor Ort (mit persönlicher Unterschrift!), Eintragung in die Warteliste bei weiteren Konzertwünschen. Dann das Warten auf den goldenen Gong und Abfahrt mit dem Fahrstuhl in die entsprechende Etage pünktlich zehn Minuten vor Konzertbeginn. Puh, geschafft! Der meisterhaften Logistik war es letztendlich zu verdanken, dass der “Sturm aufs Wohnheim” gesittet und reibungslos verlief.
Doch, Moment mal, warum dürfen diese zwei Herren hier eigentlich ohne Ticket vorbei? Ach so, ein Umzug. Höflich aneinander vorbei gedrängelt konnte sogar noch dieser inmitten des Ausnahmezustands gemeistert werden. Und dann war da noch die Dame, die im ungewöhnlichen Getümmel ihre Wohnung nicht wiederfand und bei ihrer Suche durch alle Stockwerke von allen Seiten eskortiert wurde …
“War das jetzt echt?”
Und der Ruf “Können Sie mal ein bisschen leiser machen im sechsten Stock!” – gehörte der jetzt zur Inszenierung oder war er echt? Vorsichtshalber auf leisesten Sohlen erklimmen wir den 15. Stock, um auf der Fahrt nach unten die angepriesene Fahrstuhlmusik zu genießen. Nur zwei Personen auf einmal sind erlaubt bei diesem intimen Konzert.
Die Geige von Emily Yabe fiedelt sich in höchste Höhen, aber die Fahrt geht abwärts – die Sinne geraten durcheinander. Die Fahrstuhl- wird zur Raumfahrt. Siehe da, ein Stück Himmel zittert auf dem Bauch der Violonistin. Die Musik steigert sich zu einem nervenzerfetzenden Crescendo – die Türen öffnen sich. Wie ertappt sitzt man da – im falschen Stockwerk. Die Türen schließen sich wieder und beim nächsten Halt ist die wohl kurzweiligste Fahrstuhlfahrt der Welt schon vorüber.
Draußen vor dem Café für Alle ist das Gitarristen-Duo von verträumter Lounge- zu süffiger Blues-Musik übergegangen. Das mag mit dem rauer gewordenen Wind zusammenhängen. Die Musikusse spielen tapfer weiter. Auf dem Kuchenbuffet lockt schon wieder eine neue Kreation und “frischer Kaffee ist fertig!”
Die Wartezeit lässt sich angenehm vertreiben. Ein paar Meter weiter scheint sogar die Sonne. Blinzelnd und mit in den Nacken gelegtem Kopf klettert der Blick am Hochhaus hinauf, auf dessen Balkonen Menschen ins Land zeigen auf ihrer Pause von der Wanderung durch das Hochhaus.
Sie haben dieselbe Veranstaltung besucht und alle etwas anderes gesehen.
Hinweis der Redaktion: Der im Rahmen des Projektes „Online-Stadtteilmagazin“ erschienene Beitrag wurde nicht von der Landeshauptstadt Dresden bzw. dem Quartiersmanagement erstellt und gibt auch nicht die Meinung der Landeshauptstadt Dresden oder des Quartiersmanagements wieder. Für den Inhalt des Beitrags ist der/die Autor*in verantwortlich.